Neurologie up2date 2019; 2(02): 191-209
DOI: 10.1055/a-0865-3953
Neurodegenerative Erkrankungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Amyotrophe Lateralsklerose – ein Update zu Diagnostik, Therapie und Forschung

Simon Witzel
,
Albert C. Ludolph
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Albert C. Ludolph
Abteilung für Neurologie
Universität Ulm
Oberer Eselsberg 45
89081 Ulm

Publication History

Publication Date:
05 June 2019 (online)

 

Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist die häufigste Motoneuronerkrankung. Eine kurative Therapie existiert bisher nicht. Fortschritte sind in den letzten Jahren beim Verständnis der neuroanatomischen Grundlagen und bei der Suche nach Biomarkern gemacht worden. Dies führte zur Entwicklung neuer Therapieansätze. In diesem Beitrag werden anhand praxisnaher Kasuistiken die neuen Erkenntnisse aus den Bereichen Forschung, Diagnostik und Therapie vorgestellt.


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Abkürzungen

ALS: amyotrophe Lateralsklerose
ALS-FRSr: ALS-Functional Rating Scale Revised-Score
ASO: Anti-Sense-Oligonukleotid
BSG: Blutsenkungsgeschwindigkeit
bvFTD: behaviorale Variante der frontotemporalen Demenz
BWS: Brustwirbelsäule
CIDP: chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie
CK: Creatinkinase
CRP: C-reaktives Protein
DNA: Desoxyribonukleinsäure
DTI: Diffusions-Tensor-Bildgebung
EMG: Elektromyografie
ENG: Elektroneurografie
fALS: familiäre ALS
FTD: frontotemporale Demenz
GOT: Glutamat-Oxalacetat-Transaminase
GPT: Glutamat-Pyruvat-Transaminase
HIV: humanes Immundefizienzvirus
HMNS: hereditäre motorisch-sensible Neuropathie
HSP: hereditäre spastische Paraparese
HTLV: humanes T-lymphotropes Virus
HWS: Halswirbelsäule
IBM: Einschlusskörperchenmyositis
LDH: Laktatdehydrogenase
MAO: Monoaminooxidase
Nf: Neurofilament
NIV: nichtinvasive Beatmung
pCO2 : Kohlendioxidpartialdruck
PEG: perkutane endoskopische Gastrostomie
PLS: primäre Lateralsklerose
PMA: progressive Muskelatrophie
RNA: Ribonukleinsäure
sALS: sporadisch auftretende ALS
SMA: spinale Muskelatrophie
TPA: Treponema-Pallidum-Hämagglutinations-Assay
TSH: Thyreoidea-stimulierendes Hormon (Thyreotropin)
ZNS: zentrales Nervensystem
 

Einleitung

Die ALS ist eine neurodegenerative Erkrankung und gehört zum Formenkreis der Motoneuronerkrankungen. Der Begriff wurde durch J. M. Charcot Ende des 19. Jahrhunderts geprägt. Er beschrieb aufgrund von autoptischen Befunden eine Erkrankung, die mit einer Sklerosierung der Seitenstränge des Rückenmarks (Lateralsklerose) und einer Amyotrophie der Skelettmuskulatur einhergeht – die amyotrophe Lateralsklerose.

Im Seitenstrang verlaufen vor allem efferente motorische Bahnen, welche die oberen Motoneurone des motorischen Kortex mit den bulbären Motoneuronen und Vorderhornzellen im Rückenmark verbinden. Die Axone der Vorderhornzellen bilden dann die motorischen Fasern des peripheren Nervensystems und innervieren über die motorische Endplatte die Skelettmuskulatur. Die neuropathologische Beschreibung von Charcot weist somit auf das für die ALS charakteristische gleichzeitige Auftreten von Zeichen einer Schädigung des 1. und des 2. Motoneurons hin.

Die ALS ist im frühen und mittleren Krankheitsstadium ein klinisch durchaus facettenreiches Krankheitsbild. Je nach Ort der Erstmanifestation und nachfolgendem Ausbreitungsmuster der Erkrankung treten für den Patienten unterschiedliche Einschränkungen auf. Anhand der Region der Erstmanifestation werden unterschiedliche Phänotypen definiert – diese gehen im weiteren Verlauf häufig ineinander über, unterscheiden sich jedoch prognostisch. Gemeinsam sind alle Verläufe durch fokal beginnende und sich dann kontinuierlich ausbreitende Paresen gekennzeichnet. Diese führen letztlich durch Beteiligung der Atemmuskulatur zum Tod durch respiratorische Insuffizienz. Je nach Familienanamnese unterscheidet man zwischen sporadisch auftretenden Erkrankungen (sALS) und der familiären ALS (fALS).

Die Pathogenese der ALS ist bisher nur teilweise verstanden. Fehlfunktionen bei Kontrollmechanismen der Proteinbiosynthese, bei Mechanismen der Zytoskelettdynamik, der RNA-Homöostase und der DNA-Reparatur wird aktuell eine tragende Rolle zugeschrieben. Diese Prozesse führen über noch weitgehend ungeklärte Wege zum Untergang von Neuronenpopulationen. Motoneuronen scheinen hierbei gegenüber diesen Veränderungen besonders anfällig zu sein.

Merke

Fokal beginnende und sich dann kontinuierlich ausbreitende Paresen kennzeichnen die ALS und führen durch Beteiligung der Atemmuskulatur zum Tod durch respiratorische Insuffizienz.

Fallbeispiel 1

Ein 62-jähriger Patient berichtet über eine rechtsseitige Fußheberparese, die vor ca. 1 Jahr aufgetreten sei. Seit ca. 3 Monaten sei nun auch die Fußhebung links beeinträchtigt. In den letzten 2 – 3 Wochen habe er das Gefühl, dass nun auch das Öffnen von Hemdknöpfen und das Drehen des Schlüssels mit der rechten Hand beeinträchtigt seien.

Es liegen eine zerebrale und spinale Bildgebung ohne wegweisende Befunde vor. Eine Labordiagnostik und Liquordiagnostik waren bis auf eine Erhöhung der CK im Serum auf das 1,5-Fache unauffällig.

Klinische Untersuchung

Bestätigung der geschilderten Paresen mit Myatrophie der betroffenen Regionen. Muskeleigenreflexe ubiquitär gesteigert; Faszikulationen an allen Extremitäten.

Diagnose

Der Patient schildert ein klassisches Ausbreitungsmuster einer ALS mit Beginn an der rechten unteren Extremität.


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Epidemiologie

Das Alter bei Erstmanifestation liegt bei der sALS klassischerweise bei 60 – 65 Jahren. Die Erkrankung kann auch im frühen Erwachsenenalter und im hohen Lebensalter auftreten. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Die Überlebensdauer liegt durchschnittlich bei 3 – 5 Jahren, einige Subformen weisen deutlich langsamere Krankheitsverläufe auf. Die Inzidenz liegt in Deutschland bei ca. 3/100 000; die Lebenszeitprävalenz bei ca. 1 : 400. Aufgrund des rasch letalen Krankheitsverlaufes wird die Prävalenz in Deutschland aber nur auf ca. 6000 – 8000 Erkrankte geschätzt [1].

Merke

Trotz der geringen Prävalenz aufgrund des rasch letalen Krankheitsverlaufs ist die ALS mit einer Lebenszeitprävalenz von ca.1 : 400 eine relativ häufige neurodegenerative Erkrankung.

Tab. 1 Verteilung der Phänotypen bei der klassischen ALS [1].

Phänotyp

Häufigkeit

bulbär

ca. 35%

thorakal

ca. 3%

obere Extremität

ca. 27%

untere Extremität

ca. 30%

nicht ermittelbar

ca. 5%


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Klinische Charakteristika der ALS

Merke

Die ALS zeichnet sich klinisch durch drei Besonderheiten aus, die allein durch sorgfältige Anamnese und die klinische Untersuchung erarbeitet werden können.

  • Gleichzeitiges Auftreten von Zeichen einer Schädigung des 1. und 2. Motoneurons,

  • das Spreading,

  • die typischen Paresemuster.

Zeichen des 1. und 2. Motoneurons

Bei der ALS sind nebeneinander kortikale und spinale Neuronen geschädigt. Kortikale efferente Motorneurone innervieren mit ihren Axonen die α-Motoneurone in den Vorderhörnern des Rückenmarks und die motorischen Hirnnervenkerne. Der Untergang der kortikalen Motoneurone führt zum Verlust der Feinmotorik und zu zentralen Paresen. α-Motoneurone innervieren über die motorische Endplatte die Skelettmuskulatur. Ein Absterben von α-Motoneuronen führt zu peripheren Paresen. Das gleichzeitige Auftreten beider Paresetypen ermöglicht die differenzialdiagnostische Abgrenzung der ALS gegenüber rein zentralen und rein peripheren Pathologien.

Initial können Zeichen des 1. und 2. Motoneurons isoliert sowie in Kombination vorliegen. Im weiteren Krankheitsverlauf sind bei der klassischen ALS nebeneinander Zeichen des 1. und 2. Motoneurons zu finden. Wenn die Symptome des 2. Motoneurons – vor allem in späteren Krankheitsstadium – überwiegen, können diese die Zeichen des 1. Motoneurons maskieren.

