Einleitung
Der schwangerschaftsassoziierte Brustkrebs (PABC – pregnancy-associated breast cancer)
tritt definitionsgemäß während der Schwangerschaft oder innerhalb eines Jahres nach
der Geburt des Kindes auf [1]. Bezogen auf alle Brustkrebsdiagnosen entfallen in Europa weniger als 1% auf den
Zeitraum der Schwangerschaft [2]. Dennoch ist das Mammakarzinom neben dem Karzinom der Zervix und Erkrankungen des
hämatopoetischen Systems eine der am häufigsten auftretenden Malignitäten während
dieser Zeit [1], [3], [4]. Ungefähr 25% aller in der Schwangerschaft auftretenden bösartigen Erkrankungen
entfallen auf den Brustkrebs [5].
Die Inzidenz des PABC wird in Industrieländern mit Werten zwischen 1 : 1000 und 1 : 3000
Schwangerschaften angegeben, manche Autoren sprechen von 1 : 10 000 Schwangerschaften
[5], [6], [7], [8], [9], [10], [11], [12]. Innerhalb der letzten Jahrzehnte konnte eine stete Zunahme der Inzidenz verzeichnet
werden. Zugrunde liegen dieser Entwicklung sowohl ein vermehrtes Auftreten maligner
Erkrankungen im Allgemeinen als auch die Tatsache, dass sich Frauen in Industrieländern
immer häufiger erst in fortgeschrittenem Alter für eine Schwangerschaft entscheiden
und hierbei eine positive Korrelation mit der Inzidenz des Mammakarzinoms zu beachten
ist [10], [13], [14], [15]. Das mittlere Alter der Frau bei Diagnosestellung liegt bei 33 Jahren, das mittlere
gestationale Alter bei 21 Wochen [16].
Charakteristika des schwangerschaftsassoziierten Mammakarzinoms
Genetik
Ungefähr 5% aller Mammakarzinome können auf eine autosomal-dominant vererbte genetische
Erkrankung zurückgeführt werden [17]. Für die vererbbare Variante des Mammakarzinoms sind vorrangig Mutationen in den
Genen BRCA1 und BRCA2 (breast cancer 1 bzw. 2) bedeutend. Im Vergleich zu sporadisch
auftretenden Malignomen werden diese in signifikant jüngerem Alter manifest [18]. Frauen mit schwangerschaftsassoziiertem Mammakarzinom tragen insgesamt betrachtet
häufiger ebendiese genetischen Prädispositionen in sich als nichtschwangere Frauen
aus Vergleichspopulationen [19].
Pathologie
Histopathologisch unterscheidet sich der PABC nicht wesentlich vom Brustkrebs der
nichtschwangeren Frau. Es treten viele unterschiedliche Typen des Mammakarzinoms mit
ähnlicher Häufigkeit sowohl bei schwangeren als auch bei nichtschwangeren Frauen auf
[19], [20]. Mit 70 – 90% aller Fälle ist das invasiv-duktale Mammakarzinom der häufigste Typ,
gefolgt vom invasiv-lobulären Karzinom. Inflammatorische Mammakarzinome treten hingegen
eher selten auf [21], [22].
Metastasierungspotenzial
Der PABC metastasiert, genauso wie das Mammakarzinom der nichtschwangeren Frau auch,
am häufigsten in Lunge, Leber und Skelettsystem [23]. Für Schwangere ist es im Vergleich zu nichtschwangeren Frauen aus Vergleichskollektiven
jedoch 2,5-fach wahrscheinlicher in einem bereits metastasierten Stadium diagnostiziert
zu werden [24].
Schwangerschaftsbedingte Veränderungen des Brustgewebes sowie zurückhaltende Anwendung
diagnostischer Maßnahmen in der Schwangerschaft können Ursache für die häufige Diagnoseverzögerung
sein, die in Folge das oft bereits fortgeschrittene Tumorstadium der Schwangeren bedingt
[4], [12], [25].
