Key words
MR-imaging - temporomandibular joint - arthrosis - intraarticular disc - synovitis
Einleitung
Die kraniomandibuläre Dysfunktion (oder TMD – temporomandibular joint disease – im
angloamerikanischen Sprachraum) stellt einen Sammelbegriff dar für die klinischen
Manifestationen der gestörten Kiefergelenksfunktion. Dabei wird (nach Möglichkeit)
eine klinische Unterteilung vorgenommen in Beschwerden, die von der Kaumuskulatur
herrühren, Läsionen des Discus intraarticularis mit Bewegungseinschränkung und Gelenkgeräuschen
sowie Erkrankungen der gelenkbildenden Skelettabschnitte bzw. des Knorpels im engeren
Sinne (wie bei Arthrose oder Arthritis) [1].
Epidemiologische Untersuchungen haben eine Prävalenz für temporomandibuläre Schmerzsyndrome
von 8–15 % bei Frauen und 3–10 % bei Männern gezeigt. Beschwerden, die vom Kiefergelenk
und den unmittelbar angrenzenden Strukturen ausgehen, haben also eine erhebliche soziomedizinische
und auch -ökonomische Bedeutung, zumal die CMD häufig mit weiteren chronifizierten
Schmerzsyndromen vergesellschaftet ist [2]. In einer großen US-Stichprobe wurde eine Reihe von Komorbiditäten, wie z. B. Arthrosen,
Fibromyalgie, Fatigue-Syndrom, Depressionen, Autoimmunerkrankungen sowie auch das
Schlaf-Apnoe-Syndrom, beschrieben [3]. 40 % der Pateinten hatten bereits einen oder mehrere chirurgische Eingriffe hinter
sich und nahezu alle medikamentöse Therapieverfahren [3].
Der Pathomechanismus der kraniomandibulären Dysfunktion ist nicht vollständig geklärt;
in der Literatur wird als mögliche Erklärung eine durch in erster Linie degenerative
Veränderungen ausgelöste Störung des Gefüges von Kiefergelenkkapsel, Discus articularis
und Kaumuskulatur favorisiert. Dem M. pterygoideus lat. und dabei insbesondere seiner
Ansatzregion wird in der Literatur aufgrund seiner anatomischen Beziehung zum Discus
articularis und zur Gelenkkapsel eine Schlüsselrolle zugewiesen bei der Schmerzentstehung
der CMD [4]. Die MRT-Untersuchung der Kiefergelenke mit dedizierter Spule ist allgemein akzeptiert
als Methode der ersten Wahl zur Abklärung der CMD [5]
[6].
Nachdem anhaltende und schwer therapierbare Schmerzsyndrome bei der Indikationsstellung
für die MRT-Diagnostik des Kiefergelenks eine zentrale Rolle spielten, erschien neben
den degenerativen Veränderungen das Ausmaß (chronischer) entzündlicher Prozesse am
Kiefergelenk bei der CMD von besonderem Interesse.
Während zu Manifestationen der rheumatoiden Arthritis am Kiefergelenk umfangreiche
Literatur existiert, gibt es zur Frage der (unspezifischen) Synovialitis bei der CMD
nach unserem Kenntnisstand keine aktuelle MRT-Studie. Der Nachweis einer sich durch
eine Synovialitis manifestierenden entzündlichen Komponente bei der CMD dürfte für
das Verständnis der Beschwerden und den einzuschlagenden therapeutischen Weg von wesentlicher
Bedeutung sein.
Material und Methoden
Im Rahmen einer retrospektiven Studie wurden insgesamt 72 MRT-Untersuchungen der Kiefergelenke
(entspricht 144 Gelenken) aus den Jahren 2013 bis 2018 ausgewertet. Die Patienten
wurden sämtlich von der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie im Hause mit
der Diagnose kraniomandibuläre Dysfunktion bei im Vordergrund stehender Schmerzsymptomatik
überwiesen. Alle Patienten wurden mit demselben 3,0T-MRT-Scanner Philips Ingenia untersucht
unter Verwendung einer dedizierten 4-Kanal-Kiefergelenkspule (Philips D-Stream-flex
Typ S). Die 3,0T-Hochfeld-MRT wird bei der Bildgebung des Kiefergelenks gegenüber
der 1,5T-MRT als klar überlegen angesehen mit deutlich besserer Auflösung der anatomischen
Strukturen, insbesondere auch von Form, Lage und Binnensignal des Discus articularis
[7].
