Schlüsselwörter
Levetiracetam - Erfolgsrate - Status epilepticus
Key words
Levetiracetam - status epilepticus - success rate
Einleitung
Levetiracetam (LEV) ist in Deutschland seit November 2000 im Handel. Mit einer auch
bei oraler Gabe etwa 100 %igen Bioverfügbarkeit, fehlendem hepatischen Metabolismus
und minimalem Interaktionspotential [1] ist es geeignet zum Einsatz in pharmakologisch unübersichtlichen Notfallsituationen.
Daher liegen seit 2004 Publikationen zum Einsatz des LEV beim Status epilepticus (SE)
vor [2]. Basierend auf einer PubMed-Literatur-Recherche vom 12.12.2011 wurden die Behandlungsergebnisse
des Einsatzes von LEV beim SE zuletzt im Januar 2013 in dieser Zeitschrift dargestellt
[3]. LEV war zum damaligen Zeitpunkt in Dosierungen zwischen 500-9000 mg angewendet
worden. In pädiatrischen Fallberichten wurden im Mittel 56 mg / kg (Bereich 20 mg / kg
– 115 mg / kg) gegeben. Auf Basis der damals verfügbaren Fallserien wurde eine Gesamterfolgsrate
von 53,7-58,1 % geschätzt. Nun wurde unlängst in einer retrospektiven Datenbankanalyse
[4] darauf hingewiesen, dass mit zunehmendem Einsatz neuerer Antiepileptika in der Behandlung
des Status epilepticus, welcher wohl schwerpunktmäßig auf den zunehmenden Einsatz
von LEV zurückzuführen war, es zu vermehrten neuen neurologischen Defiziten bei Entlassung
und vermehrten refraktären Verläufen gekommen war. Der genaue Anteil des LEV-Einsatzes
an dieser Entwicklung lässt sich aus jener Arbeit nicht erkennen. Die Arbeit wurde
jedoch zum Anlass genommen, die aktuellen Daten zum Einsatz von LEV beim SE kritisch
zu sichten. Dabei soll insbesondere die Pharmakokinetik der Substanz bezüglich ihres
Übertrits über die Blut-Hirnschranke in die Beurteilung einfließen.
Methode
Wir führten am 06.07.2018 eine erneute PubMed-Literatur-Recherche mit den Suchwörtern
„Levetiracetam“ und „Status epilepticus“ durch. Es wurden 47 Arbeiten in PubMed gefunden,
von denen 44 Einzelfallberichte, Fallserien oder prospektive Studien über LEV bei
SE waren und analysiert wurden. Die Arbeit von Redecker und Mitarbeitern 2015 [5] wurde nicht berücksichtigt, da sie lediglich eine Vorabpublikation vorläufiger Daten
darstellt, die später vollständig publiziert wurden [6]. Ebenfalls nicht berücksichtigt wurde die Arbeit von Misra und Kalita [7], da sie lediglich Daten einer bereits 2013 referierten Arbeit [8],[3] enthält und mit einer älteren Studie [9] aus dem gleichen Haus zu Phenytoin und Valproat bei SE vergleicht. Ebenso nicht
berücksichtigt wurde eine Vergleichsstudie zwischen LEV und Fosphenytoin [10], da hier die beiden Substanzen lediglich zum Erhalt des Behandlungserfolges eingesetzt
wurden, nachdem der SE durch Diazepam klinisch bereits durchbrochen war.
Es wurde für die Beschreibung des Behandlungserfolgs zwischen Einzelfallberichten
und Fallserien / prospektiven Studien unterschieden, da bei den Einzelfallberichten
mit einem hohen Publikations-Bias zu rechnen ist. Als Behandlungserfolg wurde die
Durchbrechung des SE durch LEV nach Definition der jeweiligen Autoren gewertet. Die
jeweiligen Definitionen werden zusammen mit anderen Charakteristika in [Tab. 1] aufgelistet und bei der Besprechung der einzelnen Arbeiten und in der Diskussion
bewertet. Als Erfolgsrate wurde die Anzahl der Behandlungserfolge bezogen auf die
beschriebenen Behandlungsepisoden definiert.
