Key words
embolization - segmental arterial mediolysis - visceral artery aneurysm
Einleitung
Die segmentale arterielle Mediolyse (SAM) wurde 1976 erstmals beschrieben [1]. Histologisch handelt es sich um eine nicht atherosklerotische, nicht inflammatorische,
nichtinfektiöse Arteriopathie vorwiegend mittelgroßer Viszeral-Arterien, welche durch
eine vakuoläre Degeneration der glatten Muskelzellen der Media gekennzeichnet ist.
Im Verlauf kommt es durch die konfluierenden Vakuolen zu einer Disruption der Media
mit intramuralem Hämatom und Fibrinablagerung. Insgesamt ergibt sich das Bild einer
fleckförmigen, segmentalen Mediolyse („arterial gaps“), welche letztendlich in Form
von Dissektionen, Aneurysmata-Bildung, Stenosierungen und/oder Okklusionen symptomatisch
wird [2]
[3]
[4]
[5]. Die Ätiologie der Erkrankung ist bisher nicht bekannt, postuliert wurden Endothelläsionen
als Folge von repetitiven Vasospasmen bei Hypoxie, Hypotonie oder Sepsis [6]. Betroffen sind vorwiegend Patienten im mittleren bis hohen Alter (40–80 Jahre)
[7]. In etwa 3/4 der Fälle sind Gefäße des Viszeral-Gebiets involviert, am häufigsten
die A. splenica [8].
Charakteristisches Merkmal der SAM sind dissezierte Aneurysmata, welche potenziell
rupturieren und lebensgefährliche intraperitoneale und/oder retroperitoneale Blutungen
verursachen können. Alternativ werden reparative Mechanismen in Gang gesetzt, welche
zur Bildung von Granulationsgewebe mit nachfolgender Fibrosierung der Gefäßwand führen.
Fast 50 % der Patienten weisen mehrere Aneurysmata auf. Die Mortalität beträgt bei
Ruptur ca. 20 % [7]
[8].
Klinik und Bildgebung der SAM sind nicht spezifisch, es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose.
Differenzialdiagnostisch müssen zunächst andere nicht inflammatorische Gefäßerkrankungen,
wie z. B. Atherosklerose, Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom oder fibromuskuläre
Dysplasie, sowie inflammatorische Gefäßerkrankungen wie Vaskulitiden oder mykotische
Aneurysmata ausgeschlossen werden, da sich die Therapie dieser Entitäten grundlegend
unterscheidet.
Die SAM kann ausgedehnte viszerale Areale betreffen und stellt eine therapeutische
Herausforderung dar. Regelmäßige CT-Verlaufskontrollen, das sogenannte „watchful waiting“,
stehen einem invasiven (d. h. endovaskulären oder chirurgischen) Therapieansatz gegenüber. Offizielle
Leitlinien hierzu wurden bisher nicht veröffentlicht.
Eine spontane Regression der SAM ist möglich [9]. Nach Ausschluss einer imminenten Ruptur (periarterielle Fettgewebs-Imbibierung,
Bruch von Wand-Kalzifikationen, penetrierende Ulzera) oder Endorgan-Ischämie kann
eine konservative Therapie mit engmaschiger Kontrolle und Einstellung des Blutdrucks
in etwa 2/3 der Fälle zum Erfolg führen [7]. Im Falle der Notwendigkeit einer Intervention ist die endovaskuläre Therapie aufgrund
der geringeren Komplikationsrate bei ähnlich hoher Erfolgsquote der chirurgischen
Therapie wahrscheinlich vorzuziehen [7]. Die Aneurysmata werden hierbei mittels Coil-Embolisation der ab- und zuführenden
Gefäße oder Stent-Grafting ausgeschaltet. Chirurgische Optionen sind die Resektion
des aneurysmatischen Segments, die Gefäßligatur oder ein arterio-arterieller Bypass.
Das ausgedehnte Ausschalten ganzer viszeraler Gefäßterritorien wurde unseres Wissens
nach bisher noch nicht untersucht.
