Key words
intracranial stenosis - atherosclerosis - cerebral ischemia - endovascular treatment
- stent - angioplasty
Einführung
Der Schlaganfall gehört zu den häufigsten Ursachen für Behinderung und Pflegebedürftigkeit
und stellt weltweit die zweithäufigste Todesursache dar [1]. In der kaukasischen europäischen Bevölkerung sind intrakranielle arteriosklerotische
Stenosen (ICAS) ursächlich für ca. 5 – 10 % der ischämischen Schlaganfälle und transitorisch
ischämischen Attacken (TIA). Mit bis zu 40 – 50 % liegt die Rate der symptomatischen
ICAS in der asiatischen Bevölkerung deutlich höher und stellt weltweit wahrscheinlich
die häufigste Schlaganfallursache dar [2]
[3].
Das Infarktmuster symptomatischer intrakranieller Stenosen ist von einer besonderen
Heterogenität geprägt, da sie sowohl zu arterio-arteriell embolischen und hämodynamischen
als auch zu Perforator-Ischämien führen können [4]
[5]. Letztere treten am häufigsten bei Stenosen des M1-Segments, der A. basilaris und
des V4-Segments auf, wobei ICAS der vorderen im Vergleich zur hinteren Zirkulation
häufiger zu arterio-arteriellen Embolien (51,8 % vs. 34,0 %) und seltener zu lokalen
Astverschlüssen (12,3 % vs. 40,4 %) führen [6].
Das 2-Jahres-Rezidivrisiko eines ischämischen Infarkts wird für ICAS mit 14 – 19 %
angegeben, wobei die meisten Ereignisse innerhalb des ersten Jahres auftreten [7]
[8]
[9]. Demgegenüber wird für asymptomatische ICAS unter medikamentöser Therapie ein deutlich
geringeres jährliches Schlaganfallrisiko von < 2 % berichtet [7].
Für die Behandlung der ICAS stehen konservative (medikamentös und Änderung des Lebensstils)
und endovaskuläre Therapieverfahren (perkutane Ballon-Angioplastie (PTA) oder Stent-gestützte
Angioplastie (PTAS)) zur Verfügung. Die Anlage extra-intrakranieller Bypässe, wie
sie bei der MoyaMoya-Erkrankung erfolgreich und in bestimmten Erkrankungsstadien sogar
alternativlos etabliert ist, hatte in der randomisierten COSS-Studie bei arteriosklerotisch
bedingten intrakraniellen Stenosen mit hämodynamischer Relevanz keinen Vorteil gegenüber
einer medikamentös-konservativen Behandlung gezeigt [10].
Die SSYLVIA-Studie [11] hatte prospektiv, nicht randomisiert den Einsatz eines ballonmontierten Stents (NEUROLINK® Guidant Corporation, Santa Clara, CA, USA) bei Patienten mit intrakraniellen Stenosen
der vorderen sowie intra- und extrakraniellen Stenosen der hinteren Zirkulation untersucht.
Das Schlaganfallrisiko nach Stent-PTA betrug hier 13,9 % im ersten Jahr (6,6 % in
den ersten 30 Tagen und 7,3 % nach 30 Tagen innerhalb des ersten Jahres). Erste Zulassungsstudien
für PTAS-Verfahren mit dem selbstexpandierenden Wingspan-Stent (StrykerNeurovascular,
Fremont, CA, USA) [12] und weitere Studien [13]
[14]
[15] zeigten vielversprechende Ergebnisse, die in der umstrittenen, multizentrischen
und randomisierten SAMMPRIS-Studie [16] aber nicht bestätigt werden konnten. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da
der primäre Endpunkt Schlaganfall nach 30 Tagen mit 14,7 % im Interventionsarm deutlich
über dem von 5,8 % im konservativen Arm lag. Ebenso wurde die multizentrische VISSIT-Studie
[17], in der der Pharos-Vitesse-Stent (Codman & Shurtleff, Raynham, Massachusetts, USA)
eingesetzt worden war, aufgrund einer signifikant höheren Ereignisrate im interventionellen
Therapiearm (36,2 % vs. 15,1 % im konservativen Arm) vorzeitig abgebrochen. Positive
Ergebnisse konnte die auf der International Stroke Conference 2018 präsentierte WEAVE-Studie
[18] zeigen. On-label wurden hier prospektiv nicht randomisiert Patienten für die Behandlung
mit dem Wingspan-Stent-System eingeschlossen, die bereits 2 oder mehr mindestens 7
Tage zurückliegende Schlaganfälle im Territorium des stenosierten Gefäßes erlitten
hatten. Die Ereignisse „Schlaganfall oder Tod“ traten innerhalb der ersten 72 Stunden
in nur 2,4 % und damit deutlich unter der von der FDA vorgegebenen Komplikationsrate
von 4 % auf. Die Autoren führen diese erstmals positiv zugunsten der endovaskulären
Behandlung ausfallenden Ergebnisse auf die strengen Einschlusskriterien und die im
Vergleich zu anderen Studien größere Erfahrung der beteiligten Zentren zurück. Kritikpunkte
sind das Fehlen von Daten zum Langzeit-Follow-Up, sodass diese Studienergebnisse noch
nicht zur Änderung der Indikationsstellung geführt haben.
