Schlüsselwörter
Kinder und Jugendliche - kardiovaskuläre Risikofaktoren - juvenile idiopathische Arthritis
Keywords
Children and adolescents - cardiovascular risk factors - juvenile idiopathic arthritis
Kardiovaskuläre Erkrankungen, deren gemeinsame pathologische Ursache die Atherosklerose ist, sind charakterisiert durch einen chronischen Krankheitsverlauf mit einer langsam über Jahrzehnte andauernden vorangehenden Progression. Während ihnen im Jahr 2016 weltweit schätzungsweise 30 % aller Todesfälle zugeschrieben wurden, galt im Jahr 2015 auf Bundesebene bei 39 % aller Verstorbenen eine kardiovaskuläre Erkrankung als ursächlich [[1]].
Aus postmortalen Untersuchungen ist bekannt, dass die Bildung atherosklerotischer Gefäßwandläsionen ihren Ursprung bereits im Kindesalter findet und in enger Beziehung zu bekannten kardiovaskulären Risikofaktoren Erwachsener steht [[2], [3]]. Dass Kindheit und Adoleszenz hierbei besonders kritische Phasen darstellen, zeigen auf eindrucksvolle Weise Ergebnisse aus Multicenterstudien. Erwachsene, die 21 Jahre zuvor während der Adoleszenz erfolgreich antihypertensiv und im Rahmen eines metabolischen Syndroms therapiert wurden, hatten nahezu dasselbe kardiovaskuläre Risiko wie diejenigen, die niemals in ihrem Leben von den genannten Erkrankungen betroffen waren [[4]]. Wissenschaftlich gut belegt ist zudem der direkte Zusammenhang zwischen dem Auftreten kardiovaskulärer Einflussfaktoren im Kindes- und Jugendalter und dem kardiovaskulären Gesundheitszustand im Erwachsenenalter [[5]].
Eine frühzeitige Identifizierung von prädisponierenden Faktoren sowie adäquate Lebensstilmodifikationen können daher zur Verringerung der Inzidenz kardiovaskulärer Begleit- und Folgeerkrankungen beitragen und somit die langfristige kardiovaskuläre Prognose günstig beeinflussen.
Kardiovaskuläre Risikofaktoren im Kindes- und Jugendalter
Kardiovaskuläre Risikofaktoren im Kindes- und Jugendalter
Arterielle Hypertonie
An arterieller Hypertonie – definiert als ein systolischer und/oder diastolischer Blutdruckwert über der 95. alters-, größen- und geschlechtsbezogenen Perzentile in mindestens 3 verschiedenen Messungen – leiden rund 1–2 % aller normalgewichtigen und rund 25 % aller übergewichtigen Kinder [[6]]. Während jenseits des zehnten Lebensjahres zunehmend die primäre Hypertonie eine Rolle spielt, tritt sie bei jüngeren Kindern überwiegend als Folge renaler, kardiovaskulärer oder endokriner Erkrankungen auf (sekundäre Hypertonie). Zahlreiche epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass ein chronisch erhöhter Blutdruck wichtigster beeinflussbarer Risikofaktor für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität in Deutschland und der Welt ist [[7]]. Er gilt zugleich als wichtigster Risikofaktor für atherosklerotische Schäden des Gefäßsystems, welche als morphologisches Korrelat den wichtigsten kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen zugrunde liegen.
Chronisch erhöhte Blutdruckwerte gehen mit einem deutlichen Risiko für eine spätere manifeste Hypertonie einschließlich aller Begleit- und Folgeerkrankungen einher. Damit ist der Blutdruck im frühen Entwicklungsalter mitbestimmend für die weitere gesundheitliche Prognose. Addieren sich zur arteriellen Hypertonie in der Adoleszenz weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie erhöhte Blutzucker- oder Cholesterinwerte, beschleunigt sich die Progression atherosklerotischer Gefäßveränderungen umso mehr. Die klinische Einordnung gemessener Blutdruckwerte beruht in erster Linie auf dem Vergleich mit Referenzperzentilen gesunder Kinder und Jugendlicher. Nationale Referenzperzentile für den Blutdruck normalgewichtiger 3- bis 17-Jähriger wurden im Rahmen der KIGGS-Studie erarbeitet [[8]].
