Aktuelle Dermatologie 2019; 45(05): 233-235
DOI: 10.1055/a-0879-8081
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fortgeschrittenes Plattenepithelkarzinom: Komplettremission unter PD-1-Antikörper-Therapie

Advanced Squamous Cell Carcinoma: Complete Remission to Anti-PD-1 Antibody Therapy
F. F. Gellrich
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
,
S. Beissert
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
,
F. Meier
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Frank Friedrich Gellrich
Assistenzarzt Dermatologie
Klinik und Poliklinik für Dermatologie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
Fetscherstr. 74
01307 Dresden

Publication History

Publication Date:
16 May 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Für lokal fortgeschrittene oder metastasierte Plattenepithelkarzinome waren die Behandlungsmöglichkeiten bisher begrenzt. Mit Cemiplimab steht ein monoklonaler Antikörper gegen den programmed death-1-Rezeptor (PD-1) zur Verfügung, welcher in Amerika zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Plattenepithelkarzinoms zugelassen ist.

In der vorgestellten Kasuistik wurde ein 74-jähriger Patient aufgrund eines fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinoms mit multiplen, teils inoperablen Tumorrezidiven mit Cemiplimab behandelt. Unter der Therapie trat eine Komplettremission ein. Nach Beginn der Therapie wurde der Patient mit Fieber unklarer Genese, epileptischen Anfällen und neurologischen Ausfällen stationär aufgenommen. Eine immunvermittelte Meningoezephalitis wurde diagnostiziert. Unter zeitnaher hochdosierter systemischer Kortikoidtherapie bildeten sich die neurologischen Defizite vollständig zurück.

Unter der Therapie mit PD-1-Antikörpern kann auch bei fortgeschrittenen oder metastasierten Plattenepithelkarzinomen eine anhaltende Komplettremission erreicht werden. Unter der Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren können schwere immunvermittelte Nebenwirkungen auftreten. Zeitnahes interdisziplinäres Management mit frühzeitiger Diagnosestellung und Therapieeinleitung sind essenziell, um bleibende Schäden zu verhindern.


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Abstract

Treatment of locally advanced or metastatic squamous cell carcinoma is difficult and treatment options are limited. Cemiplimab is a monoclonal antibody against the programmed death-1 receptor (PD-1), which is approved in the USA for the treatment of locally advanced or metastatic squamous cell carcinoma.

This case report describes a 74-year-old patient who was treated with cemiplimab for advanced cutaneous squamous cell carcinoma. Treatment with cemiplimab resulted in a complete remission. Following the first infusion with cemiplimab, the patient was admitted to hospital due to fever of unknown origin, epileptic seizures and neurological deficits. An immune-mediated meningoencephalitis was diagnosed. The neurological deficits completely resolved under systemic high-dose corticosteroid treatment.

Therapy with PD-1 antibodies can achieve durable responses in advanced or metastatic squamous cell carcinoma. Therapy with immune checkpoint inhibitors can lead to severe immune-related adverse events. Timely interdisciplinary management with early diagnosis and initiation of therapy are essential to prevent permanent damage.


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Einleitung

Das Plattenepithelkarzinom ist nach dem Basalzellkarzinom der zweithäufigste maligne Hauttumor [1]. In frühen Stadien ist die radikale Exzision die Therapie der ersten Wahl. Die Behandlungsmöglichkeiten für das fortgeschrittene oder metastasierte Plattenepithelkarzinom sind begrenzt [2]. Mit Cemiplimab steht ein monoklonaler Antikörper gegen den programmed death-1-Rezeptor (PD-1) zur Verfügung [3]. Cemiplimab ist in Amerika für die Behandlung lokal fortgeschrittener oder metastasierter Plattenepithelkarzinome zugelassen, welche inoperabel und nicht kurativ bestrahlbar sind [4]. Eine Zulassung bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) wurde vom Hersteller beantragt [5].

Die Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren kann eine Vielzahl immunvermittelter Nebenwirkungen verursachen. Eine frühzeitige Diagnostik und adäquate Therapie ist essenziell, da schwere Nebenwirkungen lebensbedrohlich werden können. Während für häufige immunvermittelte Nebenwirkungen wie die Kolitis oder Pneumonitis Diagnostik- und Therapieschemata erarbeitet wurden, stellen neurologische Nebenwirkungen aufgrund ihrer Symptomvielfalt weiterhin eine Herausforderung für Diagnostik und Therapie dar.


