Schlüsselwörter Diabetes mellitus - Blutzucker - Ultraschall - Schwangerschaftskomplikationen - fetales Outcome
Einleitung
Circa 6 Millionen Menschen in Deutschland sind wissentlich an einem Diabetes mellitus Typ 1 (DM 1) oder Typ 2 (DM 2) erkrankt [1 ]. Laut den BQS (Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH) Auswertungen der Perinataldaten aus dem Jahr 2013 war von 658 735 Geburten in 0,95% (n = 6256) ein präkonzeptioneller DM bekannt [2 ].
Bei Frauen mit DM besteht eine erhöhte maternale und fetale Morbidität. In Abhängigkeit von der Qualität der mütterlichen Stoffwechseleinstellung werden vermehrt Aborte, Fehlbildungen, Frühgeburten und Präeklampsien beschrieben. Die Kinder von Typ-1-Diabetikerinen sind häufiger makrosom, mit der Gefahr einer Schulterdystokie, und haben häufiger postnatale Anpassungsstörungen (Hyperbilirubinämie, Atemstörungen) [3 ], [4 ], [5 ], [6 ], [7 ], [8 ], [9 ]. Darüber hinaus ist das Risiko für Totgeburten und ein postnatales Versterben der Kinder bei Frauen mit DM im Vergleich zum gesunden Kollektiv erhöht [10 ], [11 ].
Als Stoffwechselziel wird von der DDG bereits präkonzeptionell eine normnahme Stoffwechseleinstellung für mindestens 3 Monate empfohlen. Hierbei sollte der HbA1c nicht mehr als 0,5 – 1,0% oberhalb des jeweiligen Referenzgrenzwerts der verwendeten Labormethode liegen. Innerhalb der Schwangerschaft sollte der HbA1c alle 4 – 6 Wochen bestimmt werden, als Ziel gilt hier der Referenzbereich für Gesunde. Die Blutglukosezielwerte sollten bei Patientinnen mit DM 1 nüchtern 3,3 – 5,0 mmol/l, 1 h postprandial < 7,7 mmol/l, 2 h postpradial < 6,6 mmol/l betragen. Mittlere Blutglukosewerte, die aus 6 Messwerten eines Tages bestimmt werden, sollten laut aktueller Leitlinie zwischen 4,7 – 5,8 mmol/l liegen [15 ], [27 ].
In der Therapie von Frauen mit Gestationsdiabetes ist die Bestimmung der fetalen Wachstumsparameter und die Orientierung der Therapieführung am fetalen Wachstum etabliert [14 ]. Im Therapiemanagement einer Schwangerschaft mit prägravide manifestem DM werden aktuell ab der 24. SSW alle 2 – 4 Wochen zusätzlich zur diabetologischen Kontrolle der Stoffwechseleinstellung biometrische Untersuchungen des Feten per Ultraschall empfohlen [15 ], [27 ]. Ist für den GDM die Therapieüberwachung der Stoffwechseleinstellung auf individualisierte Einstellungsziele unter Hinzunahme der fetalen Wachstumsparameter in Studien belegt, so fehlen diese Daten für Frauen mit präexistentem DM bisher [12 ], [13 ]. Momentan dient das intensivierte, ultrasonografische Monitoring der Überwachung des Feten und der Erkennung möglicher Risikokonstellationen bei Wachstumsstörung oder Versorgungseinschränkung des Kindes. Studien, die eine Korrektur der Zielwerte der Blutzuckereinstellung aufgrund veränderter fetaler Wachstumskurven bei Typ-1-Diabetikerinnen untersucht haben, liegen bisher nicht vor.
Ziel dieser Studie ist, zu untersuchen, ob bei Schwangeren mit DM 1, neben dem mütterlichen Blutglukosemonitoring, die zusätzliche Bewertung von sonografisch erhobenen Wachstumsparametern des Feten Schwangerschaftskomplikationen reduzieren und das fetale Outcome verbessern kann.