Körperliche Inaktivität
Körperliche Inaktivität wird laut Aussage der WHO für fast zwei Millionen Tote pro Jahr verantwortlich gemacht. Im Kindesalter spielt sie eine Hauptrolle in der Entwicklung der adipositasbezogenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und stellt möglicherweise eine entscheidende Verbindung zwischen Adipositas, Inflammation, Insulinresistenz und frühzeitiger Atherosklerose im Erwachsenenalter dar [[9]]. Aus einer Vielzahl prospektiver Kohortenstudien und Metaanalysen geht hervor, dass die kardiovaskuläre Mortalität in der Primärprävention durch körperliche Aktivität um 27–35 % gesenkt werden kann [[10]]. Somit ist nicht verwunderlich, dass sie als wesentlicher Lebensstilfaktor inzwischen in sämtlichen Empfehlungen zur Prävention und Rehabilitation einer Vielzahl von Erkrankungen fester Bestandteil ist. In Abhängigkeit vom Umfang und der Intensität führt regelmäßiges ausdauerorientiertes Training zu kardiovaskulären Adaptationen. Neben direkten Wirkungen, wie einer Ökonomisierung der Herzarbeit, vermehrter Kapillarisierung und Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs, begünstigt körperliche Aktivität vor allem die bekannten beeinflussbaren kardiovaskulären Risikofaktoren (Adipositas, Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes).
Körperliche Fitness in Form einer hohen aeroben Ausdauerleistungsfähigkeit ist nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch im Kindes- und Jugendalter mit einem günstigen metabolischen und kardiovaskulären Risikoprofil verbunden [[11]]. Das von der WHO empfohlene Mindestmaß von täglich einer Stunde moderater bis intensiver körperlicher Aktivität erreichen bundesweit nur 29 % der Jungen und 22 % der Mädchen. Geringe Aktivitätszeiten sind besonders prävalent bei Mädchen als auch bei Kindern mit Migrationshintergrund und mit niedrigem sozial-ökonomischen Status [[12]]. Berücksichtigt man die Autorenempfehlungen im Rahmen der European Youth Heart Study, bieten 90 Minuten an täglich körperlich-sportlicher Aktivität den besten Schutz vor kardiovaskulären Erkrankungen [[13]].
Zunehmende Bedeutung im kindlichen Alltag erfährt die in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegene Beschäftigung mit elektronischen Medien. Obwohl ein kausaler Zusammenhang zu körperlich-sportlicher Aktivität nicht nachgewiesen werden konnte, war die Nutzung elektronischer Medien zumindest ab einem gewissen Stundenumfang mit Inaktivität assoziiert [[14]].
Rauchen
Tabakkonsum gehört zum führenden vermeidbaren Risikofaktor für Krankheit und vorzeitigen Tod. Die epidemiologische Evidenz des Zigarettenrauchs ist unbestritten. Im Jahr 2013 starben in Deutschland rund 121 000 Menschen an den Folgen des Rauchens, was 13,5 % aller Todesfälle entspricht [[15]]. Obwohl die Rolle des Rauchens in der frühen Entstehung einer Atherosklerose unumstritten ist, sind die gesundheitlichen Folgen für das kardiovaskuläre System bzw. den arteriellen Blutdruck bei Kindern und Jugendlichen deutlich weniger belegt als bei Erwachsenen. Dies mag nicht zuletzt an der Schwierigkeit liegen, den Rauchstatus von Heranwachsenden hinreichend valide zu erfassen.
Aktuellen Daten der KIGGS-Studie entnehmend, rauchen 7,2 % in Deutschland lebender 11- bis 17-Jähriger, die Hälfte davon täglich [[16]]. Obwohl sich seit der Basiserhebung im Zeitraum 2003– 2006 (21,4 %) ein deutlicher Rückgang zeigt, ist Tabakrauchen nach wie vor ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. So zeigte sich bei 15- bis 24-jährigen Rauchern eine signifikante Beziehung mit atherosklerotischen Schäden im Bereich der abdominalen Aorta [[17]].
Bei Vorliegen weiterer atherogener Risikofaktoren – insbesondere eines Diabetes mellitus Typ 1 – kommt es zu einer deutlichen Erhöhung des kardiovaskulären Risikos. Konkret zeigte sich im Vergleich zwischen rauchenden mit nichtrauchenden diabetischen Jugendlichen, dass sich durch ungünstige Einflüsse des Rauchens selbst die Anzahl kardiovaskulärer Risikofaktoren auf 5 erhöht (Diabetes mellitus Typ 1, Rauchen, Hypertonie, Hypercholesterinämie, endotheliale Dysfunktion) [[18]]. Ein Zusammenhang zwischen Passivrauchen und gestörter Endothelfunktion konnte bei Jugendlichen ebenfalls nachgewiesen werden [[19]]. Bereits Kinder rauchender Eltern hatten im späteren Erwachsenenalter ein erhöhtes Risiko für atherosklerotische Läsionen der Arteria carotis.
