Einleitung
Pruritus, Brennen, Wundgefühl und Schmerzen im Bereich der Vulva sind typische Beschwerden von Patientinnen beim Besuch einer (eines) Frauenärztin (Frauenarztes). Gemeinhin unterteilt man die entsprechenden Erkrankungen in akute (z. B. vulvovaginale Mykosen, bakterielle und virale Infektionen, Kontaktdermatosen) und chronische Dermatosen. Letztere erscheinen oft Lichen-artig. Manche dieser chronischen Dermatosen stehen im Verdacht, zu Dysplasien bis hin zu malignen Tumoren zu führen. Sie können an der Vulva anfangs oft einen milden und bisweilen unauffälligen Verlauf zeigen. Sie verursachen nicht notwendigerweise Beschwerden der Patientinnen, d. h. sie fallen nicht selten erst bei sorgfältiger Anamnese und der gynäkologischen Routineuntersuchung auf.
In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, auf die aktuelle Nomenklatur von vulvären Dysplasien und die Bedeutung von humanen Papillomaviren (HPV) zu verweisen.
Lichen simplex chronicus
Allgemeine Beschreibung, Ätiologie und Verlauf
Lichen simplex chronicus (LSC) ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, welche an den verschiedensten Hautpartien, aber typischerweise örtlich begrenzt gefunden wird [1]. Wesentliche Synonyme sind Lichen Vidal und lokalisiert-begrenzte Neurodermitis, atopische Dermatitis (Englisch: atopic dermatitis). Frauen scheinen häufiger als Männer betroffen zu sein.
Die Vulva ist nur eine von vielen Hautregionen, die betroffen sein können. Die Prävalenz des vulvären LSC (VLSC) wurde bislang noch nicht hinreichend bestimmt; es wurde aber geschätzt, dass rund 1/3 der Patientinnen in einer Spezialklinik für Vulvaerkrankungen davon betroffen sind [2] und dass die Prävalenz bei rund 0.5 % liegen dürfte [3]. Die Ursache des LSC wie des VLSC ist bislang ungeklärt [2]
[3]
[4]. Primärer VLSC wird als Variante einer atopischen Dermatitis diskutiert, da oft eine atopische Veranlagung einhergeht [2]
[4]. Eine HPV-Beteiligung ist nur ausnahmsweise gegeben.
Wie auch bei der nicht vulvären Neurodermitis ist der Verlauf des VLSC chronisch und rezidivierend. Es liegen bislang allerdings keine Hinweise vor, die Neoplasien befürchten lassen, weder für die Neurodermitis als solche noch für die topische Behandlung mit Calcineurin-Inhibitoren [5].
Symptome und Diagnose
Klinisch auffällig ist v. a. ein intensiver Juckreiz. Klinisch erscheint der VLSC i. d. R. narbenfrei, erythematös und mit Lichen-artigen Plaques, manchmal mit Krustenbildung oder Hautabschürfungen (Kratzspuren) [4]. Länger anhaltende Erkrankungen können sowohl hypo- als auch hyperpigmentiert sein, lederartig erscheinen und Verdickungen zeigen, u. U. bis hin zu Erosionen und Ulzera ([Abb. 1]).
Abb. 1 Alter 41 Jahre: Vulvärer Lichen Simplex Chronicus (LSC). Beschwerden: Intensiver Pruritus. Anamnestisch: Neurodermitis, allergische Disposition, Asthma.
I. d. R. kann die Diagnose anhand des klinischen Bildes sowie der Anamnese (atopische Diathese) gestellt werden [2]
[4]. Es ist jedoch zu beachten, dass ein VLSC sekundär zu einer Candidiasis, einem Lichen sclerosus (LS), einer Psoriasis oder einer Kontaktdermatitis auftreten kann. In solchen Zweifelsfällen kann eine Biopsie nötig sein [2]
[4].
