Schlüsselwörter
Intermittierenden Kompression - Entstauungsstiefel - Volumenmessungen
Einleitung
Geräte zur apparativen intermittierenden Kompression gibt es schon seit über 100
Jahren, beschrieben 1835 von Murray und Clancy, sowie 1849 von Dr. Julius Vogel
[1]. Im letzten Jahrhundert wurden sie
technisch deutlich verbessert. Ihre Indikationen liegen nicht nur in der
Ödemreduktion bei Lymphödem, Lipödem, Varikose sowie Ödemen anderer Ursachen [2], sondern auch in der Verbesserung der arteriellen
Durchblutung bei Patienten mit arterieller Durchblutungsstörung [3], [4] und
Ödemreduktion sowie Thromboseprophylaxe nach orthopädisch-unfallchirurgischen
Eingriffen [5]. Um jedes Bein wird eine
stiefelförmige Manschette gelegt, die sich intermittierend und nach vorgegebenen
Werten von distal nach proximal mit Luft befüllt und wieder entleert, um die
Flüssigkeit aus dem Bein zu streichen (S. [
Abb.
1
]). Es gibt so genannte „Einkammer-Systeme“ und zwei unterschiedliche
Systeme mit mehreren Kammern: Das eine verfügt über mehrere Generatoren, die die
Kammern nacheinander befüllen, das andere über sequentielle angeordnete Kammern,
über welche sich der Druck je nach Indikation vom Fuß über die Wade in den
Oberschenkelbereich hinein nacheinander anfüllen, um das Ausstreichen bei der
Lymphmassage zu imitieren. Bei phlebologisch-lymphologischen Indikationen sind
hierzulande bisher nur Geräte mit Manschetten für Fuß-Wade-Schenkel im Einsatz
(manchmal auch mit Hüft- und Bauch-Teil). Dabei führen Mehrkammer-Systeme beim
Lymphödem schneller zum Erfolg, bei langfristigem Einsatz zeigt sich dann jedoch
kein Unterschied zwischen Mehr- oder Einkammersystemen [6]. Die angewendeten Drucke liegen zwischen 6–124 mmHg je nach Gerät
[7], wobei für den phlebologischen Einsatz ein
optimaler Druck bei 30–40 mmHg ermittelt wurde [8].
Dieser Druck wird auch bei Lymphödemen angesetzt, hier sollen maximal 60 mmHg zum
Einsatz kommen, wobei hierzu keine Studien für den optimalen Druckwert vorliegen
[2] – allerdings scheinen Drucke bis zu 120
mmHg in einigen Studien überlegen zu sein [9]. Zur
Dauer der Anwendung gibt es verschiedene Studien, die meistens die Akut-Phase der
Entstauung betreffen und sehr variable Anwendungen von bis zu 4 und 6 Stunden pro
Tag empfehlen, bzw. auch Anwendungen morgens und abends, mit verschiedenen Phasen
der Kompression und Entlastung. Sie variieren zwischen 10 bis 60 Sekunden
Kompression und Pausen von 60 bis 90 Sekunden, somit ist eine Aussage zur optimalen
Anwendungsweise nach Studiendaten nicht möglich [2].
Abb. 1 Fotos der für die Studie verwendeten Manschetten. a
Schenkellange 6-Kammer-Manschette (Lymphamat Gradient 300 der Firma Bösl);
b Wadenlange Manschette der Firma Globalmind, Venenwalker Basic
(Quelle: Globalmind consumer electronics GmbH).
Bei Einsatz im Zusammenhang mit der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
(p-AVK) und orthopädisch postoperativen Ödemen können Fußmanschetten oder
Fuß-Wadenstiefel eingesetzt werden [2], [3], [4], [5].
Klassische Indikationen für die apparative intermittierende Entstauung innerhalb der
Phlebologie sind:
-
Lipödem: unbekannte Ursache, möglicherweise familiär mit Dysproportion
zwischen Rumpf und Beinen (10).
-
Lymphödem: Ödem durch Verzögerung des Lymphabflusses, typischerweise so
genannten „Kastenzehen“ (Stemmerzeichen), das Ödem hat eine eher teigige
Konsistenz.
-
Phlebödem: Durch Krampfadern bedingte Schwellung des Beines
-
Adipositas-bedingtes Ödem (AbÖ): Lymphödem durch Verzögerung des Abflusses in
der Leiste und Retroperitonäum [11], [12], [13].
-
Weitere Ursachen für Ödeme: Viele Medikamente und Krankheiten können Ödeme
verursachen, jedoch auch das lange unbewegte Stehen oder Sitzen, sowie eine
eingeschränkte Beweglichkeit der Muskulatur [9].
Die Therapie aller Ödeme ist, soweit möglich, die Ausschaltung der Ursache, sowie die
Kompression (als Bandagierung) und später als Kompressionsstrümpfe, kombiniert mit
manueller Lymphdrainage oder apparativer Entstauung, je nach Ausprägungsgrad. Nach
der ersten Entstauungsphase mit Bandagierung und häufigen Lymphmassagen (komplexe
physikalische Entstauung) wird eine langanhaltende Therapiephase zum Erhalt des
Ergebnisses eingeleitet mit Kompressionsstrümpfen und je nach Bedarf Lymphdrainage
oder Entstauung, wenn die Ursache für das Ödem nicht therapierbar ist.
Klassischerweise wurde bei Kompressionsstrümpfen immer die schenkellange Variante
gewählt, um Varizen, Thrombosen und auch Ödeme zu therapieren, bis festgestellt
wurde, dass die knielangen Kompressionsstrümpfe zum Vorbeugen der Hautveränderungen
bei Patienten venöser Insuffizienz (z. B. Varikose, Z. n. Thrombose) ausreichend
wirksam sind [15].