Adipositas
Die Bewertung des Body-Mass-Index im Kindes- und Jugendalter erfolgt auf Grundlage populationsspezifischer Referenzwerte [[20], [21]]. In einer aktualisierten Analyse der von 2014–2017 durchgeführten KiGGS-Studie sind bundesweit 9,5 % der 3- bis 17-Jährigen übergewichtig, weitere 5,9 % leiden an Adipositas [[22]]. Im Vergleich zu der bei Kromeyer-Hauschild et al. [[21]] herangezogenen Referenzpopulation von 1985 bis 1990 nahm der Anteil der Übergewichtigen um etwa 50 % zu. Die Prävalenz an Adipositas hat sich dagegen annähernd verdoppelt. Berücksichtigt man zudem Schätzungen der WHO, wonach weltweit 213 Millionen Kinder übergewichtig und weitere 124 Millionen 5- bis 19-Jährige als adipös einzustufen sind [[23]], haben sich Übergewicht und Adipositas in den vergangenen Jahren geradezu epidemisch ausgebreitet. Besorgniserregend ist dies insbesondere deshalb, weil Übergewicht und Adipositas in der Genese der Atherosklerose ein direkter Effekt beigemessen wird. Folgeerkrankungen der Adipositas wie Hypertonie, Dyslipidämie oder Diabetes mellitus Typ II fördern die Atherogenese zusätzlich und erhöhen das Risiko, am metabolischen Syndrom und irreversiblen Gefäßschäden im Erwachsenenalter zu erkranken.
Auch moderates Übergewicht kann per se zur Endotheldysfunktion führen, der eine Schlüsselrolle in der Initiierung und im Unterhalten atherosklerotischer Umbauprozesse zuzukommen scheint [[24]]. Während die Wahrscheinlichkeit über 50 % beträgt, dass adipöse Jugendliche auch im späteren Leben adipös bleiben, führt eine Gewichtsreduktion bei Kindern zu einer Normalisierung der Endotheldysfunktion und reduziert somit das kardiovaskuläre Risiko im Erwachsenenalter [[25]]. Ein pathologischer Fettverteilungstyp in Form eines erhöhten „waist-to-hip-ratio“ (WHR) spielt auch bei normalgewichtigen Kindern eine wichtige Rolle für die Determinierung des kardiovaskulären Risikos [[26]]. Eine Adipositasreduktion verringert somit per se bereits das kardiovaskuläre Risiko und die Inzidenz weiterer kardiovaskulärer Risikofaktoren.
Dyslipidämie
Stoffwechselstörungen – charakterisiert durch hohes LDL-und Gesamtcholesterin sowie niedriges HDL-Cholesterin – verursachen schätzungsweise 4,5 % (2,6 Millionen) der weltweiten Todesfälle [[27]]. Etwa ein Drittel der koronaren Herzkrankheit geht auf erhöhte Cholesterinspiegel im Blut zurück. In Deutschland sind Schätzungen zufolge knapp zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung von einer Fettstoffwechselstörung betroffen [[28]]. In Langzeitstudien stand das bei Kindern und Jugendlichen gemessene LDL- Cholesterin in einer signifikanten und unabhängigen Beziehung zur Intima-media-Dicke im Erwachsenenalter, was die Bedeutung früh auftretender erhöhter LDL-Cholesterinwerte für die Entwicklung späterer atherosklerotischer Gefäßschäden unterstreicht. Diese Befunde verdeutlichen einmal mehr, dass eine wirksame Prävention der Atherosklerose und ihrer Folgen im Kindes- und Jugendalter beginnen sollte [[29]].