Histologie und weitere Untersuchungen
Allein auf Basis der Histologie ist eine Differenzierung des LSC von einer Psoriasis unzuverlässig und schwierig. [3]. Bei Anzeichen einer Infektion, z. B. Candida albicans oder Staphylococcus aureus, sollten entsprechende Abstriche erfolgen.
Falls sich anamnestisch der Verdacht auf eine Kontaktallergie ergibt, sollte eine dermatologische Abklärung bzw. Allergietestung eingeholt werden [3]. Die bisweilen empfohlene Bestimmung von Eisen und Ferritin erscheint nicht zielführend [6].
Therapie
Wegen der unklaren Ätiologie steht die symptomatische Behandlung im Vordergrund [2]
[3]
[4]. Ziel ist, den Juck-Kratz-Zyklus zu durchbrechen [3]
[4]. Zudem sollten irritierende Faktoren reduziert und die Barrierefunktion der Haut erhalten bleiben. Eine schonende Vulva-Pflege ist anzuraten. Eine dementsprechende Beratung wird empfohlen [3]
[4].
Es gibt fast keine harten Evidenzen zur Therapie des VLSC. Es gibt 2 positive Berichte zur Anwendung von Pimecrolimus-Creme aus sehr kleinen, unkontrollierten Studien, die Wirksamkeit und Verträglichkeit andeuten [7]
[8]. Eine randomisierte Doppelblindstudie untersuchte den Effekt von Seidenslips gegen Baumwollslips und fand deutliche Vorteile der Seidenslips (DermaSilk) [9].
Ansonsten orientieren sich die Therapie-Empfehlungen an der breiten Evidenzbasis zur nichtvulvären Neurodermitis [3]. Zur Verbesserung bzw. zum Erhalt der Barrierefunktion der Haut werden unparfümierte Cremes und Salben empfohlen.
Bei starkem Juckreiz kann eine potente bis ultrapotente Kortison-Salbe verordnet werden [3]. Alternativ kann auch ein Therapieversuch mit Pimecrolimus gestartet werden. Bei nächtlichem Kratzen können einfache sedierende Anti-Histaminika wie Hydroxyzin oder trizyklische Antidepressiva wie Amitryptilin zur oralen Verabreichung verordnet werden [3].
Lichen sclerosus
Allgemeine Beschreibung, Ätiologie und Verlauf
Lichen sclerosus (LS) ist eine chronisch-entzündliche Dermatose, welche vornehmlich in anogenitalen Regionen beider Geschlechter und auch bei Kindern auftritt [10]. Synonyme sind u. a. Lichen sclerosus et atrophicus, Lichen albus, Kraurosis vulvae, white spot disease und hyperplastische Dystrophie.
Die Prävalenz des LS zeigt eine Altersabhängigkeit. Sie liegt im Bereich von 0,1 % bei Kindern und steigt bei älteren Frauen auf etwa 3 % an [10]. Bei Männern tritt der LS deutlich seltener auf, und zwar im Verhältnis von 1:3 bis 1:10 zu Frauen. LS gilt als eine der häufigsten Vulva-Dermatosen [12]. Diese Dermatose zählt nicht zu den sexuell-übertragbaren Erkrankungen gezählt [14].
Derzeit gilt die Ursache des LS als unbekannt, ein immunologischer Zusammenhang wird vermutet [2]
[3]
[4]
[10]
[12]
[60]. Oft werden IgG-Antikörper gegen extrazelluläre Matrix Protein 1 gefunden [12]. Während bei Männern kein klarer Zusammenhang mit Erkrankungen gesehen wird, die gemeinhin als autoimmun verursacht gelten, besteht bei Frauen ein solcher Zusammenhang, v. a. zur Autoimmun-Thyreoiditis [13]
[60].
Es gibt europäische, aber keine amerikanischen Berichte, die einen Zusammenhang zwischen Borrelien und LS fanden. Dies könnte an der Andersartigkeit der Erreger oder der Diagnostik (Serologie) liegen [15]. Ein deutlicher Hinweis auf Beteiligung von Borrelien gelang mittels spezieller Untersuchungen [16].