Die apparative intermittierende Kompressionstherapie (AIK) bei Lymphödem wird
üblicherweise mit schenkellangen Manschetten mit bis zu 12 Kammern oder mit
Entstauungshosen durchgeführt. Die zunehmend auftretenden Wadenödeme bei Lipödem
oder adipositasbedingtem Ödem werden seit Jahren auch mit wadenlangen Geräten
behandelt, die frei käuflich sind. Ihre Effektivität bei unfallchirurgischen
Patienten wurde bereits belegt [4]. Ein direkter
Vergleich der Wirksamkeit beider Gerätetypen auf das chronische Ödem und die
Lebensqualität bzw. die Symptome ist bisher jedoch nicht erfolgt. Die wadenlangen
Manschetten sind in der Anwendung einfacher für den Patienten, platzsparend und in
der Anschaffung deutlich kostengünstiger.
Ziel der Studie
Vergleich der Wirkung von schenkellangen und wadenlangen Entstauungsstiefeln auf das
Wadenvolumen und das subjektive Wohlbefinden, bzw. die Symptomlinderung des
Patienten.
Methode
Es handelt sich um eine Forscher-initiierte, monozentrische, randomisierte Studie zum
Bestätigen oder Widerlegen der Hypothese: „Schenkellange und wadenlange
Entstauungsgeräte haben eine ähnliche Wirksamkeit auf das Wadenödem und seine
Symptome“. Die primäre Zielgröße ist der Vergleich der Umfangmaße bzw. des Volumens
der Waden nach Anwendung des schenkellangen oder wadenlangen Entstauungsgerätes
gemessen mit dem Bandmaß an Knöchel und Wade, sowie mit dem BT 600 (Firma
Bauerfeind). Die sekundäre Zielgrößen sind der Vergleich der mittels einer
Analogskala gemessenen Symptomänderung und der mittels eines Fragebogens erfasste
Bedienungskomfort der Geräte. Die Ethik-Kommission der Ärztekammer Niedersachsen sah
keinen Beratungsbedarf für die Durchführung der Studie. Die Patienten erhielten eine
mündliche Aufklärung, ein schriftliches Informationsblatt, sowie eine schriftliche
Einverständniserklärung.
Probanden
Die Probanden wurden aus den Patienten der Praxis rekrutiert, entweder durch direkte
Ansprache oder durch ein Anschreiben nach Sichtung der Unterlagen der Patientenakte.
Einschlusskriterien waren das Vorliegen eines symmetrischen Ödems folgender
Ursachen: Lymphödem Grad I-II, Lipödem Grad I-II, Phlebödem, Adipositas-bedingtes
Ödem analog Grad I-II des Lymphödems und weitere symmetrische Ödeme internistischer
Ursachen.
Ausschlusskriterien waren eine regelmäßige Therapie mit Lymphmassage, Alter unter 18
oder über 80, Schwangerschaft, schwere internistische Erkrankung, orthopädische
Probleme, die ein schnelles Aufstehen oder längeres Stehen erschweren, Teilnahme an
anderen Studien, Schwierigkeiten in der Verständigung auf Deutsch (Fragebögen) sowie
Nicht-Einwilligung .
Datenerfassung
Alle Untersuchungen erfolgten zwischen 14 und 18 Uhr. Die Patienten wurden gebeten,
am Untersuchungstag, und möglichst ein paar Tage davor, keine Kompressionsstrümpfe
zu tragen.
Am Untersuchungstag wurden folgende Schritte durchgeführt:
-
Diagnose und der Ultraschallbefund der Beinvenen (Reflux in der tiefen oder
oberflächlichen Beinvene, ggf. Hach-Stadium), sowie das Alter aus der
Patientenakte erfasst und das Gewicht sowie die Körpergröße erhoben.
-
Patientenfragebogen zur Ausprägung der Beschwerden durch die Schwellung,
Dauer der Schwellung, Tragen von Kompression und Art der Kompression.
-
Abfragen folgender Symptome der vergangenen Woche getrennt nach rechtem und
linken Bein: Druckgefühl, Spannungsgefühl, Schmerzgefühl, Krämpfe, Juckreiz,
Kribbeln, Ziehen, Brennen, Schweregefühl, Schwellung, Stechen, Hitzegefühl
oder Müdigkeit in den Beinen, bzw. weitere Symptome, die angegeben werden
konnten.
-
Scoring der Beschwerden insgesamt in der letzten Woche je Bein und für Wade
und Oberschenkel getrennt. Dafür wurde eine 5-stufige Likert Skala von
„Überhaupt keine“ bis „sehr stark“ verwendet.
-
Nun wurde der Proband gebeten, sich hinzulegen und die Beine auf einem 50 cm
hohen Schaumstoffkissen für 2 Minuten hoch zu lagern.
-
Stellen auf den Bodytronic 600 (Firma Bauerfeind) zum elektronischen
Vermessen der Beine. Dort sollte er circa 7 Minuten unbewegt stehen.
-
Sofort nach dem Hinstellen und erneut nach 5–6 Minuten wurden elektronisch
die Volumen der Unter- und der Oberschenkel gemessen.
-
Während der je eine Minute dauernden ersten und zweiten Messung wurden die
Patienten zu ihren Beinschmerzen, getrennt nach rechts und links sowie
Oberschenkel und Wade, mit einer numerischen Analogskala (NRS) von 0 bis 10
gefragt („NRS Stehen vorher“ 1 und 2, daraus wurde der Mittelwert „Stehen
vorher MW“ gebildet).
-
Nach der ersten elektronischen Messung erfolgte eine händische Messung des
Knöchel- und des oberen Wadenumfangs (B-Maß, D-Maß).
-
Randomisierung in die Gruppe „rechts lang“ oder „links lang“, mit der
festgelegt wurde, an welchem Bein die schenkellange bzw. die wadenlange
Manschette angelegt wird.
-
Zum Anlegen der Entstauungsstiefel legte sich der Proband auf eine bequeme
Liege. An einem Bein wurde entsprechend der Randomisierung der lange
Stiefel, an dem anderen der kurze Stiefel angelegt.
-
Der Patient wurde mit einem Fragebogen nach dem Befinden im Liegen gefragt,
getrennt nach linkem und rechten Bein an Wade und Oberschenkel („NRS Liegen
vorher“). Er durfte während der 30 Minuten der Behandlung nicht aufstehen
und bei Bedarf ein Glas (200 ml) Wasser trinken, jedoch keine anderen
Getränke, insbesondere keine harntreibenden. Er durfte lesen, Musik hören
oder anderweitig entspannen. Hätte er während der 30 Minuten aufstehen
müssen, wäre die Studie für diesen Tag abgebrochen und bei Wunsch des
Patienten an einem anderen Tag erneut durchgeführt worden (dies ist nicht
eingetreten).