Praxis

Zeichen des 1. Motoneurons

  • erhöhter Muskeltonus bis hin zu Spastik/Rigor mit spastisch/rigiden Paresen

  • Muskelkrämpfe

  • Feinmotorikstörung

  • gesteigerte Reflexe und Auftreten pathologischer Reflexe

  • normales Reflexniveau bei gleichzeitigem Vorliegen von Amyotrophie in der gleichen Region

Zeichen des 2. Motoneurons

  • Faszikulationen

  • Atrophien

  • schlaffe Paresen

  • reduzierter Muskeltonus bis hin zur Atonie

  • Hypo-/Areflexie

Merke

Eine Schädigung der kortikalen und spinalen/bulbären Motoneurone führt bei der ALS zu einem Nebeneinander von Merkmalen zentraler und peripherer Paresen und ermöglicht bereits eine Abgrenzung gegenüber einer Vielzahl von Differenzialdiagnosen.


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Spreading (engl.: Ausbreitung)

Der Begriff bezeichnet den fokalen Beginn der Erkrankung mit anschließender kontinuierlicher Ausbreitung auf benachbarte Regionen. Beginnt die ALS beispielsweise mit einer Fußheberparese links, folgen im Anschluss meist Paresen des rechten Beines oder des linken Armes. Gekreuzte Verläufe (z. B. Beginn an der rechten Hand, nachfolgend Manifestation am linken Bein) kommen nur äußerst selten vor und legen Zweifel an der Verdachtsdiagnose nahe.

Tipp

Spreading ist ein Charakteristikum, das gezielt während des Anamnesegespräches erfragt werden sollte. Ein typisches Spreading-Muster macht die Diagnose einer ALS bereits sehr wahrscheinlich.

Typische Paresemuster

Paresen und Atrophien treten bei der ALS distal betont auf. Es liegt fast immer ein asymmetrischer Beginn und Verlauf vor. Bestimmte Muskelgruppen sind deutlich früher und häufiger betroffen als andere. Ein passendes lokales Verteilungsmuster der Paresen ist ein wichtiger Hinweis für das Vorliegen einer ALS. Die α-Motoneurone der vorwiegend betroffenen Muskulatur erhalten viele monosynaptische Verbindungen von kortikalen Motoneuronen. Es wird vermutet, dass hierdurch prionenartige Eigenschaften des Ausbreitungsmusters in diesen Zellen schneller zum Tragen kommen.

Merke

Paresen treten bei der ALS distal betont und asymmetrisch auf. Die typischen Paresemuster ([Tab. 2]) stellen einen wichtigen Hinweis für das Vorliegen einer ALS dar.

Unabhängig vom Ort der Erstmanifestation kommt es selbst im fortgeschrittenen Krankheitsstadium nicht zu höhergradigen Paresen der Augenmuskulatur. Auch die Harnblasen- und Analsphinktermuskulatur ist in der Regel nicht in relevantem Ausmaß betroffen. Einen Sonderfall stellt der imperative Harndrang bei der primären Lateralsklerose (PLS) dar.

Cave

Klinisch sichtbare Augenmuskelparesen oder die Beeinträchtigung von Harnblasen- und Analsphinkterfunktion sind für die ALS äußerst untypisch und sollten zu einer Überprüfung der Diagnose führen. Sonderfall: imperativer Harndrang bei der PLS.

Tab. 2 Typische Paresemuster bei der amyotrophen Lateralsklerose (ALS).

vorwiegend betroffen

weniger/spät betroffen

spezielle Phänomene

frühe klinische Symptome

obere Extremität

  • Fingerextension

  • Fingerspreizung

  • Daumenopposition

  • Extension im Handgelenk

  • Flexion im Ellenbogengelenk

  • Fingerflexion

  • Flexion im Handgelenk Extension im Ellenbogengelenk

  • Split-Hand-Phänomen

  • (= ausgeprägte Myatrophie zwischen Daumen und Zeigefinger, Atrophie thenar > hypothenar)

  • Probleme beim Öffnen von Knöpfen, Öffnen von Flaschen, Drehen des Schlüssels im Schloss

untere Extremität

  • Fußheber

  • Flexion im Kniegelenk

  • Fußsenker

  • Extension im Kniegelenk

  • gehäuftes Stolpern durch Fußheberparese

thorakal

  • respiratorische Muskulatur inklusive Zwerchfell

  • autochthone Rückenmuskulatur

  • laterale Rumpfmuskulatur

  • Ateminsuffizienz als primäre Manifestation

  • unilaterale Zwerchfellparese

zervikal

  • Extension der Halswirbelsäule

  • Flexion der Halswirbelsäule

  • „Dropped Head Syndrome“ (= Anteflexion der HWS durch Paresen der Extensoren, Kinn sinkt Richtung Brust) → konsekutive Deformitäten der HWS mit sekundären Schäden

  • schmerzhafte Verspannungen im Schulter-/Nacken-Bereich

  • Absinken des Kinns Richtung Brust im Laufe des Tages durch Ermüdung

bulbär

  • Hirnnerven V, VII, X – XII

  • Hirnnerven III, IV und VI

  • die Augenmuskulatur bleibt klinisch ausgespart

  • gestörte Artikulation

  • gehäuftes Verschlucken

  • Hypersalivation

pseudobulbär

  • Sonderform der bulbären Affektion mit vorwiegender Beteiligung des 1. Motoneurons

  • erhöhte Affektdurchlässigkeit

  • Laryngospasmen

  • häufiges Gähnen

  • im Vergleich zur Bulbärparalyse eher „gepresstes“ Sprechen


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Spreading auf neuropathologischer Ebene

Ein Spiegelbild des Spreadings stellt auf neuropathologischer Ebene die ebenfalls kontinuierliche Ausbreitung von intrazellulären hyperphosphorylierten Aggregaten des TAR DNA-binding Protein 43 (TDP-43) im ZNS dar.

TDP-43-Proteinaggregate werden bei neuropathologischen Studien bei ALS- und Tau negativen FTD-Patienten nachgewiesen und scheinen darüber hinaus mit einer Funktionsstörung und dem Zelluntergang betroffener Neuronenpopulationen in Verbindung zu stehen. Zudem wird die TDP-43-Pathologie bei der Einschlusskörperchenmyositis gefunden, welche interessanterweise auch eine genetische Überlappung mit der ALS aufweist.

Auch bei einer Subgruppe von Parkinson- und Alzheimer-Patienten wurden TDP-43-Aggregate als sekundäre Pathologie gefunden. TDP-43 gehört zur Proteinfamilie der heterogeneous nuclear Ribonucleoproteins (hnRNPs). Diese regulieren den RNA-Metabolismus in allen Stadien des RNA-Lebenszyklus. Eine Mutation im TARDBP-Gen, welches für TDP-43 codiert, führt zu einer genetischen ALS-Variante. Mit FUS und hnRNPA1 gibt es zwei weitere Mitglieder dieser Proteinfamilie, die im Falle einer Genmutation zu einer ALS führen können.

Anhand der von der TDP-43-Pathologie betroffenen Regionen konnten nach Braak und Brettschneider 4 Stadien der ALS definiert werden [2]. Die Ausbreitung der Proteinpathologie im ZNS läuft bei ALS-Patienten in einer definierten Reihenfolge ab. Dabei sind die sequenziell betroffenen Regionen teils durch relativ große räumliche Distanzen getrennt – z. B. kortikale Motoneurone und α-Motoneurone im Rückenmark. Sie sind jedoch durch Fasertrakte funktionell und damit über Synapsen auch physisch eng miteinander verbunden. Eine Propagation der Proteinpathologie über anterograden axonalen Transport wird angenommen. Hierbei scheint es zu einer prionenartigen Ausbreitung schadhafter Proteinaggregate von Neuron zu Neuron zu kommen. Prionenartig bedeutet bei der ALS: Schadhafte Proteinaggregate initiieren über Synapsen in benachbarten Neuronen die Bildung weiterer schädlicher Proteinablagerungen.

Neuropathologische Studien zeigen, dass der Ursprung der TDP-43-Pathologie bei der ALS in kortikalen Regionen liegt, insbesondere dem Motorkortex. Neben einer Affektion der kortikalen Motoneurone sowie der von diesen direkt innervierten bulbären und spinalen Motoneurone kommt es zu pathologischen Veränderungen in nicht motorischen kortikalen Regionen und in subkortikalen Arealen: z. B. in den Basalganglien, in präfrontalen Kortexarealen, im Hypothalamus und Thalamus, der Formatio reticularis und in präzerebellären Kernen [3]. Andere Regionen sind kaum oder gar nicht betroffen.

Die unterschiedliche Vulnerabilität von subkortikalen Neuronenpopulationen gegenüber der ALS-Pathologie könnte mit dem Ausmaß an direkten (monosynaptischen) Verbindungen der betroffenen Kortexareale und dem unterschiedlichen Aufbau von Axonen zusammenhängen. Möglicherweise spielt hier auch das Verhältnis an löslichem und nicht löslichen TDP-43 im axonalen Kompartiment eine wichtige Rolle [3].

Eine Ausbreitung von kortikalen Regionen entlang von Fasertrakten in Richtung der Peripherie prägte den Begriff des kortikofugalen axonalen Spreadings [3]. Dieses neuropathologische Phänomen konnte mittlerweile auch in vivo mittels Magnetresonanztomografie via Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) nachvollzogen werden. In einem longitudinalen Ansatz ergab sich hierbei eine sequenzielle Beteiligung definierter Fasertrakte. Somit konnte gezeigt werden, dass die 4 neuropathologisch gefundenen ALS-Stadien zeitlich nacheinander durchlaufen werden und das Voranschreiten der Erkrankung widerspiegeln [4]. Durch technische Fortschritte in der Bildakquisition könnte sich das DTI-Verfahren in Zukunft auch als Biomarker bei der ALS eignen.

