Liebe Leserinnen und Leser,
Die Erkrankung Lipödem hat in den letzten Jahren zunehmend mediale Aufmerksamkeit
erhalten. Betroffene Patientinnen haben sich in Selbsthilfegruppen formiert und
stellen öffentlich Ansprüche an eine Anpassung der von den gesetzlichen
Krankenversicherungen erstatteten Therapie. Da die Ätiopathogenese bislang
weitgehend ungeklärt ist, erfolgt zum aktuellen Zeitpunkt hauptsächlich eine
symptomatische, stadiengerechte Therapie durch komplexe physikalische
Entstauungsmaßnahmen. Hierdurch kann jedoch keine Reduktion des krankhaft vermehrten
Fettgewebes erreicht werden, es gelingt in den meisten Fällen lediglich die
Progredienz der Erkrankung zu limitieren. Als Maßnahme zur dauerhaften Reduktion des
Fettgewebes kann die Liposuktion an betroffenen Extremitäten eingesetzt werden. Die
Behandlung des Lipödems mittels Liposuktion ist Domäne der Plastischen Chirurgie und
fester Bestandteil der Facharztweiterbildung. Plastische Chirurgen beherrschen
diesen Eingriff wie kein Zweiter und können dadurch in vielen Fällen den
Leidensdruck von Patientinnen und Patienten verringern. Aktuell liefert die
Studienlage jedoch lediglich Hinweise der niedrigen Evidenzklasse IV im Sinne von
Expertenmeinungen bezüglich dieses Interventionsverfahrens. Aus diesem Grund werden
die Kosten für eine Behandlung durch die gesetzliche Krankenversicherung meist nicht
erstattet. Hinzu kommt, dass aktuell Kostenübernahmen für eine Liposuktion basierend
auf der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24.04.2018 (Bundessozialgericht,
Urteil vom 24.04.2018, Az.: B 1 KR 13/16 R) abgelehnt werden. Die Behandlung einer
medizinischen Erkrankung wird so zur „Selbstzahleroperation“, die von
profitorientierten Instituten angeboten wird. Oft wird der Chirurg zum Handlanger
von überregional agierenden Firmen degradiert. Gleichzeitig wird Patientinnen und
Patienten ohne entsprechenden finanziellen Hintergrund der Zugang zu dieser
Behandlungsmethode verwehrt.
Aus diesem Grund soll das Verfahren nun durch eine vom G-BA ausgeschriebene
randomisierte klinische Multicenterstudie erprobt werden. Unter Federführung der
Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen
(DGPRÄC) ist ein entsprechender Antrag eingereicht worden. Basierend auf den
Ergebnissen soll eine Entscheidung darüber getroffen, ob die Leistung in den Katalog
der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen wird.
In diesem Themenheft wurden durch Arbeiten von Autoren aus unserer Fachgesellschaft
DGPRÄC neue Daten zu den Hintergründen der Erkrankung zusammengefasst. Mojtaba Ghods
aus Potsdam hat wesentlich zum Gelingen dieses Heftes beigetragen. Ihm sei herzlich
für sein Engagement gedankt. Die Publikation neuer Ergebnisse und die
kontinuierliche Fortbildung bezüglich dieses Krankheitsbilds kommt letztlich den
betroffenen Patienten zugute.
München im November 2018
Riccardo Giunta