-
Kurz vor Ende der Entstauung wurde der Patient zum zweiten Mal nach dem
Befinden im Liegen gefragt (NRS Liegen während).
-
Nach Ende der Entstauungsphase wiederholte sich die Messreihe wie vor der
Entstauung (elektronisch, manuell, elektronisch, sowie Fragen zu Anfang und
Ende des 5-minütigen Stehens: „NRS Stehen vorher“ 1 und 2, daraus der
Mittelwert „Stehen vorher MW“).
-
Abschließende Fragen, ob einer der beiden Stiefel wirksamer erschien und ob
sie einen der beiden Stiefel empfehlen würden.
Geräte
Bei dem langen Stiefel handelt es sich um ein 6-Kammer System „Lymphamat Gradient
300“ der Firma Bösl ([
Abb. 1b
]),
eingestellt auf einen Druck von 40 mmHg. Bei dem kurzen Stiefel handelt es sich den
Venenwalker basic ([
Abb. 1a
]), ein
Zweikammersystem (Fußsohlenkammer und Wadenkammer) der Firma Global-Mind, geeicht
auf 40 mmHg.
Statistik
Es gab zur Berechnung einer Power-Analyse keine Vergleichsdaten. Aufgrund der Wirkung
von Kompressionsstrümpfen auf Beinvolumina konnte geschätzt werden, dass eine
Auswertung nach 40–60 Probanden möglich sein würde, daher wurden 40–60 Probanden
geplant, mit der Option, die Untersuchung nach 40 Probanden abzuschließen
Die Studie wurde als zweifach gepaarte Vergleichsstudie durchgeführt, indem die Werte
vor der Behandlung mit denjenigen nach der Behandlung und die Werte des Beines mit
dem kurzen Stiefel mit denjenigen des langen Stiefels verglichen wurden. Dazu wurde
die Wirkung der Behandlung als Differenz zwischen den Messungen vor und nach der
Entstauung operationalisiert. Die Resultate werden als Mittelwerte und
Standardabweichung dargestellt. Für die NRS-Skalen und die Umfänge und Volumen
wurden T-Tests für gepaarte Stichproben mit zweiseitigen Signifikanztests wurden
durchgeführt, für die übrigen Einschätzungen Wilcoxon-Rangtests: p < 0,05 wurde
als statistisch signifikant gewertet. Die Auswertung erfolgte mit SPSSTM
for Windows 24 (Armonk, NY: IBM Corp, USA).
Ergebnisse
Es nahmen 41 Probanden an der Studie teil, davon 4 Männer und 37 Frauen. Das mittlere
Alter lag bei 47,1 Jahren der mittlere BMI bei 30,1 kg/m2 ([
Tab. 1
]). Im Mittel hatten die Patienten
seit 12,1 Jahren geschwollene Beine (± 12,5, Min 1, Max 56, Median 8 Jahre). 95 %
der Patienten trugen regelmäßig Kompressionsstrümpfe, davon 56 % wadenlange. 21
Beine wurden in die Gruppe „Links lang“ randomisiert, 20 Beine in die Gruppe „Rechts
lang“. 4 Probanden hatten am Tag der Untersuchung bereits an beiden Beinen
Kompressionsstrümpfe getragen.
Tab. 1
Demographische Daten der 41 Studien-Patienten.
|
Mittel
|
Median
|
Standard-Abweichung
|
Minimum
|
Maximum
|
Alter (Jahre)
|
47,10
|
48
|
12,64
|
21
|
75
|
Größe (cm)
|
167,63
|
167
|
5,28
|
160
|
187
|
Gewicht (kg)
|
84,53
|
83
|
15,49
|
52
|
120
|
BMI (kg/cm2)
|
30,12
|
30,85
|
5,42
|
17,4
|
40,7
|
Die Aufteilung der Ödem-Typen ist in [Tabelle 2]
wiedergegeben.
Tab. 2
Verteilung der Ödem-Typen bei der Studienpopulation.
Ödem-Typ
|
Häufigkeit
|
Prozent
|
Lipödem
|
26
|
63,4
|
Lymphödem
|
5
|
12,2
|
Phlebödem
|
1
|
2,4
|
Lip- & Lymphödem
|
2
|
4,9
|
Lip- & Phlebödem
|
2
|
4,9
|
Lymph- & Phlebödem
|
3
|
7,3
|
Medikamentös oder internistisch
|
2
|
4,9
|
Gesamt
|
41
|
100,0
|
Ein Phlebödem lag bei 5 Beinen mit langem Stiefel und 4 Beinen mit kurzem Stiefel
vor, alle zeigten ein C (CEAP) von C3, bis auf ein Bein in der Gruppe „Lang“ mit
C4a. In beiden Gruppen waren 2 Beine voroperiert (Z. n. Stripping der V. saphena
magna), ein Bein in der Gruppe „Lang“ hatte einen Reflux in der tiefen Beinvene.
Die Beschwerden in der letzten Woche vor der Behandlung sind in [
Tab. 3
] dargestellt. Das Symptom mit der
stärksten Ausprägung war das Schweregefühl, gefolgt von Schwellung und Müdigkeit der
Beine. Die Einstufung der Beschwerden insgesamt lag bei circa 2,5 Punkten für die
Waden und 1,9 für die Oberschenkel. Die Beine in beiden Gruppen unterschieden sich
nicht in Bezug auf die Beschwerden. Die Entwicklung der Beschwerden vor, während und
nach der Untersuchung ist in [
Tab. 4
],
sowie [
Abb. 2
]–[
Abb. 4
] dargestellt.
Tab. 3
Beschwerden in der letzten Woche vor Behandlung in einer visuellen Analog
Skala von 0 bis 10, sowie Vergleich der Beschwerden zwischen der Gruppe
„Lang“ und „kurz“ (p-Wert in der rechten Säule) (MW = Mittelwert, SD =
Standard-Abweichung, p = Signifikanz).
