Nervenheilkunde 2019; 38(03): 90-96
DOI: 10.1055/a-0831-6084
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Smartphones – so ungefährlich wie Kartoffeln?

Über vermeintliche neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Ungefährlichkeit von Bildschirmmedien und unverantwortlichen Lobbyismus
Manfred Spitzer
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Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer
Universität Ulm
Abteilung für Psychiatrie
Leimgrubenweg 12-14
87054 Ulm

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
13. März 2019 (online)

 

Im Januar 2019 erschienen gleich mehrere Arbeiten zur vermeintlichen Unbedenklichkeit digitaler Medien auch bei kleinen Kindern, die medial weite Verbreitung fanden und in der öffentlichen Diskussion präsent waren. So berichtete die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel vom 16.1.2019 unter der Rubrik „Wissen” [[9]], dass Smartphones etwa so gesundheitsschädlich seien wie das Essen von Kartoffeln (► [ Abb. 1 ]). Auch die österreichische Qualitätspresse, Der Standard, brachte einige Tage später unter der Rubrik „Forschung Spezial” auf fast einer ganzen Seite den Titel „Surfen lassen statt Bildschirme verbieten” [[1]] (► [ Abb. 2 ]) und bezog sich dabei auf dieselbe Publikation, die schon Grundlage für den Artikel in der Süddeutschen Zeitung war.

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Abb. 1 Online-Version (Ausschnitt) des Artikels aus der Süddeutschen Zeitung, Rubrik „Wissen”, in dem davon die Rede ist, dass es „keine harten Beweise” gäbe, und eine neue Studie „Entwarnung” liefere. Weiter heißt es dort u. a.: „Die Handygeräte [...] sind angeblich extrem ungesund und machen mindestens genauso schnell süchtig. Wissenschaftler der Oxford-Universität kommen in einer neuen Studie im Fachblatt Nature Human Behaviour zu einem anderen Schluss. Geht es um den Einfluss auf das Wohlbefinden von Teenagern, lässt sich aus ihrer Sicht nichts besser vergleichen als Smartphones und Kartoffeln. Beides ist aus medizinischer Sicht unbedenklich. Der Handygebrauch verschlechtert die Gesundheit von Jugendlichen demnach nur um 0,4 %. Statistisch ist das derselbe Effekt, der sich beim regelmäßigen Verzehr von Kartoffelgerichten einstellt [...]. Der Kartoffelvergleich mag absurd klingen. Er soll aber mit einem Missverständnis aufräumen, das die öffentliche Debatte prägt. Smartphones werden immer öfter als Krankmacher verteufelt, obwohl es dafür keine belastbare Datengrundlage gibt.”

Selbst ein im renommierten Fachblatt Nature erschienenes Editorial vom 17.1.2019 machte sich diese Argumentation zu eigen, bezeichnet die Datenlage zum Zusammenhang der Nutzung digitaler Medien und dem Wohlbefinden junger Menschen als widersprüchlich[ 1 ] und bemüht ebenfalls den Vergleich zum Kartoffeln essen: „In fact, regularly eating potatoes was almost as negatively associated with well-being as was technology use” [2, S. 266]. - Was ist dran an diesen, in Rubriken wie „Wissen” und „Forschung Spezial” von „deutschsprachigen Qualitäts-Print-Medien” und sogar von einem britischen wissenschaftlichen Fachblatt publizierten und kommentierten vermeintlich neuen Erkenntnissen?

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Abb. 2 Reproduktion einer österreichischen Der Standard Ausschnitts unter der Rubrik „Forschung Spezial” publizierten Entwarnung vor Smartphones, in dem u. a. zu lesen ist: „[...] immer mehr Experten sprechen sich gegen Stundenempfehlungen bei der kindlichen Online-Mediennutzung aus”, denn die Anzahl der Stunden haben keinen Einfluss auf deren Schädlichkeit. „[...] auch amerikanische und europäische Psychologen und Neurowissenschaftler [sehen] keine Belege dafür [...], dass Bildschirme gefährlich sind”.

Betrachten wir die im Fachblatt Nature Human Behaviour online erschienene Studie, auf der die 3 Artikel in den 3 Verbreitungskanälen (diese werden jeweils von Hunderttausenden Menschen gelesen) beruhen, etwas genauer. Sie wurde von den Sozialwissenschaftlern Amy Orben und Andrew Przybylski vom Oxford Internet Institute publiziert. Die Autoren produzierten selbst keine neuen Daten, sondern werteten Daten aus, die auf verschiedene Befragungen aus den Jahren 2007 bis 2016 von insgesamt 355 358 Jugendlichen (im Alter von 12 bis 18 Jahren) in England und den USA zurückgehen. Diese Befragungen wurden eigentlich für andere Zwecke durchgeführt. Aber dies kann und soll niemanden daran hindern, Daten neu auszuwerten.

Das tun die Autoren mit sehr aufwändigen Methoden, die letztlich darauf hinauslaufen, dass man alles mit allem in Beziehung setzt und - ohne jegliche Hypothesen - Tausende von Korrelationen berechnet. Wenn man dies tut, muss man genau diese Tatsache bei der Auswertung berücksichtigen und das Signifikanzniveau verringern. Denn bei sehr vielen Berechnungen von möglichen Zusammenhängen findet man immer welche - der pure Zufall sorgt dafür. Man muss also „strenger” mit solchen Zufällen umgehen, wenn man halbwegs sicher sein will, dass man tatsächlich einen Zusammenhang gefunden hat.