Patienten und Methode
Es handelt sich um eine prospektive Kohortenstudie (Kohorte 2) mit retrospektiver Datenerfassung einer Vergleichskohorte (Kohorte 1). In die Studie wurden 199 Schwangere mit DM 1 eingeschlossen, die im Zeitraum 1994 – 2014 im UKJ betreut wurden. Nach retrospektivem Ausschluss von 4 Patientinnen, für die keine Daten zur Geburt vorlagen, kamen 195 Mutter-Kind-Paare zur Auswertung ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Studienkollektiv: Studieneinschluss von 199 Patientinnen mit Diabetes mellitus Typ 1 in der Schwangerschaft, retrospektiver Ausschluss von 4 Patientinnen bei fehlenden Geburtsdaten. Somit standen die Daten von 195 Mutter-Kind-Paaren zur Analyse zur Verfügung. Diese wurden in 2 Studienkollektive unterteilt: müBG-Patientinnen, deren Therapiekontrolle durch alleiniges Monitoring der mütterlichen Blutglukose (ohne fetalen Ultraschall) erfolgte, und fUS-Patientinnen, deren Management durch das Monitoring der fetalen Wachstumsparameter ergänzt wurde (mit fetalem Ultraschall). In beiden Studienkollektiven traten Aborte auf, sodass nach der 22. SSW im Kollektiv müBG n = 86 und im Kollektiv fUS n = 99 Mutter-Kind-Daten zur Auswertung kamen.
Das Studienkollektiv bestand aus 2 Kohorten folgender Charakteristika:
Kohorte: Studienkollektiv „müBG“, n = 94: Dieses Studienkollektiv bestand aus schwangeren Patientinnen mit DM Typ 1, die ausschließlich mittels Monitoring der mütterlichen Blutglukose (müBG) ohne Bewertung des fetalen Ultraschalls in der Zeit von Januar 1994 bis Dezember 2005 therapiert wurden. Die Datenauswertung erfolgte ausschließlich retrospektiv durch Evaluation der archivierten Blutglukosetagebücher und der Dokumentation der elektronischen Patientenakte EMIL® .
Kohorte: Studienkollektiv „fUS“; n = 101: In einem prospektiven Studiendesign wurden im Studienkollektiv fUS alle schwangeren Patientinnen mit DM Typ 1 erfasst, die im Zeitraum von Januar 2006 bis Dezember 2014 zusätzlich zum Blutglukosemonitoring mittels fetalem Ultraschall (fUS) nach klar definiertem Studienprotokoll überwacht und therapiert wurden.
Bei 5,1% der Schwangeren (n = 10) kam es im Verlauf zu einem Abort, sodass nach der 22. SSW die Daten von n = 86 Patientinnen im müBG-Kollektiv und n = 99 im fUS-Studienkollektiv ausgewertet werden konnten ([Abb. 1 ]).
Ein positives Votum der Ethikkommission der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Votum-Nr. 5280-09/17) und das schriftliche Einverständnis zur Datenerhebung der Patientinnen liegen vor.
Studien-/Behandlungsablauf
Im Studienkollektiv müBG wurden in 2-wöchigen Abständen die mütterlichen Blutglukosewerte durch Auslesen der Blutglukosetagebücher sowie der Messgerätespeicher erfasst und folgende Zielbereiche im gesamten Schwangerschaftsverlauf angestrebt: MBG < 5,5 mmol/l (Mittelwert aus allen prä- und postprandial gemessenen Glukosespiegeln eines Tages), postprandial 1 h < 7,7 mmol/l/2 h < 6,6 mmol/l. Die Gabe von Insulin wurde andauernd angepasst, um diese Therapieziele zu erreichen.
Im Studienkollektiv fUS erfolgte ab der 22. SSW eine fetale Biometrie entsprechend den Vorgaben der DEGUM auf Facharztstandard. Das Schätzgewicht wurde nach Hadlock IV berechnet [16 ]. Die Ultraschalluntersuchungen wurden im Untersuchungszeitraum von nur 2 unterschiedlichen Untersuchern nach einem klinikinternen Standard durchgeführt. Kam es unter der mütterlichen Diabetestherapie zu einer perzentilenschneidenden Akzeleration des fetalen Abdomenumfangs (AU) über die 75. Perzentile bzw. unter die 10. Perzentile, wurde das Therapieziel der mütterlichen MBG um 0,5 mmol/l abgesenkt bzw. bei Dezeleration entsprechend angehoben.