Material und Methoden
Untersucht wurde retrospektiv das postinterventionelle Ergebnis von 4 Patienten unseres
Instituts mit der Diagnose SAM, welche zwischen 2011 und 2016 mittels extensiver Embolisation
viszeraler Arterien therapiert wurden. Bei weniger als fünf retrospektiv untersuchten
Patienten musste kein Ethikantrag gestellt werden. Zum Ausschluss einer anderweitigen
Pathologie erfolgte eine ausführliche diagnostische Abklärung. Dies umfasste eine
ausführliche Anamneseerhebung (z. B. Infektion, Trauma, Begleitbeschwerden), Familiengeschichte,
klinische Untersuchung, Urinanalyse und Bestimmung multipler Laborparameter (u. a.
Entzündungswerte, BSR, diverse bei Vaskulitiden positive Auto-Antikörper). Bei konservativer
Therapie oder nach Intervention betrugen die CT-Kontrollintervalle 1, 3, 6, 12 und
24 Monate. Als maximale Follow-Up-Zeit wurde die letzte Bildgebung nach Diagnose respektive
Embolisation angegeben.
Ergebnisse
Die 4 Patienten waren Männer im Alter von 49 bis 80 Jahren. 2 Patienten kamen mit
einer akuten Symptomatik, bei den beiden anderen Patienten wurde eine SAM bei Symptomfreiheit
als Zufallsbefund diagnostiziert ([Tab. 1]).
Tab. 1
Die Patienten Nr. 1 und Nr. 2 hatten Zufallsbefunde in der Sonografie bzw. Thorax
CT während Patienten Nr. 3 und 4 symptomatisch waren.
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Patient
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Alter, Geschlecht
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Pathologische Gefäße (Durchmesser)
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Primäre Therapie
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Verlauf
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Follow-Up
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1
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80, m
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Aneurysma A. hepatica communis et propria (2,2 cm)
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Coil Embolisation der A. hepatica communis, dextra, media, sinistra und A. gastroduodenalis
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Thrombosierung Aneurysma
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7 Jahre
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Aneurysma A. mesenterica superior (1,3 cm)
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Konservativ
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größenstationär
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7 Jahre
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2
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49, m
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Disseziertes Aneurysma Truncus coeliacus (1,5 cm)
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Konservativ
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größenstationär
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3 Jahre
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Aneurysma A. hepatica propria (2,4 cm)
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Coil Embolisation der A. hepatica
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Thrombosierung und Größenregredienz des Aneurysmas
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2 Jahre[
1
]
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3
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51, m
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Dissektion Truncus coeliacus (1,1 cm)
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Zunächst konservativ; bei Progredienz mehrerer Aneurysmata nach 6 Monaten Entscheid
zur Intervention mit Coil-Embolisation der A. splenica, A. gastrica sinistra, A. hepatica
dextra und sinistra, A. gastroduodenalis, Stentgraft Abgang des Truncus coeliacus
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Post-interventionell iatrogene temporäre arterio-portale Fistel für 12 Monate
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4 Jahre
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Stenosierende Dissektion A. splenica (8 mm)
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Spontaner Verschluss der A. splenica mit Milzinfarkten; Embolisation erfolgte zur
Verhinderung einer retrograden Perfusion
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Disseziertes, partiell thrombosiertes Aneurysma A. hepatica communis (1,7 cm)
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Größenregredienz postinterventionell[
2
]
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Stenosierendes Wandhämatom A. gastroduodenalis (0,6 cm)
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Größenregredienz postinterventionell
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Disseziertes, partiell thrombosiertes Aneurysma A. hepatica dextra (1,3 cm)
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Größenregredienz postinterventionell
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Disseziertes, partiell thrombosiertes Aneurysma A. hepatica sinistra (1,1 cm)
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Größenregredienz postinterventionell
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Stenosierende Dissektion A. renalis sinistra (0,8 cm)
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größenstationär
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4
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76, m
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Aneurysmata anteriore (0,6 cm) und posteriore (2 × 0,4 cm) pankreaticoduodenale Arkade
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Coil Embolisation der gesamten anterioren und posterioren pankreatico-duodenalen Arkade
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Aneurysmata im Verlauf nicht mehr sichtbar
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5 Jahre
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1 Gerechnet ab Embolisation.