Wenn man dann jedoch diese Gedanken berücksichtigt, steigt umgekehrt die Chance, dass man nichts findet, obwohl ein Zusammenhang tatsächlich da ist.[ 2 ] Und genau darauf zielte das Vorgehen der Autoren ab: Sie wollten zeigen, dass Smartphones keinerlei negative Auswirkungen haben, legten ihre Analyse der Daten genau darauf an und fanden - genau dies! Ist Ihnen damit der Nachweis geglückt, dass Smartphones gesundheitlich unbedenklich („nicht ungesünder als Kartoffeln) sind? Die Antwort auf diese Frage lautet ganz entschieden „Nein!”, was sich wie folgt begründen lässt.

  • Die Autoren führen lediglich Korrelationen an und können daher über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge gar keine Aussagen machen. Studien über Kausalzusammenhänge liegen jedoch vor, die deutliche gesundheitsschädliche Effekte von Smartphones zeigen. Um es an einem anderen Beispiel zu verdeutlichen: Mit den Ergebnissen einer Befragung von Rauchern zu den Risiken des Tabakkonsums würde niemand ernstlich die Ergebnisse vieler wissenschaftlicher Studien zur Mutagenität und Kanzerogenität von Tabakrauch anzweifeln.

  • Die Qualität von Daten aus Befragungen ist die niedrigste überhaupt.[ 3 ] Wenn ich wissen will, ob jemand einen hohen Blutdruck oder Übergewicht hat oder gut schläft, dann ist es besser, Blutdruck und Gewicht zu messen und den Schlaf im Schlaflabor zu untersuchen, als die Person zu fragen. Die Autoren selbst diskutieren in ihrer Einleitung mehrere Gründe für die schlechte Datenqualität bei Befragungen.

  • Zugleich scheinen sie andere Daten nicht zu kennen bzw. systematisch zu ignorieren: So sprechen sie - ebenfalls in der Einleitung - von einer „High-quality”-Studie, die sie selbst gemacht hatten, die aber auch nur auf einer Befragung von Eltern basierte. Dass man auch Messungen machen kann, um die Gesundheit eines Menschen zu beurteilen, wird von den Autoren - es handelt sich nicht um Mediziner, sondern um Sozialwissenschaftler - mit keinem Wort erwähnt.

  • „Im Kleingedruckten” (Methods section am Ende der Arbeit) geben die Autoren zu, dass viele Fragen nur in einem der 3 Datensätze vorkamen und dass aufgrund von nur teileweise eingesetzten Fragebögen oder einfach aufgrund von „missing data” (es wurde nichts angekreuzt) die meisten Ergebnisse auf nur einem Zehntel der ursprünglichen Daten beruhen.

  • Die Originalfragebögen von 2 der 3 analysierten Studien sind nicht zugänglich. Man kann also nicht sagen, was genau gefragt wurde. Die dritte Befragung (Youth Risk Behavior Survey; YRBS) mit zugänglichem Fragebogen zeigte Folgendes: Es gab keine Frage, die sich spezifisch auf die Smartphone-Nutzung bezog. Stattdessen lautete die achtzigste von insgesamt 89 Fragen:

„Wieviele Stunden spielst Du an einem normalen Schultag Videooder Computerspiele bzw. benutzt den Computer für andere Sachen als Hausaufgaben? (Addiere die Zeit, die Du mit dem Spielen von Video- und Computerspielen, dem Schauen von Videos, Versenden von Textnachrichten, Nutzen von sozialen Online-Medien auf Deinem Smartphone, Computer, Deiner Xbox oder PlayStation bzw. Deinem iPad oder Tablet verbringst.)

  • A. Ich spiele keine Video- oder Computerspiele und nutze den Computer für nichts außer für die Hausaufgaben.

  • B. Weniger als 1 Stunde am Tag

  • C. 1 Stunde am Tag

  • D. 2 Stunden am Tag

  • E. 3 Stunden am Tag

  • F. 4 Stunden am Tag 5 oder mehr Stunden am Tag.”[ 4 ]

Die Fragen zuvor bezogen sich u. a. auf die Essgewohnheiten, die immer nach dem gleichen Muster abgefragt wurden, getrennt (d. h. mit jeweils einer Frage) nach Obst, grünem Salat, Möhren, anderem Gemüse, Milch, Limonaden und Kartoffeln (Frage 72):

„Wie oft hast Du in den letzten 7 Tagen Kartoffeln gegessen? (Pommes frites, frittierte Kartoffeln und Kartoffelchips zählen nicht.)

  • A. In den letzten 7 Tagen habe ich keine Kartoffeln gegessen.

  • B. 1 bis 3 Mal in den letzten 7 Tagen

  • C. 4 bis 6 Mal in den letzten 7 Tagen

  • D. 1-mal täglich

  • E. 2-mal täglich

  • F. 3-mal täglich

  • G. 4-mal täglich oder öfter” (Fettdruck im Original).[ 5 ]

Beide Fragen sind hier im Original wiedergegeben, um den Leser ein Gefühl für den gesamten Fragebogen (21 Seiten mit 89 Fragen) zum Risikoverhalten Jugendlicher zu geben. Auffällig ist in jedem Fall, dass nach dem Smartphone nur in Klammern und als Teil jedweder Bildschirmmedien-Nutzung gefragt wird. Auch die Möglichkeit der Hervorhebung (wie bei den Kartoffeln) wurde nicht verwendet. Die bedeutet jedoch, dass man aus diesen Daten zur Gefährlichkeit des Smartphones überhaupt keine Aussage machen kann!

