Pneumologie 2020; 74(06): 374-386
DOI: 10.1055/a-0853-2881
CME-Fortbildung

Das Respiratorische Synzytial-Virus beim Erwachsenen

The Respiratory Syncytial Virus (RSV) in Adults
F. Frenzen
,
G. Müller
,
K. Frenzen

Subject Editor: Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. Frederik Frenzen, Dresden.
 

Das Respiratorische Synzytial-Virus ist nach Influenza und aktuell SARS-CoV-2 einer der Hauptverursacher von viralen Atemwegsinfektionen. Obwohl das Virus häufiger im Kleinkindesalter auftritt, kann es auch beim Erwachsenen – mit wachsender Häufigkeit im Alter – zu schweren Atemwegsinfektionen bis hin zum Tod führen. Vakzine oder spezifische Therapeutika fehlen. Ein fundiertes Wissen ist im Hinblick auf mögliche Komplikationen nicht nur für den Pädiater notwendig.


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Abstract

RSV induces an acute viral disease with involvement of the respiratory tract. It can be notably life-threatening for infants but also for older adults. New RSV-subtypes are constantly evolving globally. The knowledge about epidemiology, hygiene measures, diagnostics and clinical feature is essential not only for the paediatrician. Vaccines or specific therapeutics are still missing. This article gives an overview with focus on RSV in adults. In addition, molecular pathological characteristics of the virus are explained, research approaches concerning vaccines and therapeutics are mentioned and current problems in management are discussed.


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Abkürzungen

AF: Atemfrequenz
allo-SZT: allogene Stammzelltransplantation
ARDS: acute respiratory Distress Syndrome (akutes Atemnotsyndrom)
BGA: Blutgasanalyse
Bpm: Beats per Minute (Schläge pro Minute)
BRSV: bovines Respiratorisches Synzytial-Virus
COPD: chronic obstructive pulmonary disease (chronische obstruktive Lungenerkrankung)
CRP: C-reaktives Protein
ERD: enhanced RSV Disease
FFP2: Face Filtering Piece (Schutzklasse 2)
HAP: Hospital-acquired Pneumonia (im Krankenhaus erworbene Pneumonie)
HF: Herzfrequenz
HRSV: humanes Respiratorisches Synzytial-Virus
HSPG: Hitze-Schock-Protein G
IgE: Immunglobulin E
IVIG: intravenöses Immunglobulin
mRNA: Messenger-RNA
MRV: murines Pneumovirus
NAT: Nukleinsäure-Amplifikationstest
NET: Neutrophile-dependent Trap
NIV: nicht-invasive Ventilation bzw. nichtinvasive Beatmung
NS 1 und 2: Nicht-Strukturprotein 1 und 2
NS-Proteine: Nicht-Strukturproteine
PCR: Polymerase Chain Reaction (Polymerase-Kettenreaktion)
PCT: Procalcitonin
PKR: Proteinkinase R
POCT: Point of Care Testing
Protein F: Fusionsprotein
Protein G: Glycoprotein G
Protein L: großer (engl. „large“) Polymerasekomplex
Protein M1: Matrixprotein
Protein M2: Matrix- bzw. Regulatorproteine 2–1 und 2–2 (M2–1, M2–2)
Protein N: Nukleokapsisprotein
Protein P: Phosphoprotein
Protein SH: kleines hydrophobes (engl. „small hydrophobe“) Protein
RADT: Antigen-Schnelltest (engl. „rapid-antigen detection test“)
RKI: Robert Koch-Institut
RSV: Respiratorisches Synzytial-Virus
RS-Virus: Respiratorisches Synzytial-Virus
rtRT: Real-Time Reverse-Transkriptase
TH2: Typ 2-T-Helferzellen
VAP: Ventilation-acquired Pneumonia (Beamtungs-assoziierte Pneumonie)

Epidemiologie

Infektionskrankheiten durch das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) treten in gemäßigten Breiten jahreszeitenabhängig in Wellen auf. Die RSV-Epidemie in Europa entwickelt sich rapide ab ca. der 40. Kalenderwoche bis zu ihrem Höchststand Ende Dezember/Anfang Januar, um dann bis zur 20. Kalenderwoche des Folgejahres auf das Basisniveau zurückzukehren [1]. In einer multizentrischen Studie aus Frankreich trat die „RSV-Welle“ in 3 aufeinanderfolgenden Jahren jeweils einen Monat vor der „Grippewelle“ auf [2]. Bezogen auf tropische Regionen scheint es bei RSV eine geringere saisonale Ausprägung zu geben [3]. Es gibt Hinweise darauf, dass RSV-Infektionen abhängig von Regenzeiten häufiger auftreten. Sie sind somit nicht zwingend koinzident mit der Influenzasaison. Globale epidemiologische Daten sind über die WHO abrufbar [4].

Prinzipiell können in allen Alters- bzw. Patientengruppen schwere Krankheitsverläufe mit Lungenentzündungen auftreten. Schwere, zum Teil tödliche Verläufe mit Pneumonien und v. a. Bronchiolitiden können bei Kleinkindern beobachtet werden. Bei Erwachsenen wird RSV vorwiegend bei älteren Menschen, Patienten mit malignen Grunderkrankungen, immunsuppressiver Therapie oder chronischen kardiorespiratorischen Krankheiten [2] sowie seltener bei Schwangeren apparent [5].

Die Mortalitätsrate ist aufgrund unzureichender Diagnostik schwer zu ermitteln. In einer deutschen monozentrischen Studie von 2018 lag die Sterberate bei RSV-Patienten vergleichbar mit der von Influenza-Erkrankten bei 4,7 % [6]. Wiederum anderen Studien weisen eine Mortalitätsrate von 8 % aus [2].

