Fallbeispiel einer Patientin mit Ovarialkarzinom
Fallbeispiel 1
Eine 82-jährige Frau stellt sich mit Unterbauchbeschwerden vor. Anamnestisch ist bei
der Patientin ein Kolonkarzinom mit Erstdiagnose vor 2 Jahren und dem Tumorstadium
pT3, pN1b (2/26), L1, V0, R0, G3 bekannt. Das Kolonkarzinom wurde operativ behandelt,
die vorgeschlagene adjuvante Chemotherapie von der Patientin jedoch abgelehnt. Die
Patientin erscheint in Begleitung von Sohn und Ehemann und wirkt leicht vergesslich
und desorientiert.
Folgende Erkrankungen sind bei der Patientin bekannt: arterieller Hypertonus; nicht
insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2; Zustand nach vaginaler Hysterektomie (Uterus
myomatosus) vor 25 Jahren; Zustand nach Thyreoidektomie vor 17 Jahren (Ursache nicht
evaluierbar); Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose rechts vor 4 Monaten, Medikation
von Apixaban.
Befunde der gynäkologischen Untersuchung: unauffällige Vulva; Vagina und Scheidenstumpf
glatt; Adnexe rechts unauffällig, links mit praller Raumforderung von ca. 6 cm Durchmesser;
die vaginale Sonografie zeigt einen zystischen Tumor im linken Unterbauch, glatt-berandet
mit randständigen papillären Strukturen; unauffällige rechte Adnexe; die abdominale
Sonografie zeigt: kein Aszites, Oberbauch und Mittelbauch unauffällig; bei V. a. ein
frühes Ovarialkarzinom erfolgt die Ösophagogastroduodeno- und Koloskopie mit dem Ergebnis:
unauffällig bis auf einzelne reizlose Divertikel; das CT Thorax/Abdomen zeigt eine
zystische Raumforderung im Bereich der linken Adnexe mit Abklärungsbedarf.
Operationen und Verläufe
Nach entsprechender Aufklärung und Vorbereitung sowie nach Umstellung der Thromboseprophylaxe
auf niedermolekulares Heparin (NMH) führten wir im Rahmen einer explorativen Laparotomie
eine ausgedehnte Darmadhäsiolyse und Ureterolyse links mit anschließender Adnexektomie
links durch. Die Schnellschnittuntersuchung bestätigte die Verdachtsdiagnose eines
Ovarialkarzinoms. Zur Komplettierung der Operation nahmen wir zusätzlich die Adnexektomie
rechts und die Omentektomie vor. Für das Staging erfolgten Probeentnahmen vom Peritoneum.
Erster postoperativer Verlauf
Nach unauffälligem postoperativem Verlauf auf der Intensivstation wurde die Patientin
am Folgetag auf die Normalstation verlegt. Am 2. postoperativen Tag hatte die Patientin
einmalig Stuhlgang. Sie war komplett mobilisiert. Am 3. postoperativen Tag äußerte
die Patientin bei der Frühvisite einen leichten Unterbauchschmerz und Übelkeit, sie
fühlte sich abgeschlagen. Befunde:
-
weicher Bauch, keine Abwehrspannung,
-
blutig-tingierter Aszites in der Drainage, kein Anhalt für eine Nachblutung,
-
Kreislaufparameter stabil und unauffällig,
-
Laborparameter ebenso unauffällig, bis auf eine leichte Leukozytose (11 000/ml).
Zwei Stunden später meldete die Stationsschwester, die Patientin werde zunehmend somnolent.
Der Blutdruck war 90/40 mmHg und der Puls lag bei 127/min. Der Bauch zeigte sich weiterhin
weich, allerdings leicht gebläht. Die Patientin war zu diesem Zeitpunkt kaum ansprechbar.
Die CT-Untersuchung des Abdomens zeigte keinen Anhalt für eine intraabdominale Blutung,
allerdings ergab sich der Verdacht auf eine Abszedierung im Mittelbauch links auf
Nabelniveau. Die Laboruntersuchung ergab eine Leukozytose von 17 000/ml und einen
CRP-Wert von 38 mg/dl (Normwert < 0,5 mg/dl). Die Patientin war weiterhin somnolent.
Klinisch fehlte die Abwehrspannung, die Bauchdecke war weiterhin weich. Bei Verdacht
auf eine Perforation war die Re-Laparotomie indiziert. Während der Intubation aspirierte
die Patientin Mageninhalt. Umgehend konnte via Bronchoskopie das Aspirat abgesaugt
werden. Bei der Laparotomie zeigte sich eine Ileumperforation mit 4-Quadranten-Peritonitis,
sodass wir eine Ileumsegmentresektion mit Ileostoma-Anlage unter reichlicher Spülung
des Situs durchführten. Weitere Perforationen ließen sich nicht erkennen.
Zweiter postoperativer Verlauf
Postoperativ wurde die Patientin unter antibiotischer Abschirmung (Piperazillin/Tazobactam)
auf die Intensivstation verlegt. Sie war wach, etwas verwirrt und kardiopulmonal auf
niedrigem Niveau stabil. In der Nacht nach der Operation entwickelte sie ein Delir
mit starker Verwirrtheit. Zudem wurde eine Pneumonie diagnostiziert, sodass wir die
antibiotische Therapie auf Linezolid und Anidulafungin umstellten.
