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DOI: 10.1055/a-0877-1590
Vergessene Schmerzpflanze: Echtes Mädesüß
Subject Editor:
Publication History
Publication Date:
23 April 2019 (online)
- Summary
- Die Königin der Wiese
- Inhaltsstoffe: Salicylverbindungen bestimmen die Wirkung
- Indikationen der Volksheilkunde: Schmerzen und Fieber
- Fertigpräparate
Summary
Wer Rheumatismus, Gicht oder Muskelschmerzen behandelt, sollte auch einmal an diese Pflanze denken.
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Wer Rheumatismus, Gicht oder Muskelschmerzen behandelt, sollte auch einmal an diese Pflanze denken.
Nicolas Culpeper, englischer Arzt, hatte im 17. Jahrhundert ein einfaches und dennoch sehr wirksames Rezept für seine Kolikpatienten parat: Er empfahl, Echtes Mädesüß (Filipendula ulmaria) in Wein auszukochen, den Sud anschließend auf den Bauch aufzutragen und einzumassieren. Mit seinem Rezept hatte er Erfolg.
Was Culpeper damals noch nicht wusste: Mit dem Einmassieren des Suds brachten die Patienten über die Haut ein Schmerzmittel in ihren Körper ein. Denn die gesamte Pflanze enthält Salicylaldehyd. In der Leber wird die chemische Verbindung in die entzündungshemmende, fiebersenkende und schmerzstillende Salicylsäure umgewandelt. Zwar setzt man Echtes Mädesüß heute in der europäischen Volksheilkunde nicht mehr gegen Koliken ein, wohl aber noch gegen Schmerzen und Fieber.
Bis ins 16. Jahrhundert wusste man allerdings nichts von der Heilkraft der Wiesenkönigin, wie der Volksmund das Echte Mädesüß auch nennt (weitere Synonyma: Spierstaude, Falscher Holler, meadowsweet, Reine des prés). Der Naturforscher, Arzt und Botaniker Adam Lonicerus (1528–1586) wies erstmals auf ihre Heilkräfte hin, ebenso sein Kollege Hieronymus Bock (1489–1554). Sie beschrieben die Wurzeln als wirksam gegen rheumatische Erkrankungen sowie Durchfälle und empfahlen, sie als Aquaretikum einzusetzen.
Früher wurde aus den Blütenknospen Salicylaldehyd gewonnen. Echtes Mädesüß, auch Spiraea ulmaria genannt, stand mit seinem Namen Pate für Aspirin. Er leitet sich von „A spiraea“ ab, was nichts anderes als „aus der Spierstaude stammend“ heißt.
Die Königin der Wiese
Echtes Mädesüß wächst vorwiegend in Ostasien und Nordeuropa und dann gerne gesellig. Es mag Wiesen mit feuchten bis nassen Böden, ist an Bach- und Flussufern, in Sümpfen und Auen anzutreffen. Es kann aber auch auf kalkarmen und kalkreichen Böden gedeihen.
Den Spitznamen „Wiesenkönigin“ hat die Staude nicht von ungefähr, überragt sie doch auf einer Wiese grundsätzlich alle anderen. Denn das mehrjährige Rosengewächs (Rosaceae) kann bis zu 2 m hoch werden kann. An ihrem kantigen, rot überlaufenen, oben ästigen Stängel sind wechselständig viele unpaarig gefiederte Blätter angeordnet. Am Blattgrund finden sich die für Rosengewächse typischen Nebenblättchen, die am Rand gekerbt bis gesägt und auf der Unterseite silbrig behaart sind.
Unverkennbar sind auch die gelblich-weißen Mädesüßblüten. Sie bestehen aus 5 nicht miteinander verwachsenen kleinen Blütenblättern, die in zahlreichen Trugdolden angeordnet sind (zum Vergleich: Beim Holunder sind sie verwachsen). Lange Staubblätter ragen weit aus ihnen hinaus und geben den Blütenständen damit ein weiches, flauschiges Aussehen. Sie sind für Echtes Mädesüß ebenso charakteristisch wir der unverkennbar mandelartig-süße Duft der Blüten.
Blütezeit ist eigentlich Juni bis August. Ist der Herbst jedoch warm, sieht man mit etwas Glück auch noch im November vereinzelte Blüten, aus denen dann die auffallenden, spiralig gedrehten Früchte entstehen.
Der botanische Name des Echten Mädesüß hat viel mit dessen Erscheinungsbild zu tun: „Filipendula“ setzt sich zusammen aus den beiden lateinischen Wörtern „filum“, übersetzt „Faden“, und „pendulus“, übersetzt „hängend“. Er beschreibt die hängenden Wurzelknöllchen der Pflanze. Der Wurzelstock ist kriechend, wie eine Kette reihen sich die Triebe mehrerer Generationen aneinander. Die Bezeichnung „ulmaria“ weist auf die ulmenähnliche Blattform der Pflanze hin.
Woher der deutsche Name „Mädesüß“ kommt, ist allerdings nicht bekannt. Sicher ist, dass kein „süßes Mädel“ im Spiel war. Eine Erklärung könnte die Süße sein, die die Blüten in den Met bringen; man setzte sie früher zur Aromatisierung auch gerne Bier und Wein zu, daher auch der volkstümliche Name „meadowsweet“. „Mahd-süß“ könnte aber auch als Hinweis auf den süßen, mandelartigen Blütenduft zu verstehen sein.