Die Bezeichnung des Respiratorischen Synzytial-Virus leitet sich vom teils deutlichen histopathologischen Bild ab, durch zytopathischen Effekt im Bronchialepithel mehrzellige Riesenzellen (Synzytien) zu bilden. Unterschieden werden die humanen RSV-Typen A und B. RSV-A ist im Allgemeinen häufiger prävalent als RSV-B. Die Viruslast von RSV-A kann bis zum 10-fachen größer sein. Durch höhere RSV-A-Viruslast im Nasopharyngealsekret kann eine Transmission erleichtert werden. Periodisch kann RSV-B stärker als RSV-A prävalent sein.

Dezidierte, repräsentative epidemiologische Daten stehen aktuell für Deutschland nicht zur Verfügung. Auch wenn prinzipiell sog. Sentinel-Arztpraxen Proben von akuten respiratorischen Erkrankungen an das Robert Koch-Institut (RKI) schicken, so war die Probenanzahl im vergangenen Jahr gering. Außerdem ist RSV im Gegensatz zu Influenza nicht meldepflichtig (mit Ausnahme von Sachsen), was eine zu geringe Rate an Diagnosestellung vermuten lässt.

Merke

Epidemiologische Daten zur aktuellen RSV-Situation in Deutschland sind prinzipiell über die Webseite des RKI und regionalbezogen bei der Landesuntersuchungsanstalt Sachsen abrufbar. Die tatsächlichen Fallzahlen sind möglicherweise unterrepräsentiert.

Fallbeispiel

Fall 1: Ein typischer Fall in der Notaufnahme während der RSV-Saison

Ein 35-jähriger Mann wird durch den KV-Arzt aufgrund von Dyspnoe und Fieber mit dem Verdacht auf eine Pneumonie eingewiesen. Der Patient berichtet über geringen produktiven Husten mit grünlichem Auswurf, Schüttelfrost und Fieber-assoziierten Halluzinationen. Er habe das Gefühl, nicht richtig durchatmen zu können. Bei Aufnahme fallen eine Temperatur von 40 °C, eine Tachykardie (HF 101 bpm), eine Hypotonie (RR 107/48 mmHg) und eine Tachypnoe (AF 26/min) auf. Auskultatorisch können beidseitig Rasselgeräusche festgestellt werden. Die initiale Thoraxröntgenaufnahme ergibt keinen eindeutigen Infiltratnachweis. Im kombinierten Influenza-/RSV-Rachenabstrich ist RSV nachweisbar. Die Entzündungsparameter sind erhöht. Die BGA ergibt eine respiratorische Insuffizienz Typ I. Die übrige apparative und mikrobiologische Diagnostik ist unauffällig. Bei Verdacht auf eine bakterielle Superinfektion wird antibiotisch mit Ampicillin/Sulbactam therapiert, worunter es zu einer langsamen Besserung kommt.

Fallbeispiel

Fall 2: RSV-Pneumonie mit kardialer Komplikation

Ein 83-jähriger Patient wird Anfang Januar durch den Rettungsdienst initial aufgrund von Fehlhandlungen neurologisch vorgestellt. Er wurde auf der Straße gehend in Unterwäsche angetroffen. Bei bekannter Demenz fällt neben einer Allgemeinzustandsverschlechterung eine neue deutliche Desorientierung auf. In der Notaufnahme wird Fieber (38,5 °C) detektiert. Feinblasige Rasselgeräusche sind auskultatorisch links basal wahrnehmbar. Zudem imponiert ein produktiver Husten mit weißlichem Auswurf. Die Leukozytenzahl und das CRP sind nur gering erhöht, das PCT normal. In der Thoraxröntgenaufnahme wird ein Pleuraerguss rechts sowie ein retrokardiales Infiltrat nachgewiesen. Der kombinierte Rachenabstrich auf RSV und Influenza ist RSV-positiv. Die übrigen mikrobiologischen Befunde bleiben negativ. Die Arbeitsdiagnose einer RSV-Pneumonie wird gestellt. Eine sich sekundär entwickelnde kardiale Dekompensation muss im Verlauf mittherapiert werden.


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Ätiopathogenese

Grundlagen und Einteilung

RS-Viren gehören zur Gattung der Orthopneumoviren, Familie der Pneumoviren, Ordnung Mononegaviren. Es ist ein behülltes Virus mit einzelsträngiger Minus-Strang-RNA.

In der Virushülle ist das glykosilierte Hauptoberflächenprotein G eingelagert. Dessen Glykosilierung ähnelt den Muzinen der Atemwege. Anhand der verschiedenen G-Proteine werden die RSV-Typen charakterisiert. Es gibt die humanen RS-Viren (HRSV) A und B. Des Weiteren gibt es 2 verwandte zoopathogene Arten, das bovine Respiratorische Synzytial-Virus (BRSV) sowie das murine Pneumovirus (MRV).

Da bei RSV die RNA-Replikation fehleranfällig ist und es hierbei keinen Korrekturmechanismus gibt, kommt es zu einer raschen Generierung von Einzelnukleotid-Polymorphismen und anderen Mutationen. Hierdurch wird die virale Fitness beeinflusst, und Reinfektionen durch neue RSV-Subtypen sind möglich; die Entwicklung von antiviralen Medikamenten und Vakzinen wird erschwert.

Merke

RS-Viren verändern sich kontinuierlich über Einzelnukleotidmutationen. Eine erworbene immunologische Resistenz ist nicht von Dauer.