  • Weiterhin sind die Fragen so gestellt, dass der Antwortbereich auch Extremwerte umfasst, die sehr weit vom anzunehmenden Durchschnitt liegen, sodass man dort, wo die meisten Messwerte liegen dürften, nur sehr ungenau misst. Um dies an einem hypothetischen Beispiel zu zeigen: Fragte man etwa nach der Körpergröße wie folgt:

„Wie groß sind Sie?

  • A. kleiner als 1 Meter

  • B. 1 m bis 1,50 m

  • C. 1,51 m bis 2 m

  • D. 2,01 m bis 2,5 m

  • E. größer als 2,51 m”

... dann würden nahezu alle Befragten (C) ankreuzen.[ 6 ] Der zu breit gewählte Bereich differenziert also nicht dort, wo die Messwerte liegen. Ganz ähnlich dürfte es bei den Kartoffeln (sehr wahrscheinlich: B) und den Medien (nach den hierzu publizierten Daten: G) auch sein, essen doch die Amerikaner gerne Kartoffeln und liegt der durchschnittliche Medienkonsum der 13- bis 18-Jährgen in den USA bei 9 Stunden täglich [[22]]. Das Durchschnittsalter der befragten Jugendlichen („im Alter von 12 bis 18 Jahren”) lag mit 16 Jahren in genau diesem Bereich.

  • Hinzu kommt, dass Befragungen zu den Auswirkungen von Smartphones aus dem Jahr 2007 und einigen Jahren danach keine Aussagen erlauben, denn Smartphones gibt es erst seit 2008. Weite Verbreitung erreichten Smartphones erst in den vergangenen 5 Jahren. So überschritt beispielsweise die Anzahl der verkauften Smartphones die der Mobiltelefone, bei denen es sich nicht um Smartphones handelte, erst im Jahr 2013 [[20]].

Vergleichen wir nun einmal die hier angeführten 7 Sachverhalte mit dem, was daraus in der Originalarbeit und vor allem in den 3 genannten gemeinhin als „seriös” geltenden Multiplikationskanälen in Deutschland (Süddeutsche), Österreich (Standard) und Großbritannien (Nature) gemacht wurde.

In der Originalarbeit wird nur vom „Gebrauch von Technik” (..technology use”) gesprochen und tatsächlich gesagt, dass der nicht deutlich gefährlicher sei als der Verzehr von Kartoffeln.[ 7 ] Ansonsten wird noch mehrfach auf die Unzuverlässigkeit von großen Befragungen hingewiesen, zugleich jedoch betont, dass man nichts anderes habe und die Daten eindeutig Grund zur Entwarnung seien. In der originalen Zusammenfassung liest sich das so:

„Der weit verbreitete Gebrauch von digitaler Technologie durch junge Leute hat Spekulationen genährt, dass deren häufige Nutzung zu einer Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens führe. Empirisch wird diese These zum großen Teil durch die zusammenfassende Auswertung großer sozialwissenschaftlicher Datensätze gestützt. [...] Betrachtet man diese Daten jedoch in einem weiteren Kontext, sind die Effekte zu klein, um politische Maßnahmen [im Sinne von Einschränkungsempfehlungen oder Verboten; Anmerkung des Autors] zu rechtfertigen” [12, S. e1].[ 8 ]

Im ersten Satz werden die nachgewiesenen gesundheitlichen Schäden durch die Nutzung digitaler Informationstechnik also fälschlich als „Spekulation” bezeichnet, und im zweiten Satz wird behauptet, dass diese vermeintlichen Schäden vor allem auf den Ergebnissen von Befragungen beruhen. Auch dies ist falsch, denn die Erkenntnisse zu den tatsächlichen gesundheitlichen Schäden stammen aus medizinischen Untersuchungen und gerade nicht aus Fragebögen. Und weil nicht sein kann was nicht sein darf, kann man auch alles beim Alten lassen, d. h. man sollte die jungen Leute in ihrem ausufernden Gebrauch digitaler Informationstechnik nicht weiter stören.

In der Süddeutschen und im Standard wird dann aus „digitaler Technik” das Smartphone: „Geht es um den Einfluss auf das Wohlbefinden von Teenagern, lässt sich aus ihrer Sicht nichts besser vergleichen als Smartphones und Kartoffeln. Beides ist aus medizinischer Sicht unbedenklich.” Die „öffentliche Debatte” sei von einem „Missverständnis” geprägt, das man „aufzuräumen habe, denn: „Smartphones werden immer öfter als Krankmacher verteufelt, obwohl es dafür keine belastbare Datengrundlage gibt,” [[9]] sei hier nochmals aus der Süddeutschen zitiert. Die gesamte Argumentation geht an den hierzu vorhandenen Fakten vollkommen vorbei.

Der Standard titelt gleich „Surfen lassen statt Bildschirme verbieten” und hat sogar einen Tipp für Eltern, denen ihr Kind zu entgleiten droht: „Aber wie finden Eltern einen guten Zugang zum Nachwuchs? Online-Kontakt mit den Kindern, etwa über Facebook oder Instagram, kann dabei hilfreich sein.” - Wirklich? - Erlaubt ist die Nutzung dieser „Dienste” seit der neuen europäischen Datenschutzgrundverordnung erst ab einem Alter von 16 Jahren. Dies wird zwar nirgends kontrolliert, aber die Empfehlung des Standard ist dennoch illegal!