Stiefeltyp
|
lang
|
kurz
|
|
Beschwerden
|
MW ± SD
|
MW ± SD
|
p
|
Schweregefühl
|
3,08 ± 0,97
|
2,98 ± 1,00
|
0,378
|
Schwellung
|
2,88 ± 1,01
|
2,83 ± 0,92
|
0,570
|
Müdigkeit
|
2,70 ± 1,22
|
2,68 ± 1,27
|
0,661
|
Spannungsgefühl
|
2,48 ± 0,82
|
2,48 ± 0,88
|
1,000
|
Druckgefühl
|
2,33 ± 1,07
|
2,25 ± 1,06
|
0,446
|
Schmerzgefühl
|
2,18 ± 1,04
|
2,20 ± 1,22
|
0,785
|
Hitzegefühl
|
1,81 ± 1,24
|
1,84 ± 1,34
|
0,711
|
Kribbeln
|
1,80 ± 0,94
|
1,75 ± 0,93
|
0,623
|
Brennen
|
1,69 ± 1,06
|
1,67 ± 1,08
|
0,767
|
Ziehen
|
1,56 ± 0,91
|
1,62 ± 0,94
|
0,421
|
Krämpfe
|
1,54 ± 0,72
|
1,51 ± 0,68
|
0,767
|
Juckreiz
|
1,45 ± 0,65
|
1,58 ± 0,89
|
0,058
|
Stechen
|
1,38 ± 0,91
|
1,41 ± 0,91
|
0,711
|
Beschwerden Wade
|
2,65 ± 1,19
|
2,53 ± 1,15
|
0,133
|
Beschwerden OS
|
1,90 ± 0,96
|
1,90 ± 0,84
|
1,000
|
Tab. 4
Entwicklung der Beschwerden auf der visuellen Analog Scala (NRS 0–10).
Erfasst werden die Daten im Liegen vor und während der Behandlung, sowie die
Werte im Stehen vor und nach der Behandlung mit Mittelwert und
Standardabweichung je Bein, unterteilt in Säulen nach Beinen mit langem
Stiefel und kurzen Stiefel. In der 3. Säule wird der Unterschied zwischen
beiden Beinen, bzw. dem kurzen und dem langen System erfasst und in der 4.
Säule die Signifikanz dieser Veränderung. Es wird das Ergebnis des kurzen
Stiefels vom langen Stiefel abgezogen, somit zeigen positive Werte bei der
Abweichung der Mittelwerte bessere Ergebnisse zugunsten des kurzen Stiefels,
negative Werte zeigen bessere Ergebnisse zugunsten langem Stiefel. In den
Zeilen wird der absolute Wert je Bein angegeben, 1. Zeile vor der
Behandlung, zweite Zeile während oder nach der Behandlung, sowie in der 3.
Zeile die mittlere Differenz des Wertes im selben Bein für die Untersuchung
im Liegen vor und während der Behandlung sowie im Stehen vor und nach der
Behandlung. Gezeigt werden beide Messungen (Vorher/während bzw.
vorher/Nachher) mit Mittelwert (MW) und Standardabweichung (SD)). In der
jeweils 3. Zeile wird die Differenz vor und während, bzw. nach der
Behandlung je Bein ausgerechnet. In allen Fällen gab es eine Verringerung
der Werte, sodass das Ergebnis mit einem „minus“ Zeichen gekennzeichnet
sind. Die 4. Zeile zeigt die Signifikanz der Differenz. * Signifikante
Ergebnisse.
|
lang
|
kurz
|
lang – kurz
|
|
MW ± SD
|
MW ± SD
|
MW Diff. ± SD
|
p
|
Wade
|
NRS Liegen vorher
|
1,99 ± 2,3
|
1,72 ± 2,08
|
0,27 ± 1,29
|
0,192
|
NRS Liegen während
|
1,12 ± 2,05
|
0,57 ± 1,25
|
0,55 ± 1,31
|
0,011*
|
Mittlere Diff. vorher während
|
–0,87 ± 2,36
|
–1,15 ± 1,87
|
0,28 ± 1,91
|
0,352
|
p vorher/während
|
0,024*
|
< 0,001*
|
|
|
NRS Stehen vorher 1
|
2,68 ± 2,58
|
2,28 ± 2,26
|
0,40 ± 1,29
|
0,057
|
NRS Stehen nachher 1
|
1,44 ± 1,82
|
1,05 ± 1,6
|
0,39 ± 1,27
|
0,062
|
Mittlere Diff. vorher nachher
|
–1,31 ± 1,67
|
–1,27 ± 1,67
|
–0,04 ± 1,05
|
0,821
|
p vorher/nachher
|
< 0,001*
|
< 0,001*
|
|
|
NRS Stehen vorher 2
|
3,00 ± 2,56
|
2,83 ± 2,26
|
0,17 ± 1,43
|
0,448
|
NRS Stehen nachher 2
|
1,58 ± 2,08
|
1,42 ± 1,84
|
0,15 ± 1,23
|
0,438
|
Mittlere Diff. vorher nachher
|
–1,21 ± 2,04
|
–1,24 ± 1,96
|
0,04 ± 1,08
|
0,825
|
p vorher/nachher
|
0,001*
|
< 0,001*
|
|
|
NRS Stehen vorher MW
|
2,86 ± 2,49
|
2,59 ± 2,19
|
0,27 ± 1,27
|
0,173
|
NRS Stehen nachher MW
|
1,53 ± 1,79
|
1,25 ± 1,50
|
0,28 ± 1,17
|
0,132
|
Mittlere Diff. vorher nachher
|
–1,33 ± 1,79
|
–1,34 ± 1,75
|
0,01 ± 0,92
|
0,966
|
p vorher/nachher
|
< 0,001*
|
< 0,001*
|
|
|
Oberschenkel
|
NRS Liegen vorher
|
1,05 ± 1,78
|
0,89 ± 1,45
|
0,16 ± 1,24
|
0,426
|
NRS Liegen während
|
0,61 ± 1,14
|
0,29 ± 0,78
|
0,32 ± 0,85
|
0,022*
|
Mittlere Diff. vorher während
|
–0,44 ± 1,66
|
–0,60 ± 1,2
|
0,16 ± 1,44
|
0,478
|
p vorher/während
|
0,100
|
0,003*
|
|
|
NRS Stehen vorher 1
|
1,84 ± 2,65
|
1,46 ± 2,12
|
0,38 ± 1,27