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Aufbau des RS-Virus

Die Außenschicht des Virus wird durch eine Lipiddoppelschicht gebildet. Hierin sind die Glykoproteine F (= Fusion) und G sowie das kleine hydrophobe Protein (SH) eingebettet, das die Funktion eines Ionenkanals hat. Innenseitig wird die Hülle durch das Matrix-Protein (M) ausgekleidet. Weiter innen liegend befindet sich das Nukleokapsid, welches die RNA des Virus schützt. Das helikale Kapsid besteht aus dem Proteinen L (Polymerase), P (Phosphoprotein) und N (Nukleokapsidprotein). Diese sind für einen funktionierenden Polymerasekomplex notwendig.

Zusätzlich gibt es die Regulatorproteine M2–1 und M2–2 sowie die Nicht-Strukturproteine (NS) 1 und 2 ([Abb. 1]).

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Abb. 1 RS-Virus mit Lipidmembran (Hüllmembran), Glykoproteine F, G, und SH; weiter innen liegend: Virusmatrix (bestehend aus M-Proteinen); zuinnerst: Virusgenom aus einzelsträngiger, nicht segmentierter Minus-RNA, zusammengesetzt mit dem Nukleokapsid (unterteilt in die Proteine L, P und N). Bildquelle: Michael Frenzen | Diplom-Designer, Grafiker und Illustrator

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Infektionskaskade

Die RSV-Transmission erfolgt direkt von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion (Husten oder Niesen). Das Virus wird auch indirekt über kontaminierte Oberflächen und Hände auf nasopharyngeale Schleimhäute durch Schmierinfektion übertragen. RSV kann in respiratorischen Sekreten auf absorbierenden Gegenständen bis zu 45 Minuten (z. B. Arztkittel) und auf glatten (z. B. Einmalhandschuhe, Stethoskopen, Kunststoffoberflächen) mehrere Stunden überleben. Durch experimentelle Nachweise von RSV in Aerosolen ist eine Übertragung über die Luft nicht ausgeschlossen [7].

Merke

RSV ist neben Influenza ein bedeutender nosokomialer Erreger bei der im Krankenhaus erworbenen Pneumonie (HAP), aber auch Ventilations-assoziierten Pneumonie (VAP). Während der Infektionssaison sollte bei HAP/VAP aktiv auch nach RSV gesucht werden.


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Adhäsion

Nach der Transmission kann RSV über die Proteine G und F an die Epithelzellen der Atemwege binden.

Es wurden zahlreiche Rezeptoren identifiziert, welche Bindungspartner für RSV-F und RSV-G darstellen, hierunter sind als wichtigste zu nennen: CXCR1, Nucleolin, ergänzend HSPG und TLR4. Einschränkend muss erwähnt werden, dass die Bindungspartner abhängig vom Virustyp und In-vitro-Ergebnisse nur bedingt auf in vivo übertragbar sind [8].


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Invasion/Replikation

Es gibt zwei Wege, wie RSV seine RNA in das Zytoplasma der Wirtszelle freigeben kann ([Abb. 2]). Zum einen kann es nach Rezeptorbindung zur Verschmelzung der RSV-Hülle (Envelope) mit der Zellmembran und hierauf Freisetzung des RSV-Kapsids und RNA in das Zytoplasma kommen. Zum anderen kann RSV zunächst durch Mikropinozytose internalisiert werden. Hierbei kommt es zur Aktivierung des F-Proteins durch Proteasen oder Kathepsine, dann zu einer Fusion der Virushülle mit der Endosomenmembran und Freisetzung der RNA in das Zytoplasma [8].

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Abb. 2 Adhäsion und Invasion von RSV. a I Bindung über entweder die Rezeptoren TLR4, CX3CR1, HSPG und HSPG. II – IV Eintritt über Nukleolin mit „Ausschütten“ der RNA in das Zytoplasma. b I – II Bindung von RSV an die Wirtzelle. III – IV Inokulation von RSV durch Makropinozytose. V Evasion aus dem Endosom. Bildquelle: Michael Frenzen | Diplom-Designer, Grafiker und Illustrator.

Es folgt die anschließende Virusreplikation, bei der sowohl virale als auch Wirtszellproteine beteiligt sind.


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Pathophysiologie

Bei fulminanten Verläufen von RSV-Erkrankungen gibt es histopathologische Hinweise, dass ein Großteil der Atemwegsschädigung auf die überschießende Immunantwort und weniger auf die direkte RSV-Wirkung zurückgeht. Die Zellschädigung findet hauptsächlich im Bereich der Bronchien und Bronchiolen statt. RSV verursacht eine Neutrophilen-dominierte Inflammation der oberen und unteren Atemwege bei Kindern. In fulminanten Fällen findet sich eine signifikante Beteiligung der Alveolen, welche durch abgeschilfertes, nekrotisches Material aus den Bronchien verstopft wurde. Hierdurch kommt es zu einer Ausbreitung der Infektion in die unteren Atemwege. Eine Sekretion von RSV-spezifischem IgE und Leukotrien können im weiteren Verlauf zu einem Bronchospasmus führen. Bei Infektionen durch RSV ist ein Teil protrahiert verlaufender Erkrankungen durch eine Eosinophilie gekennzeichnet [8].

Merke

Histopathologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass ein Großteil der Atemwegsschädigung auf eine überschießende Immunantwort zurückgeht.

Immunantwort

Sowohl die humorale als auch die zytotoxische Immunabwehr sind für die Kontrolle einer RSV-Infektion wichtig.