Das Fachblatt Nature betet schließlich das deutlich unbekanntere Schwesterblatt Nature Human Behaviour einfach nur nach, anstatt es wirklich zu kommentieren. Nicht nur beim sinnlosen Kartoffelvergleich, sondern auch im Hinblick darauf, dass man die Frage nach den durch digitale Informationstechnik entstehenden Schäden nur durch Befragungen nachgehen könne (falsch!) und dass man bislang keine Schäden kenne (ebenfalls falsch!).[ 9 ]

Die Argumentation ist perfide: Man sagt einerseits, dass Korrelationen keine Kausalität beweisen können, verkauft dem Leser jedoch andererseits rein korrelative Daten aus Befragungen (die noch dazu von allen Daten, die man erheben kann, die geringste Belastbarkeit haben: Fragebögen eben, keine Messungen) als „wissenschaftlichen Beweis” dafür, dass die in tatsächlichen wissenschaftlichen Studien (sowohl experimentelle Studien als auch Längsschnittstudien erlauben Aussagen über Kausalität) erhobenen Befunde falsch seien.

Betrachten wir ein ähnliches Argument, um zu zeigen, wie absurd das Ganze ist: „Die wissenschaftlichen Studien zur Schädlichkeit des Rauchens basieren auf nichts weiter als Befragungen, deren Ergebnisse in den Medien immer wieder dazu führen, dass Zigaretten als Krankmacher verteufelt werden. Diese Studien können aber keine Beweise im Sinne einer Verursachung (Kausalität) liefern, sondern grundsätzlich nur statistische Zusammenhänge (Korrelationen). Die Gegner des Zigarettenrauchens verwechseln ständig Kausalität und Korrelation. Wie gut, dass jetzt Wissenschaftler der Universität Oxford endlich Entwarnung geben. Sie haben Daten von Befragungen ausgewertet und keinerlei Beweise für die Schädlichkeit des Rauchens gefunden.”

Man sieht sehr deutlich, wie falsch dieses Argument ist, sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass in etwa so über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren von der Tabak-Lobby argumentiert wurde. In dieser Zeit starben allein in Deutschland jährlich 140 000 Menschen an den Folgen des Rauchens, was über 5 Jahrzehnte hinweg 7 Millionen Toten entspricht.

Genau deswegen stimmt es sehr nachdenklich, wenn man in Nature des Weiteren lesen kann: „Dieser Artikel [...] legt tatsächlich nahe, dass die abschreckenden Warnungen nicht berechtigt sind. [...] Zu diesem Schluss kam auch das britische Royal College für Kinderheilkunde und kindliche Gesundheit in seinen neuen Richtlinien zum Umgang Bildschirmmedien [...]” [2, S. 266].[ 10 ]

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Abb. 3 Titelseite (Ausschnitt) der Publikation The health impacts of screen time: a guide for clinicians and parents des Royal College of Pediatrics and Child Care (RCPCH), die im Hinblick auf die Nutzung digitaler Medien das falsche Signal verbreitet.

Diese Richtlinien wurden tatsächlich im Januar 2019 stark abgeschwächt, wie eine Verlautbarung des Royal College of Pediatrics and Child Care zeigt (► [ Abb. 3 ]). Nichts kann die sehr praktische Relevanz der hier geführten Diskussion besser verdeutlichen! Sollen Ärzte also nun - auch hierzulande - tatsächlich „Entwarnung” geben, was die Nutzung digitaler Medien im Kindes- und Jugendalter anbelangt?

Eine weitere, im Januar 2019 publizierte Studie aus der gleichen Quelle [[13]] scheint dies nahezulegen. Aber auch ihr Autor stützt sich ebenfalls lediglich auf eine telefonisch durchgeführte Befragung von 19 957 Eltern 2- bis 5-jähriger Kinder aus den Jahren 2011 und 2012. Mittels zweier Fragen wurde die vom Kind an Wochentagen vor dem Fernseher (TV-Sendungen, Videos, Videospiele) und mit Computer, Handy, tragbaren Spielekonsolen oder anderen elektronischen Medien verbrachte Zeit erfasst. Der Mittelwert (Median) aus allen Bildschirmmedien (Summe der Zeitangaben aus beiden Fragen) wurde so mit 2 Stunden täglich angegeben (Standardabweichung: 2,08 Stunden).

Mittels 4 weiterer Fragen zum Kind wurden dessen Bindung zu den Eltern, Resilienz, Neugier und positive Gestimmtheit jeweils auf einer Skala von 1 (nie) über 2 (selten), 3 (manchmal), 4 (oft) bis 5 (immer) von den Eltern erfragt, Neugier beispielsweise wie folgt: „Er/Sie zeigt Interesse und Neugierde beim Lernen neuer Sachen” [13, S. e58].[ 11 ] Positive Emotionen wurden mit dem Statement „Er/ Sie lächelt und lacht viel” abgefragt”[13, S. e58].[ 12 ]

Heraus kam - nichts. „Zusammengenommen legen unsere Befunde nahe, dass es wenig oder gar keine Gründe für die Annahme von schädlichen Zusammenhängen zwischen der Nutzung digitaler Bildschirmmedien und dem Wohlbefinden junger Kinder gibt.” fassen die Autoren ihre Ergebnisse zusammen [13, S. e61].[ 13 ] Die komplexen statistischen Berechnungen sollten vielleicht darüber hinweg täuschen, dass hier etwas ganz Triviales gefunden wurde: Eltern, die ihren Kindern digitale Medien „zum Spielen” geben, werden kaum zugeben, dass sie damit ihren Kindern schaden! Denn noch einmal sei betont: Nichts wurde hier gemessen, es wurden lediglich die Eltern gefragt, wie viel Zeit ihre Kinder vor Bildschirmen verbringen und wie es ihnen generell so geht. Da Bildschirme weltweit als „Babysitter” bzw. „Schnuller” (engl: „pacifyer”; wörtlich übersetzt: Friedensstifter) eingesetzt werden, wundert es nicht, dass die Eltern nur positive Effekte sehen. Sie vermeiden dadurch unangenehme kognitive Dissonanz.