Am 3. postoperativen Tag erfolgte aufgrund einer neu aufgetretenen Pupillendifferenz
und bei verwaschener Sprache eine kraniale CT, die jedoch keine pathologischen Befunde
erkennen ließ. Die Pupillendifferenz und die verwaschene Sprache waren im weiteren
Verlauf komplett rückläufig, ebenso die intermittierenden Delirphasen. Erneut aspirierte
die Patientin beim Schluckversuch und wurde daraufhin intubiert und bronchoskopiert,
konnte aber noch am selben Tag extubiert werden. In den nächsten Tagen stabilisierte
sich der Allgemeinzustand der Patientin langsam. Neun Tage später wurde die Patientin
auf die Normalstation verlegt und 6 Tage danach, bei subjektivem Wohlbefinden, nach
Hause entlassen.
Diskussion
Risikofaktor Alter
Die Anzahl an chirurgischen Eingriffen nimmt proportional zur steigenden Lebenserwartung
der Frauen zu. Erkrankungen, die im Alter gehäuft auftreten und eine operative Behandlung
erfordern, stellen allerdings eine große Herausforderung für die betroffenen Frauen
selbst dar und für die Behandler.
Merke
Die perioperative Morbidität und Mortalität sind bei älteren Frauen 2,9-fach bzw.
6,7-fach erhöht [4].
Das Alter der Patientin ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für die perioperative
Morbidität und Mortalität. Obwohl die meisten altersrelevanten Änderungen zwischen
dem 65. und 70. Lebensjahr auftreten, ist der Begriff „alt“ sehr uneinheitlich definiert.
Während des Entscheidungsprozesses einer operativen Therapie ist es empfehlenswert,
neben dem physiologischen Alter der Patientin weitere Faktoren in Betracht zu ziehen,
nämlich:
-
vorhandene Komorbiditäten,
-
kognitive Veränderungen,
-
körperliche und mentale Depression,
-
Polypharmazie,
-
Ernährungsstatus und
-
individuelle soziale Lage.
Infobox 1
Beispiele für altersbedingte Beeinträchtigungen
-
Das Ansprechen auf Katecholamine ist im Alter beeinträchtigt und kann in Kombination
mit einer Überwässerung zu einem Lungenödem führen.
-
Die renale Funktion ist im Alter eingeschränkt, sodass aufgrund von Minderdurchblutung
und Verlust von Nierenparenchym eine Reduktion der Kreatinin-Clearance möglich ist
[4]. Eine reduzierte renale Funktion ist für die Auswahl der Anästhesie, Dosierung der
Medikamente und Flüssigkeitssubstitution relevant.
-
Es wurde gezeigt, dass ältere Frauen ähnlich gut wie jüngere eine ausgedehnte Operation
bei einem Ovarialkarzinom tolerieren können; dennoch besteht ein Risiko bei reduziertem
Allgemeinzustand, schlechtem ASA-Status (> 3) oder Fernmetastasen bei der Primärdiagnose
[5].
-
Im Alter treten häufig kardiovaskuläre Erkrankungen auf: > 50% der postoperativen
Todesfälle und 11% der postoperativen Komplikationen sind als Resultat einer geschädigten
kardialen Funktion unter normalen Stressbedingungen zu sehen [4].
Die physiologische „Gebrechlichkeit“ einer Patientin ist charakterisiert durch die
Reduktion der Organreserven, der körperlichen Kraft, der Belastungsausdauer und der
physiologischen Funktionen. Aus diesem Grund nehmen die Zahl und die Ausdehnung der
gynäkologischen Operationen im Alter ab [1], [2]. Es gibt verschiedene Verfahren, welche die Gebrechlichkeit evaluieren, um präventiv
perioperative Komplikationen minimieren zu können [4] (s. u.). Im Folgenden werden charakteristische Merkmale und typische perioperative
Überlegungen bei der älteren gynäkologischen Patientin beschrieben.
Merke
Die Kunst ist es, nicht die Operation an sich erfolgreich und radikal durchzuführen,
sondern die Rekonvaleszenz der Patientin nicht zu gefährden.
Intra- und perioperative Komplikationen
Blutung
Intraoperative Blutungen bzw. Nachblutungen gehören zu den häufigsten Komplikationen
einer Operation. Veränderungen im kardiovaskulären System und die Alterung der Gefäße
können zu einer verstärkten Gefäßfragilität und damit zu Blutungen führen. Dazu trägt
auch der im Alter steigende Blutdruck bei wie auch die häufige Einnahme von Antikoagulanzien
[4]. Intraoperative Blut- und Flüssigkeitsverluste sind die Hauptfaktoren, die zu einer
Hypovolämie und Hypotension führen können. Das ist insbesondere bei ausgedehnten Operationen
(wie z. B. die Zytoreduktion eines Ovarialkarzinoms) der Fall. Auch die ausgedehnte
Deperitonealisierung beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom führt u. U. zu einem massiven
Flüssigkeitsverlust, der von der älteren bereits vorerkrankten Patientin schwerlich
kompensierbar ist. Diese Fakten sollten bei der Planung der Operation und ihrer Ausdehnung
immer berücksichtigt werden.