Fazit

Neuropathologisch lässt sich die ALS anhand der sequenziellen Ausbreitung der TDP-43-Protein-Pathologie in 4 Stadien einteilen. Der Begriff kortikofugales axonales Spreading beschreibt eine prionenartige Ausbreitung von kortikal nach peripher entlang von Fasertrakten.


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Nicht motorische Manifestation der ALS

Generalisierte Faszikulationen und Muskelkrämpfe sind bei der ALS häufig und gehen dem Auftreten von Paresen oft zeitlich voraus, sind aber weder ALS-spezifisch noch Voraussetzung für die Diagnose. Bei isoliertem Auftreten ohne zeitgleiche oder nachfolgende Paresen sind diese Symptome meist als benigne einzuordnen. Betroffene konsultieren aus Sorge, an einer ALS zu leiden, häufig einen Neurologen.

Bei einer bulbären Beteiligung kommt es häufig zu einer veränderten Speichelsekretion mit Hypersalivation. Diese scheinbare Überproduktion von Speichel (Pseudohypersalivation) hat aber ihre Ursache in einer Schluckstörung: Der spontane Schluckvorgang gelingt nicht mehr. Ein im Krankheitsverlauf zunehmendes Problem ist zudem zähes Sekret im respiratorischen Trakt – in Zusammenhang mit einem abgeschwächten Hustenstoß ist es aufgrund der Häufung respiratorischer Infekte mitbestimmend für die Prognose.

Im Rahmen der Pseudobulbärparalyse – bulbäre Affektion mit vorwiegender Beteiligung des 1. Motoneurons – treten eine erhöhte Affektdurchlässigkeit mit pathologischem Lachen und Weinen, gehäuftem Gähnen und Laryngospasmen auf. Die Laryngospasmen können durch Geruchsreize provozierbar sein und stehen in Zusammenhang mit gastroösophagealem Reflux.

Sensible Ausfälle und Schmerzen sind keine krankheitsspezifischen Zeichen einer ALS. Sie stehen nicht im Vordergrund, können jedoch bei 20 – 30% der Patienten in milder Form auftreten. Vor allem in der Initialphase schildern Patienten häufiger sensible Reizerscheinungen in Körperregionen, die im Anschluss von Paresen betroffen sind [5].

Außerhalb des ALS/FTD-Subtyps kommt es bei etwa 30% der Patienten zu leichtgradigen kognitiven Veränderungen. In der neuropsychologischen Testung zeigen sich hierbei vor allem die Domänen Wortflüssigkeit und exekutive Funktionen signifikant verändert [6], [7].

Hintergrundwissen

Multisystemerkrankung ALS

Im von der TDP-43-Pathologie regelhaft betroffenen präfrontalen Kortex ist unter anderem das frontale Augenfeld lokalisiert. Obwohl klinisch bis zum Endstadium der ALS keine höhergradigen Augenmuskelparesen auftreten, lässt eine neuropathologisch nachgewiesene Affektion des frontalen Augenfeldes eine okulomotorische Beteiligung erwarten. Eine Videookulografie ermöglicht über die exakte Verfolgung von Augenbewegungen Einblicke in höhere neuronale Netzwerkstörungen. So können sowohl exekutive okulomotorische Funktionsstörungen als auch subklinische Blickparesen detektiert werden.

Für die ALS konnten zwei videookulografische Stadien definiert werden, die konsistent zu den neuropathologischen Veränderungen sind:

  • Stadium 1 – nur exekutive Kontrolle der Okulomotorik beeinträchtigt;

  • Stadium 2 – Zunahme der exekutiven Defizite plus Störungen der Okulomotorik selbst mit olivozerebellären Funktionsstörungen [4].

Ein nicht motorisches Phänomen der ALS stellt der Katabolismus mit deutlicher Gewichtsabnahme im Krankheitsverlauf dar. Das Ausmaß des Gewichtsverlustes ist dabei nicht allein durch die Myatrophien oder durch reduzierte Kalorienzufuhr zu erklären. Verantwortlich hierfür ist auch eine katabole Stoffwechsellage mit erhöhtem Grundumsatz. Neuropathologisches Korrelat hierzu ist der Nachweis der TDP-43-Pathologie im Hypothalamus – einer wichtigen Schaltstelle bei der Regulierung des Stoffwechsels [8]. In MR-tomografischen Untersuchungen des Hypothalamusvolumens konnte eine deutliche Korrelation zwischen Katabolismus und Grad der hypothalamischen Atrophie hergestellt werden [9].

Merke

Die ALS gilt aufgrund der vorwiegend motorischen Klinik als Motoneuronerkrankung. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich aber um eine Multisystemerkrankung mit vorwiegend motorischen Defiziten.

Fallbeispiel 2

Eine 70-jährige Patientin berichtet, dass sie seit ca. 4 Monaten während längerer Gespräche und nach Genuss von geringen Mengen Alkohol undeutlicher spreche. Ihre Freundin habe gesagt, sie klinge dann, als ob sie betrunken sei. Die Symptomatik werde langsam schlechter. Auf Nachfrage gibt sie an, sich seit Kurzem auch gehäuft zu verschlucken.

Klinische Untersuchung

In der klinischen Untersuchung zeigt sich eine diskrete Einschränkung der Zungenmotilität. Die Zunge wirkt etwas schmächtig – keine sichere Atrophie. Der übrige neurologische Untersuchungsbefund ist unauffällig.

Diagnose

Die Anamnese ist typisch für eine beginnende bulbäre ALS. Eine weiterführende Diagnostik ist zu empfehlen.


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Subtypen der ALS

Flail-Arm-Syndrom

Es handelt sich um eine Variante mit deutlich überwiegender Beteiligung des 2. Motoneurons, die in der Regel nach fokalem Beginn zu einer schlaffen Paraparese der oberen Extremitäten führt. Seltener ist eine Paraparese der unteren Extremitäten ohne Zeichen der Läsion des 1. Motoneurons (Flail Leg). Proximal und distal beginnende Formen treten gleichermaßen auf. Die Prognose ist meist günstiger als bei der klassischen ALS – jedoch nicht immer [10].


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Primäre Lateralsklerose (PLS)

Hier treten lediglich Zeichen des 1. Motoneurons auf. Wie bei klassischer ALS imponieren charakteristisch:

  • ein asymmetrischer Beginn und Verlauf,

  • Spreading und

  • die vorwiegend betroffenen Muskelgruppen.

Die von Patienten beschriebene Schwäche ist meist eine Kombination aus spastisch-rigider Tonuserhöhung, beeinträchtigter Koordination und leichtgradiger zentraler Parese. Höhergradige Paresen deuten eher auf eine ALS mit vorwiegender Beteiligung des 1. Motoneurons hin – der Übergang ist jedoch fließend. Eine Dranginkontinenz ist ein häufiges Merkmal bei der PLS.

Der Verlauf der Erkrankung ist in der Regel deutlich langsamer als bei der klassischen ALS und die Prognose damit günstiger.

Die PLS wird von einigen Seiten als eigene Entität angesehen – Neuropathologie und DTI-Bildgebung zeigen eine Affektion der gleichen kortikalen Regionen und Fasertrakte wie bei der ALS, sodass wir von einer ALS-Variante mit vergleichsweiser Resistenz der Vorderhornzellen ausgehen [3], [11].


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Progressive Muskelatrophie (PMA)

Es handelt sich um eine Variante, bei der klinisch nur Zeichen der Affektion des 2. Motoneurons nachzuweisen sind. Wie bei der klassischen ALS findet sich ein asymmetrischer Beginn und Verlauf, Spreading und das typische Paresemuster. Die Prognose ist mit der klassischen ALS vergleichbar.

Die PMA wird ebenfalls von einigen Seiten als eigene Entität angesehen – Neuropathologie und DTI-Bildgebung zeigen auch hier, dass es sich eher um eine Subform der ALS handelt [12], [13].


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ALS/FTD

Hier treten gleichzeitig Merkmale der behavioralen Variante der frontotemporalen Demenz (bvFTD) und einer ALS auf, die kognitiven Einschränkungen gehen dabei in der Regel den motorischen Einschränkungen voraus. Die Erkrankung hat eher eine schlechte Prognose, auch aufgrund von Malcompliance im Rahmen der frontalen Verhaltensstörung.

Fazit

Das Flail-Arm-Syndrom, die primäre Lateralsklerose (PLS), die progressive Muskelatrophie (PMA) und die ALS/FTD sind Subtypen der ALS. Die PLS hat meist einen wesentlich langsameren Verlauf und damit eine bessere Prognose; häufig, aber nicht immer, trifft dies auch auf das Flail-Arm-Syndrom zu.

Hintergrundwissen

Amyotrophe Lateralsklerose und frontotemporale Demenz – zwei Varianten einer Pathologie?

Schon lange ist bekannt, dass in Familien von ALS-Patienten auch gehäuft FTD-Fälle beobachtet werden. Zudem zeigt die ALS/FTD eindrücklich Aspekte beider Erkrankungen. 2006 konnte mit dem Nachweis von TDP-43-Proteinaggregaten eine neuropathologische Brücke zwischen den beiden Erkrankungen geschlagen werden [14]. Eine zusätzliche Verbindung besteht über genetische Mutationen, die sowohl zu einer ALS auch zu einer FTD führen können – die wichtigsten Vertreter sind Mutationen im Chromosome 9 open Reading Frame 72 (C9ORF72). Eine Repeat-Expansion in C9ORF72 stellt die häufigste genetische Ursache der ALS und der bvFTD dar.