Behandlungsmöglichkeiten
Konservative Therapie
Lebensstil-modifizierende Maßnahmen (Gewichtsabnahme, Bewegung und Nikotinkarenz)
und medikamentöse Therapie werden zur sekundär-prophylaktischen konservativen Behandlung
von ICAS eingesetzt.
Die orale Antikoagulation stellte lange Zeit eine wichtige therapeutische Säule in
der Therapie dar [19], verlor aber 2005 mit den Ergebnissen der großen randomisierten WASID-Studie ihre
Bedeutung für ICAS [20]. Patienten in der hochdosierten Acetylsalicylsäure (ASS)-Gruppe erlitten gegenüber
der Warfarin-Gruppe signifikant seltener schwere intrakranielle Blutungen und zeigten
eine geringere Mortalität, während sich hinsichtlich des kombinierten primären Endpunktes
(ischämischer Schlaganfall, jegliche intrakranielle Blutung und vaskulärer Tod) kein
signifikanter Unterschied zeigte.
Acetylsalicylsäure (ASS) ist weiterhin die am weitesten verbreitete Substanz in der
Schlaganfalltherapie. Unter einer ASS-Monotherapie von ICAS werden jedoch jährliche
ischämische Ereignisse von 4 – 19 % berichtet [7]
[16]
[21]. Der doppelten Thrombozyten-Funktions-Hemmung kommt daher vor allem in der Frühphase
eine besondere Bedeutung zu. Infolge der CARESS-Studie bei symptomatischen Carotis-Stenosen
[22] sowie großer kardiologischer Studien [23]
[24] untersuchte die randomisierte chinesische CHANCE-Studie [25] an über 5000 Schlaganfallpatienten (mit gemischter Schlaganfallätiologie) die Kombination
ASS/Clopidogrel gegenüber einer ASS-Monotherapie und konnte zeigen, dass der primäre
Endpunkt (jeglicher Schlaganfall innerhalb von 90 Tagen) in der Gruppe der doppelten
Plättchen-Hemmung signifikant seltener auftrat bei gleicher Rate schwerer Blutungen.
Auch in der SAMMPRIS-Studie wurde im konservativen Arm in der Frühphase (90 Tage)
eine doppelte Thrombozyten-Funktions-Hemmung mit ASS und Clopidogrel eingesetzt und
trug zu einer niedrigeren Schlaganfallrezidiv-Rate von 12,2 % bei (gegenüber 18 %
in WASID). In SAMMPRIS wurde zusätzlich noch ein sehr viel strikteres Risikofaktormanagement
mit Lifestyleänderung und Cholesterinsenkung mit hochdosierten Statinen angewendet.
Von Bedeutung bei der Wahl der Thrombozyten-Funktions-Hemmer ist eine ASS- oder Clopidogrel-Resistenz,
auch wenn es hier noch keine sichere Evidenz gibt. In der CHANCE-Studie zeigte sich
eine höhere Prävalenz der Clopidogrel-Resistenz in der asiatischen Bevölkerung und
in einer Subgruppenanalyse hatte diese eine hohe Relevanz [25]. Es handelt sich bei Clopidogrel um ein inaktives Pro-Drug, dass via CYP2C19 in
seinen aktiven Metaboliten umgewandelt wird. In CHANCE waren 59 % von 2933 Patienten
Träger eines sog. Loss-of-function-Allels und im 90-Tages-Follow-Up zeigte sich bei
diesen Patienten kein zusätzlicher Nutzen der doppelten TFH. In der Gruppe der Non-Carrier
dieses Allels zeigte sich hingegen eine signifikante Reduktion neuer Infarkte auf
6,7 % unter doppelter TFH (gegenüber 12,4 % unter ASS allein).
