Das „Alte Berlin“ und seine „Berliner“ kann man sich heute kaum noch
vorstellen. In ihren Erinnerungen an „Mein liebes altes Berlin“ anno 1912 berichtete
die Schriftstellerin Agathe Nalli-Rutenberg von ihrer Berliner Jugendzeit in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vor dem Anhaltstore (Anhalter Tor)
zogen sich weite Wiesenflächen und Felder hin. Es standen nur wenige Gebäude
in der Schöneberger Straße; man lebte dort wie auf dem Lande. Die Leute kannten
sich alle untereinander. Auf den Wiesen wuchsen im Sommer Blumen die Hülle und
Fülle, Butterblumen, weiße Gänseblümchen und die zarten Wiesennelken. Überhaupt
war Berlin damals eigentlich eine Gartenstadt. Fast hinter jedem Hause befand
sich ein hübscher Garten. Besonders weit ausgedehnt waren diese Gärten in der
Friedrichstraße
[10]. Gemüsegärten zu beiden Seiten, dazwischen
eine Koppel mit grasenden Pferden und spielenden Fohlen.
[9].
Dieses idyllische Berlin des frühen 19. Jahrhunderts geriet durch die schnelle
Industrialisierung und den Ausbau der Anhalter und Potsdamer Eisenbahnen ab 1838 in
den Sog der allzu schnell aufstrebenden Großstadt, was ich selbst aus den
Erzählungen der Großeltern noch nacherleben durfte. Es war einerseits das Berlin der
prunkvollen Kaiserzeiten von Friedrich III (1831–1888) und Wilhelm II (1859–1941),
aber andererseits auch des Miljöh von Heinrich Zille (1858–1929) mit
allergrößten sozialen Problemen der Bevölkerung.
Die industrielle Reform Berlins mit der Verelendung ihrer Einwohner ist als
Voraussetzung für die nachfolgenden Ereignisse zu sehen. Ganz am Anfang, so um 1800
herum, lag diese Entwicklung noch im Rahmen eines kulturellen, in der Aufklärung
verankerten Rahmens. Dann traten aber die Interessen des Kapitals mehr und mehr in
den Vordergrund [5]. Für die immer größer werdenden
technischen Projekte wurden unzählige Arbeitskräfte aus dem ganzen Land gesucht.
Mein Großvater mütterlicherseits kam als Zimmermann aus Sachsen zu Siemens nach
Berlin, der andere Großvater als Schlosser für den Bau der großen Swinemünder
Eisenbahnbrücke am Gesundbrunnen aus der Pfalz.
Um 1880 feierte die wissenschaftliche Medizin in der Berliner Charité zwar
Welterfolge, die ärztliche Versorgung der einfachen Menschen aber ist auf
niedrigsten Niveau stecken geblieben. Mystische und magische Behandlungsmethoden
waren gang und gäbe, und Scharlatane konnten leicht ihre Anhänger finden. Zu ihnen
gehörten der Ziegenprophet im siebenjährigen Schlesischen Krieg, der barfuß
und nur mit einem Ziegenfell bekleidet die Kranken mit dem Straßenkothe
behandelte, oder der prophezeihende Weber Pfannenstiel oder der trunksüchtige
Berlinische Kuhdoktor Kunath mit seiner mystischen Seife gegen alle
Krankheiten der Haut [8]. Ein anderer Scharlatan,
der Monddoktor, löste geradezu eine revolutionäre Welle in der Bevölkerung
aus, die schließlich ein jähes Ende fand.
Der Monddoktor
Wer in den Jahren 1780 und 1781 in Berlin war, hörte gewiß auch von den
Wunderkuren eines Mannes reden, der anfangs einzig Brüche, hernach aber auch
andre Krankheiten durch Mondschein und Gebet unfehlbar heilte, den Personen
jedes Geschlechts und jedes Standes haufenweise besuchten, und der viel Glauben
fand, zuletzt auch bei Leuten, die ihn nie gesehen, noch weniger hätten prüfen
können
[1]. So beschrieb der Herausgeber der Berlinischen
Monatsschrift Biester die Situation anno 1781.