Tab. 1
Auswertekriterien und Erfolgsraten
|
Auswertekriterium
|
Anzahl referierter Fälle (n=) und Erfolgsrate in %
|
Literatur
|
|
Anfallsbeendigung innerhalb von 10 Minuten nach Infusion und kein Wiederauftreten
innerhalb von 24 Stunden
|
GTKSE (n = 4) 75%NKSE (n = 2) 100%
|
[11]
|
|
Nach Beginn der Levetiracetam-Infusion
|
NKSE (n = 1) 100%
|
[12]
|
|
Anfallsbeendigung 30 Minuten nach Infusionsbeginn
|
GTKSE (n = 20)FMSE (n = 2) gesamt 59,1%
|
[13]
|
|
Anfallsbeendigung 30 Minuten nach Infusionsende und keine Anhaltpunkte für weitere
Anfallsaktivität innerhalb der nächsten 24 Stunden
|
GTKSE (n = 50) 78%unklar (n = 12) 33,3%
|
[14], [15]
|
|
Anfallsbeendigung 30 Minuten nach Infusionsbeginn und kein Wiederauftreten innerhalb
der nächsten 12 Stunden
|
NKSE (n = 30) <40%a
|
[16]
|
|
Anfallsbeendigung 30 Minuten nach der Infusion und kein Wiederauftreten innerhalb
der nächsten 6 Stunden
|
GTKSE (n = 18) 44,4%
|
[17]
|
|
„wenige“ Stunden nach erster LEV-Gabe
|
EPC (n = 1) 100%
|
[18]
|
|
Verhaltensänderung und EEG-Veränderung im Verlauf von 2 Monaten
|
NKSE (n = 1) 100%
|
[19]
|
|
„zeitlicher Zusammenhang“ mit Levetiracetam-Infusion
|
GTKSE / NKSE/ARS (n = 70) 83%
|
[20]
|
|
Clonazepam 1 mg über 1 Minute, dann LEV 2,5 g über 5 Minuten, Anfallsunterbrechung
innerhalb 15 Min., d. h. 9 Min. nach Ende der LEV-Infusion.
|
GTKSE (n = 68) 74 % (vs. Placebo 84 %)
|
[21]
|
|
Anfallsende innerhalb von 10 Minuten nach Ende der LEV-Infusion
|
GTKSE, FSE (n = 46) 78,3%
|
[22]
|
|
Das letzte vor Ende der Anfallsaktivität verabreichte AED ohne Wiederauftreten von
Anfällen innerhalb von 24h
|
GTKSE, FSE, NKSE (n = 38) 42%
|
[23]
|
|
Das letzte vor Ende des Status verabreichte AED
|
Gesamt (n = 101) 52 %, GTKSE (n = 17) 47,1 %, EPC (n = 20) 50 %, NKSE mit Koma (n = 6)
33,3 %, NKSE ohne Koma (n = 58) 55,2%
|
[6]
|
|
Das letzte innerhalb von 72 Stunden vor Status-Ende in die Medikation eingeführte
AED ohne Änderung der Begleitmedikation
|
Gesamt (n = 101) 16,8 %, GTKSE (n = 17) 11,8 %, EPC (n = 20) 10 %, NKSE mit Koma (n = 6)
0 %, NKSE ohne Koma (n = 58) 22,4%
|
[6]
|
|
Das letzte innerhalb von 24 Stunden vor Status-Ende in die Medikation eingeführte
oder in der Dosis erhöhte AED ohne Änderung der Begleitmedikation
|
Gesamt (n = 101) 36,6 %, GTKSE (n = 17) 41,2 %, EPC (n = 20) 45 %, NKSE mit Koma (n = 6)
16,7 %, NKSE ohne Koma (n = 58) 34,5%%
|
[6]
|
|
Des letzte innerhalb von 72 Stunden vor Status-Ende in die Medikation eingeführte
AED auch bei Änderung der Begleitmedikation
|
Gesamt (n = 101) 27,7 %, GTKSE (n = 17) 47,1 %, EPC (n = 20) 15 %, NKSE mit Koma (n = 6)
16,7 %, NKSE ohne Koma (n = 58) 27,6%
|
[6]
|
ARS = Acute repetitive seizures, GTKSE = Generalisierter tonisch-klonischer Status
epilepticus, EPC = Epilepsia partialis continua, FMSE= Fokaler motorischer Status
epilepticus, FSE = Fokaler Status epilepticus, NKSE = Nonkonvulsiver Status epilepticus.