Demgegenüber zeigen Studien, in denen beim Kind tatsächlich Befunde erhoben werden, dass digitale Bildschirmmedien Schaden anrichten: In der BLIKK-Studie deutscher Kinderärzte, die 5573 Kinder verschiedenen Alters genau untersuchten, wurde klar gezeigt, dass die Smartphone-Nutzung von 2- bis 5-jährigen Kindern mit Konzentrationsstörungen und Störungen der Sprachentwicklung einher geht, bei den 8- bis 14-Jährigen zu Aufmerksamkeitsstörungen und Übergewicht führt und bei 13- bis 14-Jährigen zum Erleben von Kontrollverlust [[3], [7]].

Eine prospektive europäische Studie (Belgien, Deutschland, Estland, Italien, Spanien, Schweden, Ungarn und Zypern) zu den Auswirkungen des Medienkonsums bei 3604 Kindern im Alter von 2 bis 6 Jahren Kindern ergab dosisabhängige emotionale und familiäre Probleme [[10]]. Mit jeder Stunde mehr Zeit am Fernseher oder Computer erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit unerwünschter Effekte von Bildschirmmedien auf das 1,2- bis 2-Fache.

Eine vom September 2016 bis September 2017 von kanadischen Autoren durchgeführten Querschnittsstudie an 4524 Kindern im Alter von 8 bis 11 Jahren aus 20 Orten der USA bestimmte den Zusammenhang von Schlafdauer, körperlicher Aktivität und Bildschirmmedienkonsum auf die geistige Entwicklung der Kinder [[21]]. Die Autoren bezeichnen die 3 Aspekte im Leben von Kindern - Aktivität, Schlaf, Medienkonsum - als „24 hour movement behaviours”, geht es doch um ganz grundlegende und wesentliche Komponenten der Lebensführung. Man orientierte sich dabei an den kanadischen Empfehlungen, die besagen, dass Kinder im Alter von 8 bis 11 Jahren mindestens eine Stunde täglich körperlich aktiv sein sollten, in der Nacht mindestens 9 bis 11 Stunden ununterbrochen schlafen sollten und nicht mehr als 2 Stunden vor Bildschirmmedien verbringen sollten. Der kognitive Entwicklungsstand der Kinder wurde mit einem standardisierten Verfahren, der NIH Toolbox, gemessen, die insgesamt 6 kognitive Domänen misst: Sprachfähigkeit, episodisches Gedächtnis, exekutive Funktion, Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungsgeschwindigkeit.

Wie die Untersuchung zeigte, waren die Kinder im Mittel an 3,7 (± 2,3) Tagen für eine Stunde oder länger körperlich aktiv, sie schliefen im Mittel 9,1 (± 1,1) Stunden pro Nacht und der Bildschirmmedienkonsum lag bei 3,6 (± 2,9) Stunden pro Tag. Die Anzahl (bzw. der prozentuale Anteil) der Kinder, deren Verhalten den kanadischen Empfehlungen entsprach, waren wie folgt: körperliche Aktivität 793 (18 %); Schlaf 2303 (51 %); Bildschirmzeit 1655 (37 %). Mit anderen Worten: Nur die Hälfte der untersuchten Kinder hat ausreichend Schlaf, weniger als ein Fünftel der Kinder hat ausreichend Bewegung, und fast zwei Drittel der Kinder verbringen zu viel Zeit vor Bildschirmen. Dies hatte jeweils Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten: Bewegung und Schlaf hatten kleine positive Auswirkungen, die Zeit vor Bildschirmen hingegen hatte eine deutliche negative Auswirkungen auf die geistige Leistungsfähigkeit der Kinder.

Die Autoren kommentieren ihre Ergebnisse wie folgt: „Die geistige Entwicklung eines Kindes wird durch erfahrungsabhängige kulturelle und umweltbedingte Faktoren beeinflusst, einschließlich Diät, Erziehung und Bildung sowie Umweltfaktoren (wie z. B. die Familiendynamik oder die Umweltverschmutzung) und täglichem Bewegungsverhalten [gemeint sind hier die drei gemessenen Variablen: körperliche Aktivität, Schlaf und Bildschirmmedienkonsum; Anmerkung des Autors]. Entsprechend dürfte die Veränderung der Lebensgewohnheiten von Kindern in Richtung geringe körperliche Aktivität, weniger Schlaf und hoher Bildschirmmediennutzung eine Bedrohung ihrer kognitiven Entwicklung darstellen [...] Die Nutzung von mobilen Endgeräten und sozialen Online-Medien hat einen ungünstigen Einfluss auf die Aufmerksamkeit, das Gedächtnis, die Impulskontrolle und die Bildung [...] Unabhängig von den Inhalten ist die Überschreitung der Empfehlungen zur vor Bildschirmen verbrachten Zeit mit negativen Auswirkung auf die allgemeine geistige Leistungsfähigkeit von 8- bis 11-jährigen Kindern verbunden”[21, S. e6].[ 14 ]