Die Machenschaften des sogenannten Monddoktors riefen bald die Preußischen
Gesundheitsbehörden auf den Plan. Das Oberkollegium medicum bestellte deshalb
am 5. April 1781 Dr. Johann Theodor Pyl, Stadtphysikus und Magister für
Gerichtliche Arzneywissenschaft, sowie den Hebammenlehrer und Assessor der
Chirurgie Herrn Hagen dazu, nähere Erkundigungen einzuziehen. Das Ergebnis wurde
dann in der Berlinischen Monatsschrift veröffentlicht [14]. Ein zweiter Bericht mit nahezu demselben
Wortlaut stammt von dem seinerzeit bekannten jüdischen Arzt Dr. Marcus Herz vom 9.
Juni 1781 [4], [8]. Offensichtlich haben Dr. Pyl und Dr. Herz den Besuch des Mondarztes
gemeinsam durchgeführt.
In dem Artikel heißt es weiter [14]: Der Mann,
der diese Kuren unternimmt, heißt Weisleder, soll ein Strumpfwirker sein.
Anfangs gab er sich nur allein damit ab, itzt aber auch seine Frau, welche die
weiblichen Kranken besorgt. Seine ganze Methode besteht darin: Er läßt den
Schaden entblößen, und gegen den Mond, der im ersten zunehmenden Viertel sein
muß, halten; dann berührt er den Schaden mit der einen Hand, indeß er die andre,
nebst dem Gesicht, zum Monde wendet, einige unverständliche Worte murmelt, und
dann betet; worauf er die Leute, nachdem er ihnen Glauben zu Gott, der nur allen
helfen könne, einzusprechen versucht, fortschickt. Er fordert nie Geld; wenn
aber hernach etwas gegeben wird, schlägt er es nicht aus.
Der Pöbel, der alles glaubt, wenn es nur fein wunderbar ist, thut auch hier durch
seine Zusätze das Meiste. Selbst die Kranken sind so von Vorurtheilen für diesen
Menschen eingenommen, daß sie Besserung glauben, wo in der That keine
ist.
Die Leinemacher
Dr. Pyl vertrat die Ansicht, dass insbesondere die Leineweber, Strumpfwirker,
Tuch- und Zeugmacher unter den Wunderheiligen anzutreffen sind. Sie
zählten seinerzeit zu den „unehrenhaften Berufen“. Ihr müßiger Geist ist zu
nichts Erhablichem fähig, er schweift in Einbildungen und Visionen aus, worin er
noch durch das beständige Singen geistlicher Lieder während der Arbeit
unterhalten wird. Durch das tagelange Sitzen mit vorgebeugtem Unterleibe
werden Eingeweide und Gekröse gedrückt, der Umlauf des Blutes gestört, das
Verdauungsgeschäft geschwächt und
vorzüglich Blähungen erzeugt, die, wenn sie anstatt den natürlichen Weg zu
nehmen, nach oben steigen, den Menschen bald zum Geisterseher, bald zum
Wahrsager, und bald zum Doktor machen
[14].
Die Wallfahrt zum Monddoktor
Die Wallfahrt zum Monddoktor
Am 9. Juni 1781 nachmittags um 5 Uhr hat Dr. Pyl, der Berliner Stadtphysikus, eine
Sitzung des Monddoktors besucht [14]. Sie fand an
der Kommandantenstraße/Ecke Jakobstraße statt (heute Kreuzberg). Die ganze Gegend
wimmelte von Blinden und Hinkenden, die mit einem Eifer und einer Zuversicht in
die Jakobstraße sich hineindrängten und hineingeleitet wurden. Überall war man
von Krüppeln umgeben.
Von da aus begaben wir uns nach dem Tempel selbst, einem elenden Bierhause von der
niedrigsten Klasse. Alles war voll gepfropft von Leuten mit offenbaren und
heimlichen Verstümmelungen, von Leuten aller Alter und aller Geschlechter, aller
Religionen und aller Stände. Alles unterhielt sich von den stadtkundigen Kuren
des Mondpriesters und von der eigenen Erleichterung, die jedes von ihnen an
seinem eigenen Uebel seit einigen Tagen spürte. Alles harrte mit einer
peinlichen Ungeduld auf die Ankunft des Priesters.
Aber der Doctor verspätete sich, weil er dringend – in einem sechsspännigen
Wagen – zur Prinzessin und zum Prinzen gerufen wurde. Am nächsten Tage sah es vor
dem Bierhause nicht anders aus. Man musste sich zwischen den prächtigen Equipagen
hindurchdrängen. Im Schankraum der Bierkneipe befanden sich wieder einige hundert
Menschen.
