Epidemiologie
Bösartige Erkrankungen in der Schwangerschaft sind insgesamt selten, für das Mammakarzinom ist von einer Inzidenz von 0,33 pro 1000 auszugehen.
Das Mammakarzinom ist das häufigste Karzinom bei Frauen mit einem Alter unter 35 Jahren. Die zunehmende Inzidenz (3% aller Mammakarzinome werden in der Schwangerschaft diagnostiziert) resultiert nicht zuletzt daraus, dass eine Alterszunahme in der Gruppe der potenziell schwangeren Patientinnen zu verzeichnen ist. Dabei sind 2 Faktoren zu beachten:
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Mammakarzinome in der Schwangerschaft sind nicht aggressiver, die Verläufe sind nicht schlechter,
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aber die Diagnosestellung erfolgt häufig erst in einem fortgeschrittenen Tumorstadium.
Während ältere Studien von einer zeitlichen Verzögerung im Durchschnitt von 6 Monaten ausgegangen sind, bestätigen neuere Studien ein Zeitintervall von max. 1 – 2 Monaten bis zur eigentlichen Diagnosestellung. Ursachen für eine verzögerte Diagnostik sind eine erschwerte Beurteilbarkeit durch schwangerschaftsspezifische Veränderungen wie:
Merke
Die Diagnosestellung von Mammakarzinomen in der Schwangerschaft erfolgt häufig erst in einem fortgeschritteneren Stadium.
Die häufigste Differenzialdiagnose bzw. Fehldiagnose lautet Mastitis. Dennoch ist die Rate an inflammatorischen Karzinomen nicht höher als außerhalb einer Gravidität und beläuft sich in der Regel auf 3%. Bereits 1991 erhobene Daten zeigen, dass trotz des etwas fortgeschrittenen Tumorstadiums (Tumorgröße < 2 cm bei Schwangeren nur in 31%, bei Nichtschwangeren 50%) sich das 5-Jahres-Gesamtüberleben in beiden Gruppen nicht unterscheidet. In dieser Gruppe war das 5-Jahres-Gesamtüberleben für nodal-negative Patientinnen in beiden Gruppen 82%, bei nodal-positiven Patientinnen in der Schwangerschaft 47% und bei nicht schwangeren 59%. Dies bestätigt ebenfalls, dass sich eine Erkrankung in der Schwangerschaft nicht von einer Erkrankung außerhalb einer Schwangerschaft unterscheidet [1], [2].
Merke
Mammakarzinome unterscheiden sich, wenn in der Schwangerschaft diagnostiziert, biologisch nicht von denen außerhalb der Schwangerschaft.
Diagnostik des Mammakarzinoms in der Schwangerschaft
Da während einer Schwangerschaft keine besonderen Früherkennungsmaßnahmen bezüglich der Brust stattfinden, insbesondere keine routinemäßige bildgebende Diagnostik, werden 90% aller Mammakarzinome in der Schwangerschaft in der Regel durch die Patientin selbst über die Palpation entdeckt. Umso wichtiger ist es deshalb, zu Beginn einer Schwangerschaft eine entsprechend orientierende klinische Untersuchung, ggf. auch eine Ultraschalluntersuchung, durchzuführen. Dies sollte selbstverständlich auch risikoadaptiert, d. h. unter Berücksichtigung von im Vorfeld berichteten Erkrankungen der Brust und einer entsprechenden Familienanamnese erfolgen.
Möglichkeiten der klinischen und apparativen Diagnostik
Neben der Palpation und Beurteilung der Brust bez. Größe, Asymmetrie oder auch Sekretion oder Rötung steht die Ultraschalluntersuchung zur Verfügung. Dies ist die geeignetste Methode, die problemlos jederzeit durchgeführt werden kann. Damit ist sie die Methode der Wahl.
Merke
Generell kann die Diagnostik analog dem Vorgehen außerhalb der Schwangerschaft durchgeführt werden.
Eine Mammografie ist prinzipiell möglich, wenn ein entsprechender Röntgenschutz des Bauches gewährleistet ist. Die Strahlenbelastung beträgt für den Fetus 50 mrad, wobei die maximale Grenzdosis in der Schwangerschaft bei einer Dosierung von 10 rad liegt. Damit kann auch die Mammografie zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der entsprechenden Sicherheitskautelen durchgeführt werden [3].