Es scheint auch eine gehäufte Komorbidität von VLS und extragenitaler Psoriasis zu geben [17]. Dies wird durch die Ähnlichkeit der aktivierten T-Lymphozyten und die somit verbundene Produktion von Zytokinen erklärt [41].
Es besteht offenbar ein enger Zusammenhang zwischen VLS auf der einen Seite und (nicht HPV-abhängigem) dVIN (differentiated vulval intraepithelial neoplasia) bzw. Plattenepithelkarzinom auf der anderen Seite [3]
[18]. Einen Überblick zur Karzinogenese zum vulvären Plattenepithelkarzinom bietet ([Abb. 2]). Bei der dVIN wird keine HPV-Beteiligung gesehen. In einer australischen Fallstudie bestand bei 44 % der operierten, HPV-negativen SCCs bereits vorher der Verdacht auf VLS, nach histopathologischer Befundung dann aber sogar bei 95 % [19]. Das Risiko, nach einem VLS später eine Neoplasie zu entwickeln, steigt von rund 1 % nach 2 Jahren auf rund 7 % nach 10 Jahren [20]. Jüngste Daten deuten eine erhöhte Inzidenz von vulvärem Melanom bei Patienten mit VLS an [21]. Aus all diesen Gründen sollten lebenslange Kontrollen des VLS erfolgen.
Abb. 2 Zwei Wege zur Entstehung des Plattenepithelkarzinoms der Vulva über die entsprechenden Vorstufen
.
Symptome und Diagnose
Beim VLS steht Pruritus, häufig kombiniert mit Dyspareunie im Vordergrund. Allerdings bleibt der VLS bisweilen asymptomatisch und daher vom Patienten unerkannt. Die Vagina ist nur selten betroffen [10], manche Autoren meinen sogar, dass eine Beteiligung der Vagina einen VLS ausschließt [3].
Im Verlauf finden sich porzellan- oder elfenbeinartige, atrophische und hyperkeratotische oder sklerotische Papeln oder Plaques, die manchmal als Papier-artig beschrieben werden [4]
[10]. Häufig finden sich Erytheme neben depigmentierten Stellen. Daneben Fissuren und blutende Rhagaden mit Neigung zur Superinfektion, im Spätstadium, unterschiedliche Schweregrade der vulvären Atrophie und Architekturverlust der Vulva ([Abb. 3]).
Abb. 3 Alter 70 Jahre: Vulvärer Lichen Sclerosus (VLS) mit Ekchymosen. Beschwerden: intensiver Pruritus. Anamnestisch: Thyreoiditis.
Der VLS unterscheidet sich vom VLP dadurch, dass der VLS sich auf den Genitalbereich beschränkt und keine vestibulären Schleimhäute oder Haarfollikel betrifft [11].
Die Diagnose kann meist klinisch gestellt werden [2]. Eine Biopsie kann zur Unterstützung und zum Ausschluss anderer Erkrankungen durchgeführt werden. Eine Stanzbiopsie sollte bei Verdacht auf Malignität und bei Therapieresistenz erfolgen [60]. Beteiligung der Vagina schließt einen VLS praktisch aus [3].
Histologie und weitere Untersuchungen
Die Histologie kann unspezifisch sein, insbesondere in frühen Stadien und bei Kindern [2]. Typisch für VLS sind die atrophische Epidermis mit einer subepidermal hyalinisierten Lage von eosinophiler, sklerotischer Dermis, ferner eine Homogenisierung des Kollagens. Dermale Ödeme sind häufig. Darunter befindet sich eine lymphohistiozytische Entzündung [12]. In späteren Stadien kann eine Hyperkeratose auftreten. Das lichenoide, entzündliche Zellinfiltrat besteht hauptsächlich aus CD3-positiven T-Zellen mit einer Dominanz von CD8 gegenüber CD4 [12].
Laboruntersuchungen sind i. d. R. nicht zielführend.
