Nach der Auswertung der erfassten Daten lässt sich mithilfe des
Leistungserfassungssystems eine Personalplanung realisieren, die sich an den
tatsächlichen Bedarfen der Intensivstation orientiert. (Quelle: vegefox.com_AdobeStock)
Alle Intensivpflegeeinheiten der Charité – Universitätsmedizin Berlin nutzen nur noch
ein Patientendatenmanagementsystem (PDMS), das fächerübergreifend identisch in
seiner Oberflächenstruktur ist. Pflegeplanung und Dokumentation der durchgeführten
Pflegemaßnahmen erfolgen einheitlich unter Nutzung der NANDA Pflegediagnosen, die
verpflichtend anzuwenden sind. Die vier Punkte
-
ein Dokumentationssystem
-
vereinheitlichte PDMS-Struktur
-
einheitliches Pflegeplanungstool
-
standardisierte (modulare) Dokumentation im Pop-up-Design sowie Text- und
Planungsbausteine (für alle im PDMS dokumentierenden Berufsgruppen)
waren entscheidende Voraussetzungen, um Pflegeleistungen in den Intensivstationen in
gleicher Weise dokumentieren, ableiten, auswerten und miteinander vergleichen zu
können.
Nach der Entscheidung zur Einführung des Leistungserfassungssystems
INPULS® im Jahr 2015 wurden erste technische Schritte zur Integration
in das bereits bestehende PDMS umgesetzt. Zur Abbildung der retrospektiv erhobenen
Pflegekategorie (PK) ist zusätzlich ein Pflichtfeld zur Angabe des numerischen Werts
und ein Zusatzfeld für die Begründung der Einstufung geschaffen worden. Dieses Feld
wird von den Pflegenden jeweils nach Mitternacht (für den Vortag) oder zeitnah im
Verlauf eines Behandlungstags, z. B. bei Verlegung, Entlassung oder Tod eines
Patienten, ausgefüllt.
Der Einsatz eines elektronischen PDMS bietet die Möglichkeit der Ablage einer
Vielzahl von pflegerisch und ärztlich erhobenen Daten, die in der täglichen
Patientenversorgung anfallen. Somit sind ein direkter Zugriff und die Auslesung
aller Daten zur zentralen Auswertung wesentlich leichter möglich als bei einer
Papier-gestützten Dokumentation.
Erstmals Daten zum Pflegeaufwand auf den Intensivstationen der Charité
Erstmals Daten zum Pflegeaufwand auf den Intensivstationen der Charité
Bis zur Einführung von INPULS gab es keine Möglichkeit, eine Aussage über reine
Pflegeaufwände von Patienten der Intensivstationen der Charité zu treffen.
TISS (Therapeutic Intervention Scoring System), SAPS (Simplified Acute Physiology
Score), SOFA (Sequential Organ Failure Assessment) etc. fanden und finden
systematisch Anwendung und sind fester Bestandteil täglicher Erhebungen im Rahmen
der Dokumentation, zur Beschreibung der Fallschwere, auf den Intensivstationen.
Allerdings unterliegen sie alle einem Mangel, wenn sie zur Aufwandsmessung oder der
Abbildung von Personalbedarfen herangezogen werden. Sie bilden pflegerische
Leistungen nur indirekt oder gar nicht ab. Selbst bei separater Betrachtung von
Zusatzaufwänden wie Transporten, Isolationsmaßnahmen, Mobilisations- und
Transferhäufigkeiten etc. war eine Aussage zum Pflegeaufwand oder zu einer
notwendigen pflegerischen Personalstärke pro Tag, pro Schicht oder pro
durchschnittlichem Betrachtungszeitraum nur sehr eingeschränkt möglich. Aufwände zu
Hygienemaßnahmen, Sterbebegleitung oder Angehörigenbetreuung fehlen gänzlich in der
Betrachtung. Administrative Tätigkeiten, die zwangsläufig auf jeder Station, in
jeder Versorgungs- und Pflegeeinrichtung stattfinden müssen, werden ebenfalls durch
keines der oben genannten Systeme berücksichtigt. Sogenannte Stundenfälle, also
Patienten, die nur für Stunden eine Intensivversorgung oder Überwachung benötigten,
fielen in der Vergangenheit gänzlich durch die Raster der Scoring- und
Aufwandsmesssysteme.