Das 3. Standbein in der üblichen bildgebenden Diagnostik der Mamma stellt das MRT dar. Die Schwangerschaft ist per se keine Kontraindikation für eine Mamma-MRT-Untersuchung. Insbesondere bei jungen Frauen mit mammografisch dichtem Drüsenkörper ist sie ein ideales Verfahren, kann allerdings in der Schwangerschaft nicht uneingeschränkt durchgeführt werden. Dies resultiert aus der Notwendigkeit des zum Einsatz kommenden Kontrastmittels Gadolinium. Darüber hinaus bestehen aktuell nur wenig Erfahrungen im Hinblick auf die diagnostische Aussagefähigkeit des MRT in der Schwangerschaft. Die zur MRT erforderliche Bauchlage stößt insbesondere im 2. und 3. Trimenon der Schwangerschaft auf Grenzen, da die Bauchlage der Schwangeren nicht uneingeschränkt zuzumuten ist.
Praxistipp
Jede suspekte Veränderung der Brust, die länger als einen Monat besteht, sollte durch weitere bildgebende Verfahren abgeklärt werden. Dafür stehen neben der Palpation die Mammografie in 2 Ebenen sowie die Mammasonografie zur Verfügung.
Zur weiteren Abklärung sollte auch in der Schwangerschaft eine definitive histologische Klärung durch eine Stanzbiopsie erfolgen [4], [5].
Praktisches Vorgehen bei histologisch nachgewiesenem Mammakarzinom
Jede suspekte Veränderung sollte stanzbioptisch abgeklärt werden – ebenso wie auch außerhalb der Schwangerschaft. Im Weiteren sollte die Mammografie in 2 Ebenen mit Bleischürze erfolgen sowie die entsprechende Mammasonografiekontrolle. Besteht eine Indikation generell zur Mamma-MRT-Untersuchung, so kann auch diese unter Berücksichtigung der Einschränkungen erfolgen. Neben der Erfassung des Lokalbefundes und der Bestimmung der Tumorbiologie am Stanzpräparat (Grading, ER, PR, HER2-Status, Ki-67) wird empfohlen, durch eine Umfelddiagnostik eine distante Metastasierung auszuschließen bzw. zu diagnostizieren.
Praxistipp
In Abhängigkeit der Risikosituation, d. h. risikoadaptiert, ist in der Schwangerschaft eine bildgebende Diagnostik zum Ausschluss einer distanten Metastasierung möglich. Ob eine Röntgenthorax- oder auch eine MRT-Untersuchung zu empfehlen ist, muss von der Tumorbiologie und der Größe, d. h. ob es sich um eine Low-Risk- oder High-Risk-Situation handelt, und ggf. vorhandener klinischer Beschwerdesymptomatik abhängig gemacht werden [6], [7].
Bei Bestätigung der Karzinomdiagnose sollte in jedem Falle eine Ultraschalluntersuchung der Leber und je nachdem, ob es sich um eine Low- oder High-Risk-Situation handelt, eine Röntgenthorax-Untersuchung erfolgen. Auch diese ist mittels Abdeckung der Schwangerschaft durch Bleischürze möglich. Die maximal zulässige Strahlendosis für den Fetus ist abhängig vom Gestationsalter. Die Dosis für die 8., 24. und 36. Schwangerschaftswoche nach geschätzter maximaler Belastung des Fetus und der geschätzten Dosis mit adäquater Abschirmung ist in [Tab. 1] aufgeführt. Bestehen Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule bzw. generell skelettal, können die Symptome mittels MRT abgeklärt werden (Ganzkörper-MRT vorzugsweise ohne Kontrastmittel) [6], [7]. Vermieden werden sollten dabei die Knochenszintigrafie sowie die Ganzkörper-CT-Untersuchung.
Tab. 1 Maximale Strahlendosis des Fetus – gestationsabhängig.
Zeit nach Konzeption (Wochen)
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geschätzte max. Dosis des Fetus
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geschätzte Dosis des Fetus mit adäquater Abschirmung
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8
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0,03 Gy
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0,03 Gy
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24
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0,28 Gy
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0,16 Gy
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36
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1,43 Gy
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0,20 Gy
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Ein Knochenszintigramm sollte erst nach der Entbindung erfolgen. Die Rationale für die Abklärung der Wirbelsäule, insbesondere der tragenden Skelettanteile, rechtfertigt sich, falls eine ossäre Wirbelsäulenmetastasierung vorhanden ist, durch die Gefahr für eine drohende Querschnittsfraktur. In dieser Situation sind stabilisierende Maßnahmen zu empfehlen, wie die Anpassung von Orthesen oder orthopädisch-operative Maßnahmen, die zu einer entsprechenden Konsolidierung bzw. Stabilisierung führen.
Vorgehensweise
Bei Verdacht auf Mammakarzinom in der Schwangerschaft
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Eine klinische Untersuchung der Mamma ist integraler Bestandteil zu Beginn der Schwangerschaft (nach Mutterschaftsrichtlinien).