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Inhaltsstoffe: Salicylverbindungen bestimmen die Wirkung
Echtes Mädesüß wird arzneilich fast ausschließlich als Teedroge und dafür entweder nur die Blüten oder alternativ das Kraut bzw. der obere Teil der Staude verwendet. Man erntet sie während der Blütezeit (kein Anbau, Wildsammlung). Innerlich angewandt wirken sie schmerzstillend, fiebersenkend, entzündungshemmend und damit auch antirheumatisch, des Weiteren harn- und schweißtreibend. Die Blüten enthalten das wirksamkeitsbestimmende ätherische Öl mit den wichtigen Komponenten (Salicylaldehyd und Salicylsäuremethylester) in höherer Konzentration als das Kraut. Zudem auch Flavonoide (Spiraesoid, Hyperosid, Rutin) und Gerbstoffe (Ellagitannine).
Mehrmals täglich Mädesüßblüten oder -kraut mit heißem Wasser übergießen, 10 min ziehen lassen, abseihen, schluckweise trinken. Maximal empfohlene Tagesdosis: Blüten: 2,5–3,5 g; Kraut: 4–5 g.
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Indikationen der Volksheilkunde: Schmerzen und Fieber
Sowohl die Blüten (Filipendulae ulmariae flos) wie auch das Kraut (Filipendulae ulmariae herba) erhielten Monografien nach Kommission E (positiv), ESCOP und HMPC. ESCOP empfiehlt die Anwendung der Heilpflanze zur unterstützenden Behandlung bei Erkältung und zur Verbesserung der renalen Wasserausscheidung. Das HMPC führt noch zusätzlich die Unterstützung bei leichten Gelenkschmerzen an. Im Europäischen Arzneibuch ist Echtes Mädesüß ebenfalls aufgeführt.
In der Volksheilkunde hat Mädesüß ein größeres Indikationsspektrum. Neben Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten mit Fieber wird es bei Nieren- und Blasenbeschwerden als harntreibendes Mittel, bei Kopfschmerzen sowie rheumatischen Beschwerden der Gelenke und der Muskulatur angewandt. Auch Gicht zählt zu den traditionellen Indikationsgebieten.
Nebenwirkungen/Gegenanzeigen/Interaktionen
Nebenwirkungen sind keine bekannt, ebenfalls keine Wechselwirkungen. Als Gegenanzeige gilt die Salicylat-Überempfindlichkeit.
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Fertigpräparate
Fertigpräparate aus Echtem Mädesüß sind fast komplett vom Markt verschwunden. Einzig die Firma Ceres führt die Filipendula-Urtinktur in ihrem Sortiment als Einzelmittel.
Komplexhomöopathie
Es gibt einige homöopathische Komplexmittel, in denen Echtes Mädesüß Bestandteil ist:
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Ferrum Homaccord® (Fa. Heel), 3 × tgl. 10 Tr. bei Schulter-ArmSyndrom und Tennisarm
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Rheuma Hevert N®, bis zu 6 × tgl. 30 Tr. bei rheumatischen Beschwerden
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Betula/Mandragora comp. Glob./Ampullen (Fa. Wala), bis 4 × tgl. 10–15 Glob. bzw. bis tgl. 1 ml s.c. bei schmerzhaften degenerativen und chronisch-entzündlichen Erkrankungen des Bewegungsorganismus
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Adoem spag. Peka N (Fa. Pekana), 3 × tgl. 25 Tr. bei Gewebewassersucht
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Rheumeda® Madaus (Fa. Madaus), bis 3 × tgl. 5 Tr. bei rheumatischen Beschwerden
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Synergon 95 Actaea spic. S (Fa. Kattwiga), bis 6 × tgl. 15 Tr. bei rheumatischen Beschwerden (speziell der kleinen Gelenke)
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Homöopathie und Spagyrik
Als homöopathisches Einzelmittel ist Filipendula meist unter dem Namen Spiraea ulmaria als Urtinktur bzw. ab D 1/C 1/Q 1 erhältlich (Fa. Arcana, DHU, Gudjons). Es ist angezeigt bei Schleimhautentzündungen und Rheumatismus. Für die homöopathische Herstellung werden die unterirdischen Teile der Pflanze verwendet.
Spagyrisch aufbereitet ist Filipendula bzw. Spiraea ulmaria erhältlich als Einzelessenz (Fa. Heidak, Phylak Sachsen, Spagyros [nur CH], Spagyro [ehemals Staufen Pharma]). Sie wird gegen Nieren- und Blasenerkrankungen, bei harnsaurer Diathese und gegen Muskel- und Gelenkrheumatismus eingesetzt.
Interessenkonflikt: Die Autorin erklärt, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.
Online zu finden unter
http://dx.doi.org/10.1055/a-0877-1590
© Aktualisierte Fassung eines Beitrags aus DHZ 2016; 1: 52–54
Alle Fotos: © Cornelia Stern
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Cornelia Stern
Mitinhaberin der Freiburger Heilpflanzenschule
79111 Freiburg im Breisgau
cornelia.stern@heilpflanzenschule.de
www.heilpflanzenschule.de
Cornelia Stern ist Apothekerin mit Spezialisierung in Naturheilkunde. Zusammen mit ihrem Mann leitet sie die Freiburger Heilpflanzenschule und ist als Dozentin für Phytotherapie, Gemmotherapie, Spagyrik und Klassische Homöopathie tätig. Zudem ist sie Autorin der Bücher „Gemmotherapie“ und „Die Heilkraft der Pflanzenknospen“ sowie Mitherausgeberin der Deutschen Heilpraktiker Zeitschrift DHZ.