Ergebnisse
Behandlungserfolg in den Einzelfallberichten: In der PubMed-Recherche wurden 26 Veröffentlichungen [11], [12], [18], [19], [24]-[45] über 1-2, d. h. insgesamt 28 Behandlungsepisoden gefunden. Davon konnten eine ungarische
[37] und zwei japanische [27], [42] Arbeiten lediglich nach den Abstracts ausgewertet werden. Die Patientenbeschreibungen,
Dosierungen der LEV-Gabe und die Behandlungserfolge sind in [Tab. 2] zusammengefasst. Bemerkenswert ist, dass ausbleibende Behandlungserfolge überwiegend
in ganz bestimmten klinischen Situationen berichtet werden (z. B. postanoxisch [26],[40], SCN1A Mutation [29], cerebrale Fett-Embolie [31], Katzenkratzkrankheit [32], Paclitaxel-Exposition [33], Sinusvenenthrombose [34], Alpha-Liponsäure-Intoxikation [35], Absence-Status epilepticus [38], Steroidresponsive Enzephalophathie (SREAT) [40], [44], SCN2A Mutation und ausgeprägte corticale Dysplasie [41], postoperativer SE amauroticus [43], Methaldehyd-Intoxikation [45]. Lediglich 11 mal (39,3 %) wurde Levetiracetam als erfolgreich berichtet. Die Dosierungen
reichen von 500 mg bis 6000 mg / Tag (Mittelwert 2000 mg), bzw. bei Dosisangaben in
mg / kg von 10-40 mg/kg (Mittelwert 20 mg / kg). Dabei wurde je einmalig eine Bolusgabe
von 2500 mg [26] bzw. 3000 mg [24] berichtet, die beide erfolgreich waren. Sonst erfolgten keine Bolusgaben über 2000 mg.
Eine Dosisabhängigkeit des Behandlungserfolges lässt sich nicht sicher erkennen. Vermutlich
lagen aber bis auf drei Ausnahmen [24], [26], [29], von denen 2 erfolgreich waren, alle Bolusgaben unter 30 mg / kg. Der Einsatz erfolgte
im Median an 2. Stelle (Bandbreite 1.-10. Stelle) im Behandlungsverlauf.
Behandlungserfolg in den Fallserien / prospektiven Studien: Nach der PubMed-Recherche wurden 15 Fallserien [6], [11], [13]-[17], [20]-[23], [46]-[49] bzw. prospektive Studien zur LEV-Anwendung bei SE ausgewertet (Siehe [Tab. 3]). Bemerkenswert ist die Placebo-kontrollierte Studie von Navarro und Mitarbeitern
2016 [21], die keinen von der Placebo-Gabe verschiedenen Effekt des LEV nach Clonazepam innerhalb
von 14 Minuten nach Infusionsbeginn bzw. innerhalb von 9 Minuten nach Infusionsende
fand. Dagegen fand eine Fallserie 10 Minuten nach Ende der LEV-Infusion eine Erfolgsrate
von 78,3 % bei refraktären Status [22]. Nun wurde hier das LEV bereits 5 Minuten nach Ende einer Phenobarbital-Infusion
mit 30 mg / kg verabreicht, sodass hier auch ein Einfluss des Phenobarbitals zu diskutieren
ist. Nach intraperitonealer Gabe bei Ratten erreichte Levetiracetam in einer Dosierung
von 20 mg / kg erst nach 1,33 Stunden seine höchste Liquorkonzentration [50]. In einem physiologisch basiertem pharmakokinetischem (PBPK) Modell wurde errechnet,
dass nach i.V.-Gabe von 1500 mg LEV die maximale LEV-Konzentration im Gehirn erst
nach einer Stunde erreicht wird [51]. Nach diesen präklinischen Daten ist davon auszugehen, dass Studien mit einem Erfolgskriterium
von deutlich unter 30 Minuten nach LEV-Gabe wohl überwiegend Placebo-Effekte bzw.
