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DOI: 10.1055/a-0803-2607
Intensivmedizin: Dysphagie nach Intensivbeatmung
Publication History
Publication Date:
17 January 2019 (online)
Störungen der Schluckmotorik und des Speichelmanagements bei kritisch kranken Patienten sind häufig und ursächlich für Aspirationspneumonien, konsekutiven Tracheotomien und verzögern oft die enterale Ernährung. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Dysphagie die Erholung von einer schweren Erkrankung verzögert, Malnutrition und Kachexie induziert und Beatmungsdauer sowie Krankenhausverweildauer erhöht.
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Die Inzidenz der Dysphagie nach Intensivbeatmung ist unklar. Kleinere heterogene Kohortenstudien oder Studien bei Hochrisikopatienten, z. B. nach stattgehabter Aspiration zeigen eine Inzidenz zwischen 3 – 62 %. Dies ist vermutlich durch den unterschiedlichen Zeitpunkt des Dysphagie-Screenings, der Patienten-Selektion und dem oft fehlenden Follow-Up zu erklären.
Auch die Ätiologie ist nicht ausreichend untersucht und meist multifaktoriell. Einerseits werden die Critical-Illness Myo- und Polyneuropathie sowie eine gestörte Vigilanz diskutiert. Andererseits ist auch die Polypharmazie auf Intensivstation, das direkte oropharyngeale Trauma durch Tubus und Sonden, Darmatonie und gastrale Paralyse sowie die Intensivbeatmung zu nennen.
Das Dysphagie-Screening ist aufwendig und führt zu erhöhten Personal- und Materialkosten. Als günstige Alternativmethode ist der Wasserschlucktest („Water swallow Test“) eine einfache Methode, ein bettseitiges Dysphagie-Screening durchzuführen. Der folgende Link zeigt den Ablauf des Screenings: www.youtube.com/watch?v = x_sssJErd6U.
Wissenschaftler der Universitätsklinik Bern, Schweiz, initiierten deshalb eine prospektive Beobachtungsstudie nach 1304 Extubationen (1200 Erstaufnahmen auf ICU, 104 Wiederaufnahmen) an 993 erwachsenen Patienten nach Intensivbeatmung. Insgesamt 3 Monate wurden alle wachen, extubierten bzw. dekanülierten Patienten, die auf Aufforderungen reagierten, in die Studie eingeschlossen. Das Dysphagie-Screening wurde in den ersten 3 Stunden durch ärztlich geschultes Pflegepersonal mithilfe des standardisierten Wasserschlucktests nach Extubation durchgeführt und die Patienten über 90 Tage beobachtet. Bei positivem Dysphagie-Screening wurde ein zweites Screening durchgeführt. Waren beide Screeningdurchläufe positiv, wurde das Ergebnis durch einen Logopäden innerhalb der ersten 24 Stunden revalidiert und der Patient bis dahin ausschließlich über eine gastrale Sonde ernährt.
Als Parallelgruppe diente ein ähnliches Patientenklientel am Universitätsklinikum Kuopio, Finnland, das über den gleichen Zeitraum rekrutiert, evaluiert und nachbeobachtet wurde.
Um eine Korrelation zur Erkrankungsschwere zu untersuchen, wurden zusätzlich APACHE-II- und SAPS-II-Punkte erfasst. Zusätzlich wurden TISS-28-Punkte, Beatmungszeiten, Katecholamintage, Nierenersatztherapie und Antibiotikaverbrauch registriert.
Das Ergebnis der Studie zeigen die [Tab. 1], [Tab. 2] und [Tab. 3].
n |
Restitutio ad integrum |
Persistierende Dysphagie |
|
KH-Entlassung mit Dysphagie |
90 |
32 |
58 |
Die Studie zeigt durch ihr für viele Akutkrankenhäuser repräsentatives Design die hohe Inzidenz der Dysphagie (12,4 %) – in diesem Falle – nach Beatmung auf der Intensivstation. Dabei wurden 65 Patienten, die tracheotomiert von ICU entlassen wurden, nicht berücksichtigt, sodass die Inzidenz vermutlich noch höher liegen sollte. Die Dysphagie blieb auch nach Risikoadjustierung für die Erkrankungsschwere ein unabhängiger Prädiktor für eine erhöhte 28 und 90 Tage Mortalität.
Auch die Assoziation zwischen der Erkrankungsätiologie insbesondere neurologischer, aber auch kardiovaskulärer und traumatischer Genese konnte herausgearbeitet werden. Die Ressourcenallokation – gezeigt durch den TISS 28 Score – ist in der Dysphagie-Gruppe deutlich höher, sodass ein Dysphagie-Screening wie in dieser Studie beschrieben sinnvoll erscheint. Andererseits wird auch deutlich, dass der Einsatz von logopädischen Fachkräften neben der Präsenz von Physiotherapie und Ergotherapie unabdingbar ist. Erschreckend ist die hohe Rate persistierender Dysphagie nach Krankenhausentlassung.
Dr. Ralf Quabach, Solingen
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