Für die Stoffwechselevaluation und den Vergleich beider Studienkollektive wurde ab der 21. SSW aus allen MBG das arithmetische Mittel für jeweils 4 Wochen berechnet.
Bei Erstkonsultation der Patientinnen am UKJ, i. d. R. in der Frühschwangerschaft, erfolgte eine ausführliche gynäkologische sowie diabetologische Anamnese. In einem 2-wöchigen Intervall wurden Blutdruck, Körpergewicht, Urinstatus, Schwangerschaftskomplikationen, Insulindosis sowie mittlere, prä-/postprandiale/minimale/maximale Blutglukose erfasst. Der HbA1c wurde im 4-wöchigen Intervall bestimmt.
Folgeerkrankungen bei DM Typ 1 im Gesamtkollektiv
Zur Erfassung einer diabetischen Retinopathie erfolgten augenärztliche Konsultationen vor Indexgravidität, im 1. – 2. Trimenon sowie vor Entbindung. Die diabetische Neuropathie wurde mittels des Neuropathie-Symptom-Scores (NSS) sowie des Neuropathie-Defizit-Scores (NDS) klassifiziert.
Der Diagnose der diabetischen Nephropathie lag die Untersuchung der Albumin-/Proteinurie zugrunde (Befund vor Gravidität erhoben/Diabetikerpass); das Stadium der Niereninsuffizienz wurde mittels Kriterien der Kidney Disease Outcomes Quality Initiative (KDOQI) klassifiziert.
Daten zur Entbindung
Wurden mithilfe der geburtshilflichen Dokumentation der Entbindungsklinik und die Daten der Neugeborenen durch Einsichtnahme in die geburtshilfliche/neonatologische Dokumentation der jeweiligen Klinik erfasst.
Unter Verwendung des Geburtsgewichtes, des Geschlechtes und der SSW bei Entbindung wurde die Perzentile des Geburtsgewichtes nach Voigt bestimmt:
Post partum und in den ersten Lebenstagen wurden folgende neonatale Morbiditätskriterien eruiert:
arterieller Nabelschnur-pH-Wert
Apgar 1, 5, 10 Minuten nach Geburt (Atmung, Puls, Grundtonus der Muskulatur, Aussehen (Hautfarbe) und Reflexauslösbarkeit des Neugeborenen) [18 ]
respiratorische Adaptationsstörungen
Fehlbildungen
Geburtsverletzung
Hyperbilirubinämie: Laboranalytik erfolgte indikationsbezogen bei symptomatischer Stoffwechselimbalance des Neugeborenen
Labormethoden
Mütterliche Blutglukose
Die Blutglukose-Selbstkontrolle erfolgte bei allen Patientinnen mittels Taschenreflektometer, wobei alle Selbstkontrollwerte plasmakalibriert in die Bewertung eingingen. Die Messgenauigkeit dieser Geräte wurde im 14-tägigen Intervall durch eine Parallelmessung mittels automatischem Analysator geprüft.
Die Kontrolle der Vollständigkeit der Tagebucheinträge erfolgte durch Abrufen der im Messgerät gespeicherten Blutglukosewerte bzw. durch elektronisches Auslesen der Messgerätespeicher.
Bestimmung des HbA1c
Die Bestimmung des glykosylierten Hämoglobins A1c erfolgte mittels üblicher zertifizierter Labormethoden.
Aufgrund von Normbereichsänderungen erfolgte eine Adjustierung der HbA1c -Werte auf den Normbereich der DCCT bzw. NGSP von 5,05 ± 0,5% [19 ].