Nach der Einführung von INPULS war erstmals eine gesamthafte Darstellung der
Intensivpatienten aller Intensivstationen der drei bettenführenden Standorte der
Charité, unter Betrachtung von Pflegeaufwänden mittels einer zugeordneten
Pflegekategorie (PK 1–6), möglich. Tatsächlicher Pflegeaufwand und erbrachte
Pflegeleistung konnten in Zahlen dargestellt und vergleichend betrachtet werden.
Seit 2016 liegen für alle Intensivstationen die jeweiligen Pflegekategorien mit den
dazugehörigen Pflegeminuten vor. Erstmals verfügt die Charité über valide Daten zum
Pflegeaufwand und kann Intensiveinheiten im Detail miteinander vergleichen: Zahlen
und Daten statt Emotionen und gefühlter Belastung.
Schulungsmaßnahmen
Für neue Kollegen und interessierte Mitarbeiter mit Schulungsbedarf bietet die
zentrale Dokumentationsbeauftragte zu Beginn eines jeden Quartals im Jahr Schulungen
zu den Themen Pflegedokumentation, administrativ-klinischer Arbeitsplatz und INPULS
an. Zielgruppe sind alle Pflegenden der Intensivstationen der Charité und deren
Führungskräfte. Jede Schulung umfasst zwei Arbeitstage mit jeweils acht Stunden in
einem Schulungsraum mit vernetzten PC-Arbeitsplätzen.
Regelmäßige Schulungsintervalle sind auch aufgrund von Überarbeitungen der Inhalte
des INPULS-Katalogs nach den Anwendertreffen in Heidelberg notwendig. Hierzu werden
die Schulungsinhalte angepasst und aktualisiert.
Im Rahmen von Arbeitstreffen des Qualitätszirkels Dokumentation werden die
teilnehmenden Multiplikatoren über die Änderungen informiert. Zusätzlich wird der
jeweils aktuelle INPULS-Katalog im Intranet der Charité abgelegt und ist für
Anwender und Interessierte einsehbar.
Aufbereitung und Interpretation der Daten
Aufbereitung und Interpretation der Daten
Sämtliche Daten des PDMS der Intensivstationen lassen sich jederzeit mittels eines
integrierten Tools durch die Leitungskräfte auslesen. Zusätzlich findet eine
monatliche Aufbereitung der Daten durch das Controlling des Unternehmens statt.
Sowohl der Pflegedirektion, den Centrumsleitungen und den Stationsleitungen werden
diese Daten zum Zweck der Steuerung zur Verfügung gestellt.
Ein wesentlicher Bestandteil ist seit 2017 die gesamthafte Darstellung der erreichten
Pflegeminuten nach INPULS für jede einzelne Intensivstation und der sich daraus
ergebende durchschnittlich notwendige Personalbedarf der Pflege. Eine detailliertere
Darstellung erfolgt zusätzlich, nach jedem abgeschlossenen Monat, durch den
Intensivpflegekoordinator. Jeder Stations- und Centrumsleitung wird auf der
Grundlage der Daten eine Empfehlung für die durchschnittliche
Pflegepersonalbesetzung der einzelnen Schichten zur Verfügung gestellt. Schrittweise
wird damit eine starre Schichtbesetzung durch eine orientierende Strukturbesetzung,
die sich aufgrund durchschnittlicher Pflegeaufwände ergibt, ersetzt. Wichtig dabei
ist, dass diese Strukturbesetzung dynamisch ist und monatlich nach oben oder unten
angepasst werden kann.