Aspiration
Die Aspiration von gastroösophagealem Inhalt ist eine relativ seltene Komplikation
während der Allgemeinanästhesie. Sie wird allerdings häufiger bei älteren Patienten
beobachtet [6] und ist die Hauptursache für bronchopulmonale Komplikationen [7]. Mit der Aspiration bei älteren Patientinnen sind ursächlich verbunden
-
veränderte protektive Reflexe wie Husten, Exspiration und Laryngospasmus,
-
ein verminderter Tonus des gastroösophagealen Sphinkters [6], sowie
-
eine altersbedingt veränderte pulmonale Funktion (Reduktion der Vitalkapazität) und
-
Adipositas.
Merke
Die Kombination von fortgeschrittenem Alter und Adipositas erhöht das Aspirationsrisiko
signifikant.
Die Patientin im Beispiel hatte präoperativ und auf der Intensivstation aspiriert,
sicherlich begünstigt durch den beginnenden Ileus. Beim zweiten Aspirieren war der
verminderte Allgemeintonus die Ursache. In beiden Situationen entsprachen die rechtzeitige
Bronchoskopie mit Absaugung und die nachfolgende antibiotische Behandlung einer adäquaten
Therapie.
Adipositas
Mehr als ein Drittel der Menschen ≥ 65 Jahre haben einen zu hohen BMI [8]. Übergewicht ist mit einer vermehrten Rate an Komplikationen, verlängerter Hospitalisation
und Wiederaufnahme verbunden [9]. Eine prä- und vor allem postoperative Kontrolle der renalen, kardialen und pulmonalen
Funktionen bei adipösen Patientinnen ist von eminenter Bedeutung und unerlässlich.
Merke
Bei adipösen Patientinnen werden intraoperative Schwierigkeiten nicht durch das „äußere“,
sondern durch das „innere“ Fett verursacht.
Im Alter kommt es zu einer Umverteilung der Fettmasse, hauptsächlich in das viszerale
Kompartiment. Intraoperativ ist das vermehrte viszerale Fettgewebe mit erschwerter
Operabilität verbunden, vor allem mit erschwertem Zugang in das kleine Becken. Die
Präparation und die operative Sicht können durch das Fettgewebe massiv beeinträchtigt
werden. Aus anästhesiologischer Sicht sind die Intubation und die perioperative Medikation
bei adipösen Patientinnen zuweilen eine Herausforderung und verlangen entsprechende
Expertise und Erfahrung.
Venöse Thromboembolie
Ein rechtzeitiges Erkennen verschiedener Risikofaktoren für eine Thromboembolie kann
bei der Planung und Durchführung einer Operation hilfreich sein. Die Prophylaxe einer
Thromboembolie steht immer im Vordergrund. Wichtige Risikofaktoren für thromboembolische
Ereignisse sind
Das Risiko steigt, wenn zusätzlich eine operative Therapie durchgeführt wird. In solchen
Fällen ist eine ausreichend adäquate Thromboseprophylaxe indiziert. Dazu zeigte eine
systematische Metaanalyse eindeutig: Frauen > 60 Jahre, bei denen eine gynäkologische
Intervention geplant ist, profitieren lediglich von einer Kompressionsprophylaxe,
nicht aber von einer medikamentösen Prophylaxe bei gleichzeitiger Reduktion des Blutungsrisikos
[10].
Merke
Die pharmakologische Prophylaxe sollte Frauen mit Malignomen oder Thromboembolismus
in der Vorgeschichte vorbehalten bleiben.
Bei unserer Patientin im Fallbeispiel waren mehrere Risikofaktoren zu identifizieren
– unter anderem wurde sie bereits mit einer prophylaktischen Gabe von Apixaban aufgenommen.
Um ihr Blutungsrisiko perioperativ zu minimieren, stellten wir die Prophylaxe auf
NMH um und konnten so trotz der zahlreichen Risikofaktoren einem Thromboembolismus
erfolgreich vorbeugen.
Lagerung und Immobilisierung
Es gibt keine Daten, die eindeutig belegen, dass es bei älteren Patientinnen vermehrt
zu Lagerungsschäden kommt. Allerdings sind hier die häufigen Arthritiden, Gelenkbeschwerden
oder künstlichen Gelenke bei der Lagerung zu beachten, ebenso wie Nervenschäden bei
älteren und adipösen oder auch bei abgemagerten Patientinnen. Um Kompressionskomplikationen
oder Dekubitus zu vermeiden, sind häufig zusätzliche Lagerungstechniken und Hilfsmittel
notwendig. Voroperationen an den Extremitäten sind bei der präoperativen Lagerung
zu berücksichtigen.
Die peri- und postoperative Immobilisierung hat klinische Relevanz, denn Bettlägerigkeit
von nur 2 Tagen reicht bereits aus, um die Funktionalität älterer Menschen signifikant
zu reduzieren [4]. In der postoperativen Phase (v. a. in den ersten 14 Tagen) sind ältere Frauen relativ
oft von einem Sturz betroffen [11]. Erforderlich sind dann Anpassungen im postoperativen Management – abgesehen von
einer zusätzlichen Beanspruchung von Krankenhauspersonal. Präventive Maßnahmen wie
eine frühe Mobilisierung oder „ständige“ Überwachung der körperlichen Aktivitäten
in den ersten Tagen nach der Operation sollten zu den Standards in jeder Klinik zählen.
Eine adäquate häusliche Versorgung ist vor der Entlassung zu klären.
Merke
Die frühzeitige postoperative Mobilisierung ist für eine normale Darmperistaltik essenziell,
führt zu einer Verbesserung der Funktion des Kreislaufsystems und wirkt vorbeugend
gegen Ödembildung und Lungenkomplikationen.