Die Zu- und Abgänge der Heilsuchenden dauerten von 16°° bis nach Mitternacht, und
dabei dauerte jede einzelne Kur nur eine Minute. Es müssen sich tausend täglich
hier eingefunden haben: eine ungeheure Anzahl Gebrechliche, aber wahrlich eine
weit ungeheurere Zahl Narren im Verhältniß mit der Volksmenge in unserer Stadt!
Jedoch handelte es sich nicht um den niedrigsten Pöbel, sondern fast nichts
weiter als reich und wohlgekleidete Herren und prächtig aufgesetzte Damen, deren
Anzug und Miene Rang und Stand verriethen. Wir sahen ganze Haufen abziehen, die
theils die Kur schon genossen, theils unverrichteter Sache zurückgingen, weil
sie nicht durchkonnten; aber eben so viele Haufen kamen immer von neuem wieder
an.
Der Ablauf der Kur
Dr. Pyl reihte sich in die Schlange der Teilnehmer an einer Kur ein [14]. An dem einen Ende der (Bier-)Stube war eine
Treppe, die nach dem zweiten Stockwerke des Hauses, dem eigentlichen Sitze der
Gottheit führte. Ein wachhabender Soldat ließ immer nur zu zwölfen auf einmal
ein und aus. Auch war eine Art systematischer Ordnung in der Kur, indem nicht
alle Krankheiten untereinander, sondern klassenweise zur Behandlung zugelassen
wurden, erst die Brüche, dann die Blindheiten, die Taubheiten u.s.w. Die Wache
rief nun gerade: „Sind die Brüche nun alle? Die Tauben herauf!“
Auf dem oberen Flur befanden sich zwei Stuben. In der einen befanden sich die Damen.
Davor stand ein Mädchen mit Billets: „Sie können dafür bezahlen, was beliebt,
aber unter zwei Groschen wird nicht angenommen.“
Die Männer gingen in den anderen Raum. Als wir hereinkamen, fand ich eine leere,
schmutzige, niedrige Stube eines gemeinen Handwerkers. Ein großer Tisch in der
Mitte, ein paar Schemmel an der Wand machte alles Meuble aus. Wir standen da,
unserer zwölf, voller Erwartung und Ehrfurcht, bis auf einen einzigen bejahrten,
langen, hagern Mann mit ausgekämmten Haaren, einem blauen groben Kleide, der
ganz ungenirt mit seiner Tabakspfeife in der Stube herumging. Und dies war der
Doktor selbst. Seine Physiognomie war eine von der gemeinsten (unauffälligen)
Art, weder die eines Betrügers noch eines Betrogenen. Der Mann schien so wenig
auf sein Werk einen Werth zu legen, als sich dessen zu schämen; sondern er that
so gleichgültig in allen seinen Gebehrden, als wenn er etwas ganz Alltägliches
verrichtete.
Nun legte er die Pfeife nieder. „Wir wollen nun dabei gehen, es wird spät.“ Darauf
öffnete er das Fenster, und eine nach unten fallende Markise verhinderte, daß
vom Garten herauf die Operationen nicht mit angesehen werden konnten. Darauf
rief er einen sehr hübschen Knaben von ungefähr vier Jahren zu sich, der von
seinem Vater, einem jungen dem Scheine nach wohlhabenden und vernünftigen Manne
geführt ward, stellte ihn zur linken Seite aufs Fenster, öffnete ihm die
Beinkleider, nahm das (Bruch-) Band herunter, legte die linke Hand auf die
verletzte Stelle, während er den Mond, der in der That gar nicht zu sehen war,
anzugaffen schien, und einige Worte murmelte ([
Abb. 1
]). Darauf faltete er beide Hände gegen den Mond,
sprach wiederum einige leise Worte, und damit war es aus. Er setzte den Knaben
herunter, der Vater nahm ihn auf die Seite und verband ihn wiederum; und dieser
gesetzte Mann fragte das Kind: “Wie ist es, mein Sohn, thut es noch so wehe wie
vorher?“ „O ja, Papa,“ erwiderte dieser.