Welche Faktoren letztlich den klinischen Phänotyp bestimmen, wird noch erforscht – interessant ist, dass Genträger je nach Phänotyp unterschiedliche neuroinflammatorische Profile aufweisen. Vielversprechende Biomarker sind Chitotriosidase 1 (CHIT1) und das glial fibrillary acidic Protein (GFAP) [15].

Genauere neuropsychologische Studien an ALS/FTD- und bvFTD-Patienten zeigen deutlich Unterschiede im Muster der kognitiven Veränderungen und Verhaltensstörungen. Die beiden Erkrankungen sind zwar pathogenetisch verwandt, klinisch stellen sie jedoch eher kein kontinuierliches Spektrum dar [16].


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Genetische Aspekte

Fallbeispiel 3

Ein Ehepaar stellt sich in der Sprechstunde vor. Die Ehefrau berichtet, dass es in den letzten 2 Jahren bei ihrem 61-jährigen Ehemann zu einem moderaten kognitiven Abbau und zu aggressivem Verhalten gekommen sei. Im letzten halben Jahr sei ihr Mann mit seiner rechten Hand zunehmend ungeschickter, sodass ihm öfters Gegenstände herunterfielen. Ihn störe das alles nicht, zum Arzt habe er auch nicht gehen wollen.

Klinische Untersuchung

Klinisch imponiert der Patient im Kontakt enthemmt. Es zeigen sich Paresen an der rechten Hand sowie Myatrophien im Sinne eines Split-Hand-Phänomens.

Diagnose

Die Anamnese legt den Verdacht auf eine ALS/FTD nahe. Eine ALS-Basisdiagnostik ist ebenso wie eine neuropsychologische Untersuchung zu empfehlen.

In Deutschland weisen etwa 5%aller ALS-Patienten eine positive Familienanamnese auf (fALS) [1]. Die restlichen 95% der ALS-Patienten haben keine positive Familienanamnese und werden unter dem Begriff sporadische ALS (sALS) zusammengefasst. In den betroffenen Familien werden wie bereits erwähnt neben weiteren Fällen von ALS gehäuft auch Fälle von frontotemporaler Demenz (FTD) beobachtet.

Merke

Insgesamt kann aktuell bei bis zu 10% aller ALS-Fälle – sprich: fALS- und sALS-Patienten – eine genetische Mutation identifiziert werden. Die häufigsten Gendefekte sind dabei in absteigender Häufigkeit

  • Mutationen im C9ORF72-Gen,

  • Mutationen im SOD1-Gen,

  • Mutationen im FUS-Gen.

Zusammengenommen sind diese drei Mutationen in Deutschland für etwa 50% der fALS-Fälle verantwortlich [17].

Bei der sALS werden in Mitteleuropa vor allem Veränderungen im C9ORF72- und SOD-1-Gen gefunden; andere Genmutationen sind hier selten. Ein Großteil der genetischen Mutationen sind Miss-Sense-Mutationen. Eine Ausnahme stellt die C9ORF72-Pathologie da: Hier handelt es sich um eine Repeat-Expansion.

In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl weiterer Genmutationen entdeckt, die zu einer ALS führen, das Risiko, an einer ALS zu erkranken, erhöhen oder die Erkrankungsprogression beeinflussen. Diese sind deutlich seltener als die drei o. g. Mutationen. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von Familien mit gehäuften ALS-Fällen, für die auch mit neuesten genetischen Methoden bisher keine Mutation identifiziert werden konnte. Es ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Jahren noch weitere mit ALS assoziierte Gendefekte entdeckt werden. Aufgrund von Zwillingsstudien wird der Anteil genetischer Faktoren bei der ALS auf etwa 60% geschätzt [18]. Eine zusammenfassende Übersicht wichtiger ALS-Gene zeigt [Tab. 3] (nach [19]).

Tab. 3 Übersicht wichtiger ALS-Gene.

Physiologische Funktion

Gen

Protein

RNA-Homöostase

TARDBP

TDP-43

FUS

FUS

HNRNPA1/HNRPA2B1

HNRNPA1/A2B1

MATR3

Matrin 3

Autophagie, Proteostasis und Vesikeltransport

TBK1

TBK1

OPTN

Optineurin

SQSTM1

p62

C9ORF72

Protein C9orf72

UBQLN2

Ubiquilin 2

VCP

Valosin-containing Protein

VAPB

Vesicle-associated Membrane Protein

Associated Protein B/C

ALS2

Alsin

CHMP2B

Charged multivesicular Body Protein 2

Zytoskelettdynamik

PFN1

Profilin 1

DCTN1

Dynactin Subunit 1

NEFH

Neurofilament

heavy Polypeptide

MAPT

Tau Protein

TUBA4A

Tubulin A 4 alpha

KIF5A

Kinesin Family Member 5A

DNA-Reparaturmechanismen

FUS

FUS

NEK1

Never in Mitosis A-related Kinase 1

C21ORF2

Protein C21orf2

SPG11

Spatacsin

andere

SOD1

Superoxiddismutase 1

GRN

Granulin

Die Entdeckung neuer ALS-Gene und die Forschung an den physiologischen Funktionen der Proteinprodukte haben in den letzten Jahren zu zahlreichen neuen Erkenntnissen geführt. Die identifizierten Gene spielen eine wichtige Rolle bei Kontrollmechanismen der Proteinbiosynthese, bei Mechanismen der Zytoskelettdynamik, der RNA-Homöostase und der DNA-Reparatur. Diese Eigenschaften sind auf zellulärer Ebene miteinander funktionell verbunden. Eine Störung in einem Teilbereich zieht häufig auch Störungen in den anderen Bereichen nach sich. Es wird vermutet, dass diese Veränderungen letztlich in einer gemeinsamen Endstrecke zur ALS führen.

Trotz intensiver Forschung sind die genauen Wege vom Gendefekt bis zur ALS-Pathologie weiterhin unzureichend bekannt. Ein vollständiges genetisches Modell der ALS müsste neben der Krankheitsentstehung auch plausible Wege für die Entstehung der heterogenen klinischen Subtypen aufzeigen.

Merke

Die physiologischen Funktionen bekannter ALS-Gene prägen die pathophysiologischen Hypothesen zur Entstehung der ALS. Schlüsselfaktoren sind:

  • Kontrollmechanismen der Proteinbiosynthese,

  • Mechanismen der Zytoskelettdynamik,

  • Mechanismen der RNA-Homöostase und der DNA-Reparatur.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die ALS einige Charakteristika aufweist, die bei vielen Krebsarten ebenso beobachtet werden. Hierzu zählen:

  • Erkrankungsbeginn häufiger in höherem Alter,

  • schneller Krankheitsprogress,

  • Erkrankung betrifft spezifischen Zelltyp,

  • komplexe Vererbung.

Eine Anwendung von epidemiologischen Berechnungen, die ursprünglich aus der Krebsforschung stammen, auf verschiedene ALS-Register lässt den Schluss zu, dass es sich auch bei der ALS um einen mehrschrittigen Prozess handelt. Bei ALS-Patienten liegt möglicherweise ein genetisches Risikoprofil vor, welches allein noch nicht zum Auftreten der Erkrankung führt. Eine weitere erworbene Schädigung im Laufe des Lebens, im Sinne eines „second Hit“, kann dann jedoch eine Kaskade in Gang setzten, die zum Ausbruch der Erkrankung führt [20].

Neuropathologische Veränderungen im Rahmen von Genmutationen

Ein Großteil der Patienten mit genetischen Mutationen weist die bereits beschriebene TDP-43-Pathologie auf. Einige Mutationen zeigen jedoch besondere neuropathologische Veränderungen:

  • SOD1 und FUS: Vergleichbare Veränderungen wie bei TDP-43; jedoch durch SOD1- oder FUS-Protein-Aggregate.

  • C9ORF72: Hier kommt es zusätzlich zur TDP-43-Pathologie zu intranukleären RNA-Foki, ausgeprägten zytoplasmatischen Einschlüssen durch Dipeptide Repeat Proteins und zu p62-Protein-positiven, weitgehend TDP-43-negativen Einschlüssen vor allem im Zerebellum und Hippocampus.

  • Verschiedene Mutationen können zusätzlich zu Veränderungen führen, die nicht nur in Neuronen, sondern auch in anderen Zelltypen auftreten, z. B. in Astrozyten, Oligodendrozyten und Mikroglia. Die Beteiligung von Gliazellen könnte eine Rolle in der Entstehung der ALS-Subtypen und bei der unterschiedlich raschen Krankheitsprogredienz spielen.

Merke

Neben Neuronen treten bei der ALS auch Veränderungen in Gliazellen auf. An der Bedeutung der glialen Beteiligung in der Krankheitsentstehung, Ausbreitung, klinischen Manifestation und dem Verlauf wird geforscht.

Fallbeispiel 4

Ein 68-jähriger Patient stellt sich mit seit ca. 3 Jahren bestehenden Schluck- und Sprechbeschwerden sowie einer Steifheit der Beine vor. Angefangen habe es mit immer beschwerlicher werdendem Sprechen. Im Verlauf sei dann vor allem das rechte Bein betroffen gewesen, später sei auch das linke Bein hinzugekommen. Klinisch zeigt sich eine deutlich verlangsamte Zungenmotilität, ein rechtsbetontes spastisch-rigides Syndrom mit allseits gesteigerten Muskeleigenreflexen. Atrophien lassen sich nicht feststellen. Elektrophysiologisch ergeben sich keine wegweisenden Befunde.