Kindliche Laborparameter
Bilirubinkonzentrationen;
Neugeborenenbilirubin: Messung mittels Direkt-Photometrie, alterasabhängiger Normbereich: 2. Lebenstag 0 – 130 µmol/l, 3. Lebenstag 0 – 165 µmol/l, ab 4. Lebenstag 0 – 200 µmol/l,
Gesamtbilirubin: altersabhängiger Normbereich: 1. Lebenstag < 102,6 µmol/l, 2. Lebenstag < 171,0 µmol/l, 3. – 5. Lebenstag 205,2 µmol/l, ab 7. Lebenstag < 171,0 µmol/l.
Bilirubinkonzentrationen oberhalb der jeweiligen alters- und methodenabhängigen Normwerte wurden als Hyperbilirubinämie definiert.
Statistik
Die statistische Auswertung der Daten erfolgte computergestützt mit SPSS für Windows Version 22.0. Normalverteilte Werte wurden als Mittelwert ± Standardabweichung (x ± s), nicht normalverteilte Werte als Median [Minimum – Maximum] angeben.
Als statistisch signifikant wurde eine 2-seitige Irrtumswahrscheinlichkeit von p < 0,05 als signifikant angenommen.
Ergebnisse
Mütterliche Charakteristik der Studienkollektive
Die Kohorten unterscheiden sich bezüglich Schwangerschaftsalter bei Erstkonsultation, der klinischen Diabetesdauer, Alter, BMI und diabetischen Folgeerkrankungen nicht. Die Frauen im Studienkollektiv fUS waren häufiger bereits vor der Schwangerschaft in diabetologischer Betreuung ([Tab. 1 ]).
Tab. 1 Anamnestisch und klinische Befunde bei Eintritt der Schwangerschaft.
müBG
n = 94
fUS
n = 101
Signifikanz
Diabetologenkonsultation vor Gravidität (%)
38,5
61,5
p < 0,001
Diabetesdauer bei Erstkonsultation (Jahre)
14,8 ± 7,9 [1 – 37]
14,5 ± 7,8 [0 – 32]
n. s.
Alter bei Erstkonsultation (Jahre)
27,7 ± 5,0 [16 – 40]
28,8 ± 4,8 [18 – 44]
n. s.
Erstkonsultation im Zentrum (SSW)
11,1 ± 7,8 [3 – 37]
12,6 ± 8,9 [3 – 33]
n. s.
BMI vor Gravidität (kg/m2 )
24,1 ± 3,4 [18,4 – 34,9]
25,0 ± 4,7 [18,3 – 41,7]
n. s.
systolischer Blutdruck (mmHg)
122 ± 13 [94 – 168]
121 ± 13 [93 – 168]
n. s.
diastolischer Blutdruck (mmHg)
76 ± 9 [60 – 106]
76 ± 10 [52 – 107]
n. s.
Bluthochdruck (Einnahme von Antihypertensiva) (%)
8,5
4,0
n. s.
diabetische Nephropathie (%)
7,4
8,9
n. s.
diabetische Neuropathie (%)
6,4
1,0
p < 0,05
diabetische Retinopathie (%)
21,4
18,8
n. s.
Stoffwechselparameter im Verlauf der Schwangerschaft
Insgesamt erreichten 91,4% der Patientinnen des Gesamtkollektivs bis zur Entbindung einen normoglykämen HbA1c < 6,7% (n = 169: müBG 88,4 vs. fUS 93,9%, n. s.). Bei 58,9% (n = 109: müBG 55,8 vs. fUS 61,6%, n. s.) konnte eine streng normoglykäme Stoffwechseleinstellung mit einem HbA1c < 5,7% erreicht werden ([Abb. 2 a ]).
