Aktuelle Ernährungsmedizin 2019; 44(03): 185-187
DOI: 10.1055/a-0855-2545
Viewpoint
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sind Low-Carb-Diäten lebensgefährlich?

Are Low-Carb Diets Life-Threatening?
Nicolai Worm
1   Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, Hermann Neuberger Sportschule 3, Saarbrücken
,
Katharina Lechner
2   Lehrstuhl für Präventive und Rehabilitative Sportmedizin am Klinikum rechts der Isar, TU München
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Mai 2019 (online)

Preview

Zusammenfassung

Die kürzlich veröffentlichte ARIC-Studie wie auch eine Reihe weiterer zuvor veröffentlichter Langzeitbeobachtungsstudien (Kohortenstudien), haben ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko für Studienteilnehmer mit „niedrigerem“ Kohlenhydratanteil aufgezeigt. Bekanntlich können epidemiologische Erhebungen prinzipiell keine Kausalität belegen, sondern nur Assoziationen aufzeigen. Außerdem leiden epidemiologische Erhebungen in der Ernährungsmedizin oft unter fehleranfälligen Erhebungsmethoden, wie auch unter konfundierenden, nicht oder nicht adäquat berücksichtigten Lebensstil- und Umwelteinflüssen (Healthy User Bias).

Obwohl die ARIC-Studie keine Diät und insbesondere keine Low-Carb-Diät experimentell überprüft hatte, und trotz der bekannten Problematik epidemiologischer Studien, sorgten Schlagzeilen wie „Low-Carb-Diäten sind lebensgefährlich“ weltweit für Verunsicherung bei Verbrauchern, bei denen sich solche Diäten zur Gewichtskontrolle wie auch zur Therapie von Stoffwechselstörungen einer immer größeren Beliebtheit erfreuen. Die Ergebnisse dieser epidemiologischen Studien stehen auch im Widerspruch zu den inzwischen in randomisiert-kontrollierten Interventionsstudien gut belegten günstigen metabolischen Effekten von Low-Carb-Diäten – insbesondere unter einer mediterran ausgerichteten kohlenhydratreduzierten Ernährung. Vor diesem Hintergrund finden Low-Carb-Diäten neuerdings auch Anerkennung in Fachkreisen und Eingang in Leitlinien. Ziel des vorliegenden Viewpoints ist es, anhand der aktuellen Publikation zur ARIC-Studie mit den dort postulierten Einflüssen der Ernährung auf die Sterblichkeit zu diskutieren, wie problematisch es ist, auf Basis unzureichend kontrollierbarer epidemiologischer Daten auf kausale Zusammenhänge zu schließen. Gleichzeitig soll die auf die Veröffentlichung der ARIC-Studie gefolgte mediale Berichterstattung mit ihren eindeutigen Schlussfolgerungen zur angeblichen Gefährlichkeit von „Low-Carb-Diäten“ der Evidenz gegenübergestellt werden.

Abstract

The ARIC-Study, and other previously published observational studies (cohort studies) have reported an increased mortality risk for participants consuming a lower percentage of carbohydrates in their diet. It is well known that epidemiological studies per se cannot establish causal relationships. Furthermore, epidemiologic studies are especially problematic in nutritional medicine due to the error-prone methodology of food frequency questionnaires, and confounding from lifestyle and environmental factors. Although the ARIC-Study had not tested any specific diet experimentally and certainly not a low-carb diet, and in spite of the known inherent problems of epidemiological studies, headlines along the lines of “low-carb diets are life-threatening” caused unsettling with consumers who increasingly embrace such diets for weight control and metabolic control. The results of these epidemiological studies are also at odds with the proven beneficial metabolic outcomes of randomized-controlled intervention studies – specifically for Mediterranean type low-carbohydrate diets. Accordingly, low-carb diets have recently gained recognition among leading experts in the field, and are recommended in major international guidelines for metabolic control in type 2 diabetes mellitus in dietary guidelines. This viewpoint discusses the limitations of the recently published ARIC-analysis. Furthermore we discuss the problems associated with misleading media coverage, including the inference of causality from epidemiological data. This often leads to insecurity with consumers.