|
0,070
|
NRS Stehen nachher 1
|
0,85 ± 1,27
|
0,75 ± 1,24
|
0,10 ± 1,17
|
0,593
|
Mittlere Diff. vorher nachher
|
–1,01 ± 2,04
|
–0,73 ± 1,82
|
–0,28 ± 1,41
|
0,220
|
P vorher/nachher
|
0,004*
|
0,016*
|
|
|
NRS Stehen vorher 2
|
1,89 ± 2,63
|
1,52 ± 2,14
|
0,37 ± 1,24
|
0,066
|
NRS Stehen nachher 2
|
1,04 ± 1,68
|
0,82 ± 1,43
|
0,22 ± 1,52
|
0,375
|
Mittlere Diff. vorher nachher
|
–0,69 ± 1,9
|
–0,60 ± 1,77
|
–0,09 ± 1,81
|
0,759
|
p vorher/nachher
|
0,028*
|
0,040*
|
|
|
NRS Stehen vorher MW
|
1,84 ± 2,61
|
1,48 ± 2,10
|
0,37 ± 1,22
|
0,063
|
NRS Stehen nachher MW
|
0,93 ± 1,35
|
0,76 ± 1,26
|
0,18 ± 1,23
|
0,362
|
Mittlere Diff. vorher nachher
|
–0,91 ± 2,03
|
–0,72 ± 1,83
|
–0,19 ± 1,47
|
0,416
|
p vorher/nachher
|
0,007*
|
0,016*
|
|
|
Abb. 2 Beschwerden im Liegen vor der Behandlung und während der
Behandlung (Vgl. [
Tab. 4
]) Alle
Veränderungen sind im Vergleich vorher zu nachher signifikant, die Gruppen
unterscheiden sich nicht voneinander. NRS = Werte der visuellen Analog-Scala
von 0 bis 10 für Numeric Rating Scale. Wade Lang: Gruppe mit langem Stiefel,
gemessen an der Wade, Wade kurz: Gruppe mit kurzem Stiefel, gemessen an der
Wade. OS Lang: Gruppe mit dem langen Stiefel, gemessen am Oberschenkel, OS
Kurz: Gruppe mit dem kurzen Stiefel, gemessen am Oberschenkel.
Abb. 3 Entwicklung der Beschwerden im Stehen unmittelbar nach dem
Hinstellen (vorher 1 und nachher 1) und nach 5 Minuten unbewegtem Stehen
(vorher 2 und nachher 2) vor und nach der Behandlung (vgl. [
Tab. 4
]). Alle Veränderungen sind im
Vergleich vorher zu nachher signifikant, die Gruppen unterscheiden sich
nicht voneinander. NRS = Werte der visuellen Analog-Scala von 0 bis 10. Wade
Lang: Gruppe mit langem Stiefel, gemessen an der Wade, Wade kurz: Gruppe mit
kurzem Stiefel, gemessen an der Wade. OS Lang: Gruppe mit dem langen
Stiefel, gemessen am Oberschenkel, OS Kurz: Gruppe mit dem kurzen Stiefel,
gemessen am Oberschenkel.
Abb. 4 Beschwerden im Stehen (MW der beiden Messungen) vor und nach
der Behandlung (Vgl. [
Tab. 4
]).
Alle Veränderungen sind im Vergleich vorher zu nachher signifikant, die
Gruppen unterscheiden sich nicht voneinander. NRS = Werte der visuellen
Analog-Scala von 0 bis 10. Wade Lang: Gruppe mit langem Stiefel, gemessen an
der Wade, Wade kurz: Gruppe mit kurzem Stiefel, gemessen an der Wade. OS
Lang: Gruppe mit dem langen Stiefel, gemessen am Oberschenkel, OS Kurz:
Gruppe mit dem kurzen Stiefel, gemessen am Oberschenkel.
Die Beschwerden im Liegen ([
Abb. 2
], [
Tab. 4
]) an der Wade verringerten sich
zwischen vorher und während signifikant für beide Stiefel, die Beschwerden am
Oberschenkel verringerten sich nur für den langen Stiefel signifikant. Während der
Behandlung waren die Beschwerden mit dem kurzen Stiefel sowohl an der Wade als auch
am Oberschenkel signifikant niedriger als mit dem langen (p < 0,05). Insgesamt
unterschied sich die mittlere Differenz, also die Wirksamkeit der Behandlung der
beiden Stiefel jedoch nicht signifikant.
Die Beschwerden im Stehen ([
Abb. 3
] und
[
Abb. 4
], [
Tab. 4
]) verbesserten sich nach der Behandlung signifikant im
Vergleich zu den Messungen vor der Behandlung, bei Messung 1 (sofort nach dem
Hinstellen), 2 (nach 5 Minuten) und dem MW, sowohl an der Wade (p = 0,001 oder <
0,001) als auch in geringerem Ausmaß am Oberschenkel (p zwischen 0,004 und 0,04).
Die beiden Systeme unterschieden sich nicht signifikant voneinander, weder am
Unterschenkel noch am Oberschenkel.
Die Umfangmaße vor und nach der Behandlung sind in [
Tab. 5
] und [
Abb. 5
]
dargestellt. Mit Ausnahme des Umfangs des Knöchels unter dem langen Stiefel waren
alle gemessenen Veränderungen in der erwarteten Richtung signifikant. Die
Unterschiede der Ergebnisse zwischen den beiden Stiefel-Modellen waren nicht
signifikant.