2 Wegen Artefakten durch Coils Beurteilung etwas eingeschränkt.
Von den symptomatischen Patienten klagte einer über plötzlich einsetzende stärkste
abdominelle Schmerzen mit Ausstrahlung in den Rücken. In der CT-Angiografie zeigten
sich 3 Aneurysmata der pankreatikoduodenalen Arkade mit großflächigem Hämatom am Pankreaskopf.
Die Aneurysmata wurden mittels Coil-Embolisation ausgeschaltet.
Der andere symptomatische Patient berichtete ebenfalls über plötzlich einsetzende
starke abdominelle Schmerzen. In der CT-Angiografie zeigten sich Dissektionen und/oder
Aneurysmata fast aller Äste des Truncus coeliacus (Ausnahme A. gastrica sinistra)
sowie eine Dissektion der A. renalis sinistra. Im interdisziplinären Gefäßkolloquium
wurde zunächst ein konservatives Vorgehen mit Blutdruckregulation, Thrombozytenaggregationshemmer
und kurzfristigen Verlaufskontrollen beschlossen. Trotz regredienter Symptomatik stellten
sich die Aneurysmata größenprogredient dar mit Durchmesser der A. hepatica dextra
bis 2,1 cm, welche sogar eine beginnende Kompression der V. portae und Perfusions-Inhomogenitäten
der Leber zur Folge hatte ([Abb. 1]).
Abb. 1 a Initiales CT mit aneurysmatischer Erweiterung der Arteria hepatica communis, dextra
und sinistra, welche wandadhärente Thromben aufweisen. Ebenfalls erkennbar ist die
langstreckige Dissektion der A. splenica mit Milzinfarkt. b Die CT-Kontrolle nach 3 Monaten zeigt eine progrediente Erweiterung der hepatischen
Arterien mit Auflösung der Thromben. Die A. splenica ist nun proximal verschlossen,
die Milz bereits atrophiert. c 6 Monate nach der initialen CT progrediente Erweiterung der Aneurysmata mit erneut
ausgedehnter Wand-Thrombosierung und beginnender Perfusionsstörung der Lebersegmente
II/III. d 3 Jahre nach Coil-Embolisation und Stent-Graft des Truncus coeliacus findet sich
das gesamte Gefäßterritorium des Truncus verschlossen, die hepatischen Aneurysmata
sind geschrumpft. Die Leber wird weiterhin gut von Seitenästen perfundiert.
Bei den beiden asymptomatischen Patienten zeigten sich Aneurysmata des Truncus coeliacus
bzw. der A. hepatica communis/propria als Zufallsbefunde in der Abdomen-Sonografie
oder in der Thorax-CT. Beim ersten Patienten wurde im interdisziplinären Angio-Board
aufgrund der stark irregulären Aneurysma-Form der A. hepatica communis/propria ein
aktives Vorgehen mit Coil-Embolisation beschlossen. Der zweite Patient entwickelte
zwischen der Verlaufskontrolle nach 6 und 12 Monaten ein 2,4 cm großes Aneurysma der
A. hepatica propria, welches aufgrund der starken Dynamik mit Coils behandelt wurde.
Bei allen Patienten wurde das gesamte erkrankte Gefäßterritorium mittels Coil-Embolisation
in einer Sitzung ausgeschaltet. In 3 Fällen wurde das komplette Lebergefäßterritorium
ausgeschaltet. Voraussetzungen für die Embolisation waren eine normale Leberfunktion
und eine offene Vena portae. In 1 dieser Fälle wurde zusätzlich zur Coil-Embolisation
aufgrund eines dissezierten Aneurysmas des Truncus das gesamte Stromgebiet des Truncus
coeliacus durch Überstenten des Abgangs mittels Stent-Graft ausgeschaltet ([Abb. 2]). Aufgrund von arterio-portalen Verbindungen, welche während der Intervention aufgetreten
waren, war der Truncus bis 1 Jahr postinterventionell retrograd portalvenös durchströmt
und thrombosierte erst anschließend.