Als Ausweichpräparat bei Clopidogrel-Resistenz kann Ticagrelor eingesetzt werden,
da es ebenso am ADP-Rezeptor P2Y12 wirkt, jedoch nicht verstoffwechselt werden muss
und daher auch nicht das Risiko einer Non-response birgt [26]. Anhand der Daten aus der SOCRATES-Studie konnte eine Überlegenheit von Ticagrelor
gegenüber Aspirin nicht gezeigt werden (ischämischer Schlaganfall unter Ticagrelor
in 5,8 % vs. 6,7 % unter Aspirin) [27]. In der Subgruppe der Patienten mit atherosklerotischer, nicht näher bezeichneter
ipsilateraler Stenose konnte Ticagrelor das Risiko für erneuten Schlaganfall, Herzinfarkt
und Tod aber signifikant senken (6,7 % unter Ticagrelor vs. 9,6 % unter Aspirin) [28]. Die Bedeutung für ICAS bleibt unklar; die Ergebnisse unterstreichen aber die Bedeutung
des Schlaganfallmechanismus für die Wahl der Sekundärprophylaxe. Problematisch sind
die kürzere Wirkdauer und die Notwendigkeit der 2-mal täglichen Einnahme mit dem Risiko
einer Wirkungslücke bei bereits 1-malig vergessener Einnahme.
Auch Prasugrel kann in der Kombination mit Aspirin eingesetzt werden, wenn eine Clopidogrel-Resistenz
vorliegt, die in der klinischen Routine in einigen Zentren vor geplanten endovaskulären
Eingriffen getestet wird. Die Risiko-Nutzen-Abwägung aus Arbeiten mit heterogenem
Patientenkollektiv legt den primären Einsatz der Kombination Aspirin/Prasugrel bei
Neurointerventionen jedoch nicht nahe, sodass es auch aufgrund der potenziell höheren
Blutungsrate als Reservemedikament betrachtet werden sollte [29].
Der anti-inflammatorisch, anti-atheromatös und vasodilatatorisch wirkende Phosphodiesterase-3-Hemmer
Cilostazol wird bei ICAS bislang nur in Asien eingesetzt. Die Substanz wurde an koreanischen
Patienten in der TOSS-I- und -II-Studie untersucht und konnte eine geringere Rate
an Stenose-Progredienz sowie eine höhere Rate an Stenose-Regredienz zeigen [30]
[31].
Die Auswirkungen einer intensivierten medikamentösen Therapie (LDL-Ziel ≤ 70 mg/dl,
HbA1c-Ziel ≤ 6,5 %, systolisches Blutdruck-Ziel ≤ 140 mmHg) auf ICAS, die so in SAMMPRIS,
aber nicht in WASID eingesetzt worden war, hat auch eine kleinere prospektive Studie
von Leung et al. mit 50 eingeschlossenen Patienten untersucht [32]. Bei 49 % der Patienten war die intrakranielle Stenose unter dieser Therapie leicht
rückläufig, bei 43 % stabil und nur bei 8 % progredient.
Zusammenfassend besteht die konservative Therapie der ICAS sowohl in der Einstellung
der Risikofaktoren durch Lebensstil-modifizierende Maßnahmen als auch in der Plaque-stabilisierenden
Therapie mit Statinen und der Reduktion arterio-arteriell embolischer Ischämien durch
Gabe von Thrombozyten-Funktions-Hemmern, wobei in der Frühphase eine doppelte Antiaggregation
anzustreben ist.
Endovaskuläre Behandlungstechnik
Endovaskuläre Behandlungstechnik
Die zerebrovaskuläre Anatomie stellt aufgrund der stark angulierten Gefäßabschnitte
gerade bei älteren Patienten mit vermehrten Elongationen und Wandverkalkungen eine
besondere Herausforderung dar. Die Ausprägung extrakranieller Elongationen der Karotiden
und der Vertebral-Arterien variiert interindividuell stark, der Siphonabschnitt der
A. carotis interna und die Atlasschleife der A. vertebralis stellen auch bei jüngeren
Patienten erhebliche Anforderungen an das Material. Die Verwendung steifer Ballons
und ballonmontierter Stents aus der Kardiologie unterliegt daher bei neurovaskulären
Prozeduren einigen Limitationen. Darüber hinaus ist die Lamina muscularis der Hirnarterien
dünner als die der Koronararterien. Es handelt sich folglich nicht nur um anatomisch
schwieriger zu erreichende, sondern auch um vulnerablere Gefäße. Nicht zuletzt gilt
es, die in bestimmten Abschnitten der intrakraniellen Arterien abgehenden Perforator-Arterien
zu berücksichtigen, deren iatrogener Verschluss durch PTA oder PTAS eine spezifische
Gefahr bei der Stenose-Behandlung darstellt.