Postoperatives Delir
Charakteristisch für eine transiente Hirnsymptomatik sind
-
akute Beeinträchtigung der kognitiven Funktion,
-
Konzentrationsstörungen,
-
Bewusstseinsveränderungen und
-
veränderter Schlaf-wach-Zustand [12].
Die psychomotorische Aktivität kann entweder reduziert oder erhöht sein. Etwa 30%
der hospitalisierten älteren Menschen entwickeln ein Delir, und die Rate kann bis
zu 60% nach einer Operation steigen. Die Entwicklung eines Delirs ist mit gesteigerter
Morbidität und Mortalität verbunden und erfordert nicht selten erheblichen zusätzlichen
Aufwand, inklusive einer nachstationären Betreuung. Zahlreiche Risikofaktoren wie
-
beeinträchtigte kognitive Funktion,
-
Alter,
-
Art der Chirurgie und Anästhesie,
-
Grunderkrankung und Nebendiagnosen etc.
wurden bereits als Risikofaktoren für ein Delir beschrieben [12]. Die genaue Evaluation dieser Veränderungen ist praktisch schwierig und am besten
im Gespräch mit Angehörigen zu eruieren. Mittels einer adäquaten präoperativen Anamnese
kann das Risiko für die Entwicklung eines Delirs eingeschätzt werden. Dies hat Bedeutung
für eventuelle vorbeugende Maßnahmen.
Merke
Einer der wichtigsten Risikofaktoren für ein postoperatives Delir ist die bereits
präoperativ beeinträchtigte kognitive Funktion [4], [12].
Bei der Patientin im Fallbeispiel waren anamnestisch eine beginnende Demenz und Desorientierung
beschrieben, die sich nach der zweiten Operation drastisch verschlechterten. Die Delirepisoden
waren intermittierend sehr ausgeprägt, und eine signifikante Verbesserung trat erst
einige Wochen nach der Entlassung ein.
Postoperative Schmerzen
Eine ausreichende Schmerztherapie ist mit einer verbesserten Wundheilung verbunden
und soll stets angestrebt werden. Allerdings stellt das postoperative Schmerzmanagement
hier eine weitere Herausforderung dar: Ältere Patientinnen haben häufig eine etwas
erhöhte Schmerztoleranzgrenze, d. h. sie melden einen Schmerz oder Beschwerden erst
im fortgeschrittenen Stadium [4]. Die Schmerztherapie, vor allem die multimodale Schmerztherapie, hat besondere Anforderungen
bei älteren Frauen mit postoperativen Schmerzen. Der Einsatz von nicht steroidalen
Antirheumatika soll vor allem bei Patientinnen mit beeinträchtigter Nierenfunktion
restriktiv erfolgen.
Infobox 2
Opioide bei der älteren Patientin
-
Die Gabe von Opioiden kann eine bereits existierende Obstipation verschlechtern.
-
Vorteile der Opioide sind die relative Unabhängigkeit von Alter, renaler Funktion
und Albuminkonzentration im Serum [4].
-
Die emetogene Wirkung von Opioiden ist aus verschiedenen Gründen bei älteren Patientinnen
erhöht und muss deshalb beachtet werden.
Atypische Symptomatik
Häufig ist die klinische Symptomatik zahlreicher Erkrankungen atypisch, was die klinische
Untersuchung und ihre Interpretation erschweren kann. Zum Beispiel war bei unserer
Patientin im Fallbeispiel die Abwehrspannung bei Peritonitis nicht vorhanden. Das
wird durch den physiologisch bedingten Abbau der abdominalen Muskulatur erklärbar
[13]. Bei abdominalen (v. a. epigastrischen) Schmerzen
-
ist eine EKG-Diagnostik bei jeder älteren Patientin notwendig: ein Drittel der Patientinnen
> 65 Jahre, die einen Myokardinfarkt erleiden, zeigen nur abdominale Schmerzen [13]; zudem
-
können auch verschiedene pulmonale Pathologien vorliegen, die abgeklärt werden sollten.
Maßnahmen zur Reduktion perioperativer Komplikationen
Beurteilung der Gebrechlichkeit
Nicht alle älteren Frauen sind auf gleiche Weise von verschiedenen Erkrankungen betroffen
bzw. haben denselben Ausgangszustand, d. h. Allgemeinzustand. In der Literatur werden
zahlreiche Scores benannt, die die Evaluation der Gebrechlichkeit (engl. frailty)
erleichtern sollen, und es gibt mehrere Reviews dazu [14]. Einige Scores erfassen nur die körperlichen Aspekte der Gebrechlichkeit, andere
beziehen die kognitiven, psychischen und sozialen Faktoren mit ein. Aus diesem Grund
ist eine einheitliche Definition dringend notwendig.
Merke
Die Einschätzung der perioperativen Gebrechlichkeit ist hilfreich, um verschiedene
Komplikationen zu vermeiden und die optimale Vorbereitung zu gewährleisten.