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Fallbericht

Bei einem 74-jährigen, männlichen Patienten wurde im April 2014 ein fortgeschrittenes Plattenepithelkarzinom an der Schulter links diagnostiziert (pT3, TD 10,1 mm, IL VI, G2). Aufgrund des ausgedehnten Befundes war eine Exzision vollständig im Gesunden nicht möglich und im Mai 2014 erfolgte eine Nachbestrahlung. Im September 2015 trat ein Rezidiv auf. Es erfolgte eine Resektion der Kortikalis und der Gelenkkapsel des Akromioklavikulargelenks links. Im November 2016 wurde ein weiteres Tumorrezidiv an der Schulter links exzidiert. Im April 2017 erfolgte die Exzision eines nekrotischen Rezidivs im Hals-Nacken-Bereich. Aufgrund eines inoperablen Lokalrezidivs erhielt der Patient im Januar 2018 den PD-1-Antikörper Cemiplimab im Rahmen einer Studie.

Im März 2018 wurde der Patient aufgrund von Fieber unklarer Genese mit akuter Verschlechterung des Allgemeinzustands stationär von der Universitäts-Hautklinik Dresden aufgenommen. Im Verlauf trat bei dem Patienten ein epileptischer Anfall auf. Anschließend zeigte der Patient neurologische Ausfallerscheinungen im Sinne einer Sprachstörung und neu aufgetretener Immobilität. Im Ruhe-EEG zeigte sich kein Anhalt für einen Status epilepticus. Im cMRT zeigte sich ein Kontrastmittel-Enhancement im Umfeld der Ventrikel, welches klinisch als Enzephalitis/Leptomeningitis interpretiert wurde. Zur weiterführenden Diagnostik wurden zwei Lumbalpunktionen durchgeführt. Dabei zeigten sich Hinweise auf eine Meningitis im Sinne eines erhöhten Eiweißgehalts. Hinweise auf eine bakterielle Infektion fanden sich nicht. Zur Anfallsprophylaxe wurde eine Therapie mit Levetiracetam begonnen. Bei Verdacht auf eine immunvermittelte Meningoenzephalitis wurde eine Therapie mit Methylprednisolon 1 mg/kg Körpergewicht eingeleitet und im Verlauf auf 2 mg/kg Körpergewicht erhöht. Unter der Therapie trat nach 2 Wochen eine deutliche Besserung der neurologischen Symptome ein. Die Immobilität bestand jedoch weiterhin. Im cMRT zeigte sich nach 2 Wochen eine nahezu vollständige Regredienz der Meningoenzephalitis. Das Methylprednisolon konnte oralisiert und im Verlauf langsam ausgeschlichen werden. Anschließend wurde der Patient in eine Rehabilitationsklinik zur Durchführung neurologischer Rehabilitationsmaßnahmen verlegt.

Seit Beginn der Immuntherapie im Januar 2018 zeigte sich eine Komplettremission des Plattenepithelkarzinoms. Unter der zeitnahen hochdosierten Kortikosteroidtherapie bildete sich die immunvermittelte Meningoenzephalitis komplett zurück.


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Diskussion

Immun-Checkpoint-Inhibitoren haben im Rahmen von Studien vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung des Plattenepithelkarzinoms gezeigt. In der Phase-1- und Phase-2-Studie mit dem PD-1-Antikörper Cemiplimab bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem bzw. metastasiertem Plattenepithelkarzinom erhielten die Patienten Cemiplimab in einer Dosis von 3 mg/kg Körpergewicht intravenös alle 2 Wochen [3].

In den Kohorten mit lokal fortgeschrittenem bzw. metastasiertem Plattenepithelkarzinom der Phase-1-Studie wurde ein Ansprechen auf Cemiplimab bei 13 von 26 Patienten (50 %; 95 % Konfidenzintervall [CI], 30 – 70) beobachtet [3].

In der Kohorte mit metastasiertem Plattenepithelkarzinom der Phase-2-Studie sprachen 28 von 59 Patienten (47 %; 95 % CI, 34 bis 61) auf die Therapie an. Bei 57 % der Patienten, die ein Therapieansprechen zeigten, betrug die Ansprechdauer mehr als 6 Monate. Nebenwirkungen traten bei mindestens 15 % der Patienten auf. Zu den Nebenwirkungen gehörten Durchfall, Müdigkeit, Übelkeit, Verstopfung und Hautausschlag. 7 % der Patienten brachen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab [3].

In der im Januar 2019 veröffentlichten Interimsanalyse der Phase-2-Daten für den PD-1-Antikörper Cemiplimab bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom sprachen 43,5 % der Patienten (95 % CI, 23,2 – 65,5) auf die Therapie an. 70 % der Patienten zeigten eine Ansprechdauer von mehr als 6 Monaten. Weder das mediane Gesamtüberleben noch das progressionsfreie Überleben wurden bislang erreicht. Das errechnete progressionsfreie Überleben nach 12 Monaten betrug 65,6 % (95 % CI, 37,6 – 83,4), das errechnete Gesamtüberleben nach 12 Monaten betrug 91,1 % (95 % CI: 68,8 – 97,7) [4]. Schwere Nebenwirkungen traten in 21,7 % der Fälle auf, in einem Fall (4,3 %) musste die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen werden.