Die Auswahl der PTA-Ballons und der Stents ist beeinflusst von anatomischen Kriterien
sowohl des Zugangsweges als auch des Zielgefäßes. Generelle Empfehlungen können hier
nicht ausgesprochen werden, da sich beispielsweise in Fallserien nicht randomisierter
Studien kein Zusammenhang zwischen Komplikationsraten und Stent-Typ zeigt [33]
. Es ist jedoch grundsätzlich risikoärmer, einen ballonmontierten Stent im horizontal
und gerade verlaufenden petrösen, als im stark angulierten Siphonabschnitt der A.
carotis interna einzusetzen.
Der Zugang erfolgt in der Regel von transfemoral, in seltenen Fällen bei einem Verschluss
der Beckenarterien oder der Bauchaorta auch transbrachial. Grundsätzlich unterschiedlich
ist das Vorgehen bei Verwendung ballonmontierter und selbstexpandierender Stents.
Technik der Ballon- und Stent-Angioplastie
Technik der Ballon- und Stent-Angioplastie
Die alleinige PTA intrakranieller Stenosen bietet den Vorteil eines defensiven, potenziell
schrittweisen Vorgehens und ermöglicht die bildgebende Kontrolle durch alle Modalitäten,
da weder in der CT-Angiografie (CTA) noch in der MR-Angiografie (MRA) Artefakte durch
Stent-Material auftreten. Zudem wird im Falle der Verwendung eines einzigen Ballons
zumeist ein Wechselmanöver vermieden. Kleinere Fallserien [34] und eigene Erfahrungen zeigen, dass zumindest bei einigen Patienten mit nicht kalzifizierten
Stenosen auf die primäre Stent-Implantation verzichtet werden kann.
Ballonmontierte und selbstexpandierende Stents
Die Länge und der Grad der Stenose sind entscheidend für die Auswahl des Ballons und
des Stents. Ein ballonmontierter Stent kann sehr genau an die Länge des stenosierten
Gefäßabschnitts angepasst werden, während bei selbstexpandierenden Stents zu berücksichtigen
ist, dass die Radialkraft bei einigen Modellen an den Stent-Enden geringer als in
der Mitte ist, sodass hier eine Überlappung des zu behandelnden Abschnitts erforderlich
sein kann. Gleichzeitig sollte der Stent so kurz wie möglich sein, um möglichst wenige
Äste im gesunden Gefäßabschnitt abzudecken. Die Prädilatation der Stenose sollte mit
einem unterdimensionierten Ballon erfolgen, um Gefäßverletzungen wie Dissektionen
und Rupturen zu vermeiden. Hier ist das Ziel nicht die Wiederherstellung des originären
Lumens, sondern die Restitution eines ausreichenden Blutflusses.
Ballonmontierte Stents
Bei Verwendung ballonmontierter Stents ([Abb. 3]) wird die intrakranielle Stenose zunächst mit dem Mikrodraht passiert. Schwierige
anatomische Bedingungen erfordern ggf. die Sondierung mithilfe eines Mikrokatheters,
der dann über einen Wechseldraht entfernt wird. Der Mikrodraht sollte so weit distal
der Stenose platziert werden, dass über den steiferen proximalen Abschnitt ausreichend
Unterstützung beim Vorbringen des rigiden ballonmontierten Stents gewährleistet ist.
Wird die weiche Spitze des Drahtes aus Vorsicht, z. B. bei unübersichtlicher Anatomie,
nur unmittelbar distal der Stenose belassen, so kommt es in der Regel spätestens bei
der Siphonpassage des Stents zu einer Rückwärtsbewegung der Drahtspitze, die Position
distal der Stenose geht verloren und eine erneute Sondierung wird erforderlich.
Abb. 3 Höchstgradige rezidivierend-symptomatische hämodynamisch wirksame Stenose des distalen
V4-Segments der rechten A. vertebralis mit post stenotischer Ektasie und Verschluss
der kontralateralen A. vertebralis a, b. Es findet sich ein Wash-out-Phänomen an der Basilaris-Spitze durch konkurrierende
Versorgung über die Rr. communicantes posteriores. Der gerade Verlauf des stenosierten
Segments erlaubt die problemlose Navigation und Implantation eines ballonmontierten
Stents (3,5/8 mm) c, d. Die abschließende Angiografie zeigt eine Normalisierung des Flusses bis in die Basilaris-Spitze
e; der initiale Wash-out ist aufgrund der verbesserten Hämodynamik nicht mehr zu beobachten.