Überprüfung und Kontrollen
Überprüfung und Kontrollen
Um valide Daten zur Einstufung der Patienten mittels einer Pflegekategorie und
Aussagen über die Qualität der Dokumentation zu erhalten, musste eine Entscheidung
zu Art und Umfang einer regelhaften Überprüfung getroffen werden. Jährlich finden
zwei umfängliche Vor-Ort-Visiten im Vier-Augen-Prinzip mit direktem Feedback an die
Stationsleitung oder ihre Stellvertretung statt. Des Weiteren zwei Fernvisiten durch
Überprüfung der dokumentierten Daten im PDMS anhand eines festgelegten Algorithmus
und mithilfe eines standardisierten Erfassungsbogens. Alle Kontrollen erfolgen
unangekündigt. Teilnehmer der Vier-Augen-Prüfung sind jeweils die zentrale
Dokumentationsbeauftragte der Charité und eine Stationsleitung oder ein dezentraler
Dokumentationsbeauftragter, die zwingend von einer anderen Intensivstation kommen
müssen. Der eigene Bereich kann demnach niemals vom dort tätigen Personal selbst
visitiert werden. Dieses Vorgehen entspricht üblichen Peer-Review-Verfahren.
Die Entscheidung, welche Intensivstation visitiert wird, erfolgt immer erst am
Vorabend eines Visitentermins. Das Kontrollteam muss aufgrund des Umfangs der Daten
zur Plausibilitätsprüfung am Tag der Visite komplett freigestellt sein.Die
Fernprüfungen (Stichprobenprüfungen) finden jeweils mit dem zentralen
Dokumentationsbeauftragten und dem Intensivpflegekoordinator statt. Umfang pro
Jahr:
-
18 Intensivstationen (Erwachsene) mit COPRA 5 als PDMS
-
72 Überprüfungen insgesamt
-
2 Vor-Ort-Visiten + 2 Fernprüfungen pro Station
Die Ergebnisse der Plausibilitätsprüfungen werden elektronisch aufbereitet und den
Leitungsteams, der jeweiligen pflegerischen Centrumsleitung und der Pflegedirektion
übermittelt oder präsentiert. Die Zielerreichung für korrekt erhobene und plausible
Pflegekategorien nach INPULS liegt bei 80 Prozent als Mindestanforderung.
Nachsteuerung und Anpassung der Personalbesetzung
Nachsteuerung und Anpassung der Personalbesetzung
Wesentliches Steuerungsinstrument zur Personalanpassung bei kurzfristigem
Personalbedarf im Pflegebereich ist der Intensivpflegepool der Charité, der unter
der Leitung des Intensivpflegekoordinators steht. Durch Kenntnis aller
Intensivstationen, aller Dienstpläne und die Möglichkeit des Zugriffs auf alle
elektronischen Patientenkurven ist eine Priorisierung der Unterstützung mit
Pflegekräften aus dem Pool möglich. Insbesondere in Situationen, in denen mehrere
Personalanforderungen von unterschiedlichen Intensivstationen vorliegen, die nicht
alle bedient werden können. [
Abb. 1
] zeigt
eine vereinfachte Darstellung zum Prozess der kurzfristigen Vergabe.
Abb. 1 Vergabeprozess.
Die Entscheidung für die Einführung von INPULS ermöglichte erstmals die Erfassung
von reinen Pflegeleistungen. Dies war bislang nicht möglich. Heute können wir
Aussagen zu Pflegeaufwänden treffen. Die Darstellung erfolgt transparent für
alle Intensivstationen der Charité, die damit vergleichbar sind. Pflegepersonal
ist nach tatsächlichen Bedarfen einsetzbar. Diese wiederum sind an Pflegeaufwand
und dargestellte Pflegeleistung gekoppelt. Stufenweise etablieren wir eine
durchschnittliche orientierende Strukturbesetzung, die den tatsächlichen
und nachgewiesenen Pflegeaufwänden gerecht werden soll.
Ein weiterer positiver Nebeneffekt war die notwendige Angleichung der
Dokumentation im PDMS. Sie ist heute, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf allen
Intensivstationen identisch. Die Zuteilung von externem Personal, insbesondere
von Mitarbeitern des Intensivpflegepools, orientiert sich nicht mehr an den
pauschalen Anforderungen der einzelnen Stationen, sondern an festen Kriterien.
Der Einsatz erfolgt prioritär und orientiert sich am Pflegeaufwand der aktuell
auf einer Station befindlichen Patienten.