Bei vorliegender Infektion stellen neutrophile Granulozyten den größten Anteil dar und sind in erster Linie für die Schleimproduktion verantwortlich. Zudem werden durch sie sog. Neutrophile-dependent Traps (NET) gebildet, „Schleimfallen“, die genomische DNA von Neutrophilen sowie antimikrobielle Proteine (z. B. Myeloperoxidase und Elastase) beinhalten.

Die primär am Infektionsort eintreffenden Immunzellen sind natürliche Killerzellen, gefolgt von zytotoxischen T-Zellen und T-Helferzellen. Das Auftreten von zytotoxischen CD8-Zellen ist mit der Beseitigung von RSV aus den Atemwegen assoziiert. Später kommt es zu einem Anstieg von neutralisierenden Antikörpern. Diese opsonieren virale Epitope, welche für den Viruseintritt wichtig sind.

Die doppelsträngige RNA, ein Nebenprodukt der Virussynthese, kann durch die sog. Proteinkinase R (PKR) von Wirtszellen detektiert werden. Folglich kommt es zu einer Phosphorylierung des Translationsinitiationsfaktors elF2α und Bildung von „Stressgranula“, als Produkt der angeborenen Immunabwehr. Diese sind Aggregate von Proteinen, welche die mRNA blockieren und die Zell-, aber auch die Virussynthese herunterregulieren [8].

Überblick

Immunevasion

Das RS-Virus hat verschiedene Mechanismen entwickelt, um der Immunantwort zu entgehen:

  • NS-1 und NS-2 inhibieren die Induktion von Interferon und die Apoptose.

  • RSV-N kann die Bildung von Stressgranula verhindern, indem es die Phosphorylierung von elf2α blockiert.

  • RSV kann Stressgranulat-fördernde Proteine in viralen Einschlusskörpern neutralisieren.


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Klinik

Die Inkubationszeit beträgt 2 – 8 Tage. RSV-Infizierte können bereits einen Tag nach Ansteckung und vor Symptombeginn kontagiös sein. Die Ansteckungsfähigkeit hält bei Immunkompetenten ca. 3 – 8 Tage an, bei Immundefizienten, aber auch Früh- und Neugeborenen ggf. länger (Wochen bis in Einzelfällen Monate).

Bei jungen Erwachsenen betrifft eine RSV-Infektion häufig nur die oberen Atemwege. Klinisch manifestiert sie sich in Form einer verstopften Nase, Fieber, nicht-produktivem Reizhusten und seltener Giemen. Eine Fatigue und intermittierende Kurzatmigkeit können bis zu 4 Wochen nach Erkrankung persistieren. Eine bronchiale Hyperreagibilität kann bis zu 8 Wochen danach lungenfunktionell nachgewiesen werden.

Bei älteren Erwachsenen (> 65 Jahre) variiert eine RSV-Infektion häufiger von milden Symptomen bis hin zu schweren Atemwegserkrankungen, wobei schwere Verläufe in dieser Altersgruppe deutlich häufiger sind als bei jüngeren Patienten.

Eine „typische“ RSV-Infektion beginnt mit Rhinitissymptomen. Husten, Giemen und Fieber sind häufig. Fieber tritt vergleichbar häufig auf wie bei einer Influenzainfektion, ist tendenziell jedoch niedriger. Myalgien und Malaise sind seltener im Gegensatz zu einer Grippeinfektion [2]. Dementgegen kann eine RSV-Infektion anhand der klinischen Symptomatik während der Saison nicht mit Sicherheit diagnostiziert werden.

Merke

Eine Ansteckungsfähigkeit kann bereits einen Tag vor Symptombeginn bestehen und hält bis zu 8 Tage an. Eine klinische Diagnose ist nicht mit Sicherheit möglich.

Cave

Bei Immundefizienten, aber auch Früh- und Neugeborenen dauert die Kontagiösität ggf. länger. Ein Teil der asymptomatischen Patienten gilt ebenfalls als kontagiös.


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Komplikationen

Pneumonien entwickeln sich bei bis zu 10 % der infizierten Patienten. Bei den hospitalisierten Patienten ist die Rate sogar deutlich höher (44 %) [2]. In der Thoraxröntgenaufnahme haben RSV-Pneumonien ein vorwiegend interstitielles Muster, entsprechen somit der atypischen Pneumonie.

In einer retrospektiven Studie der Universitätsklinik Lyon wurden bezüglich bakterieller Superinfektion folgende Erreger identifiziert [9]:

  • Streptococcus pneumoniae,

  • Haemophilus influenzae,

  • Staphylococcus aureus,

  • Pseudomonas aeruginosa und

  • Moraxella catarrhalis.

Risikogruppen bei Erwachsenen sind Immunsupprimierte und -defiziente, insbesondere Empfänger hämatopoetischer Zelltransplantate, Organtransplantierte (v. a. Lunge) wie auch Patienten mit malignen hämatologischen Erkrankungen.

Im pädiatrischen Bereich sind insbesondere gefährdet:

  • Frühgeborene,

  • Kinder mit Vorerkrankungen der Lunge (z. B. zystische Fibrose, bronchopulmonale Dysplasie),

  • Kinder mit muskulären und neurologischen Erkrankungen mit eingeschränkter Ventilation,

  • Kinder mit Herzvitien und pulmonalen Shunts sowie

  • Immundefiziente bzw. -supprimierte.

Ergänzend wird auf die „Leitlinie zur Prophylaxe von schweren Erkrankungen durch Respiratory Syncytial Virus (RSV) bei Risikokindern“ verwiesen [10].

Cave

Neben Praxis und Klinik sollten alle Kinder mit erhöhtem Risiko durch allgemein-infektionshygienische Maßnahmen vor der Ansteckung mit RSV geschützt werden. RSV-Patienten mit Kontakt zu Risikokindern (z. B. Eltern) sollten hierzu informiert und geschult werden.