Spontanverläufe berichten. Der Einfluss unterschiedlicher Erfolgskriterien auf das
Ergebnis einer Studie wurde von Redecker u. Mitarbeitern [6] untersucht (siehe [Tab. 1]). Hier zeigte sich, dass LEV nach dem Auswertekriterium 1 (Das letzte vor Status-Ende
verabreichte Antiepileptikum) in der Gesamtgruppe signifikant erfolgreicher war als
nach den drei anderen angewandten Kriterien. Nach dem von den Autoren präferierten
Kriterium 3 (Das letzte innerhalb von 24 Stunden vor Status-Ende in die Therapie eingeführte
oder in der Dosis erhöhte Antiepileptikum) war es jedenfalls signifikant erfolgreicher
als PHT (36,6 % vs. 6,5 %, p < 0,002). In einer pädiatrischen Vergleichsstudie war
die Erfolgsrate des LEV mit 33,3 % signifikant niedriger als die von Phenobarbital
10-20 mg/kg (=100 %, p = 0,002). Unterschiedliche Dosierungen von 1000 mg bis zu 3500 mg
bzw. in mg / kg von 10-30 mg/kg kamen zur Anwendung. Aufgrund der teilweise unpräzisen
Angaben in den einzelnen Arbeiten lässt sich kein Mittelwert für die Gesamtgruppe
berechnen. In einer Studie wurde im Verlauf die Initialdosis von 10 mg / kg auf 30 mg / kg
angehoben, ohne dass eine deutliche Verbesserung der Erfolgsrate gefunden wurde [11]. In einer größeren Fallserie (n = 20) [16] betrug die erfolgreich eingesetzte Dosis durchschnittlich 28 mg / kg, die erfolglos
eingesetzte Dosis durchschnittlich 20 mg / kg. Der Unterschied war aber statistisch
nicht signifikant. In einer Fallserie erwies sich LEV signifikant effektiver in SE
unbekannter Ätiologie als in symptomatischen SE [17]. Alle fünf Patienten mit SE bei vorbekannter therapierefraktärer Epilepsie hatten
auf eine Loading-Dosis von 20 mg / kg nicht angesprochen [17].
Tab. 2
Fallberichte zum Levetiracetam-Einsatz (LEV) bei Status epilepticus (chronologisch)
|
Einzelfall-berichte
|
Art des Status
|
Alter der Patienten
|
Initialdosen von LEV
|
Positionen der LEV-Gabe
|
Behandlungs-erfolg
|
|
[11]
|
NKSE
|
8,2/12
|
10 mg / kg/10 mg / kg
|
2 / 1
|
Ja / ja
|
|
[12]
|
NKSE
|
neonatal
|
20 mg / kg
|
1
|
ja
|
|
[24]
|
FSE
|
64
|
3000 mg
|
1
|
ja
|
|
[25]
|
De novo ASE / (posthypoxisch)
|
65
|
500 mg
|
3
|
Nein
|
|
[26]
|
NKSE
|
63
|
2500 mg
|
1
|
Ja
|
|
[27]
|
NKSE
|
Unklar
|
Unklar
|
Unklar
|
Nein
|
|
[28]
|
NKSE
|
45
|
500 mg 2xtgl.
|
1
|
Ja
|
|
[29]
|
GTKSE / NKSE
|
4 Monate
|
40 mg / kg
|
5
|
Nein
|
|
[18]
|
EPC
|
4,6
|
2x10 mg / kg/d
|
1
|
Ja
|
|
[30]
|
GTKSE
|
32
|
2000 mg 3xtgl.
