Einleitung
Die Beatmungsmedizin hat eine lange Historie [1]. In ihrer Erstbeschreibung wird erstmals in der Bibel über eine Wiederbelebung mit Stabilisierung der Atmung berichtet. Ab dem 16. Jahrhundert begann die wissenschaftliche Erforschung der Beatmung ([Tab. 1]).
Tab. 1
Meilensteine in der historischen Entwicklung der Beatmungsmedizin. Mit freundlicher Genehmigung des Thieme-Verlages [1].
Jahr
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Entwicklung
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Begründer
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ca. 560 v. Chr.
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Erstbeschreibung einer Mund-zu-Mund-Beatmung
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Altes Testament/2 Kön.
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ca. 1530
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Theorie der mechanischen Atemunterstützung
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Paracelsus
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ca. 1543
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Rhythmisches Aufblasen von Tierlungen
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Vesalius
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1744
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Einführung der Mund-zu-Mund-Ventilation
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John Fothergill
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1773
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Erstes Gerät zur mechanischen Wiederbelebung
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Alexander Johnston
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1838
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Erstbeschreibung des Tankventilators
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John Dalziel
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1855
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Laryngoskopie
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Manuel García
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1869
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Erste künstliche Beatmung eines Menschen zur Aufrechterhaltung der Ventilation während einer Narkose
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Friedrich Trendelenburg
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1871
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Tracheostoma-Tubus mit Cuff
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Friedrich Trendelenburg
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1876
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Entwicklung der Spirophore
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Eugéne J. Woillez
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1876
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Erstentwurf eines Kürass-Respirator
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Ignaz von Hauke
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1878
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Orale endotracheale Intubation
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William Mc Ewen
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1904
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Unterdruckkammer für die Thoraxchirurgie
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Ferdinand Sauerbruch
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1905
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Zylindrische Kopfkammer: CPAP am spontan atmenden Patienten mittels handbetriebenem Kompressor
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Ludolph Brauer
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1928
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Erste Eiserne Lunge
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Philip Drinker
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1931
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Weiterentwicklung und Verbreitung der eisernen Lunge
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John Haven Emerson
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1932
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Rocking bed
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FC Eve
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1952
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Poliomyelitis-Epidemie in Dänemark: Positiv-Druck-Ventilation nach Tracheotomie bei respiratorischer Insuffizienz, z. T. als Langzeitbeatmung
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Björn Ibsen
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Die maschinelle Beatmung kam erstmals in großem Umfang in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts während der Polioepidemie als Therapieform der ventilatorischen Insuffizienz zur Anwendung. Seinerzeit erhielten weltweit tausende Patienten mit Zwerchfellparese Negativdruckbeatmung [1].
In den folgenden Jahrzehnten war die invasive Respiratortherapie mit dem endotrachealen Tubus als Beatmungszugang Therapie der Wahl der akuten respiratorischen Insuffizienz.
In jüngerer Vergangenheit steigt die Zahl der Patienten, die länger dauernd vom Beatmungsgerät abhängig sind, kontinuierlich [2] infolge des zunehmenden Alters und der Ko-Morbidität der Patienten, des technischen Fortschrittes in der Chirurgie und in der Intensivmedizin.
Aus pneumologischer Sicht führen v. a. Krankheitsbilder mit respiratorischer Insuffizienz infolge Erschöpfung der Atemmuskulatur wie z. B. fortgeschrittene chronische Atemwegs-, Lungen- und Thoraxwanderkrankungen, neuromuskuläre Erkrankungen und Adipositas permagna zur schwierigen und prolongierten Respiratorentwöhnung.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Entwöhnung von der mechanischen Beatmung (engl. „Weaning“ oder „Liberation“) eine zunehmende Bedeutung.
Historische Entwicklung
Für die Entwicklung pneumologischer Weaningzentren in Deutschland waren die folgenden beiden Themenfelder von entscheidender Bedeutung.