Therapie
Die tatsächlichen Therapieansätze zum VLS differieren zwischen Dermatologen und Gynäkologen einerseits und den USA und Europa andererseits [22].
Üblicherweise wird eine Behandlung mit ultrapotenten oder potenten Kortikosteroiden empfohlen [2]
[4]
[10]
[60]. Diese Empfehlungen basieren auf einer Reihe von Placebo-kontrollierten Studien sowie einer entsprechenden Metaanalyse aus dem Jahr 2012 [23]. Clobetasol(-Propionat) scheint nicht besser als Mometason in der Erhaltungstherapie zu sein [24]. Wegen der Chronizität des VLS muss mit erneuten Schüben gerechnet werden.
Von einer Kohortenstudie wurde berichtet, dass Patienten mit hoher Behandlungs-Compliance ein geringeres Risiko für ein vulväres Plattenepithelkarzinom hatten [25].
Kurzzeitig hilfreich sind auch intraläsionale Kortikosteroid-Injektionen [10]. Für eine Dauertherapie ist diese Anwendung nicht geeignet.
Topische Calcineurin-Inhibitoren (z. B. Tacrolimus, Pimecrolimus) gelten als Therapie der zweiten Wahl [3]
[10]. Im direkten Vergleich schnitt topisches Tacrolimus nach 3-monatiger Therapie schlechter als topisches Clobetasol ab [26]. Calcineurin-Inhibitoren scheinen aber weniger dermale Atrophie zu verursachen [10]. In jedem Fall sollte bedacht werden, dass eine derartige Behandlung „off-label“ ist.
In einer relativ kleinen Vergleichsstudie war die photodynamische Therapie (PDT) mit 5-Aminolevulinsäure einer Behandlung mit Clobetasol-Creme überlegen. Nach 6 Monaten waren die Symptom-Scores und die Rückfallquote nach Clobetasol deutlich schlechter als bei den mit PDT behandelten Frauen. Einschränkung dieser Studie ist laut Autoren die kurze Nachbeobachtungszeit [27].
Datenlage und Meinungen zu Retinoiden sind heterogen. Zu Acitretin gibt es zwar positive Placebo-kontrollierte Studien, jeweils eine bei Männern und eine bei Frauen [10], aber die Fachinformation führt LS nicht in der Liste der Indikationen auf. Zudem ist bei Frauen das teratogene Potenzial zu beachten. Zu Tretinoin liegen nur wenige unkontrollierte Studien vor.
Nicht empfohlen werden topisches Progesteron, Testosteron und Ciclosporin, orales Hydrochloroquin und Kaliumparaaminobenzoat. Alle anderen bisweilen empfohlenen oder getesteten Therapien wie z. B. Vitamin E und topisches Oxatomid erscheinen nicht hinreichend begründet. In Fallstudien sind Patientinnen mit Stammzellen und plättchenreichem Plasma behandelt worden. Die Autorengruppe beschrieb gute Erfolge. Es gibt keine Daten und keine Kosteninformationen, daher ist es schwierig, diese potenziell vielversprechende Behandlung zu empfehlen [10].
In jüngster Zeit mehren sich positive Einzelfallberichte zu nicht ablativer fraktionierter CO2-Lasertherapie des VLS. Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 gibt einen guten Überblick [28]. Bislang liegen fast nur Fallberichte und Fallstudien vor, lediglich eine prospektive, aber unkontrollierte Studie. Kontrollierte Studien wurden bislang noch nicht veröffentlicht. Weitere Studien sind abzuwarten.
Es gibt eine Reihe von chinesischen Fallstudien zur Anwendung von fokussiertem Ultraschall bei Erkrankungen der Vulva. Allerdings waren die Daten beim VLS enttäuschend [10].
Kleinere chirurgische Maßnahmen werden aufgrund unzureichender Datenlage wie auch allgemeinen Überlegungen i. d. R. nicht empfohlen. Größere chirurgische Therapien (Vulvektomie) werden nur bei LS und gleichzeitiger Malignität empfohlen [10].