Die verfügbaren Daten legen nahe, dass die präoperative Gebrechlichkeit bei älteren
Patienten signifikant mit postoperativen Komplikationen verbunden ist. Zwar ist die
Aussagekraft vieler Studien begrenzt durch ein hohes Maß an Heterogenität (Beurteilung
der Gebrechlichkeit, Art der Operation, primäre Endpunkte), doch scheint insgesamt
die Frailty für das Risiko der postoperativen Morbidität und Mortalität verantwortlich
zu sein. Ein Beispiel für ein präoperatives Assessment der Gebrechlichkeit von Patientinnen
ist die Klassifikation der American Society of Anesthesiologists (ASA) ([Tab. 1]) [4]. Anhand dieser einfachen Klassifikation sollte man alle Patientinnen präoperativ
evaluieren, um eventuelle Risiken für intra- und postoperative Komplikationen herauszufiltern.
Tab. 1 ASA-Klassifikation der Frailty [4].
|
Grad
|
Befunde
|
|
ASA I
|
Patientin ist völlig gesund, Nichtraucherin, kein (regelmäßiger) Alkoholkonsum.
|
|
ASA II
|
Patientin, die eine Krankheit ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen hat. Dazu
zählen: aktuelle Raucherinnen, soziale Alkoholtrinkerinnen, Schwangere, Frauen mit
einem BMI zwischen 30 und 40 kg/m2, gut kontrollierter Diabetes mellitus und/oder Hypertonus, leichte Lungenerkrankung.
|
|
ASA III
|
Patientin mit schweren systemischen Erkrankungen. Wichtige Beispiele sind: schlecht
eingestellter Diabetes mellitus, Hypertonus, COPD, BMI > 40 kg/m2, aktive Hepatitis, Alkoholabhängigkeit oder -missbrauch, implantierter Schrittmacher,
moderate Verringerung der Ejektionsfraktion, regelmäßige Dialyse, anamnestisch (> 3
Monate) Myokardinfarkt, zerebrovaskuläre Erkrankung, transitorisch ischämische Attacke,
Stents.
|
|
ASA IV
|
Patientin hat mindestens eine schwere, lebensbedrohliche systemische Erkrankung.
|
|
ASA V
|
Patientin hat eine akute lebensbedrohliche Erkrankung; ohne Operation ist die Überlebenswahrscheinlichkeit
sehr gering.
|
|
ASA VI
|
Patientin ist hirntot; eine Operation zur Organspende ist möglich.
|
Prophylaxe der venösen Thromboembolie
Alle gynäkologisch onkologischen Patientinnen sollten vor einer chirurgischen Intervention,
die länger als 30 Minuten dauert, eine Prophylaxe zur venösen Thromboembolie bekommen
[15]. Diese umfasst eine mechanische und eine medikamentöse Komponente wie niedermolekulares
oder fraktioniertes Heparin. Eine bereits präoperativ begonnene Prophylaxe reduziert
signifikant die Rate an thromboembolischen Ereignissen [16]. Ältere Patientinnen, die eine chirurgische Intervention wegen einer malignen gynäkologischen
Erkrankung erhalten, profitieren von einer auf 4 – 6 Wochen postoperativ erweiterten
medikamentösen Prophylaxe.
Prophylaxe perioperativer Infektionen
Eine antibiotische Prophylaxe ist mit einer signifikanten Reduktion der postoperativen
Morbidität verbunden und wird grundsätzlich in der gynäkologischen Chirurgie empfohlen.
Unter bestimmten Bedingungen (wie Darmchirurgie oder Chirurgie maligner Erkrankungen
im kleinen Becken mit Scheideneröffnung) können auch Antibiotika mit antianaerober
Wirkung zum Einsatz kommen. In der Regel wird die Applikation der Antibiotika 1 Stunde
vor der Hautinzision als sinnvoll angesehen.
Merke
Zur antibiotischen Prophylaxe in der gynäkologisch onkologischen Chirurgie gelten
Cephalosporine als Mittel der Wahl [15].
Die Sinnhaftigkeit einer Drainage wird kontrovers diskutiert, denn bereits 2 Stunden
nach Einlegen eines Drains ist eine bakterielle Kolonisierung nachweisbar. Um die
Rate der perioperativen Infektionen zu reduzieren, wird eine schnelle Entfernung der
Drainage bzw. sogar der Verzicht auf eine Drainage empfohlen [15].
Das Vermeiden einer Hypothermie ist vor allem bei älteren Patientinnen obligat: Hypothermieprophylaxe
durch perioperative Wärme ist mit einer signifikanten Reduktion der Infektionsrate
verbunden [17].
Prävention eines Ileus/Subileus
Die schnelle Wiederaufnahme der Darmfunktion ist vor allem bei älteren Patientinnen
das Ziel jedes postoperativen Managements. Auch für die Entlassung nach Laparotomie
aufgrund gynäkologischer Erkrankungen ist die funktionelle Darmperistaltik eine der
wichtigsten Voraussetzungen.
Merke
Die Rate eines postoperativen Ileus nach offenen gynäkologischen Operationen liegt
bei 30%; nach einer ausgedehnten Debulking-Operation bei Ovarialkarzinom mit Darmresektion
beträgt sie ca. 40% [15].
Die Wiederaufnahme der Darmfunktion ist durch verschiedene Maßnahmen beeinflussbar,
z. B.:
Primäre Relevanz hat die minimalinvasive Chirurgie: sie ist mit einer signifikanten
Senkung der Ileusrate verbunden, auch bei komplexen gynäkologischen Operationen. Aus
diesem Grund soll der minimalinvasive Zugang der Zugangsweg der ersten Wahl sein,
falls keine Kontraindikation vorliegt.