Diagnostik
Am häufigsten präsentiert sich der PABC als schmerzloser Knoten in der Brust und wird
von der Patientin selbst entdeckt [26]. Deshalb ist es wichtig, dass jeder auffällige Tastbefund in der Schwangerschaft,
der länger als 2 bis 4 Wochen persistiert, mittels weiterer klinischer Untersuchung,
Bildgebung und Gewebebiopsie abgeklärt wird [23]. In der Literatur finden sich durchschnittliche Angaben der Diagnoseverzögerung
bei Schwangeren zwischen 2 und 15 Monaten [27].
Staging
Bildgebende Verfahren zum Staging des Mammakarzinoms während der Schwangerschaft sind
dann indiziert, wenn sie nachfolgende therapeutische Strategien beeinflussen. Wird
das Risiko für Metastasen als gering eingeschätzt, besteht grundsätzlich auch die
Möglichkeit, Staginguntersuchungen erst nach der Entbindung durchzuführen und somit
den Fetus keinen unnötigen Strahlenrisiken auszusetzen [4], [22].
Prognose
Die Prognose des schwangerschaftsassoziierten Mammakarzinoms hängt, genauso wie die
des Mammakarzinoms der nichtschwangeren Frau, vor allem von der Tumorgröße, der Differenzierung
und des Befalls axillärer Lymphknoten ab [28]. Die Fragestellung, ob die Schwangerschaft per se die Prognose der Patientinnen
beeinflusst, wurde in den 80er- und 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts kontrovers diskutiert.
Heute wird überwiegend davon ausgegangen, dass die Schwangerschaft per se nicht als
Indikator für eine schlechte Prognose angesehen werden sollte [2], [28], [29], [30].
Trastuzumab in der Mammakarzinomtherapie Schwangerer
Allgemeines
Von zunehmender Bedeutung in der Therapie maligner Erkrankungen im Allgemeinen sind
Medikamente, die zielgerichtet auf molekularer Ebene an bestimmten Stellen der zellulären
Signalkaskade angreifen. So spielen diese sogenannten Target-Agents auch in der Therapie
des Mammakarzinoms eine immer größere Rolle. Der humane epidermale Wachstumsfaktorrezeptor
HER2 (human epidermal growth factor receptor 2), welcher entscheidend Einfluss auf
die Regulation des Zellwachstums sowie die Zelldifferenzierung nimmt, steht hier im
Mittelpunkt der Betrachtungen. Er ist in etwa 20 – 30% aller Mammakarzinome überexprimiert
[31]. Gegen diesen ist unter anderem der monoklonale Antikörper Trastuzumab gerichtet,
welcher die Prognose HER2-positiver Tumoren bis dato bereits entscheidend verbessert
hat und zu einem deutlichen Überlebensvorteil für von HER2-überexprimierenden Tumoren
Betroffene geführt hat [32], [33].
Trastuzumab ist seit August 2000 in Deutschland zur Therapie des HER2-überexprimierenden
metastasierten Mammakarzinoms zugelassen, seit Mai 2006 auch zur (neo-)adjuvanten
Behandlung bei HER2-überexprimierenden Tumoren im Anschluss an eine Operation und
Standard-Chemotherapie sowie gegebenenfalls eine Radiotherapie [32], [34].
Der exakte molekulare Wirkmechanismus dieses humanen monoklonalen Antikörpers ist
bis dato noch nicht umfänglich verstanden [35], [36], [37]. Es werden sowohl Wirkmechanismen auf extrazellulärer sowie auch auf intrazellulärer
Ebene diskutiert. Auf extrazellulärer Ebene beruht die antineoplastische Wirkweise
des Antikörpers nach derzeitiger Datenlage insbesondere auf zellvermittelter Zytotoxizität
[38], [39]. Die intrazellulären Wirkmechanismen von Trastuzumab werden hingegen kontrovers
beschrieben [31].