Ist die korrekte Platzierung des ballonmontierten Stents über der Stenose erfolgt,
so wird dieser vorzugsweise unter Verwendung eines Manometers bis zum erwünschten
Durchmesser expandiert. Beim Rückzug des Ballons wird die Drahtspitze üblicherweise
eine plötzliche Distal-Bewegung vollziehen, da die Streckung des Systems in den proximalen
Kurven dem Draht Vorschub verleiht. Zur Vermeidung einer distalen Perforation muss
daher zunächst der Schub auf den Draht entlastet werden, um den Ballon dann unter
Erhalt eines Zug-/Schub-Äquilibriums ohne ruckartige Drahtbewegungen entfernen zu
können.
Selbstexpandierende Stents
Die Implantation selbstexpandierender Stents ([Abb. 1]) erfordert demgegenüber mindestens 2 Arbeitsschritte, da zunächst die PTA der Stenose
erfolgen muss. Das Vorgehen mit einem geeigneten PTA-Ballon gleicht dem oben beschriebenen
bei der Implantation ballonmontierter Stents. Nach erfolgter PTA muss ein Mikrokatheter
zur Stent-Zuführung eingewechselt werden. Dies kann parallel zum bereits liegenden
Draht geschehen, der vorteilhaft die zu sondierenden Strukturen markiert und den Zugang
zum Gefäßverlauf distal der Stenose sichert. Üblicherweise wird jedoch primär ein
Wechseldraht für die PTA verwendet, über den nachfolgend der Mikrokatheter eingewechselt
werden kann. Dieses Manöver stellt neben der initialen Sondierung der Stenose und
der PTA ein wesentliches Eingriffsrisiko dar, da das Ein- und Auswechseln von PTA-Ballon
und Zuführkatheter erneut zu Bewegungen der Drahtspitze und damit wiederum zu distalen
Perforationen führen kann. Nach erfolgter Platzierung des Mikrokatheters wird der
Stent dann durch diesen in der Stenose freigesetzt.
Abb. 1 Symptomatische hochgradige supraklinoidale Stenose der linken A. carotis interna.
Obere Bildreihe: laterale Projektion: untere Bildreihe: oblique Projektion (LAO).
Die Stenose betrifft das paraophthalmische Segment a und wird mit einem 3mm-Ballon dilatiert b. Ein selbstexpandierender Stent (3,5/15 mm) wird von knapp infraopthalmisch bis unterhalb
des Carotis-T implantiert c. Die A. ophthalmica, der R. communicans posterior und die A. choroidea anterior sind
durch den Stent abgedeckt, ohne dass es hierdurch zu einer Fluss-Kompromittierung
kommt.
Die Risiken der endovaskulären Behandlung sind neben Blutungskomplikationen durch
Drahtperforationen auch Gefäß-Dissektionen und -Rupturen, unmittelbares Stenose-Rezidiv
(„Recoil“), In-Stent-Thrombose sowie Perforator- und embolische Ischämien [35].
Ballonmontierte versus selbstexpandierende Stents
Ballonmontierte versus selbstexpandierende Stents
Weit verbreitet ist der „off-label-Use“ ballonmontierter Koronar-Stents. Die für den
neurovaskulären Einsatz zugelassenen ballonmontierten Stents Pharos-Vitesse (Codman&Shurtleff,
Raynham, Massachusetts, USA) und Channel (Balt, Montmorency, France) wurden in Europa
2013 nach Ablauf der Zulassung nicht weiter vertrieben, während der selbstexpandierende
Wingspan-Stent weiterhin erhältlich ist.
Der Einsatz selbstexpandierender Stents wird aufgrund der anatomischen Gegebenheiten
im M1-Segment der A. cerebri media von einigen Interventionalisten bevorzugt, während
ballonmontierte Stents häufiger in der hinteren Zirkulation im V4-Segment der A. vertebralis
und der A. basilaris [36] sowie im intrakraniellen Abschnitt der A. carotis interna eingesetzt werden [37]. Hohe Raten an Rezidiv-Stenosen von 24 – 28 % sprechen gegen den Einsatz der selbstexpandierenden
Enterprise- und Wingspan-Stents [38]
[39]. Bei vergleichbarer Stent-Geometrie sind Ergebnisse mit dem Neuroform- und Atlas-Stent
(Stryker Neurovascular, Fremont, CA, USA) wahrscheinlich günstiger. Studien hierzu
sind aufgrund der hohen Kosten bei schlechter Erlössituation ebenso wenig zu erwarten
wie bei den medikamentenbeschichteten Devices.