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Jede Veränderung, die länger als 1 Monat besteht, sollte weiter abgeklärt werden
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durch eine ergänzende Ultraschalluntersuchung
-
durch eine Mammografie in 2 Ebenen mit Bleischürze
-
bei Verdacht auf Vorliegen eines Malignoms durch Stanzbiopsie
-
ggf. Staging:
Therapiemöglichkeiten
Fallbeispiel
32-jährige 0-Para, Erstgravida mit Diagnose eines Mammakarzinoms in der 22. SSW. Histopathologisch zeigte sich ein duktal invasives Mammakarzinom, partiell schleimbildend. Die Patientin wünschte ein primär operatives Vorgehen in Form einer Mastektomie mit axillärer Lymphonodektomie. Es handelte sich dabei um ein Tumorstadium pT2 pN0 G2 M0 R0 L0 V0 ER-Score 8, PR-Score 2, HER2 negativ, Ki-67 von 25%. Die Patientin erhielt in der Folge 4 Zyklen einer EC-Chemotherapie, wobei es 4 Wochen nach der letzten Applikation zu vorzeitigen Wehen und einem vorzeitigen Blasensprung in der 29 + 4 SSW kam. Bei pathologischem CTG wurde eine Sectio caesarea durchgeführt. Sie wurde von einem Mädchen mit 1360 g, „small for date“, aber sonst vital ohne weitere Hinweise für eine Kardiotoxizität entbunden. Die Patientin wünschte keine weitere Chemotherapie und erhielt in der Folge eine endokrine Therapie mit GnRH-Analoga und Tamoxifen.
In diesem Falle ist sowohl von fetaler als auch maternaler Seite das therapeutische Vorgehen gemäß den Vorgaben erfolgt. Die vorzeitige Entbindung war von geburtshilflicher Seite erforderlich. Eine genetische Testung auf das Vorliegen einer BRCA1/2-Mutation war aufgrund des Alters der Patientin in jedem Falle dringend empfohlen worden.
Gestationsaltersabhängige Therapie
Generell unterscheiden sich die einzelnen Therapiemaßnahmen beim Mammakarzinom in der Schwangerschaft nicht von einem therapeutischen Vorgehen außerhalb einer Schwangerschaft. Auch in der Schwangerschaft sind die üblichen multimodalen Therapiekonzepte in entsprechender Sequenz einzusetzen – allerdings unter Berücksichtigung der jeweiligen Toxizitäten. Dies beinhaltet die Wahl und den Zeitpunkt der Systemtherapie und die operative Intervention, durchaus auch mit Sentinel-Node-Biopsie. Möglich ist dabei sowohl ein ablatives operatives Vorgehen als auch eine brusterhaltende operative Intervention.
Cave
In der Schwangerschaft sollten in keinem Fall eine Radiatio bzw. Radiotherapie und auch keine endokrine Therapie durchgeführt werden.
Ein Therapiealgorithmus in Abhängigkeit des Gestationsalters (< 12. – 14. SSW, 12. – 34. SSW, sowie nach der 40. SSW) der Tumorbiologie auch in Abhängigkeit der lokalen Operabilität ist in [Abb. 1] und [Abb. 2] aufgelistet.
Abb. 1 Therapierichtlinien in der 12. – 14. Schwangerschaftswoche (bei Diagnosestellung).
Abb. 2 Therapierichtlinien in der 12. – 34. Schwangerschaftswoche (bei Diagnosestellung).
Operative Therapiemaßnahmen in der Schwangerschaft
In der Schwangerschaft können sowohl brusterhaltende operative Interventionen als auch ablative Verfahren angewandt werden. Die Leitlinie, basierend auf der dazu vorliegenden Literatur, gibt pauschal die Empfehlung an „OP wie bei Nichtschwangeren“ [8], [9]. Wählt man einen Brusterhalt, muss berücksichtigt werden, dass die hierzu erforderliche Strahlentherapie erst nach Abschluss der Schwangerschaft möglich ist [10].
Auch die Möglichkeit einer Sentinel-Biopsie wird als machbar bezeichnet. Dies ist möglich mit standardmäßiger Technetium-Markierung. Daraus resultieren maximale Strahlenbelastungen bis 4,3 mGy.
Cave
Die Blaumarkierung ist bei der Sentinel-Node-Biopsie wegen möglicher auftretender anaphylaktischer Reaktionen kontraindiziert.
Zur Frage der diagnostischen Aussagefähigkeit ist zu berücksichtigen, dass keine Daten zur Sensitivität und Spezifität einer Technetium-Markierung bei Einsatz in der Schwangerschaft vorliegen.