Ein weiterer monoklonaler Antikörper ist Pertuzumab, welcher zusammen mit Trastuzumab
und Docetaxel in der First-Line-Therapie des inoperablen metastasierten Mammakarzinoms
eingesetzt wird [40]. Er bindet HER2 an anderer Stelle als Trastuzumab und verhindert dadurch die Dimerisation
von HER2 mit anderen Rezeptoren der HER-Familie [41]. Unterschiedliche Studien konnten bereits bei nichtschwangeren Frauen die Überlegenheit
einer dualen HER2-Hemmung mit Trastuzumab und Pertuzumab im Vergleich zur alleinigen
Anwendung eines der beiden Antikörper nachweisen [42], [43]. Zur Anwendung von Pertuzumab in der Schwangerschaft finden sich allerdings bislang
noch keine Daten.
Im Allgemeinen erfolgt der Einsatz von Antikörpern bei Schwangeren sehr zurückhaltend.
Dies liegt insbesondere an der derzeit limitierten Datenlage sowie auch an präklinischen
Studien, die den Einsatz dieser Wirkstoffe bei Schwangeren kritisch erscheinen lassen
[44]. So konnte zudem ein transplazentarer Transfer von Trastuzumab in früheren Studien
nachgewiesen werden [9].
Indikationsstellung
Voraussetzung für eine HER2-Antikörpertherapie ist zunächst die qualitätsgesicherte
Bestimmung des HER2-Status. Der Nachweis des HER2-Gens ist erforderlich und erfolgt
mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) [34].
Eine (neo-)adjuvante Therapie mit Trastuzumab ist bei Patientinnen mit nodal-positiven
Tumoren und nodal-negativen Tumoren ≥ 1 cm Durchmesser mit HER2-Überexpression grundsätzlich
indiziert. Die Therapiedauer beträgt 1 Jahr und erfolgt meist simultan bzw. konsekutiv
in Kombination mit einer Standardchemotherapie. So erhalten die Patientinnen in diesem
Setting meist ein Anthrazyklin, gefolgt von einem Taxan in Kombination mit Trastuzumab.
Auch bei Vorliegen kleinerer Tumoren mit einem Durchmesser < 1 cm und HER2-Überexpression
können Patientinnen nach vorheriger Nutzen-Risiko-Abwägung von einer Therapie mit
Trastuzumab profitieren. Patientinnen mit bereits metastasierten HER2-überexprimierenden
Karzinomen sollten ebenfalls mit einer Antikörpertherapie behandelt werden [34]. Es konnte bei diesen Patientinnen ein längeres progressionsfreies Überleben sowie
Gesamtüberleben unter Trastuzumab gezeigt werden [45]. Als Erstlinientherapie sollte im metastasierten Stadium eine duale HER2-Blockade
in Kombination mit einem Taxan erfolgen.
Patientenkollektive
Mammakarzinompatientinnen, deren Tumoren eine HER2-Überexpression aufweisen, profitieren
von gegen HER2 gerichteten Therapiestrategien [32], [33]. Bei Auswahl der von dieser Therapie profitierenden Patientenkollektive gilt es
zu beachten, dass der HER2-Status zwischen dem Primärtumor sowie etwaigen Metastasen
in bis zu 25% der Fälle unterschiedlich sein kann, weswegen auch im Verlauf auftretende
Metastasen auf eine mögliche HER2-Positivität getestet werden sollten [46], [47].
Schwangerschaftsverläufe unter Trastuzumab
[Tab. 1] gibt einen Überblick über derzeit verfügbare Daten hinsichtlich des Einsatzes von
Trastuzumab zur Behandlung von Mammakarzinomen in der Schwangerschaft. Diese beruhen
zum jetzigen Zeitpunkt hauptsächlich auf Fallberichten, in welchen 22 Schwangerschaften,
darunter eine Zwillingsschwangerschaft, beschrieben werden [Nr. 1 – 18, 20 – 23].
Zusätzliche Informationen konnten aus den Ergebnissen der internationalen, multizentrischen
randomisierten Phase-III-Studie namens HERceptin Adjuvant (HERA) gewonnen werden.