Schwangere des müBG-Studienkollektivs zeigten im Vergleich zu Frauen des fUS-Studienkollektivs im Verlauf der gesamten Schwangerschaft keine signifikant unterschiedlichen mittleren Blutglukosewerte. Im fUS-Studienkollektiv konnte dabei jedoch eine geringere Glukosevarianz, d. h. eine stabilere Stoffwechsellage erreicht werden ([Abb. 2 b ]). Die HbA1c -Analysen zeigen zwischen beiden Studienkollektiven keine Unterschiede vor der Schwangerschaft (HbA1c : müBG 7,2 ± 1,3 vs. fUS 7,1 ± 1,3%, n. s.), in der Frühgravidität (müBG 7,0 ± 1,4 vs. fUS 6,6 ± 1,3%, n. s.) und vor der Entbindung (müBG 5,8 ± 1,1 vs. fUS 5,7 ± 0,8%, n. s.) ([Abb. 2 c ]). Die absolute Insulindosis im Verlauf der Schwangerschaft und nach Entbindung unterschied sich nicht zwischen beiden Studienkollektiven ([Abb. 3 ]). Die gewichtsadaptierte maximale Insulindosis war im fUS-Kollektiv signifikant niedriger (0,9 ± 0,3 vs. 1,0 ± 0,4 IE/kgKG, p < 0,05).
Abb. 2 Blutzuckerverlauf in Schwangerschaften mit Typ-1-Diabetes. a Erreichen eines HbA1c im streng normoglykämen Bereich (< 5,7%) und im oberen Zielbereich (< 6,7%) zu verschiedenen Zeitpunkten in der Schwangerschaft im Gruppenvergleich zwischen Müttern, deren Therapiekontrolle durch alleiniges Monitoring der mütterlichen Blutglukose (müBG, blau) erfolgte, und Müttern, deren Management durch das Monitoring der fetalen Wachstumsparameter ergänzt wurde (fUS, rot). b Erreichte mittlere Blutglukosewerte im Verlauf der Schwangerschaft im Gruppenvergleich. c HbA1c -Verlauf während der Schwangerschaft im Gruppenvergleich. (müBG: Mütter, deren Therapiekontrolle durch alleiniges Monitoring der mütterlichen Blutglukose erfolgte, fUS: Mütter, deren Management durch das Monitoring der fetalen Wachstumsparameter ergänzt wurde.)
Abb. 3 Insulindosis im Verlauf der Schwangerschaft, bei Diabetes mellitus Typ 1 im Gruppenvergleich zwischen Müttern, deren Therapiekontrolle durch alleiniges Monitoring der mütterlichen Blutglukose erfolgte (müBG), und Müttern, deren Management durch das Monitoring der fetalen Wachstumsparameter ergänzt wurde (fUS).
Maternale Morbidität
Bei den Frauen der fUS-Kohorte traten signifikant seltener eine Präeklampsie, vorzeitige Wehentätigkeit oder eine Zervixinsuffizienz auf. Die Outcomedaten sind in [Tab. 2 ] dargestellt.
Tab. 2 Mütterliche Komplikationen in Abhängigkeit vom mütterlichen Behandlungsmodus: Vergleich der Studienkollektive müBG vs. fUS.
gesamt (%)
n = 185
müBG (%)
n = 86
fUS (%)
n = 99
Signifikanz
Präeklampsie
13,5
20,9
7,1
p = 0,01
vorzeitige Wehentätigkeit
13,0
23,3
4,0
p < 0,001
Zervixinsuffizienz
5,4
11,6
0
p = 0,001
Sectio caesarea
57,3
54,7
59,6
n. s.
11.9
22,8
22,2
n. s.
19,5
33,7
37,4
n. s.
vaginal operative Entbindung (Forceps und VE)
6,5
7,0
6,1
n. s.
Perinatale Daten
Die Kinder aus der Kohort fUS wiesen signifikant seltener postnatale Hyperbilirubinämien (19,2 vs. 40,7%; p = 0,001) und in der Tendenz seltener respiratorische Anpassungsstörungen auf (22,2 vs. 30,2%; n. s.). 8,1% der Kinder aus dem Studienkollektiv müBG sowie 8,2% der Kinder von Frauen aus dem Studienkollektiv fUS waren, in Bezug auf das Gestationsalter SGA, 24,4 bzw. 21,2% LGA. Dabei zeigten sich keine statistisch signifikanten Differenzen. Frühgeburtsraten und und die Rate an Nabelschnur-pH-Werten arteriell < 7,2 unterschieden sich nicht ([Tab. 3 ]).