Bei allen Patienten kam das gleiche Untersuchungsprotokoll zur Anwendung ([Tab. 1]).
Tab. 1
Untersuchungsparameter MRT.
|
Sequenz
|
TR
|
TE
|
Schichtdicke [mm]
|
Distanz
[mm]
|
FOV [mm]
|
|
PD SPAIR parasag
|
1978
|
40
|
2
|
2,2
|
80
|
|
T1 parasag
|
741
|
12
|
2
|
2,2
|
80
|
|
T1 parasag +KM
|
741
|
12
|
2
|
2,2
|
80
|
|
T1 parasag +KM max.
|
741
|
12
|
2
|
2,2
|
80
|
|
T1 cor +KM
|
677
|
14
|
2
|
2,2
|
80
|
|
T1 cor +KM max.
|
677
|
14
|
2
|
2,2
|
80
|
|
MR Kinemat.
|
3,86
|
1,93
|
5
|
5
|
80
|
max. = maximale Mundöffnung.
Die Untersuchungen wurden alle im hausinternen PACS-System gespeichert und wurden
von 2 erfahrenen Radiologen im Konsens ausgewertet.
2 Patienten (4 Gelenke) wurden von der Auswertung ausgeschlossen, da bei ihnen eine
gesicherte chronische Polyarthritis mit deutlichen Arthritis-Zeichen vorlag und diese
somit nicht der ausgewählten Zielgruppe entsprachen.
Das Patientenalter lag zwischen 11 und 73 Jahren, das Durchschnittsalter bei 39,3
Jahren. Der klinischen Erfahrung entsprechend zeigte sich ein Überwiegen der weiblichen
Patienten mit 69 %.
Bei den vorliegenden Kiefergelenk-MRTs wurden in einem ersten Schritt die ossären
Strukturen beurteilt – zum einen im Hinblick auf Erosionen und Destruktionen, zum
anderen auf Arthrose-Zeichen wie Gelenkspaltverschmälerung, knöcherne Anbauten, Sklerosierung
und Gelenkdeformitäten sowie auf ödematöse Veränderungen im Knochenmark der gelenkbildenden
Strukturen.
Am Discus intraarticularis wurden die Form und Signalgebung des Diskus sowie insbesondere
dessen Position bewertet. Zur Klassifikation der anterioren Diskusdislokation wurde
die seit Langem gebräuchliche Einteilung nach Vogl verwendet mit Unterteilung in partielle
anteriore Diskusdislokationen Grad 1 und 2 sowie komplette anteriore Diskusdislokationen
mit und ohne Reposition in Funktionsstellung [8]. Laterale und posteriore Diskusdislokationen wurden aufgrund ihres seltenen Auftretens
(lat. 4 %) und entsprechend schwieriger statistischer Verwertbarkeit nicht einbezogen.
Besonderes Augenmerk galt in der vorliegenden Studie den Zeichen einer Synovialitis.
Bei der Diagnosestellung einer Synovialitis ist grundsätzlich die vermehrte synoviale
KM-Aufnahme das wichtigste Kriterium, wobei hier jedoch eine subjektiv-semiquantitative
Auswertung nicht zu reproduzierbaren Ergebnissen führt und die Abgrenzung von einer
leichtgradigen physiologischen Kontrastmittelaufnahme der Synovialmembran – die in
der Regel auch beim gesunden Kiefergelenk vorliegt [9] – nicht klar möglich ist [10]. Zur Quantifizierung und damit besseren Bewertung und Reproduzierbarkeit der synovialen
Kontrastmittelaufnahme wurde ein Verfahren angewendet, das zunächst für Patienten
mit idiopathischer juveniler Arthritis entwickelt worden ist [11]. Dabei wird in der koronaren T1-post-KM-Schichtserie an 3 Stellen die durchschnittliche
Pixel-Signalintensität (average pixel intensity, API) der Synovialmembran gemessen
(Fläche 0,8 mm²) und davon der Durchschnittswert gebildet; dieser Wert wird geteilt
durch die API im Muskelparenchym des M. longus capitis. Ein Wert oberhalb der Schwelle
von 1,55 (dimensionslos) wird als Zeichen einer Synovialitis gewertet. Die Sensitivität
bzw. Spezifität für den Nachweis einer Synovialitis wurden in der o. g. Publikation
mit 91 bzw. 96 % angegeben.