Tab. 5
Entwicklung des Umfangs an Wade und Knöchel (cm) vor und nach der
Behandlung. Erklärung zu den Feldern siehe [
Tab. 4
]. * Signifikante Ergebnisse.
|
lang
|
kurz
|
lang – kurz
|
|
MW ± SD
|
MW ± SD
|
MW Diff, ± SD
|
p
|
Umfang Wade vorher
|
41,71 ± 4,10
|
41,64 ± 4,12
|
0,07 ± 0,91
|
0,608
|
Umfang Wade nachher
|
41,13 ± 4,17
|
41,26 ± 4,20
|
–0,13 ± 1,19
|
0,482
|
Mittlere Diff, ± SD
|
–0,58 ± 0,86
|
–0,38 ± 0,97
|
–0,20 ± 0,99
|
0,192
|
p vorher/nachher
|
< 0,001*
|
0,017*
|
|
|
Umfang Knöchel vorher
|
24,71 ± 1,99
|
24,75 ± 2,07
|
–0,04 ± 0,65
|
0,722
|
Umfang Knöchel nachher
|
24,62 ± 1,87
|
24,58 ± 2,00
|
0,04 ± 0,48
|
0,586
|
Mittlere Diff, ± SD
|
–0,10 ± 0,38
|
–0,17 ± 0,38
|
0,08 ± 0,53
|
0,349
|
p vorher/nachher
|
0,121
|
0,006*
|
|
|
Abb. 5. Veränderung des Umfangs an der Wade (a) und am Knöchel
(b) vor und nach der Behandlung (Vgl. [
Tab. 4
]). Mit Ausnahme des
Knöchelmaßes an den Beinen mit langem Stiefel sind alle Änderungen vorher zu
nachher signifikant, es liegen zwischen den Gruppen „Kurz“ oder „Lang“ keine
Unterschiede vor. Wade Lang: Gruppe mit langem Stiefel, gemessen an der
Wade, Wade kurz: Gruppe mit kurzem Stiefel, gemessen an der Wade. Knöchel
Lang: Gruppe mit dem langen Stiefel, gemessen am Knöchel, Knöchel Kurz:
Gruppe mit dem kurzen Stiefel, gemessen am Knöchel.
Die Wadenvolumina ([
Tab. 6
], [
Abb. 6
]) nahmen im Stehen zu und wurden
durch die Entstauung verringert. Der Mittelwert der beiden Messungen verringerte
sich bei beiden Stiefeln signifikant nach der Behandlung. Es zeigte sich eine
Tendenz, dass die Auffüllung des Wadenvolumens nach der Entstauung langsamer
geschieht. Die Oberschenkelvolumina nahmen beim ersten Stehen für beide Gruppen zu,
nach der Entstauung mit dem langen Gerät nahm das Volumen am langen Stiefel
signifikant ab, am kurzen blieb es praktisch konstant, der Unterschied war nicht
signifikant. Beide Oberschenkelvolumen nahmen nach der Behandlung im Lauf der 5
Minuten unbewegten Stehens ab ([
Abb.
6
]).
Tab. 6
Entwicklung des Volumens (ml) am Unterschenkel und am Oberschenkel
(Mittelwert der beiden Messungen) vor und nach der Behandlung. Erklärungen
s. [
Tab. 4
]. * Signifikante
Ergebnisse.
|
lang
|
kurz
|
lang – kurz
|
Variable
|
MW ± SD
|
MW ± SD
|
MW Diff. ± SD
|
p
|
Vol US vorher
|
3394 ± 625
|
3383 ± 627
|
11 ± 103
|
0,514
|
Vol US nachher
|
3378 ± 620
|
3368 ± 618
|
10 ± 113
|
0,592
|
Mittlere Diff. ± SD
|
–16 ± 50
|
–15 ± 46
|
–1 ± 45
|
0,877
|
p vorher/nachher
|
0,047*
|
0,049*
|
|
|
Vol OS vorher
|
4932 ± 967
|
4882 ± 982
|
51 ± 248
|
0,197
|
Vol OS nachher
|
4904 ± 945
|
4883 ± 976
|
21 ± 230
|
0,562
|
Mittlere Diff. ± SD
|
–28 ± 89
|
2 ± 155
|
–30 ± 143
|
0,189
|
p vorher/nachher
|
0,048*
|
0,948
|
|
|
Abb. 6 Veränderung des Waden- und des Oberschenkelvolumens, gemessen
mit dem BT 600, jeweils zweimalig vor und nach der Behandlung sowie
Mittelwert der beiden Messungen (gepunktete Linie) (vgl. [
Tab. 6
]). Signifikante
Volumenreduktion an der Wade beidseits, am Oberschenkel nur in der Gruppe
„Lang“. Wade Lang: Gruppe mit langem Stiefel, gemessen an der Wade, Wade
kurz: Gruppe mit kurzem Stiefel, gemessen an der Wade. OS Lang: Gruppe mit
dem langen Stiefel, gemessen am Oberschenkel, OS Kurz: Gruppe mit dem kurzen
Stiefel, gemessen am Oberschenkel.
Zur Beurteilung, ob ein Unterschied zwischen den beiden Geräten vorliegt
(Unterlegenheit/Nicht-Unterlegenheit) wurden die Differenzen der Mittelwerte in
Bezug auf Beschwerdeskala, Umfang und Volumen errechnet. [
Abb. 7
] zeigt graphisch die Mittelwerte und
die 95 %-Vertrauensintervalle der Differenzen. Alle Unterschiede sind weit weg von
einer Signifikanz, das heißt, das 95 %-Intervall liegt nie gesamthaft auf einer
Seite der Null-Linie.
Abb. 7 Mittelwert und 95 % Vertrauensintervall der Unterschiede vor
und nach der Behandlung (Stehen) bzw. vor und während der Behandlung
(Liegen) zwischen dem langen und dem kurzen Stiefel. NRS = Werte der
visuellen Analog-Scala von 0 bis 10. OS = Oberschenkel, US = Unterschenkel,
MW = Mittelwert, Vol = Volumen.
In der persönlichen Einschätzung nach Abschluss der Behandlung gaben die Probanden
an, dass sie den langen Stiefel als signifikant effektiver empfanden als den kurzen
(p < 0,001), den kurzen jedoch eher als angenehmer (p = 0,225). In Bezug auf die
Wade fiel diese Unterscheidung nicht signifikant aus mit folgenden Aussagen: Für 17
Teilnehmer war der lange Stiefel an der Wade effektiver, für 8 der kurze. Als
gleichwertig in Bezug auf die Wirkung an der Wade entschieden sich 15 Teilnehmer, 1
empfand keinen als effektiv. Eine Patientin, welche in die Auswertung nicht
einbezogen wurde, brach die Studie wegen Schmerzen unter dem langen Stiefel ab.