Außerklinische Beatmung
Seit den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelte sich in der Postpolio-Ära v. a. in Lyon und in seinem Umland das Netzwerk „Antadir“. Hier wurde in beispielhafter Weise eine große Anzahl von Patienten mit chronisch ventilatorischer Insuffizienz in nicht invasiver Beatmungstechnik mittels Maske beatmet (CVI) [3]. Im weiteren Verlauf erfuhr die nicht invasive Beatmung (NIV) via Maske als Therapieform der CVI international eine zunehmende Verbreitung, was sich anhand wichtiger Publikationen verdeutlichen lässt [4]
[5]
[6].
Im deutschen Sprachraum stellten unter diesem Einfluss erste Publikationen von Carl Criée zur insuffizienten Atempumpe [7] und der regelmäßige Erfahrungsaustausch zur NIV bei CVI zwischen Dominic Robert, dem Leiter des Netzwerkes „Antadir“ in Lyon, und Gerhard Laier-Groeneveld aus der Lungenklinik Bovenden-Lenglern die Grundlage für die weitere Etablierung von NIV als Therapie der CVI dar.
„The intensive respiratory care unit“ und Weaning-Einheiten
Im Jahr 1967 stellte Tom Petty in einer Publikation erstmals mit „The intensive respiratory care unit“ den Prototypen einer „pneumologischen Intensivstation“ vor [8]. In diesem zukunftsweisenden Artikel werden wichtige Aussagen zur räumlichen und technischen Ausstattung sowie der personellen Besetzung der Respiratory intensive care getroffen.
Es folgten Publikationen im amerikanischen Schrifttum zu Ergebnissen spezialisierter Weaningeinheiten [9]
[10]. In den späten 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstand dann auch in Deutschland der Schwerpunkt „Respiratorentwöhnung“ in einigen pneumologischen Kliniken.
Die erfolgreiche weitere Entwicklung der pneumologischen Intensivmedizin erklärt sich v. a. durch das profunde pathophysiologische Wissen über respiratorische und ventilatorische Insuffizienz in diesen Kliniken [7]
[11].
AG Heimbeatmung und Respiratorentwöhnung und Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung e. V. (DIGAB)
AG Heimbeatmung und Respiratorentwöhnung und Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung e. V. (DIGAB)
In den Jahren 1985 – 1990 fand zunächst ein informeller Informationsaustausch zwischen den Beatmungsexperten in den pneumologischen Kliniken mit intensivmedizinischem Schwerpunkt statt. Maßgeblich beeinflusst wurde diese Phase von Carl Criée und Gerhard Laier-Groeneveld in der Lungenklinik Lenglern und Dieter Köhler im Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft/Schmallenberg.
Seinerzeit fanden die ersten wichtigen wissenschaftlichen Tagungen statt. Besonders hervorzuheben sind hierbei die international besetzte Tagung in Lenglern zum Thema „Atempumpe“ im Jahr 1987 [12], der 1. Postpoliokongress der Pfennigparade München im Jahr 1988 und der 1. internationale Kongress in Lyon 1989, an dem auch Beatmungsexperten aus Deutschland aktiv teilnahmen.
Eine epidemiologische Erhebung zur außerklinischen Beatmung in Europa (EUROVENT), die im Jahr 2000 unter Federführung der European Respiratory Society (ERS) durchgeführt wurde, erfasste insgesamt 21 500 Patienten [13]. Mit dieser Studie wurde erstmals für den europäischen Raum die Bedeutung der außerklinischen Beatmung belegt.
Bei ebenfalls wachsender Anzahl von Patienten mit schwieriger Respiratorentwöhnung wurden sie in den folgenden Jahren zunehmend aus Intensivstationen, die über keine pneumologische Expertise verfügten, in pneumologische Zentren verlegt. Bereits die 1. Publikation eines Deutschen Weaningzentrums zum Outcome einer größeren Patientengruppe ergab, dass hier mit ca. 60 % eine relativ hohe Rate von erfolgreicher Respiratorentwöhnung erreicht wurde [14].