Lichen planus
Allgemeine Beschreibung, Ätiologie und Verlauf
Der Lichen planus (LP) gilt als eine nicht ansteckende chronische Dermatose. Sie erscheint mit roten, juckenden, meist polygonalen Plaques und Knötchen an der verhornten Haut und mit netzartigen weißen Streifen (Wickham-Striae) sowohl an der verhornten Haut als auch an den Schleimhäuten. Der Lichen planus kann an allen Hautregionen und Schleimhäuten auftreten [11]. Obwohl sich Erscheinungsbilder und Prävalenzen von oralem, vulvären und kutanen LP deutlich unterscheiden, werden diese Erkrankungen i. d. R. als eine Einheit gesehen [3]
[29]. An den Schleimhäuten sind die betroffenen Stellen oft schmerzhaft und an der verhornten Haut ist der Pruritus vordergründig [11]. Synonym für den Lichen erosivum im Schleimhautbereich ist der Lichen ruber.
Die insgesamt häufigste Form des LP ist der orale LP (OLP). Dieser dürfte mindestens zwei Drittel aller LP-Fälle ausmachen; der OLP ist auch mit Abstand am besten erforscht. Weniger als ein Viertel der Fälle entfällt auf den rein kutanen LP; der Rest sind Mischformen und anogenitale Manifestationen [29]
[30]. Beim oralen LP überwiegen die Frauen mit einem Anteil von rund 2/3 der Fälle. Zum vulvären LP liegen keine epidemiologischen Daten zur Inzidenz vor [2]. Allerdings wurde in einer Spezialklinik für Vulvaerkrankungen bei rund 4 % der Frauen ein LP mittels Biopsie bestätigt. Ähnlich wie beim VLS sind v. a. erwachsene Frauen zwischen 40 und 70 Jahren betroffen [3]. Patientinnen mit VLP weisen zusätzlich zu etwa 1/3 einen perianalen LP und zu etwa der Hälfte einen OLP auf [31]. Umgekehrt fand man bei 57 % der Patientinnen mit OLP nach spezifischer Untersuchung auch einen VLP, und bei dieser Gelegenheit sogar 16 % mit einem VLS [32]. Es ist ratsam, alle Frauen mit OLP einer ano-genitalen Untersuchung zuzuführen [40].
Insgesamt bleibt die Ätiologie des LP unbekannt. Verschiedene Beobachtungen und Überlegungen lassen eine T-Zell-vermittelte Autoimmunerkrankung als Ursache vermuten [2]
[3]
[4]. Die T-Zellen werden möglicherweise durch ein bislang nicht identifiziertes Antigen aktiviert [3]. Es wird angenommen, dass beim LP Zytokine vom Typ I und II CD4-T-Lymphozyten aktivieren und daher erfolgt eine gleichzeitige Sekretion von proinflammatorischen und entzündungshemmenden Zytokinen [11].
Es gibt eine Reihe von Befunden, die für einen Zusammenhang zwischen Hepatitis C-Virus (HCV)-Infektion und, im Wesentlichen, oralem Lichen planus sprechen (z. B. [33]
[34]
[35]), dokumentiert in einer Meta-Analyse [36]
[37]. Anscheinend gibt es dabei starke nationale Unterschiede [32]. Beim VLP erscheint die Datenbasis aber noch zu gering und zu widersprüchlich für eine abschließende Beurteilung [37]
[38]
[39].
Schleimhäute mit LP, nicht aber verhornte Haut mit LP, haben ein erhöhtes Karzinomrisiko in den betroffenen Regionen [40]. Es besteht offenbar ein Zusammenhang zwischen VLP auf der einen Seite und dVIN bzw. Plattenepithelkarzinom (squamous cell carcinoma, SCC) auf der anderen Seite [3]
[18]
[31]
[41]. Das Risiko, nach einem VLP eine Neoplasie zu entwickeln scheint geringer als beim VLS [19] und dürfte bei rund 3 % liegen [61]. Allerdings scheinen Neoplasien, die von einem VLP ausgehen, besonders aggressiv zu sein [41]. Die meisten Karzinome werden nach einem Lichen planus im Mundraum, an der Zunge und an der Larynx beobachtet [40]. Daher ist eine multidisziplinäre Behandlung erforderlich.