Praxistipp
Nach einer Sentinel-Node-Biopsie mittels Technetium-Markierung sollte die Patienten für 24 Stunden auf das Stillen verzichten.
Fallbeispiel
Eine 28-jährige 1-Para, 2-Gravida stellt sich mit Erstdiagnose eine Mammakarzinoms links in der 24. SSW vor. Klinisches Tumorstadium cT2 cN3 cM0 G3-NST ER-Score 8, PR-Score 4, HER2 negativ, Ki-67 von 60 – 70%. In diesem Falle war wegen der doch relativ großen Tumorlast, des positiven Nodalstatus und der Aggressivität des Tumors zunächst die Entscheidung für den Beginn einer Chemotherapie mit Epirubicin und Cyclophosphamid getroffen worden. Die Patientin hatte 4 Zyklen erhalten, wobei es nach 4 weiteren Wochen zu einem Spontanpartus in der 39. SSW kam. Männliches Neugeborenes mit guten Apgar-Werten und einem Gewicht von 3420 g. Im Anschluss erhielt die Patientin noch 4 Zyklen einer taxanhaltigen Chemotherapie in Form von Docetaxel in 3-wöchentlichen Intervallen nach Standarddosierung. Die in der Folge durchgeführte brusterhaltende Therapie zeigte ein sehr gutes Ansprechen in Form einer kompletten histopathologischen Remission des Primärtumors: ypT0 ypN1a (3/12) cM0 L0 V0 R0.
Im Anschluss erhielt die Patientin die typische Radiatio bei Brusterhalt unter Einbeziehung der Lymphabflussgebiete. Im Weiteren war die typische endokrine Therapie mit Tamoxifen geplant. Unter Berücksichtigung des jugendlichen Alters wurde die genetische Testung empfohlen. Die Entscheidung zur Durchführung einer primären Chemotherapie resultierte aus dem fortgeschrittenen Tumorstadium und den tumorbiologischen Zeichen einer hohen Proliferation. Aufgrund der berechneten Zeitschiene war die Epirubicin/Cyclophosphamid-haltige Chemotherapie exakt zum Geburtstermin, unter Berücksichtigung des entsprechenden 3-wöchentlichen Intervalls, beendet. Bei der Patientin als Zweitgebärende mit unauffälligem Geburtsverlauf im Rahmen der ersten Entbindung war ein, zumindest aufgrund des Schwangerschaftsverlaufes, problemloser Partus zu erwarten. Zum Zeitpunkt der Entbindung lag keine Neutropenie vor.
Neoadjuvante/adjuvante Systemtherapien
Überlegungen zum Einsatz einer Chemotherapie in der Schwangerschaft
Eine Chemotherapie ist bei entsprechender Wahl des Zytostatikums sowohl im adjuvanten als auch im neoadjuvanten Setting möglich [10], [11]. Eingeschränkt bzw. ausgeschlossen wird allerdings das 1. Trimenon der Schwangerschaft. Im Falle einer Neoadjuvanz ist das entsprechende Monitoring zur Überprüfung des Therapieansprechens analog dem Vorgehen außerhalb einer Schwangerschaft zu garantieren. Dies bedeutet die problemlose Ultraschalluntersuchung, ggf. auch eine Mamma-MRT-Untersuchung ([Abb. 3]).
Abb. 3 Verlaufskontrolle bei primärer Chemotherapie in der Schwangerschaft mittels MRT und Ultraschall. Gutes Ansprechen nach 4 Zyklen Epirubicin/Cyclophosphamid-Mamma-MRT vor operativer Intervention. Postoperativ ist die komplettierende Taxantherapie geplant.
Merke
Eine Chemotherapie kann im 2. und 3. Trimenon einer Schwangerschaft durchgeführt werden.
Welche Zytostatika können verabreicht werden unter Berücksichtigung der fetalen Entwicklung?
Generell verabreicht werden können Anthrazykline in Kombination mit Cyclophosphamid. Anthrazykline sind plazenta- und milchgängig. Eine potenzielle fetale Kardiotoxizität ist zu berücksichtigen. Aus diesen und auch in der Folge noch aufgelisteten Gründen ist deshalb eine engmaschige Betreuung während der Chemotherapie auch vonseiten des Pränataldiagnostikers und Geburtshelfers erforderlich.
Praxistipp
Eine Entbindung sollte möglichst in einem Perinatalzentrum erfolgen, um eine Überwachung des Kindes postpartal zu ermöglichen.
Sofern es möglich ist, ist eine Entbindung im Nadir zu vermeiden, d. h. in der Phase, in der potenziell eine Neutropenie auftreten kann.