|
3
|
Nein
|
|
[19]
|
NKSE
|
57
|
1000 mg, Steigerung auf 2000 mg nach 1 Monat
|
1
|
Ja
|
|
[31]
|
NKSE
|
82
|
1000 mg
|
2
|
Nein
|
|
[32]
|
NKSE / NORSE
|
28
|
1500 mg 2xtgl.
|
10
|
Nein
|
|
[33]
|
NKSE
|
51
|
1000 mg
|
2
|
Nein
|
|
[34]
|
GTKSE
|
36
|
1000 mg, Steigerung bis 3000 mg im Verlauf
|
2
|
Nein
|
|
[35]
|
MSE
|
14 Monate
|
20 mg / kg
|
3
|
Nein
|
|
[36]
|
NKSE
|
66
|
1000 mg
|
3
|
Nein
|
|
[37]
|
FSE
|
39
|
unklar
|
2
|
Ja
|
|
[38]
|
ASE
|
62
|
2000 mg
|
1
|
Nein
|
|
[39]
|
Postanoxic MSE
|
77
|
2000 mg
|
1
|
Nein
|
|
[40]
|
NKSE
|
29 / 42
|
2000 mg / 1000 mg
|
1
|
Nein / Ja
|
|
[41]
|
FSE
|
6 Tage
|
Unklar
|
3?
|
Nein
|
|
[42]
|
NKSE
|
67
|
unklar
|
2
|
Ja
|
|
[43]
|
NKSE
|
67
|
Unklar
|
1
|
Nein
|
|
[44]
|
GTKSE
|
38
|
Unklar
|
Unklar
|
Nein
|
|
[45]
|
NKSE
|
68
|
1000 mg
|
2
|
Nein
|
ASE = Absence Status epilepticus, GTKSE = Generalisierter tonisch-klonischer Status
epilepticus, EPC = Epilepsia partialis continua, FSE = Fokaler Status epilepticus,
MSE = myoklonischer Status epilepticus, NKSE = Nonkonvulsiver Status epilepticus,
NORSE = New onset refractory status epilepticus
Tab. 3
Fallserien zum Levetiracetam-Einsatz beim Status epilepticus (chronologisch)
|
Fall-serie
|
Anzahl der LEV-Behandlungs-episoden
|
Initiale LEV-Dosen
|
Positionen der 1. LEV-Gabe im Behandlungs-verlauf
|
Erfolgsrate
|
|
[11]
|
4 GTKSE
|
10 mg / kg bzw. 30 mg / kg
|
2-4
|
75%
|
|
[16]
|
30 NKSE
|
23 mg / kg (Median)
|
1
|
Max. 40%[a]
|
|
[46]
|
7 GTKSE, 3 NKSE, 3 FMSE, 1 EPC
|
20-30 mg / kg (durchschnittl. 26,4 mg / kg)
|
durchschn. 4 (1-5)
|
Insges. 43%
|
|
[17]
|
18 GTKSE
|
10-25 mg / kg (durchschnittl. 18,6 mg / kg)
|
1-2
|
Insges 44,4%
- bei vorbekannter therapierefraktärer Epilepsie (n= 5) 0%
- bei erfolgloser Vorbehandlung mit einem Antiepileptikum (n = 8) 62,5 %- bei Anwendung
wegen Kontraindikationen gegen andere Antiepileptika (n = 5) 60 %)- bei SE unbekannter
Ätiologie (n = 6) 83,3 %.- bei symptomatischem SE (n = 12) 16,7%
|
|
[13]
|
20 GTKSE, 2 FMSE
|
20 mg / kg
|
2
|
59,1%
|
|
[20]
|
18 GTKSE, 29 NKSE, 8 unklar
|
unklar.
|
1 bei 53 %, bei den übrigen >/= 2
|
83%b
|
|
[47]
|
14 GTKSE, 11 NKSE, 5 EPC
|
1000 mg- 3500 mg
|
1 bei 10 %, 2 bei 80 %, 3 bei 10%
|
Insgesamt 76,6 %, 75 % bei über 60-jährigen.