Auf eine Beurteilung der Dicke der Synovialmembran wurde verzichtet, da keine gut
reproduzierbare Methodik bzw. klar definierte Messregion existiert; bei der Befundung
der vorliegenden Kiefergelenk-MRTs zeigte sich diesbezüglich auch eine sehr große
Streubreite, sodass hierbei kaum ein zuverlässiges Kriterium vorliegen dürfte.
Die statistische Auswertung erfolgte mit Unterstützung des Instituts für med. Statistik
und Epidemiologie, Technische Universität, München, mit folgender Methodik:
Für die statistische Auswertung wurden GEE-Modelle (generalized estimation equations)
verwendet, die beiden Seiten links und rechts wurden verbunden. Berechnet wurden der
p-Wert als Ausdruck der Signifikanz sowie der Koeffizienten-Schätzer (Estimate), der
die Stärke eines Zusammenhangs darstellt. Von Interesse war dabei insbesondere der
(mögliche kausale) Zusammenhang zwischen Arthrose, Diskusdegeneration und Diskusdislokation
und Synovialitis einerseits sowie zwischen Gelenkerguss, Knochenmarködem, Bewegungseinschränkung
und Synovialitis andererseits.
Ergebnisse
Als zentrales Ergebnis ist festzuhalten, dass an 36 von 140 Kiefergelenken (25,7 %)
von CMD-Patienten (bei Ausschluss einer primär entzündlichen Gelenkerkrankung wie
chronische Polyarthritis) eine vermehrte, für eine Synovialitis typische Kontrastmittelaufnahme
erkennbar ist, also eine relativ hohe Zahl in einem unselektierten Patientengut mit
Kiefergelenkbeschwerden.
Bei 29 dieser 36 Fälle (81 %) war eine Kiefergelenksarthrose ([Abb. 1]) zu finden.
Abb. 1 Links PD SPAIR psag, rechts T1, KM psag: Kiefergelenkarthrose mit Knochenmarködem
im Capitulum und vermehrter synovialer Kontrastmittelaufnahme (Pfeile).
Bei wiederum 29 der 36 Synovialitis-Patienten (81 %) lag eine Degeneration des Discus
articularis vor ([Abb. 2]).
Abb. 2 Links PD SPAIR psag, rechts T1 + KM psag: Erhebliche Diskusdegeneration mit T2-Signalanhebung,
Auftreibung und Konturunschärfe. Angrenzend markante synoviale Mehrkontrastierung
(Pfeile).
In 18 der 36 Synovialitis-Patienten (50 %) zeigte sich eine komplette anteriore Diskusdislokation
([Abb. 3]), bei 2 Patienten (5,6 %) fand sich eine partielle anteriore Diskusdislokation.
Abb. 3 Links PD SPAIR psag, rechts T1 + KM psag: Komplette anteriore Diskusdislokation (Pfeil)
mit deutlicher synovialer Mehrkontrastierung (Pfeile).
Es existieren zwar Überschneidungen, d. h. dass mehrere der mutmaßlich Synovialitis-begünstigenden
Faktoren simultan vorliegen, allerdings sind die Zusammenhänge statistisch so hochsignifikant,
dass dies für die Kernaussage der Studie nicht von entscheidender Bedeutung ist.
Bei 25 der 36 Synovialitis-Fälle (69 %) war zusätzlich ein Gelenkerguss vorhanden
und bei immerhin 9 von 36 (25 %) ein eindeutiges Knochenmarködem im Capitulum. In
31 von 36 Synovialitis-Patienten (86 %) war die Beweglichkeit im Kiefergelenk eingeschränkt,
d. h. das Kieferköpfchen glitt in der MRT in der maximalen Mundöffnungsposition nicht
über das Tuberculum articulare hinweg.
In der statistischen Auswertung erwies sich der Zusammenhang zwischen Synovialitis
einerseits und Kiefergelenksarthrose, Diskusdegeneration und kompletter anteriorer
Diskusdislokation mit p-Werten sämtlich kleiner 0,01 andererseits als hochsignifikant
([Abb. 4]). Dies gilt auch für den Zusammenhang zwischen Synovialitis und Gelenkerguss, Erosion
Knochenmarködem und eingeschränkter Beweglichkeit ([Abb. 5], [Tab. 2], [3]).
Abb. 4 s. Tab. 2.
Abb. 5 s. Tab. 3.