Auf Nachfrage berichtet der Patient, dass er sehr schnell lachen und weinen müsse, dies sei früher nicht der Fall gewesen. Zudem störe ihn ein plötzlich auftretender Harndrang, der ihn dann zwinge, sehr schnell zur Toilette zu gehen. Da er es aufgrund der zunehmenden Einschränkung beim Gehen nicht immer rechtzeitig zur Toilette schaffe, trage er nun Einlagen und traue sich immer seltener zu gesellschaftlichen Veranstaltungen.

Diagnose

Anamnese und Befund sind typisch für eine primäre Lateralsklerose (PLS) mit zusätzlich vorliegender Affektlabilität bei Pseudobulbärparalyse und imperativem Harndrang.


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Diagnostik

Diagnosekriterien

Die Diagnosestellung bei der ALS erfolgt nach den El-Escorial-Kriterien der World Federation of Neurology. Sie beruht vorwiegend auf Anamnese, elektrophysiologischem und klinischem Befund. Im Verlauf wurden die El-Escorial-Kriterien um die Awaji-Kriterien erweitert, wodurch passende elektrophysiologisch nachgewiesene neurogene Veränderungen gleichwertig mit klinischen Befunden gesetzt wurden, sofern der klinische Verdacht auf das Vorliegen einer ALS besteht.

Voraussetzung für die Diagnosestellung ist zunächst der Ausschluss anderer Pathologien, die die Symptome ursächlich erklären. Hierzu zählen prinzipiell alle nicht-ALS-Pathologien, die zu klinischen und elektrophysiologischen Zeichen der Schädigung des 1. oder 2. Motoneurons führen.

Merke

Die ALS ist eine vorwiegend klinische Diagnose. Der Großteil der apparativen Diagnostik dient dem Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen.

Falls keine andere Pathologie ursächlich für die Symptomatik ist, wird die Anzahl der klinisch betroffenen Regionen bestimmt. Unterteilt wird in 4 Regionen:

  • bulbär,

  • zervikal,

  • thorakal,

  • lumbosakral.

Hierbei können die in [Tab. 4] dargestellten Konstellationen auftreten.

Tab. 4 Befundkonstellationen in der Diagnosestellung der ALS nach den El-Escorial-Kriterien [21].

Konstellation

… das entspricht

isolierte Zeichen des 1. oder 2. Motoneurons in einer oder mehreren Regionen

vermutete ALS

Zeichen des 1. und 2. Motoneurons in einer Region

mögliche ALS

  • zusätzlicher Nachweis eines Gendefektes

sichere familiäre laborgestützte ALS

Zeichen des 1. und 2. Motoneurons in einer Region oder 1. Motoneuron in mehr als einer Region ohne klinische Zeichen des 2. Motoneurons plus zusätzlich vorliegende Zeichen des 2. Motoneurons im EMG in mindestens zwei Regionen

wahrscheinliche ALS, laborgestützt

Zeichen des 1. und 2. Motoneurons in zwei Regionen

wahrscheinliche ALS

Zeichen des 1. und 2. Motoneurons in mehr als zwei Regionen

sichere ALS

Diese Kriterien wurden ursprünglich für klinische Studien entwickelt. Ein erheblicher Nachteil besteht darin, dass die Kriterien für eine „sichere“ ALS in frühen Krankheitsstadien nicht erfüllt werden. Zunächst müsste demnach häufig eine „mögliche“ oder „wahrscheinliche“ ALS diagnostiziert werden. Zudem werden die Subtypen der ALS nur unzureichend erfasst.

Der Einsatz im klinischen Alltag führt darüber hinaus zu einer Verzögerung der Diagnosestellung und aufgrund der vagen Terminologie bei Patienten und den weiterbehandelnden Ärzten häufig zu Unsicherheit und Missverständnissen. Retrospektive Daten zeigen, dass die Rate an Fehldiagnosen auch bei „möglicher“ oder „wahrscheinlicher“ ALS äußerst gering ist. Nicht zuletzt aufgrund zunehmender therapeutischer Möglichkeiten wurde zuletzt immer wieder eine Überarbeitung diskutiert, denn aus pathophysiologischer Sicht scheint es sinnvoll, Therapien möglichst früh nach Erstmanifestation einzusetzen, um den kontinuierlichen irreversiblen Schaden an Motorneuronen zu beeinflussen.

Cave

Die El-Escorial-Kriterien wurden ursprünglich für klinische Studien entwickelt. Die Termini „möglich“ oder „wahrscheinliche“ ALS in Arztbriefen führen häufig zu Unsicherheit und Missverständnissen und sollten vermieden werden.

Ein Alternativvorschlag ist, die Diagnosestellung nach der „1 + 1-Regel“ zu vereinfachen: Dabei spielt sowohl die Präsenz von Zeichen des 1. Motoneurons als auch von Zeichen des 2. Motoneurons eine Rolle. Auch hier ist die Voraussetzung zunächst der Ausschluss relevanter nicht-ALS-Pathologien.

Nach der „1 + 1-Regel“ kann die Diagnose gestellt werden, wenn in einer Region gleichzeitig klinische Zeichen einer Schädigung des 1. und 2. Motoneurons vorliegen. Wenn in einer Region nur Zeichen des 1. oder nur Zeichen des 2. Motoneurons vorhanden sind, gilt das Betroffensein einer weiteren Region, der Nachweis eines eindeutigen genetischen Befundes oder ein eindeutiger EMG-Befund in einer zweiten Region als zweites Argument [22].


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Von der Klinik zur Diagnose

Wie bereits erwähnt, ist die ALS eine vorwiegend klinische Diagnose. Das Hauptaugenmerk sollte bei der Diagnostik auf den klinischen Merkmalen – Schädigung des 1. und 2. Motoneurons, Spreading, Paresemuster – liegen.

Die zusätzliche Diagnostik kann in zwei Gruppen unterteilt werden:

  • Ausschlussdiagnostik,

  • supportive Diagnostik.

Die Elektrophysiologie als wichtigstes Diagnosewerkzeug ist dabei beiden Gruppen zuzuordnen.

Tipp

Da es sich bei der ALS um eine vorwiegend klinische Diagnose handelt, ist bei Erstdiagnose eine Vorstellung in einem spezialisierten Zentrum anzuraten.


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Elektrophysiologische Diagnostik

Die Elektromyografie (EMG) dient zum Nachweis einer Schädigung des 2. Motoneurons: Typische Befunde bei der ALS sind das Nebeneinander akuter und chronisch neurogener Veränderungen, die den zeitlichen Ablauf der Veränderungen der α-Motoneurone widerspiegeln. Ein passender Befund zeigt letztlich auf, dass eine Erkrankung mit einer progredienten Degeneration peripherer motorischer Nervenfasern vorliegt.

Zeichen einer akuten Denervierung sind dabei Fibrillationspotenziale und positive scharfe Wellen. Zeichen einer chronischen Denervierung sind polyphasische Potenziale und ein gelichtetes Interferenzmuster. Die Diagnostik sollte in den unterschiedlichen Regionen (bulbär, zervikal, thorakal, lumbosakral) erfolgen und kann hier auch die subklinische Manifestation eines Befalls des 2. Motoneurons aufzeigen. Wichtig sind in den verschiedenen Regionen klinische Kenntnisse, die zur Abgrenzung der ALS gegenüber radikulären oder peripher neurogenen Läsionen hinzugezogen werden müssen.

Eine Elektroneurografie (ENG) dient dem Ausschluss von Pathologien an den peripheren Nerven. Mittels sensibler Neurografie erfolgt die Abgrenzung gegenüber einer Polyneuropathie. Die motorische Neurografie dient dem Ausschluss von Leitungsblöcken zur Abgrenzung gegenüber der sehr selten auftretenden multifokalen motorischen Neuropathie, einer asymmetrischen, rein motorischen Variante einer demyelinisierenden Neuropathie.

Fazit

Eine EMG kann über den Nachweis von akut- und chronisch neurogenen Veränderungen die ALS-Diagnose stützen. Eine ENG dient zur Abgrenzung der ALS gegenüber verschiedenen Formen von Polyneuropathien. Beide Untersuchungen sind Teil der Basisdiagnostik.


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Weitere Basisdiagnostik

  • Laborchemische Standarddiagnostik inklusive Lues-Suchtest, Vitaminscreening, Serumproteinelektrophorese und Immunfixation. Die Creatinkinase (CK) kann bei der ALS aufgrund des Untergangs denervierter Muskelfasern erhöht sein. Sehr hohe Werte sollten an die Differenzialdiagnose einer primären Myopathie/Myositis denken lassen.

  • MRT-Bildgebung von Neurokranium und spinaler Achse. Dient vor allem dem Ausschluss von Myelopathien und polyradikulären Läsionen.

  • Bei Verdacht auf respiratorische Beteiligung: Lungenfunktionsuntersuchung, ggf. arterielle Blutgasanalyse oder nächtliche transkutane Kapnografie.

  • Gewicht, Körpergröße und Body-Mass-Index.