Diabetes mellitus Typ 1
Diabetes mellitus Typ 1 gilt als unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung einer Atherosklerose. Mit einer jährlich steigenden Prävalenz um 3 bis 5 % und etwa 30 000 betroffenen Kindern und Jugendlichen in 2015 verstärkt sich die ohnehin beschleunigte Progression atherosklerotischer Gefäßveränderungen umso mehr, wenn weitere atherogene Risikofaktoren hinzukommen. Dies zeigt sich anhand der von Lind et al [[30]] veröffentlichten Mortalitätsraten. Optimal eingestellte diabetische Erwachsene hatten demnach im Vergleich zur Normalbevölkerung ein doppelt so hohes kardiovaskuläres Sterberisiko. Da bisher keine wissenschaftlich gesicherten Möglichkeiten bestehen, die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ 1 zu verhindern, ist die frühzeitige Diagnostik und konsequente Therapie zusätzlicher kardiovaskulärer Risikofaktoren (insbesondere Dyslipidämie, Adipositas, Hypertonie) bei diabetischen Jugendlichen von besonderer Relevanz.
Aktuelle Datenlage – kardiovaskuläre Risikofaktoren bei JIA
Aktuelle Datenlage – kardiovaskuläre Risikofaktoren bei JIA
Die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) beschreibt eine klinisch heterogene Gruppe von rheumatischen Entzündungssyndromen unbekannter Ätiologie, die als systemische Entzündung, isolierte Arthritis oder in Verbindung mit anderen organspezifischen Entzündungskrankheiten wie Psoriasis und Uveitis auftreten können. Obwohl einige Betroffene in eine dauerhafte Remission eintreten, benötigen etwa 50 % der Patienten eine kontinuierliche oder wiederholte Behandlung im Erwachsenenalter [[31], [32]].
Die hohe Prävalenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Rahmen der rheumatoiden Arthritis führte im Allgemeinen zu einem steigenden Interesse an den langfristigen kardiovaskulären Folgen einer im Kindes- oder Jugendalter beginnenden JIA. Dieses Interesse liegt vermutlich einerseits in der pathogenetischen Überschneidung zu adulten Formen entzündlicher Arthritis, andererseits in der potenziell längeren kumulativen Krankheitsdauer begründet. Daten aus dem Biologika-Register „Jumbo“ (DRFZ) zeigen eine Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen bei erwachsenen JIA-Patienten von 9,9 % [[33]]. Eine überproportional hohe Rate kardiovaskulärer Begleiterkrankungen ließ sich dabei bei JIA-Patienten mit systemischem Krankheitsbeginn beobachten (40,6 %).
Da chronische Entzündungsprozesse per se auf ein erhöhtes atherosklerotisches Risiko hinweisen und krankheitsspezifische Symptome (u. a. Schmerz, Müdigkeit) einen Lebensstil mit geringem Ausmaß an körperlicher Aktivität und niedrigem energetischen Aufwand begünstigen, wird verhaltensbasierten Risikofaktoren auch im Rahmen der JIA zunehmend Bedeutung beigemessen. Gestützt wird dies zudem durch die Tatsache, dass insbesondere eine hochdosierte Langzeittherapie mit Glukokortikoiden – wenn auch mittlerweile seltener eingesetzt – mit metabolischer Dysfunktion, Hypertonie und vorzeitiger Atherosklerose in Verbindung gebracht wird [[33], [34]].
Bereits bei jungen Patienten lassen sich somit frühzeitige Veränderungen im Sinne einer individuellen Risikokonstellation vermuten, die in Summe ein höheres Risiko für die Entwicklung einer kardiovaskulären Komorbidität bergen und die langfristige Herz-Kreislauf-Prognose ungünstig beeinflussen.
Körperliche Inaktivität
Heranwachsende mit JIA können aufgrund von Schmerzen, Müdigkeit und Schlafstörungen, aber auch bedingt durch Muskelatrophie, Lungenfunktionsstörung und Anämie einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines sitzenden Lebensstils ausgesetzt sein [[35], [36]]. Laut bisherigen Studien zeigen Kinder mit JIA eine verminderte körperliche Fitness [[36]–[38]], führen weniger anstrengende körperliche Aktivitäten durch [[39]–[41]] und verbringen mehr Zeit mit Schlafen als ihre gesunden Gleichaltrigen [[42], [43]].
Ergebnissen einer niederländischen Studie zufolge erreichen nur 23 % der Patienten mit JIA die nationalen Empfehlungen für körperliche Aktivität [[39]]. Darüber hinaus waren ihre Gesamtenergieausgaben und die tätigkeitsbezogenen Energieausgaben geringer als jene Gleichaltriger ohne JIA. Interessanterweise stand ein inaktiver Lebensstil in keinem Zusammenhang zum Grad der Krankheitsaktivität. So waren in Remission befindliche Patienten nicht häufiger körperlich aktiv [[44]]. Dieses Ergebnis bestätigte sich in einer Untersuchung von van Pelt et al. [[45]], die einen signifikanten negativen Zusammenhang zwischen Krankheitsaktivität und aerober Kapazität bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen über alle JIA-Kategorien hinweg fanden. Darüber hinaus war eine verminderte körperliche Aktivität mit einer erhöhten Adipositasprävalenz bei Kindern mit JIA assoziiert [[46], [47]].