Angesichts dieser im Fachblatt Lancet Child Adolescent Health publizierten klaren Aussagen und der davor angeführten Studien wundert es sehr, dass die offiziellen Vertreter der britischen Kinderärzte gerade jetzt, wo die Datenlage immer klarer und deutlicher wird [[16], [17], [18]], Entwarnung geben. Und sie rechtfertigen die Entwarnung tatsächlich vor allem mit vermeintlichen „neuen Tatsachen”. Hierzu gehören die angeführten Befragungen und vor allem eine im Januar 2019 erschienene Studie, die vom Chef des Royal College of Pediatrics and Child Care (RCPCH), Russel M. Viner, als Co-Autor publiziert wurde [[19]]. In diesem „systematischen Review” werden ebenfalls keine neuen Daten präsentiert, sondern zunächst 13 Review-Artikel identifiziert und dann im Hinblick darauf ausgewertet, ob sie Hinweise für Auswirkungen der Zeit der Bildschirmmediennutzung durch Kinder und Jugendliche liefern oder nicht. Die Autoren bemerken selbst zur Datenqualität der betrachteten Studien, sie sei mäßig bis schlecht. Was sie nicht sagen, ist dass die in den gereviewten Reviews publizierten Daten alt sind: Lässt man die Doppungen weg, dann sind die 675 Arbeiten, auf die Bezug genommen wird, im Mittel aus dem Jahr 2008. Selbst wenn man den Median (Jahr 2009) zugrunde legt, stammen noch 50 % aller verwendeten Arbeiten (also 50 % der „Evidenz”, dass Smartphones so ungesund sind wie Kartoffeln) aus Zeiten, in denen es noch keine Smartphones gab!

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Abb. 4 Abbildung aus den Empfehlungen der britischen Kinderärzte [19, S: 2].

In diesen 13 Review-Artikeln fand man durchaus „mäßig starke” Hinweise für den Zusammenhang von digitalen Bildschirmmedien und Übergewicht sowie Depression, „mäßige” Hinweise für Zusammenhänge mit einer hochkalorischen und ungesünderen Diät sowie einer geringeren Lebensqualität. „Schwache” Hinweise für Zusammenhänge der Bildschirmzeit wurden gefunden für Verhaltensprobleme, Angst, Hyperaktivität und gestörte Aufmerksamkeit, geringes Selbstwertgefühl, geringeres Wohlbefinden und geringere psychosoziale Gesundheit, metabolisches Syndrom, schlechtere kardio-respiratorische Fitness, schlechtere kognitive Entwicklung, geringere Bildung und schlechteren Schlaf. Dennoch kommen die Autoren in ihrer Übersicht zu dem Schluss, dass es „keine starke Evidenz für eine bestimmte Schwelle im Hinblick auf die Stunden vor dem Bildschirm” gebe, woraus sie ableiten, dass man keine Schwelle angeben sollte.[ 15 ]

In den von Viner federführend herausgegebenen Empfehlungen des RCPCH - The health impacts of screen time: a guide for clinicians and parents - liest sich dies dann schon ganz anders: „Wichtige Botschaften für Vertreter von Gesundheitsberufen. Wir glauben, dass die Risiken durch Betrachten von Bildschirmen nicht übertrieben werden sollten. Die Beweislage ist insgesamt relativ schwach. Zudem ist das Ausmaß des Effekts von Bildschirmen auf bedeutsame Bereiche der Gesundheit schwach. [...] Wir sind nicht in der Lage, einen allgemeinen oberen Grenzwert der Bildschirmmediennutzung zu empfehlen” [[19]].[ 16 ] Gleich zu Anfang der Empfehlungen wird darauf hingewiesen, dass man sie unter Einbeziehung der Meinungen von 109 Kindern und jungen Leuten im Alter von 11 bis 24 Jahren formuliert habe. Danach kommt im Text eine Abbildung (► [ Abb. 4), ] aus dem man erfährt, dass die Befragten täglich im Mittel 7,5 Stunden mit Computer, Smartphone und Fernseher verbringen. Dies bleibt unkommentiert und ruft somit den Eindruck hervor, dass dieses Ausmaß der Nutzung aus kinderärztlicher Sicht ok ist.

In einem Anhang wird auf anderslautende, kritischere Empfehlungen der Fachgesellschaften aus den USA und Kanada eingegangen: höchsten eine Stunde für Kinder von 2 bis 5 Jahren und keine Bildschirme für Kinder unter 2 Jahren. Diese Empfehlungen werden von den Briten wie folgt kommentiert: „An diesen und ähnlichen Empfehlungen wurde kritisiert, dass sie nicht evidenzbasiert sind und sich auf die Risiken konzentrieren anstatt die potentiellen Vorteile digitaler Bildschirmmedien für die Bildung und die Industrie anzuerkennen. In Anbetracht der bestehenden Kontroverse halten wir es für wichtig, bei der Evidenz zu bleiben. Keine autoritative Institution hat bislang Empfehlungen zur Bildschirmzeit und Mediennutzung von Kindern im Vereinten Königreich ausgegeben. Unsere Empfehlungen zielen darauf ab, hier Abhilfe zu schaffen” [19, S. e10].[ 17 ]

Auf Seite 7 der Empfehlungen steht folgerichtig, dass es „unmöglich ist, nationale Empfehlungen zu geben oder Grenzen zu setzen.”[ 18 ] Die „Empfehlungen” der britischen Kinderärzte laufen damit darauf hinaus, dass es keine Empfehlungen gibt! Stattdessen sollte jede Familie das Problem für sich lösen...