  • Erhebung des ALS-Functional Rating Scale Revised (ALS-FRSr): klinischer Score, der mittels 12 Items die Beeinträchtigung von Patienten im täglichen Leben misst. Der Score sollte bei jeder Vorstellung erhoben werden, um die Progressionsgeschwindigkeit der ALS beurteilen zu können.


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Fakultative Zusatzdiagnostik

Diese sollte gezielt und selektiv anhand der Anamnese und des klinischen Befundes eingesetzt werden. Dabei sollten anhand der Beteiligung des 1. und 2. Motoneurons, der Paresemuster, der Zusatzsymptome sowie der weiteren klinischen, laborchemischen und bildgebenden Befunde relevante Differenzialdiagnosen identifiziert werden.

In der Frühphase manifestiert sich die ALS häufig noch fokal begrenzt, sodass eine Reihe relevanter Differenzialdiagnosen abgeklärt werden muss. In späteren Krankheitsstadien ist bei typischer Anamnese und klinischer Symptomatik meist die Beschränkung auf die Basisdiagnostik ausreichend. Bei fehlender Progredienz, atypischen Verläufen oder atypischen Manifestationsmustern sollte jedoch in jedem Stadium eine Überprüfung der Diagnose erwogen werden.

Merke

Die laborchemische, bildgebende und erweiterte Diagnostik sollte sich nach der vorliegenden Klinik richten und hypothesenbasiert erfolgen.

Sollten insbesondere in der Frühphase der ALS nach Abschluss einer adäquaten Diagnostik noch Zweifel an der Diagnose bestehen, ist eine Wiedervorstellung zur Verlaufskontrolle nach 3 – 6 Monaten sinnvoll.

Einen Überblick über Basis- und Zusatzdiagnostik fasst die Infobox „Basisdiagnostik“ zusammen (nach [23]).

Übersicht

Basisdiagnostik

Labor:

  • BSG, CRP

  • Differenzialblutbild

  • GOT, GPT, LDH

  • TSH

  • Vitamin B12 (Methylmalonsäure)

  • Serumproteinelektrophorese, Immunfixation

  • Creatinkinase (CK), Kreatinin

  • Elektrolyte, Glukose

  • TPHA

Elektrophysiologie:

  • Elektromyografie

  • Elektroneurografie

Bildgebung:

  • MRT kranial sowie je nach Klinik spinal (HWS/BWS)

Sonstiges:

  • Vitalkapazität, evtl. arterielle BGA oder nächtliche Kapnografie

  • Gewicht, Größe

  • ALS-FRSr-Score

Fakultative Diagnostik

  • Liquordiagnostik

  • Muskelbiopsie

  • Neuropsychologie

  • erweiterte Labordiagnostik

Sonstiges:

  • ggf. erweiterte Lungenfunktion, Peak Cough Flow, Schluckdiagnostik (ggf. Videoendoskopie), HNO-Konsil


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Neurofilamente als Biomarker für die ALS

Nach wie vor handelt es sich bei der ALS um eine klinische Diagnose, die maßgeblich von der Expertise und Erfahrung des Untersuchers abhängt. Unter anderem deshalb werden valide Biomarker zur Unterstützung der Diagnose, Vorhersage des Krankheitsverlaufs und Evaluation eines Therapieansprechens gesucht.

In den letzten Jahren hat sich vor allem die Bestimmung von Neurofilamenten (Nf) bei der ALS etabliert. Nf sind Intermediärfilamente in Neuronen und gehören neben Aktinfilamenten und Mikrotubuli zur Klasse der Zytoskelettproteine. Sie determinieren Axonkaliber und Leitungsgeschwindigkeit von Neuronen. Mutationen in den für Nf codierenden Genen können neben hereditären Neuropathien (vor allem Charcot-Marie-Tooth) auch zur ALS führen. Dies macht Nf für die ALS besonders interessant.

Anhand ihres Molekulargewichtes werden 3 Nf-Subtypen unterschieden:

  • NfL („light“),

  • NfM („medium“) und

  • NfH („heavy“).

Darüber hinaus spielt der Grad der Phosphorylierung eine wichtige Rolle. Als Biomarker für die ALS eignen sich NfL und phosphorylierte NfH (pNfH). Nf stellen generell einen Marker für axonalen Schaden dar und sind bei verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen erhöht; sie sind nicht ALS-spezifisch.

Es konnte gezeigt werden, dass sowohl NfL als auch pNfH bei ALS-Patienten im Liquor und im Serum bereits in der Frühphase der Erkrankung massiv erhöht sind und im weiteren Krankheitsverlauf weitestgehend konstant bleiben. Hierdurch können sie zur Unterstützung der Diagnose in der Frühphase der Erkrankung herangezogen werden [24], [25]. Zudem korreliert die Höhe der Nf mit der Progressionsgeschwindigkeit [25], [26], [27]. Im SOD1-Mausmodell konnten die pNfH durch eine Therapie mit Anti-Sense-Oligonukleotiden (ASO) zumindest deutlich gesenkt werden [28] – ob sich dies auf den Menschen übertragen lässt, bleibt abzuwarten.

Für eine andere Motoneuronerkrankung, die spinale Muskelatrophie (SMA), gibt es bereits ein zugelassenes ASO-Präparat. Hier konnte kürzlich bei früh behandelten Kindern unter Therapie eine Absenkung der Nf gezeigt werden [29]. Auch bei der Multiplen Sklerose korrelieren Nf-Level mit dem Therapieansprechen [30]. Ob und wie sich Nf zum Therapiemonitoring bei der ALS eignen, muss noch weiter untersucht werden.

Merke

Neurofilamente sind zunehmend valide Biomarker und können die ALS-Diagnose bei passendem klinischem Befund unterstützen – sie korrelieren zudem mit der Progressionsgeschwindigkeit, sind jedoch nicht ALS-spezifisch.


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Differenzialdiagnostik

Eine ganze Reihe von Erkrankung kann zu einer Schädigung des 1. oder 2. Motoneurons führen und unter gewissen Umständen einer ALS in der Frühphase sehr ähnlich sein. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen mit nützlichen Informationen und hilfreicher Diagnostik sind in [Tab. 5] zusammengefasst.

Tab. 5 Differenzialdiagnostik der ALS.

Pathologie

weitere Informationen

hilfreiche Diagnostik

strukturelle Läsionen

Insbesondere im Myelon: führen zu Schäden des 1. Motoneurons (kaudal der Läsion) und des 2. Motoneurons (auf Läsionshöhe).

Häufig sind vor allem Spinalkanalstenosen, darüber hinaus stellen Syringomyelien sowie intra- und extramedulläre Tumoren und Zysten seltenere Ursachen dar.

Engpasssyndrome (z. B. Karpaltunnelsyndrom) und Wurzelkompressionen: führen zu lokalen Radikulopathien oder Ausfällen von peripheren Nerven – können klinisch wie eine Schädigung des 2 Motoneurons imponieren.

Myelopathien und Radikulopathien treten auch als Komplikation einer Bestrahlung auf.

Myelonläsionen können mittels MR-Bildgebung gut identifiziert werden.

Radikuläre oder peripher neurogene Läsionen lassen sich klinisch über neuroanatomische Kenntnisse zumeist abgrenzen.

metabolische Erkrankungen

Metabolische Erkrankungen können sowohl Schäden am 1. als auch am 2. Motoneuron auslösen.

In absteigender Häufigkeit sind Vitamin-B12-Mangel, Hyper-/Hypothyreose, GM-2-Gangliosidose (Hexoaminidase-A-Mangel) zu nennen.

Periphere metabolische Neuropathien können vor allem durch Diabetes mellitus, Amyloidose und Porphyrie verursacht werden.

Diese Erkrankungen sind meist klinisch und laborchemisch gut abzugrenzen.

infektiöse Erkrankungen

Infektiöse Erkrankungen können zu Enzephalitiden, Myelitiden und Radikulitiden führen.

Die wichtigsten infektiösen Erkrankungen sind hierbei Borreliose, Lues und Infektionen mit neurotropen Viren inkl. HIV.

Je nach Ort der Schädigungen kann es zu einer Beeinträchtigung beider Motoneurone kommen.

Seltene Erkrankungen sind die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung sowie die Poliomyelitis und das Post-Polio-Syndrom.

Eine tropische spastische Paraparese, verursacht durch eine HTLV1-Infektion, ist in Europa eine Rarität, kann jedoch ebenfalls zu Schäden am 1. und 2. Motoneuron führen

Durch Labor-, Liquordiagnostik und MR-Bildgebung lassen sich Infektionen meist gut erkennen.

immunologische Erkrankungen

Zeichen beider Motoneurone: durch Paraproteine, paraneoplastische Erkrankungen und Vaskulitiden.

Zeichen des 2. Motoneurons: im Rahmen von chronisch inflammatorisch demyelinisierenden Polyradikulitiden (CIDP) und multifokaler motorischer Neuropathie (rein motorische Variante einer demyelinisierenden Neuropathie).

Erweiterte Labordiagnostik.

ENG bei demyelinisierenden Erkrankungen.

Tumorsuche bei entsprechenden Hinweisen.

weitere neurodegenerative Erkrankungen

Für das 2. Motoneuron:

  • hereditäre motorisch-sensible Neuropathie (HMNS) Typ II (axonaler Typ) und

  • spinale Muskelatrophie (SMA) – für die SMA steht inzwischen eine Therapie mit Anti-Sense-Oligonukleotiden zur Verfügung.

Für das 1. Motoneuron:

  • hereditäre spastische Paraparese (HSP), die aber vor allem bei axonalen Formen streng symmetrisch auftritt.