Eine multimodale Analgesie mit Reduktion der Einnahme von Opioiden hat eine drastische
Reduktion von Darmverschlüssen zur Folge (siehe auch Infobox 2).
Kaffeekonsum bewirkt die schnellere Wiederaufnahme der Darmfunktion und ist mit einer
20%igen Reduktion der Ileussymptomatik verbunden; sogar das Kauen von Kaugummis ist
förderlich [15].
Merke
Eine schnelle Mobilisierung der älteren Patientin ist essenziell zur Prophylaxe eines
Ileus/Subileus.
Perioperative Ernährung
Die frühzeitige Ernährung ist eindeutig mit einer Reduktion von Darmverschlüssen verbunden
und gehört somit zum Standard im postoperativen Management nach gynäkologischen Operationen.
Sie führt zu einer Verbesserung der Wundheilung und Lungenfunktion, Reduktion der
Darmanastomosen-Insuffizienz und zu einer verkürzten Hospitalisierung [15]. Die Mehrzahl der Studien über eine frühe Ernährung betrifft zwar die Darmchirurgie,
doch sind auch einige rein gynäkologische Studien dazu verfügbar. Getestet wurden
verschiedene Diäten und Zutaten, die perioperative Supplementierung der Ernährung
und die Immunernährung. Einige Ergebnisse:
-
Eine Ergänzung mit Arginin kann über eine verstärkte Vasodilatation und Gewebeoxygenierung
zu einer Reduktion der Infektionsrate und damit der Hospitalisierung führen.
-
Eine Immunernährung geht einher mit einer Reduktion der Infektionsrate und der Hospitalisierung.
-
Eine proteinreiche Diät ist mit einer früheren Entlassung verbunden und kann bei Patientinnen
nach einer gynäkologischen onkologischen Operation erwogen werden.
Ein wichtiger Aspekt bei der operativen Vorbereitung der älteren Frau besteht in der
Einschätzung ihres Ernährungszustands, um eine evtl. klinisch unerkannte Malnutrition
zu erkennen. Methode der Wahl ist die Bestimmung von BMI und Serum-Albumin. Falls
diese Werte nicht zur Klärung beitragen, ist die Einbeziehung von Ernährungsmedizinern
obligat. Bei einem malnutritiven Zustand sind z. B. hochkalorische Getränke hilfreich,
um den postoperativen Verlauf zu verbessern.
Infobox 3
Präoperative Darmvorbereitung
Eine Darmvorbereitung erfolgt unter der Annahme, dass postoperative Infektionen und
die Anastomose-Insuffizienz reduziert werden könnten. Hierzu existieren jedoch keine
validen Daten bei gynäkologischen Patientinnen. Die meisten Daten werden aus der Darmchirurgie
extrapoliert und belegen: Es gibt keine Assoziation zwischen präoperativer Darmvorbereitung
und verbesserter intraoperativer Visualisierung bzw. Darmbehandlung. Es ließ sich
keine Reduktion von Mortalität, chirurgischen Infektionen, Anastomose-Insuffizienz
und Rate an Re-Operationen erkennen. Hingegen wurde gezeigt, dass die orale antibiotische
Prophylaxe mit einer Verbesserung der o. g. Parameter verbunden ist.
Fazit: Eine präoperative Darmvorbereitung bei laparoskopischen und laparotomischen
gynäkologischen Eingriffen hat bis dato keinen nachgewiesenen Benefit und sollte nicht
generell empfohlen werden. Sie führt weder zur Verbesserung des Outcomes noch der
intraoperativen Visualisierung [15].
Eigene Analysen zum Vorliegen von operativen Untertherapien in der gynäkologischen
Onkologie
Vor Kurzem untersuchten wir die Therapie von älteren Patientinnen mit Endometrium-
und Zervixkarzinom [1], [2] und verwendeten dazu die Daten aus dem Magdeburger Tumorregister.
Lymphadenektomie bei Endometriumkarzinom
In die Auswertung wurden 1736 Frauen mit Endometriumkarzinom einbezogen, die eine
Primärdiagnose zwischen 2003 und 2011 hatten. Unser Interesse galt der Lymphadenektomie.
Diese gehört zum operativen Staging der Erkrankung und wird systematisch pelvin und
paraaortal durchgeführt – was mit schwerwiegenden Komplikationen verbunden sein kann.
Es wurden nur Fälle ausgewertet, bei denen eine Lymphadenektomie auch indiziert war.
Wir stellten fest, dass in diesem Kollektiv die Rate an durchgeführten Lymphadenektomien
mit steigendem Alter signifikant sinkt ([Abb. 1]). Der Eingriff erfolgte bei Patientinnen im Alter von
-
< 60 Jahren in 86,8% der Fälle,
-
von 60 – 70 Jahren in 79,8%,
-
von 70 – 80 Jahren in 65,4% und
-
> 80 Jahren in 45,8%.
Abb. 1 Durchgeführte Lymphadenektomie bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom.
Darüber hinaus untersuchten wir den Grund, warum ältere Frauen im Vergleich zu jüngeren
Frauen untertherapiert wurden. Dazu fassten wir die Patientinnen in Gruppen mit mittlerem
und hohem Risiko zusammen. Bemerkenswerterweise wurde die Lymphadenektomie bei Frauen
ab 70 Jahren in mehr als der Hälfte (51,3%) der Fälle eher nicht empfohlen ([Abb. 2]). Die Rate der Kontraindikationen (39,4%) aufgrund des Leistungsstatus und/oder
einer Komorbidität stieg mit zunehmendem Alter an. Bei den > 70-Jährigen war die Ablehnung
des Eingriffs ein sehr seltener Grund (13,3%) für das Nichtdurchführen der indizierten
Maßnahme, im Gegensatz zu Frauen < 70 Jahren (31,5%). Bei der Gruppe < 70 Jahre waren
Kontraindikationen der häufigste Grund (59,2%) dafür, dass die an sich indizierte
Lymphadenektomie nicht vorgenommen wurde.