|
|
[14]
|
50 GTKSE
|
25 mg / kgKG
|
2
|
78%
|
|
[21]
|
68 GTKSE
|
2500 mg
|
2
|
74 % (vs. Placebo 84 %)
|
|
[23]
|
17 GTKSE, 3 FSE, 18 NKSE
|
Durchschnittl. 15,2 mg / kg
|
2-3
|
Gesamt 42 %, GTKSE 35 %, FSE 33,3 %, NKSE 61,1%
|
|
[15]
|
12
|
Median 30 mg / kg, Bereich 20-30 mg / kg
|
2
|
33,3%
|
|
[22]
|
42 GSE, 4 FSE
|
20 mg / kg
|
5
|
78,3%
|
|
[6]
|
17 GTKSE, 20 EPC, 6 NKSE mit Koma, 58 NKSE ohne Koma
|
Durchschnittl. 1042 mg, SD 498,8 mg
|
Median 3, Bereich 1-72
|
0%-55 % je nach Erfolgskriterium und Subgruppe, siehe [Tab. 1].
|
|
[48]
|
22 GTKSE / NKSE
|
30 mg / kg in 30 Min.
|
1-2
|
82%
|
|
[49]
|
16
|
15-30 mg / kg in 10 Min.
|
2
|
68,75%
|
a 40 % war die Gesamterfolgsrate unter Einbezug rezidivierender einzelner nonkonvulsiver
Anfälle. Da die Erfolgsrate aller vier in dieser Arbeit verglichenen Substanzen beim
NKSE lediglich 22 % betrug und keine signifikanten Unterschiede zwischen den Substanzen
gefunden wurden, muss die Erfolgsrate des LEVs hier auch unter 40 % gelegen haben.
b bezieht sich auf eine Gesamtzahl von 70 Patienten, von denen 15 lediglich akute Anfallscluster
hatten.GTKSE = Generalisierter tonisch-klonischer Status epilepticus, EPC = Epilepsia
partialis continua, FMSE= Fokal motorischer Status epilepticus, FSE = Fokaler Status
epilepticus, NKSE = Nonkonvulsiver Status epilepticus.
Für die hier referierten Studien mag folgende Schätzung gelten: Es liegen 15 Fallserien
bzw. prospektive Studien mit durchschnittlich 35 Patienten (Bereich 4 bis 101), die
in der Summe 526 Patienten beschreiben, vor. Davon betrachten die Arbeiten von Navarro
und Mitarbeitern [21] bzw. Isgüder und Mitarbeitern [22] in ihren Studien, anders als in den anderen Arbeiten, ein sehr frühes Zeitfenster
und aufgrund der Pharmakokinetik des Levetiracetams vermutlich Spontanverläufe, was
auch durch den Vergleich mit der Placebogruppe in der Studie von Navarro und Mitarbeitern
belegt ist [21]. Sie sind daher mit den anderen Arbeiten nicht gut vergleichbar. Zusammengefasst
liegt die Gesamterfolgsrate für die 412 Patienten der übrigen hier referierten Studien,
wenn man in der umfangreichsten Fallserie von Redecker und Mitarbeitern [6] das von den Autoren präferierte Erfolgskriterium 3 (s. o. ) zugrunde legt, bei 57,2 %
mit einer fallzahlgewichteten Standardabweichung von 19,7 %, so dass von einem Standardfehler
des Mittelwertes von 1 % auszugehen ist. Daraus ergäbe sich ein hochwahrscheinlicher
Bereich für die Erfolgsrate von 55,0 %-59,4 %.