Diese Erkrankungen zeichnen sich klinisch durch ein anderes Paresemuster aus.

Genetische Untersuchung bei entsprechendem Verdacht.

Muskelerkrankungen

Muskelerkrankungen können klinisch wie eine Pathologie des 2. Motoneurons imponieren.

Einschlusskörperchenmyositis (IBM): Klinisch unterscheidet sie sich von der ALS durch eine Primärmanifestation an den Fingerflexoren, wohingegen sich die ALS zunächst an den Fingerextensoren und Fingerspreizern manifestiert.

In der Regel elektrophysiologisch gut abzugrenzen.

Bei fraglichen Befunden kann eine Muskelbiopsie sinnvoll sein.


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Therapie

Zum aktuellen Zeitpunkt fehlen kurative Therapieansätze für die ALS, sodass die symptomatische Therapie von Krankheitssymptomen und die Hilfsmittelversorgung im Vordergrund stehen. Durch die Fortschritte im Verständnis der Pathogenese der ALS haben sich in den letzten Jahren jedoch neue Angriffspunkte für zukünftige Therapien ergeben.

Aufgrund der schlechten Gesamtprognose gilt es, mögliche Therapieschritte in Abwägung des individuellen Krankheitsverlaufs und des Patientenwillens möglichst frühzeitig und offen zu kommunizieren; in der Praxis spielt dies für das Selbstverständnis der Patienten, die Akzeptanz der Erkrankung und die Lebensqualität eine wichtige Rolle.

Krankheitsmodifizierende medikamentöse Therapie

Riluzol

Für über 20 Jahre galt Riluzol als die einzige krankheitsmodifizierende Therapie bei der ALS. Riluzol hemmt über spannungsabhängige Natriumkanäle am präsynaptischen Neuron den Kalziumeinstrom und damit die Freisetzung von Glutamat. Riluzol soll einem Mechanismus entgegenwirken, der bereits früh als zum neuronalen Schaden bei der ALS beitragend angenommen wurde: der Glutamat-Exzitotoxizität. Durch Versagen einer schnellen Entfernung von Glutamat aus dem synaptischen Spalt kommt es zur Destabilisierung des Membranpotenzials und langfristig zu einem Zusammenbruch des neuronalen Energiehaushaltes.

Merke

Riluzol ist bisher die einzige Substanz, für die in Studien ein verlängertes Überleben bei der ALS gezeigt wurde; es gilt als medikamentöse Standardtherapie für ALS.


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Edaravone

In den letzten zwei Jahren wurde der Wirkstoff Edaravone in einigen Ländern zur Behandlung der ALS zugelassen, darunter Japan, die USA, Kanada und die Schweiz. In der EU besteht bisher noch keine Zulassung. Im Rahmen eines individuellen Heilversuchs werden auch in Deutschland bereits Patienten behandelt.

Edaravone ist eine antioxidative Substanz, die über die Reduktion von oxidativem Stress den Untergang von Neuronen verlangsamen soll. In einer Phase-III-Studie zeigte sich für eine Subgruppe von ALS-Patienten in einem frühen Krankheitsstadium eine moderate Verlangsamung der Krankheitsprogression [31]. Langzeitdaten bezüglich einer möglichen Verlängerung des Überlebens stehen noch aus.

Bisher liegt nur eine intravenöse Formulierung vor, was die Therapie für Patienten sehr zeitaufwendig macht. Erste Studien mit einem oralen Präparat sind für 2019 geplant.


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Rasagilin

Auch für Rasagilin – ein Monoaminooxidase-B-(MAO-B)-Hemmer – gibt es seit 2018 Hinweise, dass bei einer Subgruppe von ALS-Patienten mit raschem Fortschreiten der Erkrankung eine Verlangsamung der Krankheitsprogression erreicht werden kann [32]. Bisher ist nur eine Off-Label-Anwendung möglich. Sowohl Edaravone als auch Rasagilin werden als Add-on-Therapie zu Riluzol eingesetzt.

Zahlreiche weitere pharmakologische Therapieansätze zeigten seit der Zulassung von Riluzol trotz therapeutischer Erfolge im Mausmodell keine Wirksamkeit beim Menschen [33], [34].


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Weitere, innovative Therapieansätze

Aktuell wird die gezielte Therapie genetischer Ursachen der ALS mittels Anti-Sense-Oligonukleotiden (ASO), insbesondere bei der SOD1-Mutation, in ersten Studien untersucht. Ergebnisse stehen noch aus. Solche Therapieansätze werden jedoch nur für Patienten mit einer entsprechenden Genmutation verfügbar sein.

Fazit

Kurative Therapieansätze stehen für die ALS bisher nicht zur Verfügung. Riluzol stellt die medikamentöse krankheitsmodifizierende Standardbehandlung dar.


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Nicht medikamentöse Therapieansätze

Eine wichtige und häufig unterschätzte Rolle spielen Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie. Sie tragen dazu bei, Restfunktionen zu fördern und sinnvoll einzusetzen. Darüber hinaus gilt es, Immobilisationsfolgen wie z. B. Kontrakturen zu vermeiden.

Bei zunehmender Immobilisation ist die Hilfsmittelversorgung ebenso wie die Organisation personeller Unterstützung mitentscheidend für eine gute Lebensqualität. Behandelnde Ärzte nehmen in diesen Bereichen eine wichtige Rolle ein. Ein offenes Ohr für die Sorgen und kleinen Probleme von Patienten und Angehörigen, Zeit für Rückfragen und eine ehrliche und realistische Kommunikation von Prognose und Therapieeffekten sind hier der Grundstein einer guten Arzt-Patienten-Beziehung.

Cave

Von Krafttraining in höherem Ausmaß ist Patienten aufgrund negativer Auswirkungen auf das vorgeschädigte neuromuskuläre System dringend abzuraten.

Respiratorische Insuffizienz

Da die meisten ALS-Patienten im Endstadium der Erkrankung an Komplikationen einer respiratorischen Insuffizienz versterben, sollten die medizinisch möglichen Maßnahmen bereits früh mit dem Patienten besprochen werden. Nach Erläuterung von Therapieoptionen, möglichen Komplikationen und den Konsequenzen einer Therapie sollte der Einsatz dieser Maßnahmen anhand des Patientenwillens festgelegt werden.

Typische Zeichen einer beginnenden respiratorischen Insuffizienz bei der ALS sind

  • die nächtliche Hyperkapnie mit gestörtem Schlaf, Tagesmüdigkeit und morgendlichen Kopfschmerzen,

  • respiratorische Beschwerden beim flachen Liegen und

  • Belastungsdyspnoe.

Eine Bestimmung der forcierten Vitalkapazität sollte regelmäßig erfolgen, um eine respiratorische Verschlechterung frühzeitig zu erkennen. Bei bulbärer Beteiligung ist eine Lungenfunktionsuntersuchung aufgrund eines unzureichenden Mundschlusses oft nicht aussagekräftig. Eine sensitive Untersuchung, um die Einschränkung der Atempumpfunktion einzuordnen, stellt die pCO2-Messung über eine nächtliche transkutane Kapnografie dar.

Aus therapeutischer Sicht sollte eine nichtinvasive Beatmung (NIV) bei Zeichen einer respiratorischen Beeinträchtigung eingesetzt werden. Die primären Ziele einer NIV sind die symptomatische Therapie und die Erhöhung der Lebensqualität – aktuelle Studien zeigen jedoch auch einen positiven Einfluss auf das Überleben. Eine frühzeitige Eingewöhnung bei relevanter respiratorischer Beeinträchtigung kann zu einer besseren Toleranz beitragen.

Cave

Eine hochdosierte Sauerstoffzufuhr ohne gleichzeitige NIV-Therapie kann bei einer vorbestehenden respiratorischen Insuffizienz bei ALS-Patienten zur Abschwächung des Atemantriebs führen.

Bei fortgeschrittener Ateminsuffizienz steht als letzter Schritt auch eine Tracheotomie und invasive Ventilation zur Verfügung. Die Indikation hierfür bei Insuffizienz der NIV sollte unter Berücksichtigung des individuellen Krankheitsverlaufs, des Wertegefüges und der psychosozialen Ressourcen des Patienten wohlüberlegt erfolgen.

Bei terminaler respiratorischer Insuffizienz ist eine palliative Begleitung im Sterbeprozess obligat.

Neben der alveolären Hypoventilation durch Beeinträchtigung der Atemmuskulatur spielt zähes Sekret in den Atemwegen eine wichtige Rolle bei der ALS. Es tritt aufgrund der Veränderungen der Speichelsekretion, des Schluckaktes, der Vitalkapazität und des Hustenstoßes auf. Zur Verbesserung der Lebensqualität und zur Pneumonieprophylaxe können eine ausreichende Trinkmenge, Mukolytika und der Einsatz eines mechanischen Hustenassistenten beitragen. Bei zusätzlicher obstruktiver Komponente ist eine entsprechende medikamentöse Therapie sinnvoll. Darüber hinaus sind generelle Maßnahmen zur Pneumonieprophylaxe, wie eine Grippeimpfung, zu empfehlen.

Merke

Die respiratorische Insuffizienz bei der ALS ist eine alveoläre Hypoventilation in Folge einer abgeschwächten muskulären Atempumpe. Eine nichtinvasive Maskenbeatmung (NIV) stellt die Therapie der Wahl dar.