Bei immungeschwächten Erwachsenen scheint das klinische Voranschreiten der RSV-Infektion einem ähnlichen Muster wie bei Immunkompetenten zu folgen. Häufig haben Patienten, die eine RSV-Pneumonie entwickeln, ca. 2 Tage vorher bereits eine Rhinitis, Otalgie und Sinusitis. Dies sind wichtige klinische Merkmale bei Transplantationspatienten, da sie bei einer Zytomegalievirus-Pneumonie nicht auftreten. Insbesondere eine Sinusitis ist hinweisend für RSV, da sie auch radiologisch bei Patienten ohne Symptome der oberen Atemwege nachgewiesen werden können. Dyspnoe tritt bei 36 – 45 % der Erkrankten auf. Röntgenthoraces sind häufiger anormal, Infiltrate sind bei 58 – 75 % zu finden. Üblich sind bilaterale interstitielle Infiltrate, die zunehmend konfluieren und in lobäre Infiltrate übergehen können.

In der Thorax-CT können in absteigender Häufigkeit in annähernd zwei Drittel der Fälle Milchglasinfiltrate, gefolgt von Konsolidierungen, Noduli, Pleuraergüssen, „Tree-in-Bud-Phänomen“ und bronchiale Wandverdickungen nachgewiesen werden [11].

Weiters kann es zu Exazerbationen von vorbestehenden Lungenerkrankungen wie Asthma und COPD kommen. Eine retrospektive multizentrische Studie berichtet über eine 60-Tage-Mortalität von 12,8 % während RSV-assoziierter COPD-Exazerbationen [12].

Fallbeispiel

Fall 3: Asthma-Exazerbation bei Koinfektion mit Influenza

Eine ältere Patientin stellt sich Anfang März in der Notaufnahme vor. Sie leidet seit einer Woche unter anfänglich trockenem, dann produktivem Husten, Dyspnoe bei leichter Belastung sowie seit einem Tag bestehendem Fieber (38,1 °C). Die Patientin hat ein ansonsten kontrolliertes allergisches Asthma bronchiale. Auskultatorisch imponieren ein Brummen und Giemen. Im Thoraxröntgenbild ergibt sich das Bild eines umschriebenen pneumonischen Infiltrates im linken Unterlappen. Pathologisch sind im Aufnahmelabor das CRP (maximal 82 mg/l) und die Leukozytenzahl (3,4 Gpt/l).

Durch eine BGA wird eine respiratorische Insuffizienz mit ausgeglichenem pH diagnostiziert. Mittels PCR aus dem Rachenabstrich werden sowohl Influenza B als auch RSV nachgewiesen.

Eine Oseltamivir-Therapie erfolgt nicht. Neben einer Therapie mit Salbutamol/Atrovent, Prednisolon, Mukolytika sowie physiotherapeutischer Atemtherapie erhält der Patient Ampicillin/Sulbactam bei vermuteter bakterieller Superinfektion. Zudem erfolgt bei respiratorischer Insuffizienz passager eine Sauerstofftherapie. Hierunter bessert sich der Zustand des Patienten nur zögerlich.

Anmerkung

Es gibt Hinweise, dass Koinfektionen durch Influenza und RSV zu einem erhöhten Risiko für eine Aufnahme auf die Intensivstation führen können, jedoch statistisch nicht signifikant [13].

Weitere schwere Komplikationen sind Exazerbationen von kardialen Vorerkrankungen, Herzinsuffizienz bis hin zum akuten respiratorischen Lungenversagen (ARDS). Es kann zur Beteiligung weiterer Organe bzw. Organsysteme kommen. Beispielsweise sind Zustände von einer meningealen Reizung bis hin zur Enzephalitis sowie Myositis bis zur Rhabdomyolyse möglich. In seltenen Fällen kann es zu folgenden Pilzpneumonien kommen [14].

Fallbeispiel

Fall 4: RSV-Infektion mit meningealer Reizung sowie darauffolgender Candida-Pneumonie mit Candidämie

Eine hochbetagte Patientin wird durch den Rettungsdienst in der Notaufnahme vorgestellt. Die Patientin wurde auf dem Rücken liegend auf der Straße von Passanten vorgefunden. Das Sturzereignis war unbeobachtet gewesen. Anamnestisch ließ sich eine retrograde Amnesie eruieren. Die Dame wohnte bis zum Vorfall allein zu Hause, versorgte sich selbstständig und zeigte einen regelrechten Pflege- und Ernährungszustand. Im Aufnahmestatus fallen subfebrile Temperaturen (37,8 °C), gering erhöhte Entzündungsparameter und eine respiratorische Insuffizienz unter Raumluft auf. Die Patientin fiebert zum Abend hin (39,8 °C) und gibt starke Nackenschmerzen an. Es imponiert ein ausgeprägter Meningismus mit positivem Brudzinski-Zeichen.

In Zusammenschau mit dem neurologischen Status und dem Liquorpunktionsergebnis ergibt sich das Bild einer meningealen Reizung ohne Nachweis einer bakteriell bedingten Meningitis. Mittels PCR aus dem Rachenabstrich wird RSV nachgewiesen. Später aspiriert die Patientin, und es zeigen sich im Verlauf CT-morphologisch bipulmonale Rundinfiltrate mit Halozeichen. Sowohl im Bronchialsekret als auch in den Blutkulturen werden massenhaft Candida glabrata nachgewiesen. Eine Neutropenie besteht nicht.