Die Frage nach der Weiterempfehlung, ebenfalls am Ende des zweiten Steh-Versuchs
gestellt, ergab 14 positive Empfehlungen für den schenkellangen Stiefel, 15
Empfehlungen für den wadenlangen, 10 für beide gleich und 1 für keinen ohne
Signifikanz zugunsten des einen oder anderen Modells.
Diskussion
Homogenität der Gruppen
Die Diagnosen und Symptome an den Beinen die Woche vor der Behandlung der beiden
Gruppen („lang“ und „kurz“) unterschieden sich nicht ([
Tab. 3
] und [
Tab. 4
]). Da wir einen Vergleich zwischen zwei Beinen bei
derselben Person vorgenommen haben, liegen natürlich in Bezug auf Alter und
Geschlecht keine Unterschiede vor, mit 20 zu 21 Probanden „lang rechts“ vs.
„lang links“ ist die Randomisierung ebenfalls homogen verlaufen.
Größe der Stichprobe
Die Auswertung nach Aufnahme von 41 Probanden ergab ausreichend hohe
Signifikanzen, sodass die Größe als ausreichend gewertet werden konnte für die
Beantwortung der vorhandenen Fragestellung.
Wertigkeit der gemessenen Parameter
Die Erhebung der Beschwerdezunahme und der Wadenvolumina im Stehen basiert auf
dem Stehversuch mit dem BT 600 mit gesunden Probanden von Blättler et al. [16]. Dort lag die mittlere Zunahme des
Wadenvolumens nach 10 Minuten Stehen bei 44 ml, der Kompressionsstrumpf Klasse
II verringerte diese Zunahme um die Hälfte (22 ml). Die Beschwerdezunahme im
Stehen ohne Kompression lag bei 2,9 Punkten im Mittelwert, die Zunahme mit
Kompression bei 2,3 Punkten.
Die Beschwerdezunahme in dieser Studie wurde gemessen zwischen Anfang und Ende
des Stehens (nur 5 Minuten statt 10 wie bei Blättler) sowohl vor, als auch nach
der Behandlung. Außerdem wurde der Mittelwert beider Messungen (Anfang und Ende
des Stehversuchs vor, sowie Anfang und Ende des Stehversuchs nach der
Behandlung) verglichen ([
Tab. 4
]).
Der Mittelwert der Wadenbeschwerden verringerte sich um 1,33 (Lang) respektive
1,34 Punkte (kurz) durch die Behandlung, beides p < 0,001 und beides ohne
Unterschied zwischen den verschiedenen Stiefeln. Betrachtet man die
Beschwerdezunahme in den ersten Minuten nach dem Hinstellen (s. [
Abb. 6
]), nimmt diese vor der Behandlung
mit 0,32 (Wade lang) und 0,55 (Wade kurz) nicht signifikant zu, wie bei dem
Stehversuch von Blättler, jedoch zeigen dort die Graphiken, dass die
Beschwerdezunahme relativ linear ist und daher in dieser Studie eine geringere
Wirkung zu erwarten ist, da statt 10 nur 5 Minuten erhoben wurden. Interessant
scheint, dass das Beschwerdebild zwischen vor und nach der Behandlung deutlich
abnimmt, dass also beide Geräte eine Verringerung der Wadenbeschwerden
unmittelbar nach Hinstellen um 1.31 (lang) und 1,27 (kurz) Punkte hervorrufen,
sowie ebenso nach 5 Minuten Stehens (je 1,21 und 1,24 Punkte), beides hoch
signifikant. Auch zeigt sich nach der Behandlung eine langsamere Beschwerde-
sowie Volumenzunahme in der Wade ([
Abb.
3
] und [
Abb. 6
]). Die
vorliegenden Studienergebnisse korrelieren mit den Ergebnissen aus der
Blättler-Studie[16], somit kann angenommen
werden, dass sie zunächst kohärent zu den Erwartungen sind und kein Systemfehler
vorliegt.
Tragweite der Fragestellung
Mit einer einmaligen Behandlung kann die Nachhaltigkeit der Wirkung auf das
Alltagsleben nicht festgestellt werden. Dies war aber auch nicht Sinn dieser
Studie. Ähnlich aber wie bei anderen therapeutischen Eingriffen in der Medizin
im Allgemeinen (z. B. Tabletten verabreichen), als auch in der Therapie des
Ödems im Konkreten (Bandagieren, Kompressionsstrumpf tragen, Lymphmassage) kann
gesagt werden, dass die Wirkung dieser Maßnahmen nur so lange vorhält, wie das
Medikament wirkt oder die Anwendung vorhält, bzw. möglicherweise Stunden oder
Tage danach (bei Kompression und Lymphmassage).
Daher wurde hier zunächst die Effektivität des Wadenstiefels im Vergleich zum
schenkellangen Stiefel als einmaliger Eingriff erfasst. Es ist jedoch davon
auszugehen, dass die Wirksamkeit an wiederholten Tagen ebenso stark ist, wie das
Tragen von Kompressionsstrümpfen oder Wiederholen von schenkellangen
Entstauungsanwendungen über mehrere Tage.
Die Zielgruppe hatte ein nicht ausgeprägtes Ödem, da es ethisch bedenklich
gewesen wäre, Patienten mit schwerem Ödem das Tragen von Kompression für einen
Tag vorzuenthalten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass analog zur Wirkung des
Kniestrumpfs bei schweren Ödemen auch die Waden-Entstauung eine Wirksamkeit bei
schwereren Ödemen haben wird. Diese Hypothese müsste allerdings in einer
separaten Studie noch geprüft werden.
Kurioses Ergebnis
Überraschend, wenngleich auch nachvollziehbar, ist die Entwicklung der Volumina
in den Oberschenkeln (s. [
Abb. 6
]).
Beim ersten Stehversuch nehmen sie erwartungsgemäß zu. Nach Entstauung mit der
schenkellangen Manschette nehmen sie ab, mit der wadenlangen Manschette zu –
verständlich, das Volumen aus der Wade wurde nur in das nächste Kompartiment
verlagert, nämlich bei dem schenkellangen Gerät aus dem Oberschenkel in das
Becken und somit verringert, und bei dem wadenlangen Gerät aus der Wade in den
Oberschenkel, wodurch das Volumen im Oberschenkel erhöht wurde.