Wie konnte es geschehen, dass die britische königliche Fachgesellschaft Empfehlungen herausgibt, die keine sind, und das Ganze dann mit Studien rechtfertigt, die keinerlei neue Evidenz liefern, aber zugleich behauptet, der eigene Standpunkt sei - im Gegensatz zu den Standpunkten anderer Fachgesellschaften - evidenzbasiert?

Eine im Fachblatt Lancet im Jahr 2016 publizierte sehr umfangreiche Übersichtsarbeit (55 Seiten!) [[23]] liefert hierzu interessante Hinweise. Sie trägt den Titel „Unsere Zukunft”: Eine Lancet Kommission zur Gesundheit und zum Wohlbefinden Jugendlicher und kommentiert in insgesamt 9 über die gesamte Arbeit verteilten Absätzen digitale Informationstechnik auf das Enthusiastischste, ohne dass eine einzige Referenz als Beleg angegeben wird. Weil man dies kaum glauben mag, sei aus dem Lancet zitiert:

„Digitale Medien und Breitband Technologien bieten hervorragende neue Möglichkeiten” (S. 2424); „außergewöhnliche Gelegenheiten” (S. 2425); „Die digitale Revolution hat das Potential zu transformieren (S. 2430); „online Therapien und Therapien über das Handy könnten eine positive Rolle in der Prävention spielen”, „Soziale Online-Medien [...] stellen eine neue vielversprechende Plattform dar” (S. 2459). Soziale Netzwerke und digitale Medien machen es möglich, [...] neue Ressourcen in noch nie dagewesener Weise zu verwenden. Neue Medien fördern mehr aktives Engagement...” (S. 2363); „mobile Endgeräte [...] bieten einmalige Gelegenheiten” (S. 2464); „Digitale Medien haben das Potential zur Transformation” (S. 2465); „neue, auf digitalen Medien basierende Plattformen bieten sehr gute Aussichten” (S. 2466).

In drastischem Gegensatz zu dieser Flut unbegründeter Aussagen über vermeintliche positive Aspekte digitaler Bildschirmmedien stehen lediglich 2 Absätze über die Risiken und Gefahren, in denen nur wenige überhaupt erwähnt werden, die zudem eher unbedeutend sind: „erhöhte soziale Ansteckung” (S. 2429), „Cyber-bullying” und das „Marketing ungesunder Artikel”, „online Sicherheit” und - nur am Rande und ohne nähere Erläuterungen - „Essstörungen”, „Schlafstörungen” und „Spielsucht” (S. 2431).

Die Kommission zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen schreibt zudem das Folgende: “Es gibt eine fortlaufende Diskussion darüber, ob digitale Medien möglicherweise die soziale, emotionale oder kognitive Entwicklung von Jugendlichen beeinträchtigt” (S. 2436, Hervorhebung durch den Autor). Im Lichte der aus der medizinischen Fachliteratur bekannten negativen Auswirkungen digitaler Medien auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen werden hier ganz offensichtlich Fakten geleugnet - ganz ähnlich wie noch vor einigen Jahrzehnten eine sehr starke Tabak-Lobby die negative Konsequenzen des Rauchens geleugnet hat. Der Senior-Autor (Letztautor) dieses Berichts war - kein anderer als Russel M. Viner.

Man kann sich des Eindrucks schwer erwehren, dass hier ein Lobbyist „den Weg durch die Institutionen gegangen ist” - erst Chef einer Kommission zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, dann Chef der akademisch organisierten britischen Kinderärzte -, um dann ganze Arbeit zu leisten: Das erste, was er in seinem neuen Job als Chef des Royal College of Pediatrics and Child Care bewirkt hat, war eine Abschwächung und Verwässerung der Empfehlungen der britischen Kinder- und Jugendärzte zur Nutzung digitaler Medien (so schreibt er selbst auf seiner Webseite).

Weder digitale Bildschirmmedien im Allgemeinen, noch Smartphones und die damit am meisten verwendete Software (social Online-Medien) im Besonderen sind so ungefährlich wie Kartoffeln. Wer dies behauptet - sei es die Qualitätspresse oder gar die medizinische Fachpresse - handelt unverantwortlich und stellt die Profitinteressen der ohnehin schon reichsten Firmen der Welt-Apple, Google, Amazon, Microsoft und Facebook - über das Wohlergehen unserer Kinder.


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1 „Current evidence for an association between digital-technology use and adolescent well-being is contradictory [...]” [2, S. 266].


2 Man nennt diesen Fehler – etwas nicht zu finden, was tatsächlich ist –auch Beta-Fehler (man sprich auch von einem "falsch negativen“ Ergebnis). Das Gegenstück ist der Alpha-Fehler – etwas finden, das nicht da ist ("falsch positives Ergebnis“). In der Medizin gehören Überlegungen zu falsch positiven und falsch negativen Befunden zum täglichen Geschäft, denn viele diagnostische Prozeduren können falsch positive und falsch negative Ergebnisse haben.


3 Wer dies bezweifelt, braucht nur einmal einen Alkoholiker danach zu befragen, wie viel Alkohol er trinkt. Selbst die Meinung von Experten auf ihrem jeweiligen Fachgebiet gilt in der Medizin als niedrigster Evidenzgrad [[18]].


4 Im Original: „On an average school day, how many hours do you play video or computer games or use a computer for something that is not school work? (Count time spent playing games, watching videos, tex-ting, or using social media on your smartphone, computer, Xbox, PlayStation, iPad, or other tablet.)