Abb. 2 a Koronare Maximum-Intensitätsprojektion (MIP) der CT 6 Monate nach initialer Diagnose
mit starker Erweiterung und Irregularität der A. hepatica communis, A. hepatica dextra
und sinistra. Die wandadhärenten Thromben (Abb. 1) sind in dieser Projektion nicht
sehr gut ersichtlich. b Angiografie des Truncus coeliacus nach Coil-Embolisation der A. splenica, der Aa.
hepaticae und der A. gastroduodenalis: Die A. hepatica communis ist auffällig glatt
mit aufgehobener Torquierung. Die Leber wird partiell über Äste der A. gastrica sinistra
versorgt. Es zeigt sich bereits hier eine Verbindung der A. hepatica sinistra mit
der Pfortader. c, d Antero-posteriore und seitliche Angiografie des Truncus coeliacus nach weiterer Embolisation
der A. hepatica communis sowie der A. gastrica sinistra. Es zeigt sich eine weitere,
größere Verbindung des Truncus direkt mit der Pfortader.
Die Patienten wurden alle 1 Nacht zur Überwachung hospitalisiert. Postinterventionell
zeigten sich außer der temporären arterio-portalen Fistel keine Kurz- oder Langzeitkomplikationen,
insbesondere keine Blutungen, Leberinsuffizienz, Leberabszesse oder Gallengangs-Nekrose.
Es zeigte sich im Verlauf eine vollständige Regredienz der Aneurysmata. Neu aufgetretene
Irregularitäten oder Aneurysmata konnten nicht nachgewiesen werden.
Schlussfolgerung und Diskussion
Schlussfolgerung und Diskussion
Die wahre Prävalenz der SAM wird in der Literatur mutmaßlich unterschätzt, da sie
asymptomatisch oder subklinisch verlaufen kann und zudem nicht jeder Patient mit abdominellen
Beschwerden mittels Angio-CT abgeklärt wird. Aufgrund der zugrunde liegenden Mediolyse
und anzunehmenden Fragilität der Gefäße mit Neigung zu Dissektionen und Ruptur ist
bei Patienten mit einer SAM, sofern klinisch vertretbar, von einer Katheter-technischen
oder chirurgischen Manipulation abzusehen und ein primär konservatives Vorgehen mit
„watchful waiting“ zu favorisieren. Die Fragilität wurde in unserer Studie mit der
iatrogenen arterio-portalen Fistel verdeutlicht. Bei einer abwartenden Behandlungsstrategie
sollte beachtet werden, dass in der Literatur ein konservativer Ansatz nur in 64 %
(9 von 14 Fällen) erfolgreich war, wohingegen die endovaskulär oder chirurgisch behandelten
Fälle in 96 % (68 von 71 Fällen) zum Ziel führten [7]. Dies könnte einerseits an einer Unterdiagnose aus oben erwähnten Gründen bei vielen
spontanen Heilungsverläufen liegen. Andererseits liegt wahrscheinlich ein Publikationsbias
vor, da deutlich weniger konservativ behandelte Fälle publiziert wurden. Bei bereits
erfolgter Ruptur oder deutlicher Größenzunahme könnte die ausgedehnte endovaskuläre
Ausschaltung ganzer erkrankter viszeral-arterieller Gebiete mittels Coiling und eventuell
Stent-Graft eine sichere und effektive Behandlungsoption sein. Bei normaler Leberfunktion
und regelrechter Durchblutung über die Pfortader scheint das Risiko hepatobiliärer
Komplikationen auch nach großräumiger Embolisation gering zu sein.
Limitationen unserer Studie sind die geringe behandelte Fallzahl (n = 4), die retrospektive
Analyse sowie fehlende Randomisierung und Kontrollen.
Klinische Relevanz der Studie
Aus wissenschaftlicher Sicht wäre eindeutig eine randomisierte kontrollierte Studie
für das Outcome der unterschiedlichen Therapiemodalitäten bei SAM wünschenswert. Da
die Erkrankung jedoch eine seltene Ausschlussdiagnose ist, sind solche Studien kaum
durchführbar und Beobachtungsstudien mit Langzeit-Follow-Up sind die realistischere
Herangehensweise. Diese Studie trägt zur Evidenz bei, dass die endovaskuläre Ausschaltung
auch bei größeren viszeralen Stromgebieten eine mögliche Therapieoption ohne größere
Komplikationen darstellt. Zudem zeigt sich, dass sich nach dem „akuten Schub“ meistens
keine neuen erkrankten Areale manifestieren, was sich mit der bisher publizierten
Literatur deckt.