Es erfolgt eine antimykotische Therapie mit Anidulafungin. Trotz maximaler konservativer Therapie verstirbt die Patientin an den Folgen einer invasiven Candidämie. Eine intensivmedizinische Behandlung war seitens der Patientin im vorausgegangenen Anamnesegespräch abgelehnt worden.


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Diagnostik

Die häufige Symptomatik mit Husten, Dyspnoe, Giemen und Fieber lässt i. d. R .keine sichere Abgrenzung bezüglich vieler anderer Atemwegserreger zu. Insbesondere bezüglich Influenza scheinen sich die saisonalen Hochphasen zu überlappen. RSV-Infektionen bei Erwachsenen bleiben häufig im klinischen Alltag unerkannt; sei es, dass RSV zu selten in Betracht gezogen wird bzw. RSV-Tests nicht angefordert oder zu spät durchgeführt werden. Anders als bei Kindern gibt es keine Leitlinien für die Diagnostik oder das Management bei (älteren) Erwachsenen.

Für die Diagnostik notwendig ist Nasopharyngealsekret aus Nasen-Rachen-Abstrich, -spülwasser oder -aspirat. Die Wahrscheinlichkeit eines positiven Labortests ist abhängig vom prüfenden Labor, vom Probenmaterial, der Probenqualität („Lagerungs- und Transportzeit“) und dem Abnahmetag. In den ersten 48 – 72 h ab Symptombeginn ist die Sensitivität aufgrund der größeren Viruslast am höchsten.

Nukleinsäure-Amplifikationstests (NAT)

NAT sind weiterhin der Goldstandard bei der Labordiagnostik von RSV. In den letzten Jahren wurden deutlich schnellere und bedienerfreundlichere NAT-Verfahren bzw.- Geräte entwickelt. Hierzu zählen isothermale PCR, real-time-Reverse-Transkriptase PCR (rtRT-PCR) sowie Multiplex-PCR vom FilmArray-Typ. Testergebnisse erhält man mittlerweile in 15 – 30 min oder weniger.


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Antigenschnelltests

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Abhängigkeit der Viruslast vom Alter des Patienten. So zeigen die Antigenschnelltests bei einer durchschnittlichen Sensitivität von 75 – 80 % schon bei Kindern über 10 Jahren einen Sensitivitätsverlust bis 65 % im Vergleich zu Kleinstkindern. Hier sind als Vorteil jedoch die einfache Handhabung, niedrigere Kosten und Schnelligkeit zu nennen. Eine Metaanalyse erbrachte, dass nur ca. 3 % von Studien auf adulte Patienten ausgerichtet waren Die Sensitivität betrug hier lediglich 29 % [15]. Die Durchführung der Antigenschnelltests ist somit für Erwachsene derzeit nicht zu empfehlen.


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RSV-Antikörpernachweise

Antikörpernachweise sind vor allem für die retrospektive Sicherung der Diagnose sowie für Surveillance- und Forschungszwecke geeignet. Der Titeranstieg kann erst ca. 2 – 4 Wochen nach Infektion erfasst werden. Hervorzuheben ist, dass bei kulturell positiven RSV-Patienten die Rate an radiologisch nachgewiesenen Pneumonien signifikant niedriger ist als bei Patienten mit positiver RSV-Serologie. Eine Interpretation ist, dass sich diese Patienten erst spät im Verlauf ärztlich vorstellten, wenn das RS-Virus mittels PCR nicht mehr nachweisbar ist. Dies unterstützt die Annahme, dass die Dunkelziffer an RSV-assoziieren Pneumonien deutlich höher ist [16].


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Therapie

Prinzipiell steht als einzige antivirale Therapie Ribavirin zur Verfügung. Jedoch wird dies, zumindest in der inhalativen Applikationsform, nicht mehr empfohlen, da ein eindeutiger Effekt nicht nachgewiesen werden konnte. Ribavirin per os scheint jedoch bei Lungentransplantierten gut toleriert zu werden und die Hositalisierungstage zu reduzieren [17].

Merke

Aktuell gibt es keine wirksame kausale Therapie der RSV-Infektion.

Die Behandlung ist i. d. R. symptomatisch und beinhaltet

  • eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr,

  • Sekretmobilisation sowie

  • das Freihalten des Nasopharynx bei Kindern.

Bei respiratorischer Insuffizienz ist eine Sauerstofftherapie, NIV oder ggf. invasive Beatmung notwendig. Unter Umständen kann eine antiobstruktive Inhalationstherapie, insbesondere bei Exazerbation einer vorbestehenden chronischen Lungenerkrankung (COPD, Asthma), hilfreich sein.

Kortikosteroide bei RSV sind in der Pädiatrie nicht effektiv bzw. umstritten. Die systemische Gabe kann die Akutsymptomatik bezüglich Intensität und Dauer bei Erwachsenen zumindest bei Asthma oder COPD-Exazerbation verringern. Weder die Viruslast noch -vermehrung wird beeinflusst und die humorale Abwehr nur geringfügig reduziert. Randomisierte Studien fehlen hierzu [18].


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Prophylaxe

In der Pädiatrie steht aktuell der monoklonale Antikörper Palivizumab – ein humanisierter monoklonaler Antikörper der IgG1-Subklasse – als einzige medikamentöse Prophylaxe zur Verfügung (s. Infobox). Diese Substanz hat die RSV-hyperimmunen intravenösen Immunglobuline (IVIG) abgelöst.

Überblick

Palivizumab

Die Gabe von Palivizumab ist mit geringerer Hospitalisierungsrate und kürzerer Verweildauer assoziiert.