Symptome und Diagnose
Die typischen Symptome des VLP im Schleimhautbereich sind brennende Schmerzen, weniger ausgeprägter Juckreiz, Irritationen, Wundgefühl, Dyspareunia, vaginaler Ausfluss und Miktionsprobleme; allerdings kann ein VLP auch asymptomatisch sein [3].
Der anogenitale Lichen planus wird in 3 Gruppen unterteilt [3]:
Klassisch: Typische Papeln und polygonale Plaques auf keratinisierter Haut der Vulva, mit oder ohne „Wickham’s Striae“, Hyperpigmentierung tritt nach Abheilung auf, besonders bei dunkler Haut. Kann auch asymptomatisch oder mit Pruritus verbunden sein [3]
[11].
Hypertroph: Selten und schwierig zu diagnostizieren. Meistens perianal, ulzerierend, infiziert und schmerzhaft. Oft ohne vaginale Läsionen [3].
Erosiv: Häufigste Erscheinungsform im mukokutanen Bereich der Vulva. Laut einer Delphi-Befragung stützen die Diagnose [44]: (1) Gut begrenzte Erosionen bzw. erythematöse Läsionen in der Vagina, im vulvären Vestibulum und am Introitus vaginae; (2) hyperkeratotische Grenzen der Läsionen mit oder ohne Wickham’s Striae; (3) Symptome: Schmerzen und Brennen; (4) Vernarbungen/Verlust der normalen Vulvaarchitektur; (5) vaginale Entzündung; (6) Beteiligung von anderen Schleimhäuten; (7) Vorhandensein eines gut definierten entzündlichen Bandes innerhalb des oberflächlichen Bindegewebes, das die dermal-epidermale Verbindung einbezieht; (8) Vorhandensein eines entzündlichen Bandes aus hauptsächlich Lymphozyten; (9) Anzeichen einer Basalschicht-Degeneration. Wenigstens 3 dieser Befunde erlauben die Diagnose erosiver VLP ([Abb. 4]).
Abb. 4 Alter 74 Jahre: Erosiver vulvärer Lichen Planus (VLP) mit oraler Beteiligung. Befund: brennende Schmerzen. Anamnese: Transaminasen-Erhöhung.
Bei Auftreten eines erosiven LP an der Vulva, Vagina und Gingiva wird vom „Vulvo-vaginal-gingivalem Syndrom“ gesprochen. Diese Form ist besonders therapieresistent. [2].
Histologie und weitere Untersuchungen
Aus jeder unklaren Läsion soll eine Stanzbiopsie entnommen werden, um eine VIN oder ein Karzinom auszuschließen bzw. zu sichern [55].
Histologisch erscheint der VLP mit irregulärer Sägezahn-Akanthose, verstärkten granulären Zellschichten, Verlust von Reteleisten, Basalzell-Auflösung und band-ähnlichen dermalen Infiltraten, hauptsächlich von Lymphozyten [12].
Sekundäre Infektionen sollten ausgeschlossen werden. Eine Untersuchung des Mundraumes auf Zeichen von OLP ist indiziert [4]
[40].
Therapie
Im Allgemeinen werden anfangs hochpotente topische Kortikosteroide wie z. B. das Clobetasol-17-Propionat zur symptomatischen Behandlung empfohlen [2]
[3]. Ziel der Therapie ist die Reduktion von Lymphozyten, um Beschwerdefreiheit bzw. zumindest Symptomlinderung zu erzielen. Langfristig gilt es Krankheitsschübe und narbige Architekturveränderungen der Vulva zu verhindern und das Karzinomrisiko zu senken. In einer Studie mit 114 Patientinnen wurden in einer Klinik für Vulvaerkrankungen 89 Patientinnen mit ultrapotenten topischen Steroiden als First-line-Therapie behandelt. Bei 75 % trat eine Verbesserung auf und 54 % waren symptomfrei. Bei 9 % waren die Entzündungszeichen nicht mehr nachweisbar [3]
[31]. Für die Langzeittherapie wird eine Intervallbehandlung mit potenten Steroiden oder der Übergang zu weniger potenten Steroiden empfohlen [3]
[4]. Ein fester Algorithmus wurde bislang noch nicht ausgearbeitet bzw. allgemein anerkannt [3].