Sie untersuchte unter anderem das Outcome von 16 Kindern von Patientinnen, die während
oder bis zu 3 Monate nach Trastuzumabgabe schwanger wurden [Nr. 19]. In den meisten
Fällen wurde der Antikörper bei Patientinnen in bereits metastasierten Erkrankungsstadien
verabreicht. Seltener erhielten Schwangere in frühen nicht metastasierten Stadien
Trastuzumab. Unter den Fallberichten sind 14 Fälle der Exposition im 1. Trimenon bekannt
[Nr. 2, 3, 6 – 12, 14, 16, 18, 22, 23], wobei der überwiegende Anteil der Mammakarzinompatientinnen
unter Trastuzumabtherapie ungeplant schwanger wurde. Bei 4 Patientinnen wurde die
Behandlung nach Bekanntwerden der Schwangerschaft eingestellt. 13 Patientinnen wurden
nur mit Trastuzumab therapiert, wohingegen in den verbleibenden Fällen Zweier- oder
Dreierkombinationsregimes mit Vinorelbin, Paclitaxel, Docetaxel, Tamoxifen, Goserelin
und Carboplatin angewendet wurden. Eine Schwangere erhielt bei zerebralen Metastasen
zusätzlich Dexamethason sowie eine kraniale Radiotherapie [Nr. 21]. Bei 13 der insgesamt
20 Schwangerschaften wurde ein Oligo- bzw. Anhydramnion festgestellt [Nr. 2, 4, 5,
8 – 10, 12, 15, 17, 18, 20, 22, 23], 8 Frauen wurden hierbei im 1. Trimenon behandelt,
7 erhielten Trastuzumab als Monotherapie. Zudem trat in 2 Fällen zusätzlich eine fetale
intrauterine Wachstumsretardierung (IUWR) auf, in jeweils 1 Fall kam es zudem zu vorzeitiger
Plazentalösung, vaginaler Blutung, vorzeitiger Ruptur der Eihäute oder fetaler renaler
Insuffizienz. 15 Kinder wurden per Sectio entbunden, im Mittel in der 34. Gestationswoche.
Bis auf eine Ausnahme [Nr. 11] lag ihr Geburtsgewicht unter 2700 g. In 10 Fällen kam
es zu neonatalen Komplikationen, darunter waren 8 Kinder von Patientinnen, die in
der Schwangerschaft ein Oligo- bzw. Anhydramnion entwickelten. Alle diese Kinder litten
unter respiratorischen Komplikationen [Nr. 4, 9, 10, 12, 13, 15, 16, 18, 23]. Bei
3 Kindern kam es zeitgleich zu renalem Versagen [Nr. 4, 9, 12]. Vier Kinder verstarben
innerhalb der ersten 4 Lebensmonate [Nr. 9, 10, 12, 15]. Die anderen Kinder zeigten
bei Follow-up-Untersuchungen nach im Mittel 22 Monaten (2 – 84 Monate) eine normale
Entwicklung. Eine ektope Schwangerschaft wurde elektiv beendet. Bei den 16 Patientinnen
der HERA-Studie wurden keine Schwangerschaftskomplikationen oder Anomalien beobachtet
[Nr. 19]. Dennoch wurden insgesamt 11 Aborte verzeichnet. Vier davon waren spontane
Aborte, 7 wurden elektiv durchgeführt. Letztere wurden jedoch nicht auf Schwangerschaftskomplikationen,
sondern auf gewisse Unsicherheiten und Ängste bezüglich der fetalen Trastuzumabexposition
sowohl seitens der Patientinnen als auch der behandelnden Ärzte zurückgeführt [48]. Die 5 Lebendgeburten wogen im Mittel 3485 g und zeigten alle eine normale Entwicklung.
Es gilt insgesamt zu beachten, dass manche aufgetretene Komplikationen auch auf die
Frühgeburtlichkeit der Kinder als solche zurückzuführen und nicht alleinig der zytotoxischen
Therapie zuzuschreiben sein könnten.