In bisherigen Untersuchungen zu Risikofaktoren einer frühzeitigen subklinischen Atherosklerose bei JIA fand körperliche Aktivität nur in einer Studie Berücksichtigung. Häufigere Bewegungszeiten mit anstrengender Intensität waren bei erwachsenen JIA-Patienten mit einem vergleichsweise niedrigen Augmentationsindex – einem Parameter der arteriellen Gefäßsteifigkeit – assoziiert [[34]].
Rauchen
In einer schweizerischen Querschnittserhebung, die über 7000 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 16 bis 20 Jahren ein-schloss, berichteten chronisch Kranke von einem deutlich höheren Risikoverhalten einschließlich Tabakrauchen als die Vergleichsgruppe gesunder Teilnehmer [[48]]. Im Bereich der JIA führten Nash et al. [[49]] eine postalische Umfrage zum Substanzkonsum bei 52 in Ohio lebenden Jugendlichen mit JIA durch. 15,4 % berichteten über den Tabakkonsum innerhalb des letzten Jahres, womit die Raucherprävalenz deutlich unterhalb der im Northwest Ohio Youth Tobacco Survey (26 % der allgemeinen jugendlichen Bevölkerung) lag. In der JIA-Frühkohorte ICON (DRFZ) lag der Anteil an Tabakkonsumenten unter Jugendlichen auf einem vergleichbaren Niveau mit gesunden Kotrollen [[50]]. Bei erwachsenen JIA-Patienten war der Anteil täglich Rauchender hingegen deutlich größer als in der Vergleichsgruppe [[34]].
Adipositas
Ein hoher BMI allein ist schon mit einer niedriggradigen systemischen Entzündung assoziiert [[51]] und erfährt somit im Rahmen einer Entzündungserkrankung zusätzliche Relevanz. In einer durchgeführten Querschnittsstudie an 154 amerikanischen Kindern und Jugendlichen mit JIA erfüllten 18 % die Kriterien für Fettleibigkeit und weitere 12 % waren übergewichtig, ähnlich wie bei ansonsten gesunden amerikanischen Kindern [[52]]. In dieser relativ kleinen Studienpopulation ließen sich keine Zusammenhänge zwischen Fettleibigkeit und klinischer Krankheitsaktivität, Krankheitsdauer oder Medikation feststellen. Ein ähnliches Verhältnis zur Normalbevölkerung – wenn auch auf einem deutlich niedrigerem Niveau – zeigte sich für JIA-Patienten im Rahmen der „Kerndokumentation rheumakranker Kinder und Jugendlicher“ (DRFZ) [[53]].
Eine marokkanische [[54]] und polnische [[55]] Querschnittsstudie fand bei Kindern und Jugendlichen mit JIA eine höhere Übergewichts- und Adipositasprävalenz als in der jeweiligen Referenz-population. Adipöse polnische JIA-Patienten hatten zudem ein höheres Maß an Entzündungsmarkern im Blut, Dyslipidämie, Anzeichen von Insulinresistenz sowie einen höheren Blutdruck als Normalgewichtige. Eine kontrollierte brasilianische Studie, die die Körperzusammensetzung von 42 Mädchen mit JIA betrachtete, zeigte bei präpubertären Kindern mit JIA ein erhöhtes Körpersowie Stammfett, unabhängig von der JIA-Kategorie und Medikation [[56]]. Eine besonders hohe Übergewichtsprävalenz (36 %) ließ sich bei Kindern mit Psoriasis-Arthritis feststellen, deren Krankheitsparameter im Rahmen des amerikanischen Registers CARRA dokumentiert wurden [[57]].