Vor diesem Hintergrund bedeutete die Gründung der „AG Heimbeatmung und Langzeitbeatmung“ im Jahr 1991 einen Meilenstein für die weitere Entwicklung und Verbreitung der pneumologischen Weaningzentren in Deutschland. Im Jahr 1993 fand dann unter der Leitung von Dieter Köhler und Bernd Schönhofer die 1. wissenschaftliche Tagung der „AG Heimbeatmung und Respiratorentwöhnung“ in Schmallenberg mit 150 Teilnehmern statt. Das zentrale Thema dieser Tagung war der Gedankenaustausch zu Konzepten der personellen und strukturellen Ausstattung einer pneumologischen Klinik mit dem Schwerpunkt „Heimbeatmung und Respiratorentwöhnung“. Hierbei wurde das Fundament für ein inhaltlich und räumlich mehrstufiges Konzept des pneumologischen Weaningzentrums, bestehend aus der Intensivstation, der Weaningeinheit und der Station für Heimbeatmung, gelegt. Bereits diese Tagung zeichnete sich durch intensiven interdisziplinären und interprofessionellen Austausch der beteiligten Berufsgruppen, d. h. den spezialisierten Fachärzten (Pneumologie, Neurologie, Intensivmedizin, Pädiatrie, innere Medizin), der Krankenpflege, den Physiotherapeuten, dem MDK, den Kostenträgern und den Geräteherstellern aus. Besonders erwähnenswert ist, dass die Patienten und deren Angehörige bereits damals aktiv in die Themengestaltung der Tagung einbezogen wurden.
Von den im Weiteren jährlich stattfindenden Tagungen gingen immer wichtige Impulse zur Weiterentwicklung der pneumologischen Weaning- bzw. Beatmungszentren und für Forschungsaktivität aus; sie blieb die entscheidende Plattform für den wissenschaftlichen und intersektoralen Austausch.
Mit der wachsenden Bedeutung und weiterer Professionalisierung erfolgte dann im Jahr 2010 die Umbenennung und Umstrukturierung der „AG Heimbeatmung und Respiratorentwöhnung“ in die DIGAB.
Zertifizierung im WeanNet
Zertifizierung im WeanNet
In den Jahren 1995 – 2005 erweiterte eine Reihe von Lungenkliniken in Deutschland ihr Spektrum um das Thema „Intensiv- und Beatmungsmedizin“. Es war dann auch konsequent, dass es während der Präsidentschaft von Prof. Dr. Dieter Köhler im Jahr 2006 zur Namensänderung der DGP in „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin“ kam.
Innerhalb der DGP wurde 2005 zunächst eine Projektgruppe „Pneumologischer Weaningzentren“ gegründet. Es folgte eine Datenerhebung für das Jahr 2006 in 38 pneumologischen Entwöhnungszentren, in der insgesamt 2718 Weaningpatienten erfasst wurden [15]. Auch in diesem multizentrisch erfassten Kollektiv wurden ca. 60 % der Patienten erfolgreich vom Respirator entwöhnt. Hierbei ergab sich ebenfalls, dass bei Patienten mit CVI zur Stabilisierung der erfolgreichen Respiratorentwöhnung eine außerklinische Beatmung zur Anwendung kam. Auf der Basis dieser Daten wurde erstmals nachgewiesen, dass die pneumologischen Zentren einen wesentlichen Beitrag im Therapiekonzept langzeitbeatmeter Patienten leisten.
Mit dem Ziel, in den Weaningzentren eine möglichst hohe Behandlungsqualität (d. h. die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität) zu erreichen und deren Zusammenarbeit weiter zu fördern, wurde im Jahr 2007 offiziell das Netzwerk der pneumologischen Beatmungszentren „WeanNet“ innerhalb der DGP gegründet und in die Sektion Intensiv- und Beatmungsmedizin (Sektion 5) integriert.