Abb. 2 Ursachen für das Nichtdurchführen einer indizierten Lymphadenektomie bei Patientinnen
mit Endometriumkarzinom.
Zervixkarzinom
Bei unseren Untersuchungen zur operativen Versorgung von Patientinnen mit Zervixkarzinom
kamen wir zu ähnlichen Ergebnissen. Bei frühem operablem Zervixkarzinom ließ sich
feststellen, dass Patientinnen > 60 Jahre signifikant häufiger keine Operation erhielten
([Abb. 3]). Die pelvine Lymphadenektomie, die als Staging-Prozedur gilt, wurde seltener bei
> 60-jährigen Patientinnen durchgeführt ([Abb. 4]), allerdings ohne signifikanten Unterschied (p = 0,195).
Abb. 3 Durchführung einer operativen Therapie bei Patientinnen mit frühem Zervixkarzinom.
Abb. 4 Durchführung einer Lymphadenektomie bei Patientinnen mit frühen Zervixkarzinom.
Auch hier waren wir an der Ursache der Untertherapie interessiert und untersuchten
diejenigen Patientinnen, bei denen eine Operation mit Lymphadenektomie eigentlich
indiziert war ([Abb. 5]). Ergebnisse:
-
Die Rate der indizierten, aber nicht empfohlenen Therapien stieg mit zunehmendem Alter
an. Die Lymphadenektomie wurde für Frauen ab 60 Jahren mit geringerer Wahrscheinlichkeit
empfohlen.
-
Die Rate der Kontraindikationen (Leistungsstatus und/oder Komorbidität) stieg mit
zunehmendem Alter ebenfalls an.
-
Die Ablehnung der Behandlung war in der Gruppe > 60 Jahre ein sehr seltener Grund
(10,2%) für das Nichtdurchführen; im Gegensatz dazu lehnten 63,6% der Frauen < 60
Jahre die indizierte Therapie ab.
Abb. 5 Ursachen für das Nichtdurchführen einer operativen Therapie bei Patientinnen mit
frühen Zervixkarzinom.
Merke
Der häufigste Grund für die Untertherapie bei < 60-jährigen Patientinnen war die Ablehnung
des Eingriffs.
Quintessenz unserer Analyse
Eine Zusammenschau unserer Untersuchungen weist darauf hin, dass bei älteren Frauen
eine indizierte Therapie häufig nicht empfohlen wird, selbst bei Vorliegen aggressiver
Erkrankungen. Das führt in dieser Patientengruppe zu einer deutlichen Untertherapie,
die es durch eine leitliniengerechte und trotzdem individuelle Therapie zu vermeiden
gilt. Das chronologische Alter sollte eher eine untergeordnete Rolle bei der Therapieentscheidung
spielen.
Fallbeispiel einer Patientin mit Karzinosarkom des Uterus
Zur Veranschaulichung der bisherigen Ausführungen stellen wir einen weiteren Behandlungsfall
vor. Auch hier kam es zu prä-, intra- und postoperativen Komplikationen, auf die wir
zum Teil sehr schnell reagieren mussten.
Fallbeispiel 2
Eine 82-jährige Patientin stellt sich mit einer postmenopausalen Blutung vor, der
ersten seit Jahren, sie sei besonders stark gewesen. Die Patientin hat keine Kinder,
die Menopause trat mit 51 Jahren ein.
Allgemeine Anamnese: KHK, VHF, Diabetes mellitus, Hypertonus, Adipositas mit BMI 34 kg/m2. Medikation: Metformin, Rivaroxaban, Atorvastatin und Metoprolol. Zustand nach Cholezystektomie
vor 7 Jahren.
Gynäkologische Untersuchung: adipöse Verhältnisse im Vulva- und Unterbauchbereich;
leichte Intertrigo; Scheide reizlos, unauffällig; Portio klein, glatt ohne Auffälligkeiten;
leichte unterperiodenstarke Blutung ex CK; palpatorisch ist der Uterus klein, anteflektiert
und mobil; Adnexgebiete ohne palpatorische Besonderheiten; vaginale Sonografie ([Abb. 6]): normalgroßer Uterus mit einem hochaufgebauten Endometrium, unauffällige Adnexe.
Nach entsprechender Aufklärung und Vorbereitung erfolgt die Hysteroskopie mit einer
fraktionierten Abrasio. Intraoperativ zeigt sich ein hochaufgebautes Endometrium mit
verstärkter Gefäßzeichnung ([Abb. 7]). Die histologische Aufarbeitung des Präparats ergibt die Diagnose Karzinosarkom
des Uterus, G3. Nach Befundbesprechung mit der Patientin soll die endgültige Operation
erfolgen: totale laparoskopische Hysterektomie mit beidseitiger Adnexektomie, Omentektomie,
pelvine und paraaortale Lymphadenektomie.
Abb. 6 Sonografische Darstellung des Endometriums.