Spannend ist die 4. Messung – nach dem Stehen nach der Behandlung und unabhängig
von der Art der Manschette, fällt das Oberschenkelvolumen ab. Eine mögliche
Erklärung wäre denkbar: Der Oberschenkel füllt sich sowohl venös als auch
lymphatisch aus der Wade. Nach Entstauung der Wade wäre dieses nachfließende
Volumen reduziert. Entleert sich der Oberschenkel normal weiter nach proximal
(venös und lymphatisch), ohne einen Nachschub aus der Wade, wird das
Oberschenkelvolumen zunächst abnehmen. Dies Phänomen tritt für beide Gruppen in
ähnlicher Weise auf (die Linien in [
Abb.
6
] Volumen OS zwischen „Nachher 1“ und „Nachher 2“ verlaufen
parallel für beide Geräte).
Überraschend ist, dass dieses Volumen in beiden Fällen auf einen niedrigeren Wert
als dem Ausgangswert fällt. Somit kann für beide Geräte gesagt werden, dass auch
Volumen aus dem Oberschenkel aus dem Bein verlagert wurde.
Vergleicht man das mittlere Volumen des gesamten Beins zu Anfang der Untersuchung
(„Vorher 1“: lang 8.284 ml, kurz 8.240 ml) mit dem am Ende (nach dem Stehen nach
der Behandlung, „Nachher 2“: lang 8.266 ml, kurz 8.236 ml), sieht man, dass
beide diskret niedriger sind, beim langen Stiefel um 18 ml, beim kurzen um nur 4
ml – die Unterschiede sind nicht signifikant und sehr klein im Vergleich zur
Streuung zwischen beiden Geräten. Somit kann wohl auch für den wadenlangen
Stiefel eine Wirkung auf das gesamte Bein erzielt werden, das über das Verlagern
des Volumens aus der Wade in den Oberschenkel hinaus geht.
Anwendbarkeit in der Klinik
Es wurden für diese Studie Probanden mit einem nicht ausgeprägten Ödem
verschiedener Ursachen gewählt. Diese Zielgruppe nimmt in unserer Bevölkerung
zu, aufgrund der zunehmenden Adipositas [11],
[12], [13]
und aufgrund der vielen Stunden, in denen wir in der so genannten zivilisierten
Welt stehen oder sitzen und somit unsere Muskelpumpe nicht aktivieren.
Zusätzlich zu dem objektivierbaren Ödem liegen Symptome vor, die möglicherweise
unabhängig von der Ödemzunahme die Lebensqualität beeinträchtigen, wie sehr
eindrücklich von Blazek et al. an einem Kollektiv an Friseuren ohne venöse
Insuffizienz gezeigt werden konnte. Kompression verbesserte signifikant die
Lebensqualität, und zwar unabhängig von der Tatsache, dass sie auch einen
Einfluss auf das Wadenvolumen hatte [17].
Eine Symptomverringerung bei unbewegtem Stehen konnte nach Anwendung der
wadenlangen Entstauungsstiefel analog zu den schenkellangen nachgewiesen werden.
Es liegt also nahe, dass die kurzen Entstauungsstiefel für die Symptome von
Menschen, die diese Beschwerden nur an der Wade verspüren, ausreichend sind. Die
Volumenverringerung erfolgte an der Wade ohne Unterschiede in beiden Gruppen –
daher kann der wadenlange Stiefel bei Patienten mit Ödemen ausschließlich an der
Wade eingesetzt werden und wird hier keinen Nachteil zu schenkellangen Geräten
haben. Eine Untersuchung bei höheren Schweregraden des Ödems wäre weiterführend
interessant.
Bei Patienten mit Ganzbeinödemen sind die Beschwerden an der Wade aufgrund der
Orthostase in der Regel ausgeprägter. Die häufigste Versorgung für diese
Patienten in Deutschland ist allenfalls die Kompressionsstrumpfversorgung.
Selten wird eine komplexe physikalische Entstauungstherapie durchgeführt, noch
seltener langfristig eine Lymphmassage rezeptiert, da dies von den
Kassenärztlichen Vereinigungen mit Budgetüberschreitungen und drohenden
Regressen für die Ärzte geahndet wird. Bis diese Unterversorgung systematisch
gelöst werden kann, wird der Patient aber davon profitieren, ein Gerät ggf.
selbst erwerben zu können, dessen Anschaffungskosten deutlich geringer sind als
die sonst handelsüblichen.
Somit kann als Vorteil für die Bevölkerung (sprich, für die Umsetzung in der
alltäglichen Praxis) genannt werden, dass sowohl bei Dyskomfort durch
Zivilisationsprobleme (Sitzen, Adipositas), Beschwerden in den Waden als auch
Ödemen in den Waden die Entstauung mit finanziell zugänglichen wadenlangen
Entstauungsgeräten – optimalerweise in Kombination mit Kompressionsstrümpfen –
besser ist als keine Therapie, insbesondere da sie in Bezug auf die Symptome der
Wade den schenkellangen Geräten gleichwertig ist. Die erste Aussage (besser als
nichts) trifft möglicherweise auch bei Ganzbeinödemen zu.
Der Nachweis der Volumenreduktion und Verringerung der Beschwerden mit einem
kleinen wadenlangen Gerät in diesem nicht sehr symptomatischen Kollektiv legt
nahe, dass eine große Bevölkerungsgruppe von dieser kleinen Lösung schon
ausreichend profitieren würde.
Der Nachweis wäre nun noch in Patientenkollektiven zu führen, deren Symptome
ausgeprägter sind.
Sowohl die gemessenen Beschwerden durch Beinschwellung als auch die
Beinumfangmaße und Beinvolumina verringern sich durch die Behandlung mit
Entstauungsstiefeln signifikant. Dabei konnten keine signifikanten
Unterschiede zwischen wadenlangen und schenkellangen Geräten festgestellt
werden, weder in Bezug auf die Waden noch in Bezug auf die Oberschenkel.