Tab. 2
Zusammenhang mit Synovialitis.
|
Arthrose
|
Diskusdegeneration
|
Diskusverlagerung
|
|
p-Wert
|
< 0,01
|
< 0,01
|
< 0,01
|
|
Estimate
|
e-4,247
|
e-2,928
|
e-2,835
|
Tab. 3
Synovialitis Begleiterscheinungen.
|
Gelenkerguss
|
Knochenmarködem
|
Bewegungseinschränkung
|
|
p-Wert
|
< 0,01
|
< 0,01
|
< 0,01
|
|
Estimate
|
e-2,166
|
e-5,94
|
e-3,274
|
Als bemerkenswertes Teilergebnis ist hervorzuheben, dass bei n = 20 oder 49 % der
Patienten mit abnormer Diskusposition eine pathologisch vermehrte synoviale Kontrastmittelaufnahme
bzw. ein synovialitischer Reizzustand zu finden ist. In n = 26 oder 63 % der Patienten
mit abnormer Diskusposition zeigte sich ein Gelenkerguss.
Diskussion
Ziel der vorliegenden Studie war es, die Bedeutung entzündlicher Kiefergelenkprozesse
in einem unselektierten CMD-Patientengut zu untersuchen. Gesicherte primär rheumatologische
Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis waren dabei von vorneherein ausgeschlossen.
Von besonderem Interesse war die Frage, inwieweit häufige und kernspintomografisch
klar diagnostizierbare CMD-Auslöser wie Arthrose, Diskusdegeneration und Diskusverlagerung
kompliziert werden durch oder ausmünden in einen (oft chronifizierten) entzündlichen
Gelenkprozess. Die – als maßgebliches Kriterium – vermehrte synoviale Kontrastmittelaufnahme
wurde dabei nicht nur qualitativ erfasst, sondern mit einem in der Kinder-Rheumatologie
entwickelten Verfahren kernspintomografisch quantifiziert [11]
[12]
[13]. Die MRT gilt dabei als die zuverlässigste Methode zur bildgebenden Diagnostik der
Synovialitis [10].
Es zeigte sich hierbei ein hochsignifikanter Zusammenhang zwischen Kiefergelenksarthrose
(und auch Knochenmarködem), Diskusdegeneration sowie Diskusverlagerung einerseits
und Synovialitis des Kiefergelenks andererseits. Vermehrte Kontrastmittelaufnahme
und Verdickung der Synovialis ist unseren Ergebnissen zufolge also keineswegs nur
vorzufinden bei den primär entzündlichen Gelenkerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis
[14], sondern eben auch verbreitet beim CMD-Syndrom.
Nach unserer Kenntnis existiert keine aktuelle 3T-MRT-Studie zur Häufigkeit bzw. zum
Ausmaß einer Synovialitis bei CMD-Patienten. Lediglich eine kontrastmitteldynamische
MRT-Studie von Patienten mit dem klinischen Leitsymptom Kiefergelenkschmerz zeigte
eine signifikante fokale Mehrkontrastierung in der retrodiskalen Region – ein Indiz
dafür, dass TMJ-Schmerzsyndrome in Zusammenhang stehen können mit vermehrter Gefäßeinsprossung
und fokaler Entzündung [15]. Allerdings beschäftigte sich eine Reihe von MRT-Studien mit der Frage nach der
Bedeutung des Kiefergelenkergusses und seiner Verbindung mit anderen pathologischen
Gelenkbefunden. Dabei zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen Gelenkerguss und
Kiefergelenkarthrose [16] sowie zwischen Gelenkerguss und Diskusverlagerung (insbesondere ohne Reposition
in Funktionsstellung) [17]. Ein enger Zusammenhang fand sich auch zwischen Gelenkerguss und Knochenmarködem
im Capitulum bei klinischem Schmerzsyndrom [18]. Eine weitere MR-Studie bei CMD-Patienten erbrachte – allerdings wenig überraschend
– einen eindeutigen statistischen Zusammenhang zwischen kernspintomografisch nachgewiesener
anteriorer Diskusdislokation, Arthrose, Knochenmarködem sowie Gelenkerguss und einem
klinisch manifesten Schmerzsyndrom [19].
Biochemische Untersuchungen des begleitenden Gelenkergusses bei Patienten mit Diskusverlagerung
konnten eine veränderte Zusammensetzung mit erhöhtem Proteingehalt und Zeichen einer
erhöhten entzündlichen Aktivität nachweisen [20].