Tab. 3 Daten der Kinder in Abhängigkeit vom mütterlichen Behandlungsmodus: Vergleich der Studienkollektive müBG vs. fUS.
gesamt
n = 185
müBG
n = 86
fUS
n = 99
Signifikanz
Geburtsgewicht (g) [Range]
3400 ± 673 [1710 – 5400]
3423 ± 698 [1935 – 5400]
3374 ± 652 [1710 – 5100]
n. s.
SGA (%)
8,2
8,1
8,2
n. s.
Geburtsgewicht > 90. Perzentile (%)/LGA
22,7
24,4
21,2
n. s.
Frühgeburt < 37. SSW (%)
24,7
26,4
23,2
n. s.
Apgar < 5 (%)
12,2
15,9
9,1
n. s.
3,9
4,9
3,0
n. s.
1,7
1,2
2,0
n. s.
pH Nabelschnur arteriell < 7,2 (%)
35,7
34,9
36,4
n. s.
Hyperbilirubinämie (%)
29,2
40,7
19,2
p = 0,001
respiratorische Anpassungsstörung (%)
25,9
30,2
22,2
n. s.
Diskussion
Bisher ist die Einbeziehung von fetalen Wachstumsparametern in die Therapieführung von Schwangeren mit Typ 1 DM nicht standardisiert integriert [15 ], [27 ]. Die DDG empfiehlt zwar seit 2006 zusätzlich zu den Ultraschalluntersuchungen nach den Mutterschaftsrichtlinien weitere Ultraschallkontrollen in einem 2 – 4-wöchigen Abstand, diese dienen jedoch bisher ausschließlich der rechtzeitigen Erkennung von Komplikationen im Schwangerschaftsverlauf. Zur Therapieüberwachung wird die regelmäßige Bestimmung des HbA1c und das Monitoring der mittleren mütterlichen Blutglukose im Verlauf der Gravidität empfohlen [15 ], [27 ]. Unsere Untersuchung zeigt in einer Kohorte von fast 200 Typ-1-Diabetikerinnen, dass die Einbeziehung der fetalen Wachstumsparameter in die Kontrolle der Stoffwechselführung, während der Schwangerschaft, einen signifikanten Vorteil für die behandelten Frauen und Kinder bedeuten kann. Bei erkennbar verbesserter Glukosevarianz konnte die Rate an stressassoziierten Schwangerschaftskomplikationen signifikant gesenkt und eine weitere Verbesserung des kindlichen Outcomes durch eine Reduktion postnataler Hyperbilirubinämien erreicht werden.
Dabei erreichten die Schwangeren des Studienkollektivs fUS nicht häufiger eine Normoglykämie. Es zeigte sich bei diesen Patientinnen im Unterschied zu den Patientinnen der müBG-Kohorte jedoch eine geringere Glukosevarianz bei signifikant niedrigerer gewichtsadaptierter maximaler Insulindosis. Dies lässt auf eine stabilere Stoffwechseleinstellung mit niedrigerer Gefahr von Hypoglykämien schließen. Insbesondere die rezidivierenden Hypoglykämien bedeuten für Patientinnen mit Typ 1 DM in der Schwangerschaft eine besondere Belastung mit hohem Stresslevel. Unsere Daten lassen darauf schließen, dass die Ultraschallkontrollen des fetalen Wachstums eine Rückversicherung für eine weniger strenge therapeutische Einstellung der Patientinnen darstellen und bei geringeren Insulindosen starke Blutzuckerschwankungen reduziert werden und eine stabilere Stoffwechseleinstellung möglich ist.
