Schlüsselwörter Katarakt - ambulant - stationär - Qualitätsberichte der Krankenhäuser - Gemeinsamer Bundesausschuss - Kataraktoperation
Key words inpatient - outpatient - quality report - Federal Joint Committee - cataract
Hintergrund und Fragestellung
Hintergrund und Fragestellung
Neben Erkrankungen des vorderen Augenabschnitts, Akkommodationsstörungen und Refraktionsfehlern ist die Katarakt eine der am häufigsten gestellten augenärztlichen Diagnosen in Deutschland [1 ]. Nach Schätzungen der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) waren in Deutschland im Jahr 2012 9 853 000 Menschen von einer Katarakt betroffen [1 ]. Aufgrund des im Rahmen des demografischen Wandels zu erwartenden steigenden Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung, wird diese laut Schätzungen im Jahr 2030 bei etwa 12 305 000 liegen [1 ]. Der Anteil an Patienten mit einer Katarakt liegt nach Angaben des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e. V. (BVA) in der Altersklasse zwischen 65 und 75 Jahren bei über 90% [2 ]. Die Zahl der jährlich in Deutschland durchgeführten Kataraktoperationen wird auf etwa 700 000 bis 800 000 geschätzt [2 ].
Im Rahmen einer drastischen Reduktion der Bettenzahl in augenärztlichen Hauptabteilungen zwischen 2000 und 2009 um etwa 30% ist es laut Angaben der DOG zu einer Verlagerung der Kataraktoperationen in den ambulanten Bereich gekommen [1 ]. Es wird zudem davon ausgegangen, dass Kataraktoperationen in Deutschland inzwischen überwiegend durch niedergelassene Augenärzte im Rahmen ambulanter Eingriffe durchgeführt werden [1 ], [3 ]. Lang et al. zeigten, dass sowohl die Zahl der insgesamt an Krankenhäusern durchgeführten Kataraktoperationen als auch die Zahl der stationär an Krankenhäusern durchgeführten Kataraktoperationen im Zeitraum von 2006 bis 2010 in Deutschland stabil geblieben ist [4 ].
Der Beitrag, den Krankenhäuser zur Versorgung von Patienten mit einer Katarakt in Deutschland leisten, lässt sich in den Qualitätsberichten des Gemeinsamen Bundesausschusses ablesen. Darin werden u. a. alle ambulanten und stationären operativen Eingriffe anhand der OPS- (OPS: Operationen- und Prozedurenschlüssel) und ICD-Schlüssel (ICD: International Classification of Diseases) erfasst. Die Qualitätsberichte stellen somit ein reliables und valides Instrument zur objektiven Einschätzung der Operationsleistung der deutschen Krankenhäuser dar.
Die Qualitätsberichte sind öffentlich zugänglich. Im Falle einer wissenschaftlichen Nutzung der Daten besteht Anzeigepflicht gegenüber der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses. Sollten Daten der Qualitätsberichte für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, muss im Falle einer wissenschaftlichen Veröffentlichung sichergestellt werden, dass eine Zuordnung zu einzelnen Krankenhäusern nicht möglich ist [5 ]. Erhebungen von Operationszahlen durch Umfragen sind von den Rückmeldungen der Operateure sowie der Rücklaufquote abhängig [3 ], [6 ]. Die Qualitätsberichte erfassen lediglich medizinische Einrichtungen, die laut § 108 SGB V als Krankenhaus definiert sind (Universitätskliniken, Plankrankenhäuser sowie Krankenhäuser, die mit den Landesverbänden der Krankenkassen einen Versorgungsvertrag geschlossen haben). Sie sind jedoch reliabel, da sie nicht auf Selbsteinschätzungen, sondern auf Abrechnungsdaten basieren.
Aufbauend auf der Arbeit von Lang et al. wird in dieser retrospektiven Studie aus dem Bereich der Versorgungsforschung der erweiterte Zeitraum von 2006 bis 2016 betrachtet. Ziel der Arbeit war die Erfassung der quantitativen Entwicklung von ambulanten und stationären Kataraktoperationen an deutschen Krankenhäusern. Insbesondere sollte geprüft werden, ob bzw. inwieweit ein Trend zur Verlagerung der an deutschen Krankenhäusern durchgeführten Kataraktoperationen in den ambulanten Bereich zu verzeichnen ist und ob sich über den Gesamtzeitraum Änderungen in der Gesamtzahl der an deutschen Krankenhäusern durchgeführten Kataraktoperationen ergeben haben. Eine vollständige, unveränderte Darstellung der Qualitätsberichte der Krankenhäuser ist unter www.g-ba.de einsehbar.