Zertifizierungsverfahren
Von einer Expertengruppe wurde der Kriterienkatalog für ein Zertifizierungsverfahren im WeanNet erarbeitet (Aktuelle Version zugänglich über: https://pneumologie.de/fileadmin/user_upload/Erhebungsbogen_zur_Zertifizierung_Weaning-Zentren_Version_06.pdf).
Ein wichtiges „Muss“-Kriterium in diesem Zertifizierungsverfahren ist die enge Kooperation zwischen der Weaningeinheit, der Intensivstation und der auf außerklinische Beatmung spezialisierten Normalstation innerhalb einer pneumologischen Klinik ([Abb. 1]).
Abb. 1 Konzept der Weaningeinheit mit assoziierten Bereichen.
Auch obligat ist die Dateneingabe von mindestens 40 Patienten mit prolongiertem Weaning pro Jahr in das WeanNet-Register.
Nach einer erfolgreich verlaufenden Pilotphase zur Prüfung der Praktikabilität des Zertifizierungsverfahrens mit 4 Zentren (Solingen, Hemer, Dortmund und Gauting) in den Jahren 2009 und 2010 stand das Zertifizierungsverfahren allen Weaningzentren zur Verfügung [16]. Nach der 1. Zertifizierung wiederholen sich die folgenden Re-Zertifizierungen in 3-jährlichem Abstand.
Die DGP beauftragte das Institut für Lungenforschung (ILF) mit der Organisation des Zertifizierungsverfahrens. Hierzu gehört die intensive Vorbereitungsphase, das Audit der Weaningeinheit, die anschließende Begutachtung durch Auditoren und Zertifizierungskommission. Der Ablauf des Zertifizierungsprozesses wird in [Abb. 2] dargestellt.
Abb. 2 Der Ablauf des Zertifizierungsprozesses.
In diesem Prozess hat die Zertifizierungskommission eine zentrale Bedeutung. Sie besteht aus 6 Mitgliedern: 2 Mitglieder gehören dem DGP-Vorstand an, und 4 Mitglieder werden vom WeanNet delegiert. Zunächst wurden ausschließlich Ärzte in Leitungsfunktion einer Weaningeinheit als Auditoren rekrutiert. Seit Längerem sind auch Atmungstherapeuten mit langjähriger beruflicher Erfahrung in einer Weaningeinheit und nach entsprechender Schulung bzw. Trainingsphase in Audits als Ko-Auditoren tätig.
Werden während des ganztägigen Audits bei der Überprüfung der Struktur- und Prozessqualität des Weaningzentrums Abweichungen vom Kriterienkatalog festgestellt, wird zunächst die Zertifizierung nicht ausgesprochen. Die Auditoren und die Zertifizierungskommission formulieren dann in ihrem Gutachten Maßnahmen zur Beseitigung der Abweichungen, die vom Weaningzentrum in einem individuell vorgegebenen Zeitraum realisiert werden müssen. Hierdurch ist es in den vergangenen Jahren zu einer Verbesserung der Struktur- und Prozessqualität der zertifizierten Weaningzentren gekommen. Wichtiger Beweis hierfür ist zusätzlich eingestelltes Personal im Bereich der Ärzte, Pflege und Atmungstherapeuten.
Bis zum Stand Oktober 2018 erfolgten 53 Erstzertifizierungen, wobei in 57 % eine oder mehrere Abweichungen vorhanden waren. Insgesamt 35 Weaningzentren sind einmal re-zertifiziert; hier lagen in 83 % der Verfahren Abweichungen vor. Die 2. Re-Zertifizierung erfolgte in 23 Weaningzentren mit einer Abweichungsrate von 87 %. Bei den Weaningzentren der Pilotphase steht im Jahr 2019 bereits die 3. Re-Zertifizierung an.