Bei vaginaler Beteiligung des erosiven LP wird eine topische Applikation von Hydrokortison empfohlen, um Adhäsionen und Stenosen zu verhindern [2].
Gibt es Anzeichen einer überlagernden Infektion, wird die kurzzeitige Gabe von Kombinationspräparaten mit hochpotenten Kortikosteroiden und Antibiotika oder Antimykotika empfohlen [3].
Wie auch beim VLS gelten topische Calcineurin-Inhibitoren (z. B. Tacrolimus, Pimecrolimus) beim VLP als Therapie der zweiten Wahl [3]. Beim OLP scheint Tacrolimus besser als Clobetasol abzuschneiden [46]. Zum VLP liegen nur Fallberichte vor [47]. Wie schon zum VLS angemerkt, sollte bedacht werden, dass dies eine „off-label“-Behandlung ist.
Sollte ein HCV-Test positiv sein, ist die entsprechende Behandlung von Experten durchzuführen.
Die europäische Richtlinie von 2016 [3] führt nur eine randomisierte, kontrollierte Studie beim VLP auf. Es handelte sich um einen Parallelgruppenvergleich von PDT mit 5-Aminolaevulinsäure gegen Clobetasol [45]. Die beiden Behandlungen zeigten keine signifikanten Unterschiede. Die Empfehlungen zur Therapie des VLP basieren im Wesentlichen auf Studien zum OLP.
Neoplasien, HPV und Überlagerungen
Neoplasien, HPV und Überlagerungen
Vulväre intraepitheliale Neoplasien (VIN) werden seit den letzten Versionen der WHO und ISSVD (Internatiol society for the Study of Vulvovaginal Diseases) Nomenklatur [48]
[49]
[58] unterteilt in:
-
Low-grade squamous intraepithelial lesion (LSIL).
-
High-grade SIL (HSIL)
-
Vulval intraepithelial neoplasia, differentiated type (dVIN)
Die Unterscheidung zwischen HSIL (uVIN) und dVIN ist histopathologisch, einschließlich immunhistochemisch, zu stellen ([Abb. 2]) [54]
[57].
2005 schlug die ISSVD [51] eine zweistufige Klassifikation gemäß Ursache vor: Auf der einen Seite die humane Papillomviren (HPV)-assoziierte klassische oder „usual“ uVIN, welche höhergradige Läsionen vom Typ VIN 2 und 3 umschließt (HSIL). Dem gegenüber stellte die ISSVD 2005 die HPV-unabhängige, differenzierte oder „simplex“ VIN bzw. dVIN. Die vormalige VIN 1 wurde unter den Begriff Condylomata acuminata gestellt.
In der Literatur werden noch häufig die älteren Bezeichnungen und Einteilungen verwendet ([Tab. 1]).
Tab. 1
Nomenklatur der Präkanzerosen der Vulva.
Beschreibung
|
Kondylomatöse Läsion
|
Leichte Dysplasie
|
Mäßiggradige Dysplasie
|
Schwere Dysplasie, Carcinoma in situ
|
HPV-negative Läsion mit atypischen Keratinozyten in der Basalschicht
|
WHO 2003 [50]
|
VIN 1
|
VIN 2
|
VIN 3
|
ISSVD 2006/7 [51]
|
HPV-assoziierte Veränderungen
|
Klassische VIN, uVIN
|
dVIN
|
WHO 2014 [48]
|
LSIL
|
HSIL
|
dVIN
|
ISSVD 2015 [49]
|
LSIL
|
HSIL, uVIN
|
dVIN
|
VIN: Vulval intraepithelial neoplasia; uVIN: usual type; dVIN: differentiated type; LSIL: Low-grade squamous intraepithelial lesion; HSIL: High-grade SIL.