Studiendesign und Untersuchungsmethoden
Studiendesign und Untersuchungsmethoden
Die Qualitätsberichte der Jahre 2006 bis einschließlich 2016 wurden in maschinenlesbarer Form (Extensible Markup-Language [XML]) unter https://www.g-ba.de/institution/themenschwerpunkte/qualitaetssicherung/qualitaetsdaten/qualitaetsbericht/xml-daten/ angefordert. Die relevanten Datensätze wurden in eine relationale Datenbank überführt.
Es wurde die Zahl der insgesamt (absolut und pro 1000 Einwohner) an deutschen Krankenhäusern durchgeführten Kataraktoperationen, aufgeteilt nach ambulant bzw. stationär ermittelt. Die ermittelten Zahlen beziehen sich auf das jeweilige Veröffentlichungsintervall der Qualitätsberichte (2006, 2008, 2010, 2012, 2013, 2014, 2016). Zudem wurde eine Analyse der in den Qualitätsberichten angegebenen Kataraktdiagnosen durchgeführt. Hierbei wurde der Anteil komplexer Kataraktformen (H25.- [Cataracta senilis], H26.- [infantile, juvenile und präsenile Katarakt, Cataracta traumatica, Cataracta complicata, Cataracta secundaria, arzneimittelinduzierte Katarakt] oder H28.-* [Katarakt und sonstige Affektionen der Linse bei anderenorts klassifizierten Krankheiten]) in Relation gesetzt zur Gesamtzahl der im jeweiligen Operationsrahmen (ambulant bzw. stationär) durchgeführten Kataraktoperationen.
Die retrospektive statistische Auswertung wurde mit dem Softwarepaket R (www.r-project.org ) durchgeführt [7 ].
Ergebnisse
Im Zeitraum von 2006 bis 2016 wurden insgesamt 1 884 506 ambulante und stationäre Kataraktoperationen an Deutschen Krankenhäusern durchgeführt. Die absoluten Operationszahlen sind in [Tab. 1 ] zusammengefasst. Es zeigte sich für das gesamte Bundesgebiet eine Zunahme in der Gesamtzahl der durchgeführten Kataraktoperationen. Im Qualitätsbericht 2006 wurden 223 070, im Qualitätsbericht 2016 wurden 279 331 Kataraktoperationen erfasst ([Tab. 1 ]).
Tab. 1 Anzahl der im gesamten Bundesgebiet durchgeführten ambulanten und stationären Kataraktoperationen.
2006
2008
2010
2012
2013
2014
2016
Zahl ambulanter Kataraktoperationen
98 150
122 288
129 796
131 982
137 997
139 927
135 365
Zahl stationärer Kataraktoperationen
124 920
146 735
135 631
141 744
147 140
148 865
143 966
Gesamtzahl der Kataraktoperationen (ambulant und stationär)
223 070
269 023
265 427
273 726
285 137
288 792
279 331
Anteil ambulanter Eingriffe (%)
44,0
45,5
48,9
48,2
48,4
48,5
48,5
Der Anteil ambulanter Kataraktoperationen im gesamten Bundesgebiet
Im Zeitraum von 2008 bis 2010 stieg der Anteil ambulanter Kataraktoperationen an (2008: 45,5%; 2010: 48,9%). In den Jahren 2011 und 2012 war der entsprechende Anteil leicht rückläufig (48,2%). Seit 2010 ist der Anteil ambulanter Operationen unverändert (2010: 48,9%; 2016: 48,5%; [Tab. 1 ], [Abb. 1 ]).
Abb. 1 Zahl der im gesamten Bundesgebiet durchgeführten Kataraktoperationen (pro 1000 Einwohner). Der Anteil ambulant durchgeführter Kataraktoperationen ist seit 2010 unverändert.
Anteil komplexer Kataraktformen
In einer Untergruppenanalyse wurde untersucht, wie hoch der Anteil komplexer Kataraktformen jeweils in der Gruppe ambulanter bzw. stationärer Kataraktoperationen war. Es zeigte sich, dass die Ziffern H26.- (infantile, juvenile und präsenile Katarakt, Cataracta traumatica, Cataracta complicata, Cataracta secundaria, arzneimittelinduzierte Katarakt) oder H28.-* (Katarakt und sonstige Affektionen der Linse bei anderenorts klassifizierten Krankheiten) in 56 – 86% zu stationären Operationen zugeordnet werden können.