Abb. 1 Der Monddoktor. Zeichnung von Daniel Chodowiecki (1721–1801) in
Serie Modetorheiten. Der Leistenbruch des 4-jährigen Jungen wird
mit geöffneter Hose vom Vater dem Mond entgegengehalten. Links daneben
murmelt der Monddoktor ein Gebet. (Quelle: Daniel Chodowieki [1726–1801] – Serie
Modetorheiten: Der Mond Doctor; Berliner Monatsschrift, April 1783,
S. 382)
Mit den übrigen sechsen, die alle Brüchige waren, verfuhr er auf die erwähnte
Weise. Er nahm dann den tauben Burschen aus meiner Gesellschaft vor, dem er erst
die Hand aufs Ohr legte, hernach in dasselbe etwas hineinflüstert, und dann sein
Gebet verrichtete. Endlich kam die Reihe an mich. Da ich keinen offenbaren
Schaden aufzuweisen hatte, so gab ich ein gichtiges Reißen in meinem rechten
Schenkel vor. „Das kann ich nicht kurieren“, sagte er, „die Leute denken auch,
ich kann alles“.
So ging es einer nach dem anderen weiter. Auf einmal sah er bedächtig den Mond an.
„Nun müssen wir einhalten, es ist wirklich eine Streife über dem Mond.“ Aber es
waren weder Mond noch Streifen zu sehen. Die Frau Doktorin behandelte nach der
anderen Seite des Hauses zum Mond hin. Die Kuren mußten drei Tage hintereinander
im ersten Mondvirtel wiederholt werden; ja einige Kranke mußten sich denselben
wohl drei bis vier Monate hintereinander unterwerfen
[14].
Exitus letalis
Unter dem Titel Casus Nr, 10 wurde von Dr. Pyl die nachfolgende
Krankheitsgeschichte mitgeteilt, aufgrund derer die Aktivitäten des Monddoktors ein
jähes Ende fanden [14]. Die Gastwirthin
Diederich unter den Linden ward vom Professor Voitus („einem vortrefflichen,
practischen Chirurgen und Geburtshelfer“ [6]) an
einem sehr grossen und gefährlichen Nabelbruch mit vieler Mühe kurirt. Vor
einigen Monaten trat er so sehr aus, daß er wie ein französisches
Zweigroschenbrot groß und sehr inkarcerirt war. Nach zweimal 24 Stunden konnte
er zurückgebracht (reponiert) werden; die Oefnung war wie ein Thalerstük
groß. Es wurden viele Klystire, erweichende, auflösende, abführende, und andre
dienliche Mittel gebraucht; das aufgelegte Eis that noch das meiste. Sie hat
seitdem zwar Beschwerden gehabt, aber nur, wenn sie sich zu stark bewegte,
blähende Speisen aß, u.s.w. Sie trug beständig das Bruchband mit der gehörigen
Pelotte und befand sich wohl dabei. Endlich fiel ihr ein, zum Monddoktor zu
gehen, er versprach ihr völlige Hülfe und legte seine Hand auf ihr Bruchband.
Nun glaubte sie weder ihrem vorigen Arzte noch dem Bruchbande für ihr itziges
Wohlbefinden verbunden zu sein, sondern schrieb alles dem Monde und Weisleders
Wunderhand zu, die sie auch nach Gebührde herausstrich und allen empfahl.
Zuletzt war sie so davon überzeugt, daß sie ihr Bruchband wegwarf; aber der
Bruch trat sogleich von neuem aus, inkarcerirte, und sie starb elendiglich
daran.
Die Magia naturalis
Seit der Antike versuchen die Menschen unerreichbare Wünsche oder unerklärliche
Phänomene auf übernatürliche Erscheinungen zurückzuführen. Zu Beginn der Neuzeit hat
sich Paracelsus (1493–1541) in besonderer Weise damit befasst. Er unterschied
zwischen der Magie, die auf den Einflüssen des Glaubens beruhte, und der
Zauberei, dem Werk des Teufels und der Hexen [11].
Die Magie wurde von verschiedenen Religionen, auch der christlichen Religion,
angewendet, um dämonische Kräfte abzuwehren. Magie sollte dem Anwender zum Nutzen
gereichen. Im Gegensatz dazu verstößt die Schwarze Magie gegen den Glauben
und die aktuellen Sitten, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Die Magia naturalis bediente sich verschiedener Erscheinungen in der Natur.
Paracelsus differenzierte mehrere Formen ([
Tab.