Die Inzidenz von HSIL wird mit rund 5 von 100 000 Frauen geschätzt [3]. Betroffen sind v. a. jüngere prämenopausale Frauen [55]. Die HSIL gilt als von HPV verursacht [3]. Außerdem können, wegen der HPV-Infektion, gleichzeitig CIN, VaIN und AIN (cervical, vaginal oder anal intraepithelial neoplasia) vorliegen. Risikofaktor ist eine Immunsuppression. [54]. HPV-assoziierte Erkrankungen können durch eine HPV-Impfung verhindert werden ([Abb. 5]).
Abb. 5 Alter 33 Jahre: HPV-assoziierte VIN (HSIL), multizentrische Ausdehnung. Status nach Exzision einer CIN. Anamnestisch: keine HPV-Impfung, Nikotinabusus.
Daher wird eine flächendeckende HPV-Impfung empfohlen [62]. Die Daten klinischer Studien zeigen eine deutliche Reduktion HPV-assoziierter Erkrankungen bei Geimpften, einschließlich der HSIL der Vulva [52]
[53]
[59]. Die Rate der Progression zum invasiven SCC (squamous cell carcinoma, Plattenepithelkarzinom) einer HSIL (uVIN) liegt bei ca. 5 % in einem durchschnittlichen Zeitraum von 41 Monaten ([Abb. 2]) [54]
[55].
Auf Details zu HPV-abhängigen Neoplasien kann im Rahmen dieses Artikels nicht weiter eingegangen werden.
Seltener als HSIL (uVIN) ist die dVIN ([Abb. 6]). Die Progression der dVIN zum invasiven SCC (squamous cell carcinoma, Plattenepithelkarzinom) wird mit 35 % angegeben im durchschnittlichen Zeitraum von 22,8 Monaten ([Abb. 2]) [54]
[57]. Die dVIN kann auf dem Boden eines VLS entstehen [19]. Ein Überblick zur Karzinogenese zum vulvären Plattenepithelkarzinom bietet ([Abb. 2]). Patientinnen mit einer dVIN auf dem Boden eines erosiven LP haben ein hohes Risiko, ein fortgeschrittenes invasives SCC zu entwickeln. Der Altersdurchschnitt in dieser Gruppe lag bei 61 Jahren [41].
Abb. 6 Alter 69 Jahre: Langjähriger Erosiver Lichen planus, keine vaginale Beteiligung, mit dVIN. Beschwerden: therapieresistente Schmerzen. Anamnestisch: Schilddrüsendysfunktion.
Zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Vulvakarzinoms und seiner Vorstufen wird auf die entsprechende Leitlinie verwiesen [55].
VLSC kann einen VLS überlagern [12], aber eher nicht einen VLP [3]. Quantitative Daten liegen dazu nicht vor. Bisweilen kann eine uVIN auch von einem VLSC überlagert sein, wodurch die Unterscheidung von der dVIN bzw. VLS schwierig wird. Anscheinend ist im Falle von uVIN, die von einem VLSC überlagert ist, das p16 eindeutig positiv, im Gegensatz zur dVIN [56].
VLS und VLP sind unterschiedliche Dermatosen und treten selten zusammen auf. HPV wird selten bei VLP gefunden [19]
[42]. Allerdings scheinen Überlagerungen von HPV und VLP besonders aggressiv zu sein [43].
Selbstverständlich gibt es noch weitere chronische Dermatosen an der Vulva, wie Ekzeme, Psoriasis oder Plasmazell-Vulvitis (Morbus Zoon). Ein detailliertes Eingehen darauf würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Eine angepasste Version wurde am 22. 8. 2019 online gestellt.