In Zusammenschau der Daten der Phase-1- und Phase-2-Studien mit Cemiplimab ist ein Therapieansprechen bei 50 % der Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Plattenepithelkarzinom zu erwarten [3]. Das Nebenwirkungsprofil ist mit dem anderer Anti-PD-1-Antikörper vergleichbar [4].

Die zeitnahe Diagnose immunvermittelter neurologischer Nebenwirkungen wird wegen der oft unspezifischen Klinik erschwert. Bei der immunvermittelten Enzephalitis wurden Symptome wie Verwirrtheit, verändertes Verhalten, Kopfschmerzen, motorische und sensorische Defizite, Sprachstörungen und Fieber beschrieben [6]. Zeitnahes interdisziplinäres Management mit frühzeitiger Diagnosestellung und Therapieeinleitung ermöglichen eine komplette Rückbildung immunvermittelter neurologischer Nebenwirkungen. Eine verzögerte Diagnostik und Therapie können bleibende Schäden zur Folge haben.


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Interessenkonflikt

Frank Friedrich Gellrich nahm am 17. 10. 2018 am Advisory Board der Firma Sanofi Genzyme zum Thema Non-melanoma skin cancer teil und erhielt ein Vertragshonorar.

  • Literatur

  • 1 Rogers HW, Weinstock MA, Feldman SR. et al. Incidence Estimate of Nonmelanoma Skin Cancer (Keratinocyte Carcinomas) in the U.S. Population, 2012. JAMA Dermatol 2015; 151: 1081-1086
  • 2 Kauvar ANB, Arpey CJ, Hruza G. et al. Consensus for Nonmelanoma Skin Cancer Treatment, Part II: Squamous Cell Carcinoma, Including a Cost Analysis of Treatment Methods. Dermatol Surg Off Publ Am Soc Dermatol Surg Al 2015; 41: 1214-1240
  • 3 Migden MR. et al. PD-1 Blockade with Cemiplimab in Advanced Cutaneous Squamous-Cell Carcinoma. N Engl J Med 2018; 379: 341-351
  • 4 Migden MR, Berkin C, Chang AL. et al. Interim Analysis of Phase 2 Results for Cemiplimab, a Human Monoclonal Antibody to Programmed Death-1, in Patients with Locally Advanced Cutaneous Squamous Cell Carcinoma. Skin J Cutan Med 2018; 2: 77
  • 5 D. Ä. G. Ärzteblatt Redaktion Deutsches. Checkpointinhibitor Cemiplimab erzielt Remissionen bei Spinaliom. Deutsches Ärzteblatt. 7. Juni 2018 [Online]. Verfügbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/95669/Checkpointinhibitor-Cemiplimab-erzielt-Remissionen-bei-Spinaliom [Zugegriffen: 10. März 2019]
  • 6 Astaras C, de Micheli R, Moura B. et al. Neurological Adverse Events Associated with Immune Checkpoint Inhibitors: Diagnosis and Management. Curr Neurol Neurosci Rep 2018; 18: 3

Korrespondenzadresse

Frank Friedrich Gellrich
Assistenzarzt Dermatologie
Klinik und Poliklinik für Dermatologie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
Fetscherstr. 74
01307 Dresden

  • Literatur

  • 1 Rogers HW, Weinstock MA, Feldman SR. et al. Incidence Estimate of Nonmelanoma Skin Cancer (Keratinocyte Carcinomas) in the U.S. Population, 2012. JAMA Dermatol 2015; 151: 1081-1086
  • 2 Kauvar ANB, Arpey CJ, Hruza G. et al. Consensus for Nonmelanoma Skin Cancer Treatment, Part II: Squamous Cell Carcinoma, Including a Cost Analysis of Treatment Methods. Dermatol Surg Off Publ Am Soc Dermatol Surg Al 2015; 41: 1214-1240
  • 3 Migden MR. et al. PD-1 Blockade with Cemiplimab in Advanced Cutaneous Squamous-Cell Carcinoma. N Engl J Med 2018; 379: 341-351
  • 4 Migden MR, Berkin C, Chang AL. et al. Interim Analysis of Phase 2 Results for Cemiplimab, a Human Monoclonal Antibody to Programmed Death-1, in Patients with Locally Advanced Cutaneous Squamous Cell Carcinoma. Skin J Cutan Med 2018; 2: 77
  • 5 D. Ä. G. Ärzteblatt Redaktion Deutsches. Checkpointinhibitor Cemiplimab erzielt Remissionen bei Spinaliom. Deutsches Ärzteblatt. 7. Juni 2018 [Online]. Verfügbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/95669/Checkpointinhibitor-Cemiplimab-erzielt-Remissionen-bei-Spinaliom [Zugegriffen: 10. März 2019]
  • 6 Astaras C, de Micheli R, Moura B. et al. Neurological Adverse Events Associated with Immune Checkpoint Inhibitors: Diagnosis and Management. Curr Neurol Neurosci Rep 2018; 18: 3