Insgesamt 3 Weaningzentren wurde die Zertifizierung wegen definitiv nicht korrigierbarer Abweichungen, v. a. infolge Mangelbesetzung bei Ärzten, Pflegekräften bzw. Atmungstherapeuten, aberkannt.
Schulung zur Dateneingabe
Die korrekte Eingabe der erforderlichen Daten in das Register erfordert profunde Kenntnisse sowohl zum Aufbau des Registers als auch zur Thematik „Respiratorentwöhnung“. Unter Moderation des ILF erfolgt die Schulung in die Dateneingabe. Die Teilnahme an der eintägigen Schulung ist für die Personen, die die Daten eingeben, einmal jährlich verpflichtend.
Outcome im WeanNet
Erstmals wurden 2016 von der WeanNet-Study Group Daten zum Outcome von 6899 Patienten mit prolongierter Respiratorentwöhnung (Weaning) aus dem WeanNet-Register veröffentlicht [17].
Es ließ sich zeigen, dass die Patienten mit prolongiertem Weaning häufig an einer Vielzahl von Ko-Morbiditäten (im Median 5 relevante Begleiterkrankungen) leiden. Die Mehrzahl der Patienten (62 %) konnte erfolgreich vom Respirator entwöhnt werden und verließ das Weaningzentrum ohne invasive Beatmung nach im Median 33 Tagen. Eine NIV nach prolongiertem Weaning war in ca. 19 % der Patienten aufgrund einer CVI erforderlich. Die Patienten, die mit einer NIV entlassen wurden, waren dabei signifikant jünger im Vergleich zum Durchschnittsalter aller Patienten (68 vs. 71 Jahre). In ca. 23 % der Fälle war das Weaning nicht erfolgreich, und eine dauerhafte invasive Beatmung musste eingeleitet werden. Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) als führende Ursache für die mechanische Beatmung wurden im Vergleich zu anderen Krankheitsentitäten seltener vollständig vom Respirator entwöhnt und häufiger mit einer NIV zur außerklinischen Beatmung versorgt. Insgesamt verstarben 1027 von den 6899 Patienten während der Behandlung im Weaningzentrum (14,9 %).
10 Jahre Leitlinie − Projekte zur Beatmungsmedizin (2008 – 2018)
10 Jahre Leitlinie − Projekte zur Beatmungsmedizin (2008 – 2018)
Die besondere Bedeutung und Aktualität der Themenfelder nicht invasive und invasive Beatmung und Respiratorentwöhnung kommt darin zum Ausdruck, dass hierzu im deutschsprachigen Raum in den vergangenen 10 Jahren insgesamt vier S2k- bzw. S3-Leitlinien publiziert worden sind ([18]
[19]
[20]
[21]; [Tab. 2]). Im Zusammenhang mit dem Thema „Respiratorentwöhnung“ werden im Folgenden zwei der genannten Leitlinien besonders erwähnt.
Tab. 2
Wichtige Leitlinien zur Beatmungsmedizin.
Leitlinie
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Federführender Autor
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Erscheinungsjahr
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Prolongiertes Weaning
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B. Schönhofer
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2014 (aktuell in Revision) [18]
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Nicht invasive Beatmung bei akuter respiratorischer Insuffizienz
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M. Westhoff
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2015 (Erstpublikation 2008) [19]
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Nicht invasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz
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W. Windisch
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2017 (Erstpublikation 2010) [20]
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Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz
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F. Fichtner
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2017 [21]
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S2k-Leitlinie: Prolongiertes Weaning
Gemäß der Budapester Konsensus-Konferenz aus dem Jahre 2005 werden drei Gruppen der Respiratorentwöhnung unterschieden: einfach, schwierig, und prolongiert ([Tab. 3]) [22]. Die S2k-Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ wurde dann im Jahr 2014 unter der Federführung der DGP und in Zusammenarbeit mit 10 weiteren wissenschaftlichen Fachgesellschaften publiziert [18]. In dieser Leitlinie erfolgt die Subklassifikation der Patienten im prolongierten Weaning in 3 Gruppen ([Tab. 4]).