Tab. 1 Trastuzumab zur Therapie des PABC, Übersicht internationaler Fallberichte.
|
Nr.
|
Referenz
|
n
|
Therapieregime
|
Trimester der Exposition
|
Rezeptoren/ Metastasierung
|
Schwangerschaftskomplikationen/ Anomalien
|
Entbindung
|
Geburtsgewicht
|
neonataler Status/Komplikationen
|
Follow-up Kinder
|
|
EF: Ejektionsfraktion; IUWR: intrauterine Wachstumsrestriktion; J: Jahre; Mo: Monate;
MOV: Multiorganversagen; NA: nicht angegeben; NE: normale Entwicklung; NRV: neonatales
respiratorisches Versagen; P: Perzentile; RT: Radiotherapie; Sectio: Sectio caesarea;
W: Gestationswoche
|
|
1
|
[75]
|
1
|
Trastuzumab + Vinorelbin
|
3
|
ER−/PR−/HER2+, metastasiert
|
keine
|
vaginal, W 34
|
2270 g (20. P)
|
keine
|
6 Mo: NE
|
|
2
|
[76]
|
1
|
Trastuzumab
|
Präkonzeption, 1, 2
|
NA, metastasiert
|
Anhydramnion (W 23)
|
vaginal, W 37,5
|
2960 g (40. P)
|
keine
|
6 Mo: NE
|
|
3
|
[77]
|
1
|
Trastuzumab
|
Präkonzeption, 1
|
NA, metastasiert
|
keine
|
vaginal, NA
|
NA
|
keine
|
NA
|
|
4
|
[78]
|
1
|
Trastuzumab + Paclitaxel
|
2, 3
|
ER−/PR+/HER2+, metastasiert
|
Anhydramnion, IUWR
|
Sectio, W 32
|
1460 g (10. P)
|
Bakteriämie, transientes NRV, transientes renales Versagen
|
3 Mo: NE
|
|
5
|
[68]
|
1
|
Trastuzumab + Docetaxel
|
2, 3
|
NA, metastasiert
|
Anhydramnion (W 30), IUWR
|
Sectio, W 36
|
2230 g
|
keine
|
NA
|
|
6
|
[79]
|
1
|
Trastuzumab
|
Präkonzeption, 1, 2
|
ER−/PR−/HER2+, metastasiert
|
keine
|
Sectio, W 37
|
2600 g (10. P)
|
keine
|
2 Mo: NE
|
|
7
|
[80]
|
1
|
Trastuzumab
|
Präkonzeption, 1
|
ER−/PR−/HER2+, metastasiert
|
ektope Schwangerschaft, elektiver Abort
|
–
|
–
|
–
|
–
|
|
8
|
[73]
|
1
|
Trastuzumab
|
Präkonzeption, 1, 2, 3
|
ER−/PR−/HER2+, metastasiert
|
Oligohydramnion
|
NA, W 32
|
1810 g
|
keine
|
60 Mo: NE
|
|
9
|
[81]
|
1
|
Trastuzumab
|
Präkonzeption, 1, 2
|
NA, metastasiert
|
Oligohydramnion, vorzeitige Plazentalösung
|
Sectio, W 27
|
NA
|
verminderte renale Perfusion, renale Dys-/Hypoplasie, NRV
|
4 Mo: Tod
|
|
10
|
[82]
|
1
|
Trastuzumab
|
Präkonzeption, 1, 2, 3
|
ER+/PR−/HER2+, metastasiert
|
Oligohydramnion, vaginale Blutung
|
Sectio, W 27
|
1015 g (57. P)
|
NRV, Capillary Leak Syndrome, nekrotisierende Enterokolitis
|
21. Woche: Tod durch MOV
|
|
11
|
[83]
|
1
|
Trastuzumab
|
Präkonzeption
|
ER−/PR−/HER2+, metastasiert
|
keine
|
Sectio, W 39
|
3550 g
|
keine
|
14 Mo: NE
|
|
12
|
[84]
|
1
|
Trastuzumab + Tamoxifen (+ Methadon)