Stressassoziierte Schwangerschaftskomplikationen wie die Präeklampsie und die Frühgeburtsbestrebungen traten entsprechend im fUS-Kollektiv signifikant seltener auf. Das Risiko für eine Präeklampsie ist für Schwangere mit DM 1 um das 2 – 4-Fache erhöht im Vergleich zu Frauen ohne DM [20 ], [21 ], [22 ]. Die Rate an Präeklampsien im hier untersuchten Studienkollektiv lag mit 13,5% 4-fach höher als die im Gesamtkollektiv erwartete Indizidenz von 2 – 3% [2 ]. Dabei lag die Rate im müBG-Kollektiv mit 20,9% fast 10-fach, die Rate im fUS-Kollektiv mit 7,1% nur noch 2,5-fach über der deutschlandweiten Inzidenz. Auch die Häufigkeit von Frühgeburtsbestrebungen, wie die vorzeitige Wehentätigkeit und die Zervixinsuffizienz, konnten im Kollektiv fUS signifikant gesenkt werden. Es lag kein Fall von Zervixinsuffizienz im fUS-Kollektiv vor, die Inzidenz für vorzeitige Wehentätigkeit lag bei 4% und war damit der deutschlandweiten Inzidenz von 3% nahezu angeglichen, im Vergleich zu 23,3% im Kollektiv müBG [2 ].
Laut AQUA-Institut trat bei 0,26% aller Geburten im Jahr 2013 ein Neugeborenenikterus auf, im untersuchten Studienkollektiv bei 29,2% [2 ]. Evers et al. beschrieben eine vergleichbare Hyperbilirubinämierate bei DM 1 in der Schwangerschaft von 25,0% im Jahr 2004 [4 ]. Die Neonaten der Kinder, deren Mütter mit Einbeziehung der fetalen Ultraschallparameter überwacht wurden, hatten signifikant seltener eine postnatale Hyperbilirubinämie. Diese Beobachtung stellt eine nennenswerte Verbesserung des kindlichen Outcomes dar, da der verlängerte Neugeborenenikterus eine häufige Ursache für einen verlängerten stationären Aufenthalt nach der Geburt darstellt. Bei maternaler Hyperglykämie kommt es in der Folge zu fetaler Hyperinsulinämie. Insulin stimuliert das Wachstum von Fett-, Muskel- sowie Lebergewebe und führt zu einer gesteigerten Erythropoese und damit zu beschleunigter Hämolyse. Zudem kommt es bei chronischer Hyperglykämie und Hyperinsulinämie durch eine schlechtere plazentare Versorgung zur chronischen Hypoxämie der Feten, wodurch die Erythropoese weiter gesteigert wird. In der Folge der vermehrten Erythropoese und Hämolyse kommt es postnatal zur Hyperbilirubinämie [23 ].
Im Vergleich der Parameter zur Beurteilung der Güte der Stoffwechseleinstellung (HbA1c und mittlere BG) zeigten sich keine Unterschiede der verglichenen Kollektive. Entsprechend war auch die Rate an makrosomen Kindern nicht unterschiedlich. Eine Erklärung für den positiven Einfluss der Einbeziehung der Ultraschallparameter auf die neonatale Ikterusrate muss deshalb spekulativ bleiben. Wenn es bei einer Hypoxie in der Plazenta zu einer Zunahme von Sauerstoffträgern beim Kind kommt und diese Zunahme eine Ursache für einen prolongierten Ikterus ist, kann eine Verbesserung der plazentaren Durchblutung mit verbesserter Oxygenierung der Plazenta umgekehrt auch einen Anstieg des kindlichen Hämatokrits vermeiden und eine Erklärung für die Reduktion an neonatalen Hyperbilirubinämien sein. Um diesen Erklärungsansatz zu verifizieren, müssten in einer Folgeuntersuchung die Perfusionsparameter der maternalen Plazenta und die Hämatokritwerte im fetalen Nabelschnurblut verglichen werden. Diese Daten liegen für das hier untersuchte Kollektiv nicht vor.