Potenziell können in der Neonatalphase nach erfolgter Therapie mit Anthrazyklinen beim Neugeborenen Herzrhythmusstörungen auftreten. Auch eine kardiale Abklärung beim Neugeborenen ist zu empfehlen, zumindest in Form von Ausschluss möglicher Rhythmusstörungen mit ggf. einer kurzfristigen Monitorüberwachung und Durchführung einer Echokardiografie.
Cyclophosphamid weist eine hohe Teratogenität im 1. Trimenon auf. Diese Substanz ist ebenfalls im 2. und 3. Trimenon plazentagängig, aber gut einzusetzen.
Merke
Verabreicht werden können vorzugsweise Anthrazykline und Cyclophosphamid in Form des am häufigsten auch außerhalb der Schwangerschaft angewandten EC-Therapieschemas.
5-Fluorouracil ist ebenfalls plazentagängig, allerdings bei etwas unklarer Datenlage. Da 5-Fluorouracil in der Primärbehandlung des Mammakarzinoms keine wesentliche Rolle mehr spielt, muss dieser Ansatz nicht weiterverfolgt werden.
Mittlerweile liegen ausreichend Erfahrungen mit Taxanen in der Schwangerschaft vor, sodass der Einsatz von der AGO mit der Empfehlung einfach + ausgewiesen ist (AC bzw. EC mit doppelplus ++ ausgewiesen). In einer Übersichtsarbeit aus 2019 wurden 16 Studien mit 50 Schwangerschaften erfasst. Dabei betrug das mittlere Gestationsalter bei Geburt 35,9 SSW, das mittlere Geburtsgewicht 2380 g. In 76,7% kam es zur Geburt eines gesunden Neugeborenen. In den übrigen Fällen wurden vor allem Probleme wie Dystrophie, Frühgeburtlichkeit, aber auch ein Hydrozephalus und passagere Neutropenien beschrieben. Methotrexat (MTx) als Antimetabolit ist kontraindiziert.
Das zu Beginn der Chemotherapie-Ära beim Mammakarzinom fast routinemäßig eingesetzte CMF-Schema, bestehend aus Cyclophosphamid, Methotrexat und 5-Fluorouracil, hat heute keinen therapeutischen Stellenwert mehr.
Für Carboplatin existieren Daten, insbesondere im Rahmen des therapeutischen Einsatzes beim Ovarialkarzinom. Durch den Einsatz von Cisplatin wird meist ein gehäufter fetaler Hörverlust beschrieben. Somit scheint Carboplatin sicherer zu sein, allerdings sind bei einem Einsatz potenzielle Organtoxizitäten sowie Neutro- und Thrombopenien zu berücksichtigen.
Merke
Auf potenzielle Risiken durch die Chemotherapie in Form einer neonatalen Neutro-Thrombopenie und kardialer Auffälligkeiten sollte geachtet werden [11].
Praxis
Adjuvante Systemtherapie im 2. und 3. Trimenon
Einsatz von Antikörpern und Targeted Therapien in der Schwangerschaft
Anders als außerhalb der Schwangerschaft können Antikörper und Biologika in Form von „Small Molecules“ in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden. Bei einer im Tierversuch nachgewiesenen Plazentagängigkeit ist die erhöhte Rate an Abortgeschehen und eine erhöhte Fehlbildungsrate bei Einsatz dieser Substanzklasse zu erklären. Eine kurze Übersicht ist in [Tab. 2] dargestellt.
Tab. 2 Risiken beim Einsatz von Biologika in der Schwangerschaft.
Trastuzumab
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Lapatinib
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Bevacizumab
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plazentagängig (via Pinozytose)
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im Affenmodell keine Reproduktionstoxizität
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9 publizierte Fallberichte (adjuvant und metastasiert)
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wahrscheinlich plazentagängig
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ein publizierter Fallbericht: verabreicht bis zur 12. SSW., Entbindung 36. SSW, unauffälliges Follow-up (18 Monate)
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Fazit: keine generelle Applikation in der Gravidität zu empfehlen
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Fazit: kontraindiziert
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Fazit: kontraindiziert
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Dabei liegen für die Therapie mit Antikörpern relativ viele Berichte zum Einsatz von Trastuzumab vor. Dieser Antikörper ist plazentagängig via Pinozytose. Es existieren mittlerweile mehrere publizierte Fallberichte, in denen Trastuzumab sowohl im adjuvanten als auch im metastasierten Stadium angewandt wurde. Da dieser Antikörper möglicherweise zu einer VEGF-Expression führt und es damit zu einem Einfluss auf die Regulation der Permeabilität des Amnions kommt, lassen sich Beobachtungen wie eine reduzierte Fruchtwassermenge dadurch erklären. Zusätzlich scheint die fetale Nierenfunktion reduziert zu sein. Es führt wie in den vereinzelten Publikationen beschrieben zu einer Entwicklung eines Oligo- bis Anhydramnions und einer intrauterinen Wachstumsstörung (IUGR-Wachstum). Assoziiert ist diese Veränderung mit einer hohen Frühgeburtsrate (in den Studien bis zu 78%) und entsprechend zu einer Lungen-Nieren-Funktionsstörung beim Neugeborenen (43%). Generell ist deshalb keine Applikation in der Gravidität zu empfehlen.