Zulassung

Palivizumab ist zugelassen:

  • bei Frühgeborenen

  • bei Kindern mit bronchopulmonaler Dysplasie

  • bei Kindern mit angeborenem Herzfehler

  • bei Kindern mit angeborenem oder erworbenem Immundefekt

  • gegebenenfalls auch bei Kindern nach allogener Stammzelltransplantation (allo-SZT) oder Kindern unter ausgeprägter Immunsuppression, die jünger als < 24 Monate sind.

Palivizumab ist nicht zur Anwendung bei Erwachsenen zugelassen [10].

Anwendung

Monatliche Applikation in Abhängigkeit der saisonalen Prävalenz (5 × ab Ende Oktober/Anfang November bis Februar/März, in Abhängigkeit zur epidemiologischen Situation bzw. Meldedaten).

2016 wurden Daten einer Phase-III-Studie veröffentlicht, die einen Anti-RSV-Effekt zusätzlich zu einer breiten antiviralen und antibakteriellen Eigenschaft von IVIG bei Patienten mit primärer Immundefizienz beschrieben [19]. Weitere Daten hierzu stehen noch aus.

Cave

Das Risiko für nosokomiale RSV-Infektionen beträgt auf Stationen für immunkompromittierte Erwachsene ca. 6 – 12 %. In der Pädiatrie werden für Neonatal- und Kinderstationen Risiken von 6 – 56 % (Median 28,5 %) angegeben.

Nicht-pharmazeutische Maßnahmen

Zur Vermeidung von nosokomialen Infektionen sollten strikte hygienische Maßnahmen beachtet und durchgeführt werden. Hierzu zählen im Einzelnen:

  • die Unterbringung im Einzelzimmer,

  • das Tragen von Handschuhen und Schutzkittel,

  • das Tragen eines (FFP2-)Atemschutzes

  • das Screening von Mitpatienten, die im gleichen Zimmer des besiedelten oder infizierten Patienten sind,

  • das Screening von Besuchern, sofern diese symptomatisch sind.

Der Patient sollte ebenfalls sorgfältig hinsichtlich hygienischer Maßnahmen aufgeklärt werden.


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Entwicklung von RSV-Impfstoffen

Bereits in den 1960er-Jahren wurde ein Formalin-inaktiviertes RSV-Vakzin entwickelt. Jedoch kam es bei Säuglingen und Kleinkindern durch Koinfektion mit einem RSV-Wildtyp nach der Impfung zu einer verstärkten RSV-Infektionskrankheit („enhanced RSV disease“, ERD). ERD war durch hohes Fieber, Bronchopneumonie und Giemen gekennzeichnet. In der dazugehörigen klinischen Studie verstarben 2 Impflinge. Es wurde vermutet, dass durch die Formalin-Inaktivierung wichtige neutralisierende Epitope denaturiert wurden, was in einer Bildung nicht-protektiver Antikörper resultierte. Zytotoxische T-Zellen fehlten. Es kam zu einer pathogenen TH2-Gedächtnisreaktion mit Eosinophilen- und Immunkomplexablagerungen in der Lunge.

Aufgrund bleibender Bedenken bezüglich inaktivierter RSV-Impfstoffe verschob sich der Fokus auf attenuierte RSV-Vakzine. Diese replizieren sich jedoch nicht ausreichend für eine suffiziente Immunantwort bei älteren Kindern bzw. Erwachsenen mit bereits RSV-geprägtem Immunsystem. Durch Änderungen der im Attenuierungsprozess akkumulierten Mutationen wird versucht, hier eine Optimierung zu erzielen. Da eine ERD bei Erwachsenen keine Rolle spielt, wären möglicherweise Spaltimpfstoffe eine Lösung. Diese inaktivierten Teilpartikelvakzine benötigen für die Induktion neutralisierende Antikörper; entweder das F- oder G- oder beide Proteine. Für die Induktion einer T-Zell-Immunität sind Proteine wie M-, N- oder andere Proteine erforderlich. F-, G- und SH-Proteine sind mit antikörperabhängiger zellvermittelter Zytotoxizität assoziiert.

Maternelle Antikörper sowie hohe Titer nach vorausgegangener Infektion sind mit einer gewissen Schutzwirkung assoziiert. Außerdem werden monoklonale Antikörper effektiv zur Prävention bei jungen Hochrisikopatienten eingesetzt. Somit besteht weiterhin die Hoffnung auf die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes. Aktuell gibt es eine Vielzahl an RSV-Impfstoffkandidaten in verschiedenen Entwicklungsstadien [20] [21].


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Ausblick

Seit der Entdeckung des RS-Virus 1950 konnte ein umfangreiches Wissen bezüglich Ätiopathogenese, Transmission und klinisch-hygienischem Management von RSV-Infektionen akkumuliert werden. Trotzdem sind aktuell weder Vakzine noch effektive Therapeutika in Sicht. Im Vergleich zu Fortschritten bei der Behandlung anderen Viruserkrankungen (bspw. Influenza) ist dies nicht zufriedenstellend. Eine Vielzahl an derzeitigen klinischen Studien lässt auf eine zeitnahe Problemlösung und einen möglichen Therapieansatz hoffen. Die hohe Mutationsrate des RS-Virus bleibt eine Herausforderung. Mutationen in RSV-F gegen Palivizumab sind bereits in vitro und in vivo entstanden.

Darüber hinaus zeigt die RSV-Infektion bei älteren Erwachsenen häufiger einen schweren Verlauf. Bei diesen Patienten muss, ebenso wie bei Kleinkindern, das RSV als infektiöses Agens neben Influenza saisonal immer mit in Betracht gezogen werden. Diagnostische Testverfahren sollten standardmäßig, ggf. in Kombination mit Influenza, zur Verfügung stehen.