Die, trotz verbesserter Therapie von Schwangeren mit Typ 1 DM, weiterhin erhöhte Inzidienz von fetalen Makrosomien, Hyperbilirubinämien und respiratorischen Anpassungsstörungen im Vergleich zum Normalkollektiv verdeutlicht das nach wie vor erhöhte maternale und fetale Risiko der betroffenen Schwangeren und rechtfertigt eine intensivierte maternale und fetale Überwachung während der Schwangerschaft. Unsere Daten zeigen, dass durch die Einbeziehung fetaler Wachstumsparameter in die Stoffwechselkontrolle eine Reduktion der fetalen und maternalen Morbidität erreicht werden kann.
Unsere Studie hat verschiedene Limitationen. Die Häufigkeit von Hypoglykämien wurde in beiden Studienkollektiven nicht erfasst. Damit bleibt der postulierte Therapieeffekt bez. Risikoreduktion von Hypoglykämien spekulativ. Weiterhin wurde die Anzahl der Frauen, bei denen eine Therapieänderung aufgrund der fetalen Ultraschallparameter tatsächlich erfolgte, nicht erfasst. Der Anteil der Frauen bei denen, bei unzulänglicher BZ-Einstellung und normosomem Wachstum des Kindes, keine weitere Intensivierung der Therapie mit Anpassung der Insulindosis erfolgte, war daher nicht quantifizierbar. Darüber hinaus gibt es weitere Einflussfaktoren, die zu einer Stabilisierung der Therapie führen können, dazu gehören insbesondere der Einsatz neuer Technologien in der Diabetestherapie sowie der Einsatz analoger Insuline auch in der Therapie während der Schwangerschaft. Es ist zu erwarten, dass der Anteil von Patientinnen mit Insulinpumpe und Analoginsulinen im späteren fUS-Kollektiv höher war. Diese Parameter fanden jedoch keinen Einfluss in unsere Analyse. Außerdem konnte im Rahmen unserer Untersuchung der Einfluss weiterer Medikamente auf den Verlauf nicht ausgewertet werden, da der Einsatz von Medikamenten wie ASS nicht erfasst wurde. Diese Medikamente können einen potenziellen Effekt auf das Auftreten von Präeklampsien haben und hier die Ergebnisse beeinflussen. Es wurde lediglich die Einnahme von Antihypertensiva in der Schwangerschaft dokumentiert, diesbezüglich zeigte sich kein Unterschied zwischen beiden Studienkollektiven.
Die Patientinnen des Studienkollektivs fUS waren vor der Indexgravidität signifikant häufiger in regelmäßiger, diabetologischer Betreuung. Dieser Unterschied ist möglicherweise auf die zunehmende Therapieunterstützung durch technische Hilfsmittel in den letzten Jahren zurückzuführen. Studien haben gezeigt, dass durch den Einsatz der Insulinpumpe und des Bolusmanagers eine Senkung des HbA1c als Ausdruck einer verbesserten Therapie erreicht werden kann [24 ], [25 ], [26 ]. Durch die neuen Therapiemöglichkeiten mittels technischer Hilfsmittel ergeben sich auch die häufigeren und engeren Therapiekontrollen bei einem Diabetologen, und in der Folge regelmäßige ärztliche Untersuchungen und eine Zunahme des Wissensstands im Bezug auf die Erkrankung und die Therapie. Inwieweit die verbesserte diabetologische Betreuung zu einer Verbesserung des Outcomes beigetragen hat, bleibt in dieser Analyse ebenfalls offen.
Schlussfolgerungen
Trotz Maximalversorgung für Schwangere mit präexistentem DM 1 besteht immer noch ein deutlich erhöhtes Risiko für fetale und maternale Komplikationen. Die Einbeziehung fetaler Wachstumsparameter in die Therapie erlaubt eine Stoffwechseleinstellung auf individualisierte mütterliche Blutglukosezielwerte. Es können so zeitnah individuelle therapeutische Interventionen ergriffen werden, die das erhöhte Morbiditätsrisiko, insbesondere für stressassoziierte Schwangerschaftskomplikationen, reduzieren. Als mögliche Erklärung für diesen positiven Effekt kann eine Reduktion von maternalem Stress während der Schangerschaft angenommen werden. Eine weitere Untersuchung dieser Zusammenhänge muss in zusätzlichen prospektiven Studien erfolgen.