Merke
Trastuzumab sollte auf keinen Fall adjuvant oder neoadjuvant eingesetzt werden.
Pertuzumab sollte aufgrund des Wirkmechanismus nur in Kombination mit Trastuzumab eingesetzt werden und muss deshalb nicht weiter verfolgt werden.
Bevacizumab als VEGF-Antikörper bzw. Antiangiogenese-Antikörper ist ebenfalls plazentagängig via Pinozytose. Im Tierversuch waren gehäuft skelettale Fehlbildungen aufgetreten, eine erhöhte Abortrate und intrauterine Wachstumsretardierungen. Beim Menschen liegen zumindest keine publizierten Erfahrungen vor.
Der Tyrosinkinasehemmer Lapatinib weist als „Small Molecule“ sehr wahrscheinlich eine gewisse Plazentagängigkeit auf. Auch hier zeigen Tierversuche eine erhöhte Abortrate. Im Weiteren sind im Tierversuch skelettale Fehlbildungen und Wachstumsretardierungen beschrieben.
Merke
Auch der Einsatz von Antikörpern wie Bevacizumab oder Small Molecules ist in der Schwangerschaft kontraindiziert.
In einem publizierten Fallbericht wurde die Substanz bis zur 12. SSW verabreicht. Nach Entbindung in der 36. SSW war das Follow-up zunächst über 18 Monate unauffällig. Bei einer Patientin (am eigenen Zentrum betreut), die bei erheblichem Remissionsdruck durch die metastasierte Erkrankung Lapatinib auf eigene Intention während der gesamten Schwangerschaft einnahm, zeigte sich mit Ausnahme der Frühgeburtlichkeit und einer fetalen Wachstumsretardierung keine Auffälligkeit. Dennoch sollte die Substanz in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden.
30-jährige Erstgebärende, bei der bereits in der 19. SSW ein Mammakarzinom diagnostiziert wurde. Fortgeschrittenes Tumorstadium, sodass man sich zunächst für eine Epirubicin/Cyclophosphamid-haltige Chemotherapie in typischer Form (4 Zyklen, 3-wöchentliche Intervalle) entschied. Nach abgeschlossenen 4 Zyklen hatte man bei gutem Tumoransprechen (initial cT3-Tumorstadium, cN2) sich für eine operative Intervention ablativ mit axillärer Lymphonodektomie entschieden. Histopathologisch zeigte sich ein Tumorstadium ypT1b ypN2a (6/10) L1 V0 R0 zunächst cM0 ER-positiv, PR-negativ, HER2-positiv. Wegen unstillbarem Erbrechen wurde in der 36. SSW relativ zeitnah zur operativen Intervention der Mamma eine primäre Sectio caesarea durchgeführt. Das entbundene Neugeborene war unauffällig. Die zu diesem Zeitpunkt durchgeführte komplettierende Staging-Diagnostik gezielt auch wegen der Emesis hatte den Nachweis einer zerebralen Filialisierung ergeben. Dies war letztendlich auch die Ursache für die extreme Emesis. In der Folge waren eine neurochirurgische Resektion und Ganzhirnbestrahlung durchgeführt worden. Unter Berücksichtigung des HER2-positiven Status wurde bei zusätzlich diagnostizierter hepatischer und pleuraler Metastasierung eine Chemotherapie in Form einer Taxangabe (Nab-paclitaxel) mit Trastuzumab + Pertuzumab verabreicht. Das Tumoransprechen war sehr gut.
Symptome wie Emesis, Hyperemesis können sowohl schwangerschaftsbedingt, nebenwirkungsbedingt, aber auch krankheitsbedingt sein. Postpartal wurde deshalb auch bei anhaltender Symptomatik eine entsprechende gezielte zerebrale Diagnostik zusammen mit der Umfelddiagnostik durchgeführt. Im Weiteren kam es auf die Kombinationstherapie bestehend aus Taxan- und Antikörpergabe zu einem guten Tumoransprechen.