|
Präkonzeption, 1, 2
|
ER+/HER2+, NA
|
Anhydramnion, vorzeitige Ruptur der Eihäute
|
Sectio, W 31
Zwillinge
|
A: 1590 g
B: 1705 g
|
A: NRV, renales Versagen
B: transientes NRV
|
A: 3 Mo: Tod durch respiratorisches Versagen
|
|
13
|
[85]
|
1
|
Trastuzumab
|
2
|
ER−/PR−/HER2+, metastasiert
|
keine
|
Sectio, W 29
|
1220 g
|
NRV
|
36 Mo: NE
|
|
14
|
[85]
|
1
|
Trastuzumab
|
Präkonzeption, 1
|
ER−/PR−/HER2+, nicht metastasiert
|
2 Gestationssäcke, nur in einem ein lebender Fetus
|
vaginal, W 39
|
2940 g
|
keine
|
24 Mo: NE
|
|
15
|
[86]
|
1
|
Trastuzumab + Tamoxifen + Goserelin
|
2
|
ER+/PR−/HER2+, NA
|
Anhydramnion
|
Sectio, W 37
|
2690 g
|
schwere pulmonale Hypoplasie, Atelektasen
|
40 min: Tod
|
|
16
|
[87]
|
1
|
Trastuzumab
|
Präkonzeption, 1, 2
|
ER−/PR−/HER2+, metastasiert
|
Mutter: Abfall der kardialen EF auf bis zu 40%
|
vaginal, W 37
|
3200 g
|
milde transiente Tachypnoe
|
NA
|
|
17
|
[88]
|
1
|
Trastuzumab + Carboplatin + Docetaxel
|
2, 3
|
ER+/PR+/HER2+, nicht metastasiert
|
Anhydramnion, fetale renale Insuffizienz (W 21), IUWR
|
Sectio, W 34
|
NA
|
keine
|
NA: NE
|
|
18
|
[89]
|
1
|
Trastuzumab (+ Dexamethason)
|
Präkonzeption, 1, 2, 3
|
ER−/PR−/HER2+, metastasiert
|
Oligohydramnion
|
vaginal, W 37
|
3060 g
|
transiente Tachypnoe
|
28 Mo: NE
|
|
19
|
[48]
|
16
|
Trastuzumab
|
Schwangerschaften, die während oder bis zu 3 Monaten nach Trastuzumabgabe auftraten
|
HER2+, nicht metastasiert
|
keine
|
11 Aborte (4 spontan, 7 elektiv), 5 Lebendgeburten: NA, W 40 im Mittel
|
3485 g im Mittel
|
keine
|
NA, NE
|
|
20
|
[90]
|
1
|
Trastuzumab + Vinorelbin
|
3
|
ER−/PR−/HER2+, metastasiert
|
Anhydramnion
|
Sectio, W 33
|
1990 g
|
keine
|
13 Mo: NE
|
|
21
|
[91]
|
1
|
Trastuzumab + Paclitaxel + Dexamethason + RT
|
2, 3
|
ER−/PR−/HER2+, metastasiert
|
keine
|
Sectio, W 38
|
NA
|
keine
|
6 Mo: NE
|
|
22
|
[92]
|
1
|
Trastuzumab
|
1, 2
|
NA, metastasiert
|
Oligohydramnion (W 24)
|
Sectio, W 36
|
NA
|
keine
|
3 J: NE
|
|
23
|
[93]
|
1
|
Trastuzumab
|
1, 2
|
ER−/PR−/HER2+, nicht metastasiert
|
Anhydramnion (W 28)
|
Sectio, W 32
|
1655 g
|
NRV, pulmonaler Infekt
|
7 J: NE
|
Einfluss des Therapiebeginns
Die Datenlage bezüglich des maternalen Outcomes bei Mammakarzinomen in der Schwangerschaft
ist insgesamt nicht sehr umfangreich. In den meisten Studien wurden hauptsächlich
der Behandlungserfolg sowie die Langzeitprognosen der betroffenen Kinder untersucht.