Fortschritte wurden in der Entwicklung verfügbarer POCT-Schnelltest gemacht. Hieraus gewonnene Befunde sollten in epidemiologische Überwachungssysteme einfließen. Aktuell lässt der Zulauf an diagnostischen Daten keine repräsentative Erhebung in Deutschland durch das RKI zu.

Kernaussagen
  • RSV-Infektionen sind akute, in gemäßigten Breiten saisonal auftretende Viruserkrankungen mit Beteiligung der Atemwege, die insbesondere bei Kleinkindern (< 24 Monaten) sowie älteren Patienten (> 65 Jahre) auftreten.

  • Aktuelle epidemiologische Daten in Deutschland sind nicht repräsentativ. RSV-Infektionen bei Erwachsenen bleiben häufig im klinischen Alltag unerkannt, sei es, weil das RSV zu selten in Betracht gezogen wird oder RSV-Tests nicht angefordert bzw. zu spät durchgeführt werden.

  • RS-Viren verändern sich kontinuierlich, da die RNA-Replikation fehleranfällig ist und es hierbei keinen Korrekturmechanismus gibt. Durch Mutationen wird die virale Fitness beeinflusst und die Entwicklung von antiviralen Medikamenten und Vakzinen erschwert.

  • Die Kontagiosität kann bereits einen Tag nach Infektion und vor Symptombeginn beginnen. Sie hält ca. 3 – 8 Tage bei Immunkompetenten an, bei Immundefizienten, aber auch Früh- und Neugeborenen ggf. Wochen bis selten Monate.

  • Der Goldstandard für die virologische Diagnostik ist der Nachweis mittels PCR. Die Sensitivität ist innerhalb von 48 h nach Symptombeginn am höchsten. RSV-Schnelltests können vorgeschaltet sein. Bei negativem Ergebnis bedarf es einer PCR-Bestätigung.

  • Eine effektive spezifische Therapie existiert aktuell nicht. In Einzelfällen kann eine Therapie mit Ribavirin (z. B. für Lungentransplantierte) in Erwägung gezogen werden.

  • Eine medikamentöse Prophylaxe mit Palivizumab ist bei spezifischen pädiatrischen Risikogruppen zugelassen.

  • Vakzine gegen RSV existieren weiterhin nicht. Klinische Studien bezüglich verschiedener Impfstoffkandidaten laufen.

  • Nicht-pharmazeutische bzw. Hygienemaßnahmen und ggf. das Aufklären hierüber sollten nicht vergessen werden.


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Autorinnen/Autoren


Frederik Frenzen

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Dr. med., Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie, Zusatzbezeichnungen Notfallmedizin und Infektiologie. 2009–2014 Facharztausbildung Innere Medizin am Universitätsklinikum Halle (Saale). 2014–2017 Facharztausbildung Pneumologie am Universitätsklinikum Dresden. 11/2017 bis 01/2020 Ausbildung zum Infektiologen am Zentrum für Infektiologie, Reise- und Tropenmedizin Dresden-Neustadt. Seit 01. 02. 2020 Arzt am Centre Hospitalier de Kourou, Französisch-Guyana.


Gunnar Müller

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Dr. med., Facharzt für Pathologie. 2002–2008 Studium der Humanmedizin an der MLU Halle/Saale. 2009–2017 Facharztausbildung Pathologie mit zwischenzeitlicher Tätigkeit als Truppenarzt. Seit 2019 Oberarzt und Leiter der Prosektur des Institutes für Pathologie des BwZK Koblenz.


Katja Frenzen

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Dr. med. 2004–2011 Studium der Humanmedizin an der MLU Halle/Saale. Bis 2014 Assistenzärztin in der Klinik für Radiologie des Universitätsklinikums Halle. Seit 2015 Ärztin in den Kliniken für Radiologie und Neuroradiologie des Universitätsklinikums Dresden.

Interessenkonflikt

Erklärung zu finanziellen Interessen

Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: ja, von einem/den Sponsor(en) dieser Forschungseinheit; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Nicht-Sponsor der Veranstaltung): nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Sponsor der Veranstaltung): nein.

Erklärung zu nicht-finanziellen Interessen

Die Autoren sind passive Mitglieder folgender Gesellschaften: DTG, DGI und DGP (F. Frenzen), DRG (K. Frenzen) und erklären hiermit, dass sie keine nicht-finanziellen Interessen haben, die sie bei der Erstellung dieser Fortbildungsmaßnahme beeinflusst haben.

  • Literatur

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Korrespondenzadresse

Dr. Frederik Frenzen
Städtisches Klinikum Dresden
Industriestraße 40
01129 Dresden

Publication History

Article published online:
17 June 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York

  • Literatur

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Abb. 1 RS-Virus mit Lipidmembran (Hüllmembran), Glykoproteine F, G, und SH; weiter innen liegend: Virusmatrix (bestehend aus M-Proteinen); zuinnerst: Virusgenom aus einzelsträngiger, nicht segmentierter Minus-RNA, zusammengesetzt mit dem Nukleokapsid (unterteilt in die Proteine L, P und N). Bildquelle: Michael Frenzen | Diplom-Designer, Grafiker und Illustrator
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Abb. 2 Adhäsion und Invasion von RSV. a I Bindung über entweder die Rezeptoren TLR4, CX3CR1, HSPG und HSPG. II – IV Eintritt über Nukleolin mit „Ausschütten“ der RNA in das Zytoplasma. b I – II Bindung von RSV an die Wirtzelle. III – IV Inokulation von RSV durch Makropinozytose. V Evasion aus dem Endosom. Bildquelle: Michael Frenzen | Diplom-Designer, Grafiker und Illustrator.