Endokrine Therapie
Endokrine Therapieformen sind in der Schwangerschaft generell kontraindiziert. Hier bestehen wenig Fallberichte über das Auftreten eines sogenannten Goldenhar-Syndroms sowie über Fehlbildung insbesondere im Mausmodell im Genitaltrakt.
Merke
Endokrine Therapien sind generell erst nach Entbindung einsetzbar, da genitale Fehlbildungen und das Goldenhar-Phänomen beschrieben sind.
Besonderheiten zum fetalen Monitoring und der Entbindung unter Chemotherapie
Eine Systemtherapie in Form einer Chemotherapie kann wie oben geschrieben potenziell mit einem höheren Risiko für den Fetus vergesellschaftet sein. Dies ist auch im breiten Spektrum zwischen der 14. und 36. SSW verständlicherweise variabel. Neben einem onkologischen Monitoring der Patientin sollte üblicherweise auch von fetaler Seite ein Monitoring pränataldiagnostisch und geburtshilflich erfolgen.
Praxistipp
Fetale Wachstumskontrollen sind begleitend zu einer Chemotherapie engmaschig erforderlich sowie ein gezielter Organultraschall des Fetus. Denn substanzunabhängig besteht ein erhöhtes Risiko für eine IUGR und daraus resultierend ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt.
Eine Behandlung in der Schwangerschaft bedeutet generell ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer intrauterinen Wachstumsretardierung (IUGR) und damit ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburtlichkeit. Damit assoziiert ist ein niedrigeres Geburtsgewicht. Vereinzelt werden wegen der Plazentagängigkeit der Zytostatika passagere Leukopenien der Neugeborenen beschrieben. Empfohlen wird deshalb eine Entbindung in einem Perinatalzentrum, um ein entsprechendes Monitoring der Neugeborenen zu garantieren. Wie bereits erwähnt, sollte insbesondere nach Anthrazyklingabe auch eine kardiale Abklärung bzw. ein Monitoring der Neugeborenen erfolgen, insbesondere unter dem Aspekt von potenziell auftretenden Herzrhythmusstörungen. Wurden Chemotherapien im 1. Trimenon verabreicht, besteht ein Risiko von fetalen Malformationen in immerhin 14 – 19%der Fälle.
Praxis
Mammakarzinom und Schwangerschaft
Einsatz supportiver Therapiemaßnahmen
Für den Einsatz von Kortikoiden gilt, dass eine Verabreichung im 1. Trimenon nur in geringer Dosierung erfolgen sollte. Setrone sind zur Antiemese essenziell. Hier liegen Erfahrungen insbesondere in Form des Ondansetron für das 2. und 3. Trimenon vor, die einen Einsatz erlauben. Ein Einsatz im 1. Trimenon der Schwangerschaft ist kontraindiziert, da ein erhöhtes Risiko für orofaziale Fehlbildungen besteht.
Merke
Zur Antiemese sind Setrone, vorzugsweise Ondansetron, im 2. und 3. Trimenon einsetzbar. Für das 1. Trimenon besteht ein erhöhtes Risiko, insbesondere für das Auftreten von Kiefer-Gaumen-Spalten und generell orofazialen Fehlbildungen.
Auf die Gabe von Wachstumsfaktoren (G-CSF bzw. Granulozyten-Kolonie stimulierender Faktor) zur Prävention bzw. Therapie einer durch die Chemotherapie induzierten Neutropenie sollte verzichtet werden. Da diese Substanzen plazentagängig sind, zeigte sich im Tierversuch bereits eine erhöhte Abort- und Fehlbildungsrate. Die Produktmonografien der zugelassenen Präparate beinhalten deshalb den Hinweis, dass ein Einsatz während einer Schwangerschaft nicht empfohlen wird. Die Substanzen wurden bei Zulassung der Präparate nicht bei Schwangeren oder in der Stillperiode untersucht. In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahre 2012 findet sich die Bemerkung, dass G-CSF mittlerweile klinischen Einsatz findet ohne „adverse events“, allerdings mit dem Hinwei, dass sich die Erfahrungen nur auf geringe Fallzahlen beziehen. Weiterführende Angaben finden sich dazu nicht, sodass in den aktuellen Leitlinien immer noch Zurückhaltung besteht.