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Dysarthrie, Dysphagie

Bei fortschreitender Bulbärsymptomatik kommt es zu Dysarthrie und Dysphagie. Eine ausreichende Kalorienzufuhr über die Nahrung ist dann ein häufiges Problem – ein Gewichtsverlust gilt als negativer prognostischer Marker. Bei Dysphagie kann zur Vermeidung von Gewichtsabnahme zunächst eine hochkalorische Trinknahrung zum Einsatz kommen.

Bei Fortschreiten der Symptomatik besteht die Möglichkeit einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG). So kann die Zufuhr einer ausreichenden Kalorienmenge teilweise oder komplett über eine Magensonde erfolgen. Eine erhöhte Kalorienzufuhr und eine fettreiche Ernährung wirken der katabolen Stoffwechsellage entgegen und haben einen positiven Effekt auf die Prognose [35], [36].

Die Dysarthrie mit Einschränkung der Kontaktfähigkeit beeinflusst die Lebensqualität der Patienten stark. Bei zunehmender Verständigungsproblematik ist die Versorgung mit einem Kommunikator deshalb essenziell. Durch eine Steuerung via Eye-Tracker ist die Aufrechterhaltung der Kommunikation auch bei fortgeschrittener Dysarthrie/Anarthrie und hochgradigen Paresen möglich.

Merke

Hauptprobleme bei einem bulbären Verlauf der ALS sind zunehmende Dysarthrie und Dysphagie. Die Versorgung mit einer PEG-Sonde und einem Kommunikator sichern Ernährung und soziale Teilhabe.

Zu den häufigen Problemen einer Bulbäraffektion zählt auch die (Pseudo-)Hypersalivation, welche durch Scopolamin-Pflaster oder alternativ durch trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) und Atropin-Tropfen beherrscht werden kann. Bei dauerhafter Hypersalivation ohne Phasen mit zu trockenem Mund stellen Botulinumtoxin-Injektionen eine therapeutische Option dar.

Merke

Eine Hypersalivation bei bulbärer ALS führt häufig zu einer Einschränkung der Lebensqualität und lässt sich medikamentös meist gut behandeln.

Im Rahmen einer Pseudobulbärparalyse kann es zu Laryngospasmen kommen. Diese sind in der Regel selbstlimitierend und nicht lebensbedrohlich. Eine entsprechende Aufklärung und das Erlernen gezielter Atemtechniken ist dabei hilfreich. Aufgrund des Zusammenhangs mit gastroösophagealem Reflux können Protonenpumpenhemmer und Prokinetika die Häufigkeit der Laryngospasmen reduzieren.


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Muskuläre Tonuserhöhung

Im Rahmen einer ausgeprägten Beteiligung des 1. Motoneurons kommt es häufig zu einer spastisch-rigiden Tonuserhöhung. Therapeutisch hilfreich sind hier regelmäßige physiotherapeutische Maßnahmen. Zudem kommen Antispastika wie Baclofen zum Einsatz. Falls die Muskeltonuserhöhung eine rigide Komponente enthält, insbesondere bei der PLS, kann auch die Gabe von L-Dopa hilfreich sein.

Krämpfe und ausgeprägte Faszikulationen können mit Magnesium behandelt werden. Ist dies nicht ausreichend, kommen Chininsulfat, Mexiletin und Carbamazepin als Off-Label-Anwendung in Frage.


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Psychologisch-psychotherapeutische Betreuung von Patienten und Angehörigen

Bei depressiven Episoden und starken Ängsten sind eine psychotherapeutische Mitbetreuung und eine entsprechende medikamentöse Therapie zu empfehlen. Trotz der schlechten Prognose treten diese Symptome eher seltener als bei anderen chronischen Erkrankungen auf. Es zeigte sich sogar, dass sich die Lebensqualität von ALS-Patienten auch im fortgeschrittenen Krankheitsstadium nicht wesentlich von gesunden Kontrollen unterscheidet; dies trifft auch auf beatmete Patienten zu [37].

Die Mitbetreuung der Angehörigen ist bei der ALS von großer Bedeutung. Selbsthilfeangebote gibt es z. B. bei der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke und über das Deutsche Netzwerk für Motoneuronerkrankungen.

Merke

Die Therapieempfehlungen wurden in Anlehnung an die ALS-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie erstellt [23].


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Ausblick

Die Fortschritte, die in den letzten Jahren beim Verständnis neuroanatomischer und molekulargenetischer Ursachen der ALS erzielt werden konnten, eröffnen Angriffspunkte für neue Therapieansätze. Der durchschlagende Erfolg der ASO-Therapie bei der spinalen Muskelatrophie (SMA) lässt darauf hoffen, dass sich auch bei genetischen ALS-Varianten, insbesondere bei der SOD-1-Mutation, die Ergebnisse aus den Tiermodellen zeitnah auf den Menschen übertragen lassen. Welche Ergebnisse bei der Therapie der sporadischen ALS in naher Zukunft erzielt werden können, bleibt abzuwarten.

Weitere Fortschritte sind auch in der Entwicklung von Biomarkern zu erwarten. Noch sensitivere Verfahren könnten die Diagnosestellung vereinfachen und eine bessere Abschätzung der individuellen Prognose ermöglichen. Noch bedeutender wäre jedoch ein biomarkergestütztes Therapiemonitoring. Hierdurch ließen sich neue Medikamente in kurzer Zeit auf ihre Wirksamkeit testen. Eine Kombination von neuen Therapien und verbessertem Monitoring könnte in Zukunft möglicherweise eine individualisierte ALS-Therapie ermöglichen. Rückschläge bei der Entwicklung neuer Therapien für andere neurodegenerative Erkrankungen, wie etwa beim Morbus Alzheimer, sollten uns jedoch vor zu großer Euphorie warnen.


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Kernaussagen
  • Mit einer Lebenszeitprävalenz von ca. 1 : 400 handelt es sich um eine relativ häufige neurodegenerative Erkrankung.

  • Fokal beginnende, sich kontinuierlich ausbreitende Zeichen einer Schädigung des 1. und 2. Motoneurons kennzeichnen die ALS.

  • Trotz eines rasch letalen Verlaufs mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von nur 3 – 5 Jahren kommt der medikamentösen und supportiven Therapie zur Beeinflussung der Krankheitsprogression und Verbesserung der Lebensqualität eine wichtige Bedeutung zu. Die krankheitsmodifizierenden Medikamente Edaravone und Rasagilin (beide in Deutschland Off-Label) können bei bestimmten Subgruppen die Standardtherapie mit Riluzol erweitern.

  • Mit Voranschreiten der Erkrankung sind Katabolismus, Dysphagie und respiratorische Insuffizienz die prognostisch entscheidenden Faktoren. In erster Linie stehen hier als Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung:

    • eine nichtinvasive Maskenbeatmung (NIV),

    • eine hochkalorische Ernährung und

    • die Anlage einer Magensonde via perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG).

  • Neben diesen Maßnahmen bilden Hilfsmittelversorgung, Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie, die Einbeziehung der Angehörigen und die Förderung der psychosozialen Ressourcen des Patienten Stützpfeiler der Versorgung.

  • Aktuelle Fortschritte im Verständnis der Krankheitsentstehung haben nun Möglichkeiten für neue Therapieansätze eröffnet.

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. med. Albert C. Ludolph, Ulm.


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Autorinnen/Autoren

Simon Witzel

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Jahrgang 1988. 2009 – 2016 Studium der Humanmedizin an der Universität Ulm. Seit 2016 Facharztausbildung Neurologie an der Universitäts- und Rehabilitationsklinik Ulm. Seit 2017 in der Arbeitsgruppe Amyotrophe Lateralsklerose aktiv und Ansprechpartner für die Therapie mit Edaravone bei der ALS.

Albert Christian Ludolph

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Prof. Dr. med., Jahrgang 1953. 1973 – 1979 Studium der Medizin in Mainz und Göttingen. 1979 – 1984 Facharztausbildung für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Münster. 1987 Habilitation, seit 1996 Direktor der Abteilung für Neurologie der Universität Ulm. Schwerpunkte: neurodegenerative Erkrankungen, insbesondere Motoneuronerkrankungen.

Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Rosenbohm A, Peter RS, Erhardt S. et al. Epidemiology of amyotrophic lateral sclerosis in Southern Germany. J Neurol 2017; 264: 749-757
  • 2 Brettschneider J, Del Tredici K, Toledo JB. et al. Stages of pTDP-43 pathology in amyotrophic lateral sclerosis. Ann Neurol 2013; 74: 20-38
  • 3 Braak H, Brettschneider J, Ludolph AC. et al. Amyotrophic lateral sclerosis – a model of corticofugal axonal spread. Nature Rev Neurol 2013; 9: 708-714
  • 4 Gorges M, Del Tredici K, Dreyhaupt J. et al. Corticoefferent pathology distribution in amyotrophic lateral sclerosis: in vivo evidence from a meta-analysis of diffusion tensor imaging data. Sci Rep 2018; 8: 15389
  • 5 Hammad M, Silva A, Glass J. et al. Clinical, electrophysiologic, and pathologic evidence for sensory abnormalities in ALS. Neurology 2007; 69: 2236-2242
  • 6 Beeldman E, Raaphorst J, Klein Twennaar M. et al. The cognitive profile of ALS: a systematic review and meta-analysis update. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2016; 87: 611-619
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Albert C. Ludolph
Abteilung für Neurologie
Universität Ulm
Oberer Eselsberg 45
89081 Ulm

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