Dyslipidämie
Hinsichtlich der Lipidprofile kamen bisherige Studien zu widersprüchlichen Erkenntnissen. Durch Heterogenität hinsichtlich JIA-Kategorie, Krankheitsaktivität und medikamentöser Therapie lassen sich diese womöglich zumindest teilweise erklären. Anomalien ließen sich in Form eines verminderten Gehalts an High-Density-Lipoprotein (HDL), erhöhten Triglycerid- und Very-Low-Density-Lipoprotein (VLDL)-Werten beobachten [[58], [59]]. Dies zeigte sich insbesondere bei Patienten mit systemischer JIA und bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität. Im Gegensatz dazu fanden Goncalves et al. [[60]] bei Kindern mit JIA niedrigere VLDL- und Triglycerid-Werte als bei gesunden Kontrollen. Eine weitere Studie zeigte mit Ausnahme einer Reduktion des LDL-Cholesterins (Low Density Lipoprotein) keine signifikanten Anomalien des Lipidprofils bei Heranwachsenden mit JIA [[61]]. Marangoni et al. [[62]] registrierten bei Patienten mit polyartikulärer JIA einen verminderten HDL-Spiegel, aber keine Korrelation mit der Krankheitsaktivität oder -dauer.
In einer Studie mit präpubertären Kindern mit oligo- und polyartikulärer JIA wurde das Fastenlipidprofil im Vergleich zu Kontrollen bestimmt. Während sich keine Unterschiede im HDL-Cholesterin beobachten ließen, waren in der JIA-Gruppe sowohl Gesamtcholesterin, Triglyceride als auch LDL-Cholesterin signifikant erhöht. Analysen einzelner JIA-Kategorien sowie Korrelationen zur Krankheitsaktivität wurden nicht durchgeführt [[63]].
Diabetes mellitus Typ 1
Hinsichtlich der Diabetesprävalenz bei Kindern und Jugendlichen mit JIA existieren zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur wenige Daten. Unter den in der „Kerndokumentation rheumakranker Kinder und Jugendlicher“ (DRFZ) dokumentierten Patienten betrug die Prävalenz des Diabetes mellitus Typ 1 0,5 % und lag damit deutlich höher als in der Referenzpopulation [[64]]. Ein ähnliches Verhältnis zur Referenzgruppe zeigte sich auch in früheren, kleineren Studien. So betrug die Prävalenz für Typ-1-Diabetes in einer amerikanischen [[65]] und finnischen Kohorte [[66]] 1,1 % bzw. 2,2 %. Das erhöhte Risiko einer Insulinresistenz könnte auch auf eine genetische Prädisposition für weitere Autoimmunerkrankungen zurückzuführen sein.
Arterielle Hypertonie
Bei erwachsenen JIA-Patienten mit systemischem Krankheits beginn lag die Prävalenz der Hypertonie bei 7,3 % [[33]]. Im Rahmen einer Follow-up-Studie bei jungen Erwachsenen mit JIA standen Parameter der arteriellen Gefäßsteifigkeit im Zusammenhang mit einem erhöhten diastolischen Blutdruck [[34]]. Auffällige Blutdruckwerte ließen sich ebenfalls bei jüngeren JIA-Patienten dokumentieren. Diese betrafen sowohl den systolischen als auch diastolischen Blutdruck [[63], [67]–[69]]. Obwohl sich im Rahmen dieser Untersuchungen größtenteils keine manifeste Hypertonie klassifizieren ließ, wurden in den JIA-Gruppen im Vergleich zu gesunden Kontrollen signifikant höhere Blutdruckwerte registriert.
FAZIT
Eine Früherkennung und konsequente Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren sind von entscheidender Bedeutung, um mit Hilfe der Regenerationspotenziale im Kindes- und Jugendalter eine beschleunigte Entwicklung atherosklerotischer Gefäßveränderungen zu verhindern. Im Rahmen der JIA gilt dies umso mehr, da chronische Entzündungszustände und medikamentöse Maßnahmen per se ein erhöhtes atherosklerotisches Risiko bergen. Trotz heterogener und teilweise widersprüchlicher Datenlage zum Vorliegen traditioneller kardiovaskulärer Risikofaktoren unterstreicht die hohe Prävalenz kardiovaskulärer Begleiterkrankungen im Rahmen der rheumatoiden Arthritis die Bedeutung und Notwendigkeit lebensstilbasierter Maßnahmen. Um zu einer Verringerung der Inzidenz kardiovaskulärer Begleit- und Folgeerkrankungen beizutragen und somit die langfristige kardiovaskuläre Prognose günstig zu beeinflussen, sollten Präventionsstrategien insbesondere die Vermeidung von körperlicher Inaktivität, Adipositas und Tabakkonsum adressieren.