In der SAMMPRIS-Studie und anderen Studien fand sich eine höhere Rate symptomatischer
Schlaganfälle bei Eingriffen in der hinteren Zirkulation, insbesondere im Versorgungsgebiet
der A. basilaris [40]
[41]
[42]
[43], die nicht auf die Art der verwendeten Stents zurückgeführt werden konnten. Vielmehr
wird als mögliche Erklärung der höheren Schlaganfallrate ein Verschluss von Perforatoren
durch die im Rahmen der Ballondilatation vor den Perforator-Abgang dislozierten und
hineingedrückten atheromatösen Plaque postuliert (sog. „snow-plowing-effect“). Damit
ließe sich die höhere Rate an periprozeduralen ischämischen Schlaganfällen erklären.
Medikamentenbeschichtete Ballons und Stents
Medikamentenbeschichtete Ballons und Stents
Weder medikamentenbeschichtete Ballons noch Stents wurden bisher in randomisierten
Studien bei Patienten mit ICAS untersucht. Paclitaxel- und Sirolimus-beschichtete
Stents wurden für Koronarstenosen entwickelt und zeigten im Vergleich zu unbeschichteten
Stents verbesserte Re-Vaskularisations-Raten sowie weniger In-Stent-Thrombosen [44]
[45]. Beide Substanzen haben einen antiproliferativen Wirkmechanismus, der die Migration
und die Proliferation endothelialer Muskelzellen und damit neointimale Hyperplasien
reduziert [46].
Fallserien konnten die technische Machbarkeit und guten Ergebnisse hinsichtlich der
angiografischen Rezidiv-Raten auch bei ICAS zeigen [47]
[48]. In einem retrospektiven Vergleich zeigte der Paclitaxel-beschichtete Elutax DEB
(drug eluting balloon) (Aachen Resonance, Aachen, Germany) sogar eine deutliche Überlegenheit
gegenüber dem Wingspan-Stent hinsichtlich der klinischen Rezidiv- und der angiografischen
Re-Stenose-Rate [49]. In einem retrospektiven Vergleich zweier beschichteter Stents (drug eluting stents,
DES) konnte bei 100 erfolgreichen Prozeduren eine mit 3,6 % geringe Re-Stenose-Rate
gezeigt werden, wobei diese ausschließlich nach Behandlung mit dem Zotarolimus-beschichteten
Resolute IntegrityTM (Medtronic Inc., Santa Rosa, CA, USA) und in keinem einzigen Fall bei Verwendung
des Paclitaxel-beschichteten Taxus ElementTM (Boston Scientific Corporation, Natick, MA, USA) auftraten. Die periprozedurale Komplikationsrate
betrug 9,9 % und 3,0 % für permanente Behinderung [50]. Weder medikamentenbeschichtete Ballons noch Stents wurden bisher in randomisierten
Studien bei Patienten mit ICAS untersucht.
Prämedikation und Nachsorge
Prämedikation und Nachsorge
Für elektive Prozeduren sollten alle Patienten mit einer doppelten TFH mit ASS und
Clopidogrel oder einem anderen ADP-Rezeptor-Antagonisten (siehe oben) vorbereitet
sein. Zum Ausschluss einer Clopidogrel-Resistenz wird in vielen Kliniken vor Implantation
eines Stents eine Thrombozyten-Funktions-Testung eingesetzt.
Unmittelbar postprozedural ist eine Überwachung auf der Stroke-Unit oder Intensivstation
mit arterieller Druckmessung und engmaschiger Blutdrucküberwachung zur Vermeidung
von Hyperperfusionsblutungen erforderlich.
Im Anschluss an eine Stentimplantation wird die doppelte TFH in der Regel für 3 Monate
fortgeführt, um dann in eine lebenslange TFH-Monotherapie mit ASS überzugehen.
Nach alleiniger PTA sollte eine doppelte TFH für mindestens 1 Monat erfolgen, da auch
ohne Stentimplantation zunächst von einer erhöhten Thrombogenität des durch die Angioplastie
verletzten Endothels auszugehen ist. Eine sinnvolle Follow-Up-Untersuchung wäre z. B.
die schnittbilddiagnostische und/oder transkraniell doppler-/duplexsonografische Kontrolle
nach 3 bis 6 Monaten. Hier sollte die präinterventionelle bildgebende Methode verwendet
werden, da nur so ein aussagekräftiger Vergleich mit dem Ausgangsbefund erfolgen kann.