Nebenwirkungen
Über relevante Nebenwirkungen von LEV bei der Behandlung von SE wird auch in den neueren
Arbeiten gelegentlich berichtet. In einer prospektiven Vergleichsstudie zwischen Phenytoin,
Valproat und LEV beim generalisierten tonisch klonischen Status epilepticus (GTKSE)
nach erster Lorazepamgabe mit 50 Patienten in jedem Behandlungsarm kam es ausschließlich
bei drei mit LEV behandelten Patienten zu einer postiktalen Psychose [14]. In einer pädiatrischen Serie kam es bei 38 LEV Anwendungen (12 SE, 26 Anfallsserien)
viermal zu aggressivem Verhalten und einmalig zu Erbrechen [15]. Vorübergehende Erregung wurde auch bei zwei von 60 wegen SE oder Anfallsserien
mit LEV behandelten Patienten berichtet [48]. Des Weiteren wurde ein Fall mit schwerer Thrombozytopenie berichtet [39]. Bei einem weiteren Patienten normalisierte sich eine Thrombozytopenie im Verlauf
von 3 Tagen [48].
Diskussion
Beim Vergleich der Ergebnisse mit der Datenlage Ende 2011 [3] fällt auf, dass die Erfolgsrate bei den Einzelfallberichten nur etwas mehr als halb
so hoch ist, wie in der Vergangenheit berichtet (39,3 % vs. 75 %). Grund dafür ist
sicherlich ein Publikationsbias. Während die frühen Arbeiten überwiegend anlässlich
eines Behandlungserfolges publiziert wurden, waren nun meist besondere Ursachen des
SE Anlass der Publikation. Ein Behandlungserfolg in einer klinischen Standardsituation
wäre wohl als Einzelbericht nicht mehr zu publizieren gewesen. Die Erfolgsrate in
den Fallserien und Studien entspricht nach Ausschluss zweier Studien [21],[22] (s. o. ) in etwa der bereits 2013 referierten (55,0 %-59,4 % vs. 53,7-58,1 %). Nur
waren damals, um den Publikations-Bias bei den Fallserien zu reduzieren, auch Fallserien
mit dem Fokus auf Lacosamid mit einbezogen worden, in denen die Erfolgsrate des LEV
vergleichsweise niedrig war. Beschränkte man die Auswertung auf Fallserien und prospektive
Studien die gezielt den Behandlungserfolg mit LEV hatte sich damals eine deutlich
höhere Schätzung für die Erfolgsrate von 60,2 %-63,7 % ergeben. Bei der Beurteilung
der Studiendaten sind die Auswertekriterien allerdings nicht zu vernachlässigen. Es
muss bemerkt werden, dass in den 2013 referierten Arbeiten [3] unterschiedlichste Erfolgskriterien angewandt wurden und LEV bei unterschiedlichen
Formen des SE zu sehr differenten Zeitpunkten im Behandlungsverlauf eingesetzt worden
war. Bereits in einem kurz zuvor erschienenen Review, der auf den Einsatz von LEV
als zweiten Behandlungsschritt fokussierte [52], war auf das Problem der unterschiedlichen Auswertekriterien hingewiesen worden.
In der aktuellen Auswertung ergab sich folgendes Bild: Vier Studien forderten für
einen Behandlungserfolg ein Ausbleiben weiterer Anfälle für 6 [17] bzw. 12 [16] bzw. 24 [14],[15] Stunden. Eine weitere Studie [13] hatte ansonsten ein vergleichbares Erfolgskriterium (siehe [Tab. 1]), aber keinen definierten Einfluss eines Anfallsrezidivs auf die Klassifikation
des Behandlungsergebnisses. Nun hatten in dieser Studie 40,9 % der behandelten Patienten
ein Anfallsrezidiv innerhalb von 24 Stunden, ohne dass referiert wird, dass diese
Patienten alle bereits initial nicht erfolgreich behandelt wurden. Wäre ein zeitlicher
Mindestabstand für ein Anfallsrezidiv in die Auswertekriterien mit aufgenommen worden,
hätte die angegebene Erfolgsrate möglicherweise nach unten korrigiert werden müssen.
Tatsächlich berichteten drei der vier Studien mit anfallsfreiem Mindestintervall als
Teil des Erfolgskriteriums [15]-[17] eine mehr als 10 % niedrigere Erfolgsrate als die Studie mit ansonsten vergleichbarem
Erfolgskriterium [13]. Wie bereits erwähnt messen Studien mit einem Erfolgskriterium einer SE-Unterbrechung
innerhalb von deutlich weniger als 30 Minuten nach LEV-Gabe vermutlich Spontanverläufe.