Supportive Therapie
Antiemese
Wachstumsfaktoren – G-CSF
* Die Produktmonografien der zugelassenen Präparate beinhalten den Hinweis, dass ein Einsatz während einer Schwangerschaft nicht empfohlen wird. Die Substanzen wurden bei Zulassung der Präparate nicht bei Schwangeren oder in der Stillperiode untersucht. In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahre 2012 findet sich der Hinweis, dass G-CSF mittlerweile klinischen Einsatz findet ohne „adverse events“, allerdings mit dem Hinweis, dass die Erfahrungen nur auf geringen Fallzahlen beruhen. Weiterführende Angaben finden sich dazu nicht, sodass in den aktuellen Leitlinien immer noch Zurückhaltung besteht.
Entbindung
Entbindungsmodus und Zeitpunkt
Generell ist zu empfehlen, den Zeitpunkt der Entbindung in das gesamte Behandlungskonzept einzuplanen bzw. bei der Wahl der Therapieschritte zu berücksichtigen. Der Einsatz einer Epirubicin-Cyclophosphamid-haltigen Chemotherapie ist sowohl präoperativ in der Schwangerschaft (neoadjuvant bzw. als primäre Therapie) als auch postoperativ (adjuvant) problemlos durchzuführen. Geplant werden sollten dabei 4 Zyklen der konventionellen Therapie mit Epirubicin 90 mg/m2 Körperoberfläche in Kombination mit Cyclophosphamid 600 mg/m2 Körperoberfläche in der Regel in 3-wöchentlichen Intervallen. Eine taxanhaltige Chemotherapie ist in der Schwangerschaft möglich.
Merke
Eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft verbessert den mütterlichen Erkrankungsverlauf nicht [2].
Unter Berücksichtigung des Fetal Outcomes ist, wenn möglich, eine Frühgeburtlichkeit zu vermeiden. Die Entbindung wird in der Regel erst bei ausreichender kindlicher Reife, d. h. nach der 37. Schwangerschaftswoche angestrebt. Der Entbindungsmodus ist jeweils von der geburtshilflichen Situation und dem aktuellen Schwangerschaftsverlauf abhängig. Eine Entbindung im Nadir, d. h. bei potenziell auftretender Neutropenie, sollte vermieden werden.
Stillen
Zur Frage des Stillens sollten folgende Parameter berücksichtigt werden:
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Bei erforderlicher Fortführung bzw. Komplettierung der adjuvanten Chemotherapie sollte tendenzmäßig abgestillt werden, unter Berücksichtigung der Toxizitäten und der Tatsache, dass die genannten eingesetzten Substanzen in die Muttermilch übertreten.
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Postoperativ können prinzipiell ein Milchstau oder eine Mastitis begünstigt werden.
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Eine erforderliche Strahlentherapie nach Partus ist mit Stillen auf der betroffenen Seite nicht vereinbar (generell auf der Gegenseite möglich).
Schlussfolgerung
Ein in der Schwangerschaft diagnostiziertes Mammakarzinom ist biologisch nicht aggressiver als eine Erkrankung außerhalb der Schwangerschaft. Durch eine verzögerte Diagnosestellung liegt häufig bereits ein fortgeschritteneres Tumorstadium vor. Diagnostik und operative Therapie unterscheiden sich nur in wenigen Punkten von einem Vorgehen außerhalb der Schwangerschaft. Eine Chemotherapie ist ab dem 1. Trimenon sowohl neo- als auch adjuvant möglich. Eine Kombination aus Epirubicin und Cyclophosphamid ist die am besten überprüfte Zytostatika-Kombination. Aus der Gruppe der Supportiva kann als Antiemetikum Ondansetron eingesetzt werden, allerdings nicht im 1. Trimenon (im 1. Trimenon auch keine Chemotherapie indiziert). Eine interdisziplinäre Betreuung während der Schwangerschaft und die Geburt in einem Perinatalzentrum sind vorzugsweise zu empfehlen. Eine Strahlentherapie ebenso wie endokrine Therapieformen sind in der Schwangerschaft kontraindiziert.
Bei der Diagnose Mammakarzinom in der Schwangerschaft ist von geburtshilflicher Seite eine Chemotherapie, aber auch eine operative Intervention vertretbar. Während bei einem erforderlichen Down-Staging insbesondere auch bei einem ausgedehnten axillären Lymphknotenbefall eine primäre Chemotherapie favorisiert wird, kann bei Präferenz vonseiten der Patientin für ein operatives Vorgehen auch dieser Weg gewählt werden.
Merke
Die Therapie eines Mammakarzinoms in der Schwangerschaft erfordert eine intensive Interdisziplinarität.
Zu berücksichtigen ist das geburtshilfliche Monitoring inklusive fetaler Ultraschallverlaufskontrollen, die Durchführung einer Chemotherapie unter Berücksichtigung potenzieller Nebenwirkungen und das Monitoring bez. des Tumoransprechens mittels Ultraschall, ggf. auch mittels MRT.