4 A. I do not play video or computer games or use a computer for something that is not school work

4 B. Less than 1 hour per day

4 C. 1 hour per day

4 D. 2 hours per day

4 E. 3 hours per day

4 F. 4 hours per day

4 G. 5 or more hours per day.”


5 „During the past 7 days, how many times did you eat potatoes? (Do not count french fries, fried potatoes, or potato chips.)

5 A. I did not eat potatoes during the past 7 days

5 B. 1 to 3 times during the past 7 days

5 C. 4 to 6 times during the past 7 days

5 D. 1 time per day

5 E. 2 times per day

5 F. 3 times per day

5 G. 4 or more times per day“


6 Solche unsinnigen Kategorien kommen tatsächlich in Befragungen vor. Sie zeigen an, dass man ein ganz bestimmtes Ergebnis erhalten wollte [[15]].


7 Im Original: „The association of well-being with regularly eating potatoes was nearly as negative as the association with technology use“ [12, S. e6].


8 Im Original: „The widespread use of digital technologies by young people has spurred speculation that their regular use negatively impacts psychological well-being. Current empirical evidence supporting this idea is largely based on secondary analyses of large-scale social datasets. […] Taking the broader context of the data into account suggests that these effects are too small to warrant policy change.“


9 „Current evidence for an association between digital-technology use and adolescent well-being is contradictory and comes mainly from household panel surveys and other large-scale social polls, with thousands to millions of respondents” [2, S. 266].


10 „This article […] does suggest that dire warnings are not warranted. […] This is also the conclusion reached by the UK Royal College of Paediatrics and Child Health, in guidance on the health effects of screen time that it issued earlier this month.“


11 „[He/She] shows interest and curiosity in learning new things“.


12 „[He/She] smiles and laughs a lot.“


13 „Taken together, findings suggested that there is little or no support for harmful links between digital screen use and young children’s psychological well-being.“


14 „A child’s cognitive development is influenced by experience-dependent cultural and environmental factors, including diet, education, environmental exposures (eg, family dynamics or pollution), and daily movement behaviours. Accordingly, the shift in the lifestyle behaviours of children towards low physical activity levels, reduced sleep times, and high levels of screen use might pose a threat to cognitive development. […] mobile device and social media uses have an unfavourable relationship with attention, memory, impulse control, and academic performance […] independent of screen content considerations, exceeding the screen time recommendation was negatively associated with global cognition in children aged 8–11 years.“


15 „However, there is no strong evidence for a particular threshold in hours of screentime“ [19, S. e8].


16 „Key messages for health professionals“. We believe that the risks from screen exposure should not be overstated. The evidence is relatively weak overall. Further, the magnitude of impact of screens is small on key health outcomes. […]. We are unable to recommend a cut-off for children’s screen time overall.“


17 „However, these and similar guidelines have been criticised as not being fully evidence-based and being focused on risks, rather than recognising the potential benefits of digital screen use in education and industry. Given the controversy, it is essential we stick to the evidence. No authoritative body has yet issued guidance on screen time and media use for children in the UK. This guide aims to remedy that.”


18 „Because the effect of screen time depends so much on context, and the uncertain nature of the evidence, it is impossible to give comprehensive national guidance or limits. [...] we think that families should examine their own screen time regime.”



Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer
Universität Ulm
Abteilung für Psychiatrie
Leimgrubenweg 12-14
87054 Ulm


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Abb. 1 Online-Version (Ausschnitt) des Artikels aus der Süddeutschen Zeitung, Rubrik „Wissen”, in dem davon die Rede ist, dass es „keine harten Beweise” gäbe, und eine neue Studie „Entwarnung” liefere. Weiter heißt es dort u. a.: „Die Handygeräte [...] sind angeblich extrem ungesund und machen mindestens genauso schnell süchtig. Wissenschaftler der Oxford-Universität kommen in einer neuen Studie im Fachblatt Nature Human Behaviour zu einem anderen Schluss. Geht es um den Einfluss auf das Wohlbefinden von Teenagern, lässt sich aus ihrer Sicht nichts besser vergleichen als Smartphones und Kartoffeln. Beides ist aus medizinischer Sicht unbedenklich. Der Handygebrauch verschlechtert die Gesundheit von Jugendlichen demnach nur um 0,4 %. Statistisch ist das derselbe Effekt, der sich beim regelmäßigen Verzehr von Kartoffelgerichten einstellt [...]. Der Kartoffelvergleich mag absurd klingen. Er soll aber mit einem Missverständnis aufräumen, das die öffentliche Debatte prägt. Smartphones werden immer öfter als Krankmacher verteufelt, obwohl es dafür keine belastbare Datengrundlage gibt.”
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Abb. 2 Reproduktion einer österreichischen Der Standard Ausschnitts unter der Rubrik „Forschung Spezial” publizierten Entwarnung vor Smartphones, in dem u. a. zu lesen ist: „[...] immer mehr Experten sprechen sich gegen Stundenempfehlungen bei der kindlichen Online-Mediennutzung aus”, denn die Anzahl der Stunden haben keinen Einfluss auf deren Schädlichkeit. „[...] auch amerikanische und europäische Psychologen und Neurowissenschaftler [sehen] keine Belege dafür [...], dass Bildschirme gefährlich sind”.
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Abb. 3 Titelseite (Ausschnitt) der Publikation The health impacts of screen time: a guide for clinicians and parents des Royal College of Pediatrics and Child Care (RCPCH), die im Hinblick auf die Nutzung digitaler Medien das falsche Signal verbreitet.
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Abb. 4 Abbildung aus den Empfehlungen der britischen Kinderärzte [19, S: 2].