Tab. 3
Die drei Gruppen der Respiratorentwöhnung gemäß der Budapester Konsensus-Konferenz aus dem Jahre 2005 [22].
Gruppe 1 [59 %]
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Einfaches Weaning
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Erfolgreiches Weaning im ersten Versuch kein SBT erforderlich
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Gruppe 2 [26 %]
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Schwieriges Weaning
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Erfolgreiches Weaning nach ≤ 3 SBT bzw. ≤ 7 Tage Beatmungsdauer
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Gruppe 3 [14 %]
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Prolongiertes Weaning
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Erfolgreiches Weaning nach > 3 SBT bzw. > 7 Tage Beatmungsdauer
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SBT = Spontanatmungsversuch (aus dem Englischen „Spontaneous Breathing Trial“). Die Angaben in eckigen Klammern geben die Inzidenz der einzelnen Gruppen auf internistischen und chirurgischen Intensivstationen gemäß der Studie von Funk et al. wieder [23].
Tab. 4
Die weitere Aufspaltung der Gruppe „prolongiertes Weaning“, wie sie auch in der gleichnamigen S2-Leitlinie repräsentiert sein wird [18].
Gruppe 3 a
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Prolongiertes Weaning ∅ NIV
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keine dauerhafte Beatmungstherapie
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Gruppe 3 b
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Prolongiertes Weaning + NIV
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intermittierende nicht invasive Beatmungstherapie
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Gruppe 3 c
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Erfolgloses Weaning
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(intermittierende) invasive Beatmungstherapie/Tod
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NIV = nicht invasive Beatmungstherapie (aus dem Englischen „Non-Invasive Ventilation“).
Im Rahmen der Revision der Leitlinie fanden in den Jahren 2017 und 2018 drei Konsensuskonferenzen statt. Hierbei ergaben sich folgende Schwerpunkte:
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Eine erweiterte Klassifikation der bisherigen 3 Gruppen der Patienten im prolongieren Weaning 3 a – c, die zukünftig jeweils 2 Untergruppen haben werden
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Pneumologische Rehabilitation und Neurorehabilitation
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Infrastruktur und Prozessorganisation in der Versorgung von Patienten im prolongierten Weaning im Sinne eines kontinuierlichen Behandlungskonzeptes
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Therapiezieländerung und Kommunikation mit Angehörigen
S2k-Leitlinie: Außerklinische Beatmung
Ebenfalls unter Federführung der DGP wurde die S2k-Leitlinie „Außerklinische Beatmung zur Therapie von CRI“ erstmals 2010 und inzwischen in der Revision publiziert [20]. In die Revision der Leitlinie gehen die neuen Erkenntnisse zu dringend notwendigen intersektoralen Behandlungskonzepten in enger Kooperation von Beatmungszentren, niedergelassenen Beatmungsexperten und außerklinischen Strukturen ein.
Auch hier wird der wichtigen Bedeutung der ethischen Aspekte bei der Indikationsstellung zur invasiven außerklinischen Beatmung Rechnung getragen.
Die Revision der Leitlinie enthält ein neues Kapitel zur invasiven außerklinischen Beatmung nach erfolglosem prolongierten Weaning, was die Bedeutung der Schnittstelle zwischen prolongiertem Weaning und außerklinischer Beatmung unterstreicht. Aus der Sicht von WeanNet kommt diesem Aspekt eine besondere Bedeutung zu, weil damit erstmals für die große Patientengruppe Vorgaben zu deren Versorgung in der außerklinischen Beatmung nach erfolglosem prolongierten Weaning konsentiert ist.
Zukünftige Entwicklungen – Quo vadis WeanNet?
Zukünftige Entwicklungen – Quo vadis WeanNet?