1
]) und setzte sie zur Heilung von Krankheiten ein. Geister und
Dämonen kamen darin nicht vor [3], [11]. Der neapolitanischen Arzt Giambattista della
Porta (1535–1615) verfasste anno 1558, also nach Paracelsus, ein 20-bändiges Werk
unter dem Titel Magia naturalis
[13].
Tab. 1
Magia naturalis
Teilgebiete der Magia naturalis [11]
|
Astronomia
|
Sternenkunde
|
Astrologia
|
Sternendeutung
|
Pyromantia
|
Wahrsagung aus Feuer
|
Chaomantia
|
Wetter/Atmosphäre
|
Hydromantia
|
Wahrsagung aus Wasser
|
Geomatia
|
Voraussagung von Sandzeichnungen
|
Alchimia
|
Verwandlung von Metallen in Gold und Silber
|
Spagyrica
|
Abtrennung des geistigen “Arkada” aus Stein
|
Paracelsus und der Mond
In ausführlicher Weise hat sich Paracelsus mit der Rolle des Mondes in der Medizin
befasst [12]. Er schreibt, der kranckheit unnd
gesundtheit Samen sind im Leib und müssen wachsen. Darauf hat der Mond
seinen Einfluss, so er der Erden zufügt. In diser Geburt ist er windig
(schädlich), in der andern naß / jetzt kalt / jetzt warm / und alles der Ein
Mond: Aber durch sein newe geburt (Mondaufgang) / wird ihm sein
Regiment (Wirksamkeit) durch die imprimierten Ascendenten (Stellung
der Sterne) in ein ander Art und Weiß gezogen und gelegt. Den Mond selbst
trifft keine Schuld an Krankheit und Gesundheit, sondern nur den Aszendenten. Sowohl
beim Sammeln der Arzneipflanzen und bei der Zubereitung von Rezepten als auch bei
der ärztlichen Prognostik der Krankheit muss der Arzt diese Faktoren
berücksichtigen. Darumb sollend jhr wissen, daß die eussern Sphaera
(Gestirne) ist die Schule der gantzen Artzney / nicht Corpora , sonder
spiritus (Nicht der Sternenkörper, sondern sein Geist) [12].
Zusammenfassung
Der Einfluss des Mondes auf Gesundheit und Krankheit wurde seit Menschengedenken hoch
angesehen [7]. Früher spielte dabei die Magie eine
wichtige Rolle. Anno 1936 hatte ich als Kind von 6 Jahren an den Händen mehrere
dieser kleinen juvenilen Wärzchen, die sich manchmal entzündeten und dann
schmerzten. Der Großvater wusste Rat. In einer sommerlichen Vollmondnacht gingen wir
beide um Mitternacht an die Mistkute hinten im Garten. Ich musste die Hände mit
einem feuchten Ledertuch in Richtung zum Vollmond hin gründlich abwischen und den
Lappen anschließend über die Schulter wegwerfen. Wir durften uns auf keinen Fall
mehr umdrehen und gingen wieder schlafen. Für mich erschien die Situation überaus
gruselig. Nach ein paar Tagen waren alle Warzen verschwunden und sind nie wieder
aufgetreten.
Zwischen Vollmond und Krankheit gibt es keine wissenschaftlich nachweisbaren
Beziehungen. Aber Schlafstörungen in einer Vollmondnacht können wir uns z. B. immer
noch nicht ganz erklären. Jedenfalls hat die Studie von Christoph Cajochen anno 2013
entsprechende Daten gebracht und viele Diskussionen ausgelöst [2]. Die Welt um Paracelsus stand überirdischen
Einwirkungen sehr aufgeschlossen gegenüber. Paracelsus lebte in der Philosophie der
Antike und Renaissance. Die Scharlatanerie des Berliner Monddoktors 300 Jahre nach
Paracelsus fällt sofort ins Auge. Den Menschen im 19. Jahrhundert ging es in
ärztlicher Hinsicht erbärmlich schlecht. Sie wollten aktiv etwas gegen ihre
Krankheiten unternehmen, allerdings ohne jede Kenntnis der Naturwissenschaften. Es
blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich an den berühmten Strohhalm zu klammern.
Schweres Leid führt auch heute den Patienten in verzweifelter Situation zur Magia
naturalis, wenn die Schulmedizin am Ende ihrer Weisheit angelangt ist.
Quod nimis miseri volunt, hoc facile credunt
Was die sehr Unglücklichen wollen, das glauben sie leicht