Nach Stent-PTA sollte mindestens 1-malig eine Katheter-angiografische Kontrolle erfolgen,
da die meisten Stents sowohl in der CTA als auch in der MRA Artefakte verursachen.
CT-angiografisch können aufgrund deutlich geringerer Artefakte die Acclino- und Credo-Stents
(Acandis, Pforzheim, Deutschland) ausreichend beurteilt werden. Im Falle asymptomatischer
Rezidiv-Stenosen hilft die MR- oder CT-Perfusion bei der Einschätzung einer möglichen
hämodynamischen Relevanz für die weitere Planung der Therapie und der Kontrollintervalle.
Zukünftige Entwicklungen
Ein Ansatz zur Vermeidung von Perforator-Infarkten ist die Unterdimensionierung des
PTA-Ballons unter der Vorstellung, hierdurch das Risiko des „Snow-plowing-Effekts“
zu mindern; andere Konzepte liegen nicht vor, sodass bislang nur die Identifizierung
von Hochrisiko-Patienten schwere Komplikationen vermeiden kann. Andere typische Komplikationen
wie peri-interventionelle Blutungen durch Drahtperforationen können demgegenüber durch
erfahrenere Interventionalisten und technische Innovationen zur Vermeidung von Wechselmanövern
mit Doppellumen-Ballon-Systemen vermindert werden. Die Autoren der WEAVE-Registerstudie
geben als Erklärung ihrer gegenüber SAMMPRIS deutlich geringeren Komplikationsrate
mit dem Wingspan-System unter anderem die Erfahrung der beteiligten Interventionalisten
an, die Kriterium bei der Auswahl der teilnehmenden Zentren war. Einen technischen
Ansatz zur Vermeidung distaler Perforationen durch unkontrollierte Mikrodrahtbewegungen
bei Wechselmanövern bietet der NeuroSpeed®-Doppellumen-PTA-Ballon (Acandis, Pforzheim, Deutschland) [51]. Dieser ermöglicht nach erfolgter PTA die Stent-Zuführung durch das ursprünglich
für den Mikrodraht genutzte Lumen. Der Stent kann auf diese Weise ohne weitere Drahtmanipulation
im Rückzug aus dem Ballonkatheter freigesetzt werden. Die im Rahmen der ASSISTENT-Studie
[52] anfangs zusammen mit einem selbstexpandierenden Stent (Credo®, Acandis, Pforzheim, Deutschland) verwendete Version des NeuroSpeed-Ballonkatheters
erwies sich in der hinteren Zirkulation und bei wenig elongiertem extra- und intrakraniellem
Verlauf der A. carotis interna auch in der vorderen Zirkulation als gut navigierbar
und zur Stent-Freisetzung geeignet. In schwierigen anatomischen Verhältnissen waren
die Eigenschaften des Systems ungeeignet, sodass der Patienteneinschluss in die Studie
bis zur Verfügbarkeit des weiterentwickelten Systems ausgesetzt und inzwischen wieder
begonnen wurde.
In der ACUTE-Studie, ebenfalls initiiert durch die Firma Acandis, wird der NeuroSpeed-Ballon
mit dem Credo-Stent zur Behandlung akut verschlossener intrakranieller Stenosen nach
erfolgter Thrombektomie eingesetzt werden.
Kontroversen und Standpunkte der Fachgesellschaften
Kontroversen und Standpunkte der Fachgesellschaften
Die an der SAMMPRIS-Studie zum Teil heftige Kritik wurde von den Studienautoren zurückgewiesen
[53]
[54]; die Ergebnisse der Studie hatte in Deutschland das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit
im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur
Veröffentlichung einer Nutzenbewertung von Stents zur Behandlung symptomatischer intrakranieller
Stenosen veranlasst (Rapid Report N14 - 01) [55]. Hierin stellte das IQWiG fest, dass „in der Gesamtschau ein Anhaltspunkt für einen
Schaden der Stent-PTA im Vergleich zur rein medikamentösen Behandlung“ bestehe. Eine
kritische Reaktion hierauf erfolgte in 2 gemeinsamen Kommentaren des Berufsverbandes
der Neuroradiologen (BDNR), der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR),
der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft
(DSG) [56]
[57], welche zumindest 2 Indikationen für den Einsatz von Stents zur Behandlung intrakranieller
Stenosen klar befürworteten: Den Einsatz von Stents im Rahmen der Akutbehandlung eines
intrakraniellen Gefäßverschlusses und bei Patienten mit unter medikamentöser Therapie
progredienten Schlaganfallsymptomen, die durch eine hochgradige intrakranielle Stenose
ausgelöst werden. Der G-BA entschied auf Grundlage des oben genannten IQWiG-Berichts
am 15. September 2016, dass der Einsatz von Stents zur Behandlung intrakranieller
Gefäßstenosen weitgehend von der Erstattung ausgeschlossen wird [58]. Unberührt vom Leistungsausschluss blieb demgemäß der Stent-Einsatz bei Patienten
mit akutem Gefäßverschluss auf dem Boden einer hochgradigen intrakraniellen Stenose
und bei Fehlen oder Versagen alternativer Therapiekonzepte sowie bei Patienten mit
einem Stenose-Grad von ≥ 70 %, die nach einem Stenose-bedingten Infarkt trotz nachfolgender
intensiver medikamentöser Therapie mindestens einen weiteren Infarkt erlitten haben.