Die Synovialitis ist offenbar eine Reaktionsform des Gelenks, in die unterschiedliche
Gelenkläsionen ausmünden, wie dies auch bei anderen Gelenken der Körperperipherie
zu beobachten ist. So zeigte beispielsweise eine MRT-Studie an Kniegelenken mit Arthrosis
deformans in bis zu 96 % zumindest in einzelnen Kompartimenten des Gelenks eine Synovialitis
[21]. Histologische Befunde an betroffenen Kiefergelenken stützen diese Annahme mit dem
Nachweis von fortschreitenden Knorpelschäden, subchondralem Knochenumbau bzw. -abbau
und gleichzeitig vorliegenden chronischen Entzündungszeichen im synovialen Gewebe,
wobei bei der Initiierung und dem Fortschreiten des Krankheitsprozesses Entzündung
und Destruktion des subchondralen Knochens wohl eine besonders wichtige Rolle spielen
[22]. Zudem konnte pathoanatomisch eine gestörte Lagebeziehung zwischen Gelenkkapsel,
Diskus und Kaumuskeln, insbesondere dem M. pterygoideus lateralis, nachgewiesen werden
[4].
In jüngerer Zeit erbrachten weitere biochemische Analysen der Gelenkflüssigkeit Hinweise
auf eine wichtige Rolle entzündlicher Prozesse in der Pathogenese des CMD-Beschwerdekomplexes.
Bei MR-tomografisch nachgewiesenem Gelenkerguss fand sich eine signifikant erhöhte
Konzentration von Zytokinen, also Entzündungsmediatoren, in der Gelenkflüssigkeit
[23]. Ein besonders deutlicher Zusammenhang war dabei erkennbar zwischen einer erhöhten
Konzentration von Tumor-Nekrose-Faktor-alpha und Synovialitis mit begleitendem Abbau
von Knorpel und gelenkbildenden Knochenstrukturen [24]. Die biochemische Untersuchung synovialer Flüssigkeit bei CMD-Schmerzpatienten erbrachte
auch erhöhte Spiegel einer ganzen Reihe von molekularen Schmerzbiomarkern wie Metalloproteinasen
(MMP), vascular endothelial growth factoe (VEGF) und Hyaluronsäure-Synthase, welche
in Verbindung gebracht werden mit insbesondere chronifizierten low-grade Entzündungen
[25]. Bestimmte Proteoglykane konnten dabei experimentell den Zellen degenerierter Kiefergelenks-Disci
zugeordnet werden [26].
Die markanten MR-tomografischen Hinweise auf die Bedeutung der Synovialitis beim CMD-Beschwerdekomplex
ist naturgemäß auch relevant für die Therapieplanung. Die lokale intraartikuläre Gabe
von Kortikosteroiden als entzündungshemmende Maßnahme zeigte allerdings kontroverse
Effekte. Bei der juvenilen rheumatoiden Arthritis war in der MRT eine eindeutige Besserung
der Arthritis-Zeichen zu beobachten [27] – ein Effekt, der sich MR-tomografisch nicht nur statistisch belegen, sondern auch
quantifizieren lässt [11]. Andererseits wurden in einer tierexperimentellen Untersuchung bereits nach einer
singulären intraartikulären Dexamethason-Gabe als Nebenwirkung resorptive Prozesse
am Processus condylaris des Kiefergelenks festgestellt mit histologischem Nachweis
osteoklastischer Aktivität [28]. Die Arthrozentese mit mechanischer Distension und Lavage zeigte positive Effekte
auf entzündliche Manifestationen in der Kernspintomografie und das klinische Schmerzsyndrom
[29]
[30].
-
Zusammengefasst zeigt die vorliegende Studie, dass das ätiologisch heterogene CMD-Syndrom
mit seinen als kausal erachteten MRT-Befunden wie Arthrose, Diskusdegeneration und
-verlagerung sowie Gelenkerguss hochsignifikant verbunden ist mit Zeichen einer Synovialitis.
-
Das klinische Beschwerdebild dürfte damit ganz wesentlich beeinflusst sein von entzündlichen
Prozessen, auch wenn primär zunächst eine mechanische Erklärung naheliegt.
-
Dies sollte Auswirkungen haben auf die klinische Bewertung und auch auf die Therapie
des stark zur Chronifizierung neigenden CMD-Syndroms.