Abb. 7 Hysteroskopische Darstellung des Endometriums.
Prä- und intraoperativer Verlauf
Die Operation sollte am 5. Tag nach der Kürettage erfolgen. Allerdings entwickelte
die Patientin eine massive Intertrigo im Unterbauchbereich, die über 7 Tage lokal
mit Clotrimazol erfolgreich therapiert werden konnte. Die Staginguntersuchungen waren
unauffällig. Kurz danach stellte sich die Patientin erneut vor, dieses Mal mit einer
Schwellung im rechten Unterschenkel. Der Verdacht auf eine Thrombose wurde nicht bestätigt.
Nach entsprechender Aufklärung und Vorbereitung wurde die geplante Operation gestartet.
Bei der Intubation zeigte die Patientin eine Tachyarrhythmie. Nach Eingehen in die
Bauchhöhle mit der Kamera bot sich ein unauffälliger Situs. Bei der Kopftieflagerung
der Patientin kam es zu Beatmungsschwierigkeiten. Aus diesem Grund musste auf eine
Laparotomie umgestiegen werden. Es erfolgte eine Längsschnitt-Laparotomie mit totaler
Hysterektomie, beidseitiger Adnexektomie, infrakolischer Omentektomie sowie pelviner
und paraaortaler Lymphadenektomie. Während der Lymphadenektomie kam es mehrfach zu
einer Blutung. Wegen eines intraoperativen Hämoglobinabfalls von 10,2 auf 5,6 g/dl
erfolgte die Transfusion von drei Blutkonserven. Der restliche intraoperative Verlauf
gestaltete sich komplikationslos. Die Patientin wurde postoperativ auf die Intensivstation
verlegt und am gleichen Tag extubiert.
Postoperativer Verlauf
Tag 1 – 3
Am ersten postoperativen Tag konnte die Patientin bei subjektivem Wohlbefinden auf
die gynäkologische Station verlegt werden. Wegen eines erneuten Hämoglobinabfalls
erfolgte die Transfusion einer weiteren Blutkonserve. Die Mobilisierung verlief plangemäß.
Am Morgen des 2. postoperativen Tags jedoch entwickelte die Patientin Fieber und Thoraxschmerz
mit ausgeprägter Dyspnoe. Nach entsprechender Diagnostik konnten eine Lungenembolie
und ein Herzinfarkt ausgeschlossen werden. Die Fieberschübe blieben auch am 3. postoperativen
Tag noch bestehen. Die gynäkologische Untersuchung ergab keine Auffälligkeiten. Das
Abdomen war gebläht und aufgetrieben, druckdolent ohne Abwehrspannung. Einige Stunden
später erbrach die Patientin massiv. Das Abdomen zeigte eine Abwehrspannung mit auskultatorisch
gesteigerter Peristaltik und Stuhlverhalt.
Unter dieser Konstellation erfolgte die CT-Untersuchung des Abdomens. Bei Verdacht
auf einen mechanischen Ileus und bei zunehmender Somnolenz der Patientin erfolgte
eine Notfall-Laparotomie. Intraoperativ zeigte sich ein Kalibersprung des Ileums,
80 cm von der Bauhinʼschen Klappe entfernt; ein mechanischer Grund für diesen Sprung
ließ sich nicht identifizieren. Der Darminhalt wurde abgesaugt, die Bauchhöhle ausgiebig
gespült und die Bauchdecke schichtweise verschlossen. Nach zwei Tagen auf der Intensivstation
wurde die Patientin erneut auf die normale gynäkologische Station verlegt.
Tag 4 – 11
Am 4. postoperativen Tag entwickelte die Patientin erneut Fieber bis zu 39 °C. Auch
nach Gabe von Antiphlogistika hatte sie weiterhin intermittierendes Fieber. Die Entzündungsparameter
waren leicht erhöht (Leukozyten 12 000/µl, CRP 7 mg/dl bei Normwert 0,5 mg/dl). Die
klinische Untersuchung gab keinen Anhalt für einen Ileus/Subileus, der Stuhlverhalt
war inzwischen behoben. Im oberen Nahtbereich war eine kleine, ca. 2 cm große Nahtdehiszenz
entstanden, die allerdings das Fieber nicht erklären konnte.
Es wurde eine weitere gynäkologische Untersuchung durchgeführt. Bei der vaginalen
Einstellung zeigte sich eine gut verschlossene Scheide ohne Anhalt für eine Infektion.
Es wurden Abstriche entnommen. Palpatorisch wurde am Scheidenstumpf eine derbe ca.
5 cm große Raumforderung festgestellt, sie war druckdolent und mäßig mobil, hier bestand
der Verdacht auf ein Hämatom. Die Vaginalsonografie zeigte eine unscharf begrenzte
echoarme inhomogene Raumforderung von 5,6 × 6,4 × 5,3 cm, die am Scheidenstumpf fixiert
war. Es gab keinen Anhalt für Aszites im kleinen Becken. Die Nieren waren beidseits
nicht gestaut.
Bei Verdacht auf ein infiziertes Hämatom wurde eine antibiotische Therapie mit Clindamycin
begonnen. Nach 2 Tagen war die Patientin beschwerde- und fieberfrei. Die komplette
Mobilisierung der Patientin dauerte bis zum 11. postoperativen Tag, an dem sie dann
bei subjektivem Wohlbefinden in die Häuslichkeit entlassen wurde.