Patienten mit hämodynamischem Infarktmuster werden in der Gesamtbewertung des G-BA
nicht als eine vom Leistungsausschluss unberührte Gruppe aufgeführt, da sie in die
vorliegenden Studien nicht eingeschlossen worden waren. Demgegenüber geben die Berufsverbände
und Fachgesellschaften in ihrer Stellungnahme zu bedenken, dass die Indikation zur
Stent-Angioplastie auch bei hämodynamisch relevanten Gefäßverengungen ([Abb. 2]) eine sinnvolle und lebensrettende Maßnahme sein kann [57].
Abb. 2 Rezidivierende, unter doppelter Thrombozyten-Funktions-Hemmung symptomatische Stenose
der linken A. cerebri media im M1-Segment. Die TOF-MR-Angiografie übertreibt den Stenose-Grad
a und die CT-Angiografie b zeigt eine filiforme Stenose, deren hämodynamische Wirkung die CT-Perfusion c bestätigt (die CBF-Karte zeigt eine Minderperfusion im linken Mediastromgebiet).
Die DSA bestätigt den Befund der CTA d. Es erfolgt die PTA mit einem 2,0/15mm-Ballon, der minimal unterdimensioniert ist,
um die lentikulstriatären Perforatoren zu schonen und eine Gefäßverletzung zu vermeiden
e. Implantation eines 3,5/15 mm großen selbstexpandierenden Stents von der Mediabifurkation
bis an den Beginn des M1-Segments g.
Auch die US-amerikanische Food-and-Drug-Administration (FDA) hat den Einsatz des Wingspan-Stents
nach SAMMPRIS stark eingeschränkt und nur für Patienten zugelassen, die alle folgenden
4 Kriterien erfüllen [59]:
-
70 – 99 %ige arteriosklerotische intrakranielle Stenose mit wiederholten Schlaganfällen,
-
guter Funktionszustand mit einem Wert von 0 – 3 auf der modifizierten Rankin-Skala,
-
≥ 2 Schlaganfälle unter aggressiver medikamentöser Therapie und
-
letzter Schlaganfall liegt > 7 Tage vor dem geplanten Stenting zurück.
Zusammenfassung
Es bedarf einer interdisziplinären klinisch begründeten Indikationsstellung für die
endovaskuläre Behandlung intrakranieller arteriosklerotischer Stenosen. Die Ergebnisse
der klinischen Studien haben gezeigt, dass der konservative Ansatz mit best medical
treatment nach erstmaliger Symptomatik sinnvoll ist. Die negativen Ergebnisse der
randomisierten Studien sollten aber nicht dazu führen, dass den Patienten die Methode
vorenthalten wird, für die eine konservative Therapie nicht ausreicht. Es besteht
Bedarf an weiteren Studien zur Identifizierung von Subgruppen, die z. B. aufgrund
hämodynamischer Infarkte oder Non-Response auf intensivierte medikamentöse Therapie
von einer endovaskulären Therapie profitieren.
Ballonmontierte und selbstexpandierende Stents können intrakraniell eingesetzt werden
und Rezidiv-Stenosen können durch Verwendung medikamentenbeschichteter Ballons und
Stents reduziert werden. In der Beschaffenheit des Materials liegen technisch-anatomisch
bedingte Limitationen. Das Risiko von distalen Drahtperforationen durch Wechselmanöver
könnte zukünftig durch die Verwendung von Doppellumen-Ballons verringert werden. Die
Studien ASSISTENT und ACUTE werden den Einsatz des Credo-Stents bei intrakraniellen
Stenosen untersuchen.