Diskussion
Die Gesamtzahl der an deutschen Krankenhäusern durchgeführten Kataraktoperationen hat seit 2006 zugenommen. Der Anteil der an Krankenhäusern durchgeführten ambulanten Operationen ist zwischen 2006 und 2010 angestiegen und seitdem bei etwa 45% stabil. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag der Anteil der Bundesbürger, die mindestens 60 Jahre alt waren, im Jahr 2010 bei 26,3% und im Jahr 2016 bei 27,6% [8 ]. Der Anteil der Bevölkerung, aus dem Patienten, die sich einer Kataraktoperation unterziehen, vorwiegend rekrutiert werden, hat sich daher im Untersuchungszeitraum nicht signifikant vergrößert. Es scheint also seit 2010 auch bezogen auf die Gesamtzahl aller in Deutschland durchgeführten Kataraktoperationen ein gleichbleibender Bedarf an stationär durchgeführten Kataraktoperationen vorhanden zu sein.
In einer auf Daten der OECD basierenden Studie wurde berichtet, dass in Ländern wie Großbritannien, Frankreich und Spanien zwischen 2010 und 2014 der Großteil der Kataraktoperationen im Rahmen teilstationärer Eingriffe durchgeführt wurde. In Deutschland und Italien habe die Zahl ambulanter Kataraktoperationen zwischen 2010 und 2014 hingegen höher gelegen als in den o. g. Ländern [9 ]. Für den Zeitraum 2006 bis 2016 liegen jedoch keine systematisch erfassten Zahlen bez. außerhalb der Krankenhäuser ambulant versorgter Patienten vor. Aufgrund der begrenzten Teilnehmerraten von 47% (Hauptabteilungen) bzw. 33% (ambulante Kataraktoperateure) lässt sich die Zahl der in Deutschland außerhalb der Krankenhäuser ambulant versorgten Patienten aus den veröffentlichten Umfragen nur schwer abschätzen [3 ]. Auf Basis der von uns erhobenen Daten ist die postulierte, anhaltende Verlagerung der Versorgung von Patienten mit einer Katarakt in den ambulanten Sektor nicht zu bestätigen. Zwischen 2006 und 2010 hat sich der Anteil von 44 auf 48,9% gesteigert und ist seitdem stabil. Finger et al. haben vorgeschlagen, dass insbesondere medizinisch schwerwiegende Fälle im stationären Rahmen versorgt werden [10 ]. Wir konnten zeigen, dass der Anteil komplexer Kataraktformen in der Gruppe stationär durchgeführter Kataraktoperationen im Zeitraum 2006 bis 2016 jeweils höher war als in der Gruppe ambulant durchgeführter Kataraktoperationen. Die Stabilität ist daher möglicherweise darauf zurückzuführen, dass ein relativ konstant großer Anteil von Patienten aufgrund des durch das Vorliegen okulärer Komorbiditäten erhöhten Risikos perioperativer Komplikationen für eine ambulante Versorgung aus ärztlicher Sicht nicht infrage kommt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass bei der Entscheidung für bzw. gegen eine Operation unter stationärer Bedingungen auch nicht okuläre Komorbiditäten oder auch soziale Gründe eine entscheidende Rolle spielen. Diese Hypothese lässt sich auf Grundlage der Qualitätsberichte jedoch nicht prüfen und sollte ggf. im Rahmen künftiger Auswertungen berücksichtigt werden. Entsprechende Daten könnten z. B. stichprobenartig auf Ebene einzelner zur Versorgung von Patienten mit Katarakt beitragender Krankenhäuser erhoben werden.
Schlussfolgerung
Die Krankenhäuser leisten in Deutschland nach wie vor einen signifikanten Beitrag zur Versorgung von Patienten, die an einer Katarakt erkrankt sind. Die Gesamtzahl der Operationen hat von 2006 bis 2016 zugenommen. Eine systematische und anhaltende Verlagerung der Versorgung von Patienten mit Katarakt in den ambulanten Bereich lässt sich anhand der vorliegenden Daten nicht bestätigen. Von 2006 bis 2010 ist der Anteil ambulanter Operationen um 4,9% angestiegen. Seit 2010 sind die Anteile ambulanter bzw. stationärer Kataraktoperationen stabil. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass eine über die Jahre konstant große Gruppe von Patienten aus medizinischen oder auch sozialen Gründen im Rahmen ambulanter Eingriffe nicht hinreichend versorgt wäre.
Finanzielle Unterstützung
Finanzielle Unterstützung
Weder zur Erstellung der Studie noch zu deren Veröffentlichung wurde finanzielle Unterstützung in Anspruch genommen.