In den vergangenen 10 Jahren hat das Netzwerk „WeanNet“ eine beeindruckende Entwicklung genommen. Hierbei hatte der Aufbau von belastbaren Strukturen zur Behandlung von Patienten im prolongierten Weaning auf hohem Qualitätsniveau oberste Priorität.
Wegen der zunehmenden Komplexität der für „WeanNet“ relevanten Themen im Gesundheitswesen werden zukunftsweisende Entscheidungen im Rahmen von Workshops und der Mitgliederversammlung von WeanNet beim DGP-Kongress getroffen.
Auch in Zukunft wird streng darauf zu achten sein, dass die Weaningeinheiten im „WeanNet“ inhaltlich, strukturell und bzgl. Personalvorhaltung auf Patienten im prolongierten Weaning spezialisierte Intensivstationen sind. Der Einsatz hoher Personalressourcen bei Ärzten, Pflegekräften, Physio- und Atmungstherapeuten stellt weiterhin eine Grundvoraussetzung für die erforderliche Qualität der Patientenversorgung und den Therapieerfolg nach prolongiertem Weaning dar.
Die Zahl der dauerhaft von der invasiven Beatmung abhängigen Patienten, die dann in der außerklinischen Beatmung, wie z. B. in Wohngruppen oder zu Hause, mit einer 24-Stunden-Versorgung weiter versorgt werden, hat in den vergangenen Jahren rasant zugenommen [24]. Es ist anzunehmen, dass dieser Trend zumindest mittelfristig anhält. Diese Entwicklung unterstreicht die wichtige Bedeutung, die den Weaning- und Beatmungszentren auch in der Mitbetreuung der Patienten in der außerklinischen Beatmung zukommt.
Bedauerlichweise ergeben Datenerhebungen der Kostenträger, dass von einer hohen Patientenzahl mit Langzeitbeatmung auszugehen ist, die direkt aus nicht auf Weaning spezialisierten Intensivstationen ohne Einbeziehung von Weaningzentren in den Bereich der außerklinischen Beatmung verlegt werden. Diesen Patienten wird damit nicht selten die Möglichkeit vorenthalten, dass ihr Weaningpotenzial in einem Weaningzentrum geprüft wird, d. h. evtl. doch noch erfolgreich vom Respirator entwöhnt zu werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese unhaltbare Situation durch den in naher Zukunft verhandelbaren Qualitätsvertrag nach § 136 b SGB zu „Respiratorentwöhnung von Langzeitbeatmeten“ ändert. Bei diesem Qualitätsvertrag besteht eine wichtige Evaluationskennziffer für die Klinik ohne eigene Weaningeinheit darin, möglichst viele der hier vorhandenen Patienten im prolongierten Weaning in ein Weaningzentrum zu verlegen.
Für „WeanNet“ besteht eine wichtige Aufgabe darin, in enger Zusammenarbeit mit der DIGAB zukunftsfähige Versorgungsstrukturen auch in dem Bereich der außerklinischen Langzeitbeatmung zu entwickeln. Geplante Projekte hierbei sind:
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Implementierung eines Entlassmanagements für diese Patientengruppe vor Entlassung aus der stationären Behandlung in die außerklinische Intensivpflege.
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Implementierung eines (Wieder-)Einweisungsmanagements aus der außerklinischen Intensivpflege in die Weaningzentren in regelmäßigen Abständen zur Überprüfung, ob nicht doch ein Weaningpotenzial vorhanden ist.
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Aufbau von Netzwerken zur ambulanten Versorgung der Patienten; abhängig von den lokalen Gegebenheiten kann das in enger Zusammenarbeit mit qualifizierten niedergelassenen Pneumologen i. R. von Versorgungsverträgen geschehen (z. B. in Form des Mustervertrages für ein Versorgungskonzept zur Behandlung von Beatmungspatienten auf der Grundlage des § 140a SGB V).