Grundsätzlich ist eine Standardisierung der Erfolgskriterien bei Publikationen über
die pharmakologische Behandlung eines SE anzustreben. Dabei ist bei der Behandlung
in der Frühphase eines GTKSE als Zeitpunkt bis zur SE-Unterbrechung 30 Minuten nach
Infusionsbeginn zu fordern, da danach mit dauerhaften neuronalen Schäden gerechnet
werden muss [53]. Bei anderen SE-Formen könnte insbesondere bei therapierefraktären Verläufen das
Kriterium „Das letzte innerhalb von 24 Stunden vor Status-Ende in die Therapie eingeführte
oder in der Dosis erhöhte Antiepileptikum“ angewandt werden, um auch später eintretende
Behandlungseffekte abzubilden.
In der Placebo-kontrollierten Studie von Navarro und Mitarbeitern [21] wurde zwar kein Effekt bezüglich zeitnaher Anfallsunterbrechung des LEV im Vergleich
zu Placebo nach Clonazepam gesehen, es kam jedoch signifikant seltener zu neuen neurologischen
Defiziten in der Verum-Gruppe. Nun war hier LEV quasi als add-on zu einer ansonsten
leitliniengerechten SE-Therapie verabreicht worden, so dass der verzögerte Wirkungseintritt
nicht zu einer Verzögerung im übrigen Behandlungsverlauf führte. Möglicherweise führte
der unter der eskalierten leitliniengerechten SE-Therapie eintretende add-on-Effekt
zu diesem auf neuroprotektive Effekte hinweisenden Ergebnis. Sollte LEV tatsächlich
an der eingangs referierten Zunahme neurologischer Defizite und Zunahme therapierefraktärer
Verläufe nach SE-Therapie mit neueren Antiepileptika [4] ursächlich beteiligt sein, müsste dies also vornehmlich an dem verzögerten Wirkungseintritt
liegen, ansonsten gibt es eher Hinweise auf neuroprotektive Effekte. Hinweise auf
eine schädliche Wirkung gibt es nicht. Bezüglich der Dosierung ergeben sich gegenüber
der Datenlage Ende 2011 wenig neue Aspekte. Es gab damals bereits Hinweise darauf,
dass initiale Tagesdosen von mehr als 3000 mg LEV keinen Vorteil gegenüber niedrigeren
Dosierungen bringen [54]. Andererseits wurde in einer pädiatrischen Fallserie ein Ansprechen erst ab Dosierungen
von 30 mg / kg gesehen [55], was bei der Behandlung Erwachsener doch Tagesdosen über 2000 mg bedeuten würde.
Dies entspricht der Beobachtung in einer Fallserie, dass die durchschnittliche erfolgreich
eingesetzte Dosis 28 mg / kg betrug [16] und würde neben dem Publikations-Bias die niedrige Erfolgsrate bei den Einzelfallberichten
erklären.
Bereits Ende 2011 [3] waren als mögliche Nebenwirkungen Sedierung, Somnolenz, Schwindel, Agitiertheit,
Aggressionen, vermehrte Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen, Ataxie, gastrointestinale
Beschwerden, vermehrter Hunger, transiente Gesichtsrötung, transiente Thrombozytopenien
und eine Panzytopenie beschrieben worden. Damit ergeben sich als wesentliche neu beobachtete
Nebenwirkungen die postiktalen Psychosen [14] und die schwere anhaltende Thrombozytopenie [39].
LEV ist in der Behandlung des SE inzwischen etabliert. Berücksichtigt werden sollte
jedoch der aufgrund präklinischer Daten und der Studie von Navarro und Mitarbeitern
[21] zu vermutende verzögerte Wirkungseintritt, der den Einsatz als erstes Antiepileptikum
beim GTKSE in Frage stellen lässt. Es bietet aber insbesondere beim nonkonvulsiven
SE und der Epilepsia partialis continua eine mögliche Therapieoption.