Es lässt sich jedoch festhalten, dass derzeit überwiegender Konsensus darüber besteht,
dass eine Schwangerschaft per se nicht als Indikator für eine schlechtere Prognose
des Mammakarzinoms angesehen werden sollte. Es konnte in mehreren Studien gezeigt
werden, dass schwangere Brustkrebspatientinnen im Vergleich zu nichtschwangeren Frauen
gleichen Alters und Tumorstadiums eine ähnliche Prognose haben [2], [28], [29], [30]. Sie werden lediglich verglichen mit Nichtschwangeren überproportional häufig erst
in einem fortgeschrittenen Tumorstadium diagnostiziert, weshalb das Outcome dieser
Patientinnen insgesamt häufig schlechter zu sein scheint [21], [49].
Davon ausgehend, kann also argumentiert werden, dass ein Therapieaufschub bei schwangeren
Patientinnen vergleichbare negative Auswirkungen zur Folge haben dürfte wie bei nichtschwangeren
Patientinnen auch. Es besteht Konsensus darüber, dass eine bestehende Schwangerschaft
im Allgemeinen nicht ursächlich für einen Aufschub einer indizierten antineoplastischen
Therapie sein sollte [50]. Vielmehr scheint die unverzügliche Einleitung einer stadien- und tumorgerechten
Therapie nach Diagnosestellung entscheidend für das Outcome der Mütter und in Folge
auch indirekt der Kinder zu sein. So sollten Modifikationen der empfohlenen Therapie
zum Schutz des ungeborenen Kindes nach Möglichkeit geringgehalten werden.
Jedoch ist an dieser Stelle auch festzuhalten, dass es sich in den meisten Fällen
um individuelle Einzelfallentscheidungen handelt und auch die Wünsche der werdenden
Mutter in den Entscheidungsprozess einzubeziehen sind [51]. Eine HER2-Hemmung mit Trastuzumab verbessert sowohl das progressionsfreie Überleben
als auch das Gesamtüberleben sowohl bei nichtmetastasierten HER2-positiven Karzinomen
als auch bei bereits metastasierten Stadien, weshalb insgesamt davon ausgegangen werden
darf, dass ein Therapieaufschub bei Schwangeren, ebenso wie bei nichtschwangeren Frauen
mit vergleichbaren Tumorcharakteristika, negative Auswirkungen auf diese Parameter
haben dürfte [45], [52], [53].
Potenzieller Einfluss auf das Kind
Die Konzentration eines Fremdstoffes, der von der Mutter auf das Kind übergeht, hängt
überwiegend vom plazentaren Transfer und zu geringeren Anteilen auch vom plazentaren
sowie fetalen Stoffwechsel selbst ab. Der transplazentare Arzneistoffwechsel wird
von vielen Faktoren beeinflusst. Einerseits spielen biochemische Stoffeigenschaften
wie zum Beispiel der Grad der Ionisation, die Lipophilie, der Grad der Proteinbindung
sowie das Molekulargewicht eine entscheidende Rolle. Andererseits sind es auf die
Plazenta bezogene Eigenschaften, wie der Blutfluss, Stoffkonzentrationsgradienten
über der Membran, pH-Differenzen, eine zunehmende Austauschfläche mit fortschreitender
Schwangerschaft oder sich entwickelnde arzneimittelmetabolisierende Enzyme, die den
Transfer bestimmen [54].
Die meisten Wirkstoffe überwinden die Plazentaschranke auf dem Wege der passiven Diffusion.
In diesem Fall stellen besonders die plazentare Durchblutung, der pH-Unterschied zwischen
mütterlichem und kindlichem Blut sowie die biochemischen Stoffeigenschaften und der
jeweilige Grad der Proteinbindung die für den Stoffaustausch bestimmenden bzw. limitierenden
Faktoren dar [55], [56]. Die erleichterte Diffusion sowie die Endozytose sind seltenere Wege des transplazentaren
Arzneimitteltransfers [57]. Auch ein parazellulärer Stoffaustausch vor allem hydrophiler und geladener Stoffe
über bestimmte Kanalproteine ist möglich [58], [59], [60].
Über die genannten Mechanismen erreichen die meisten Medikamente auf der kindlichen
Seite der Plazenta Konzentrationen zwischen 20 und 80% der mütterlichen Konzentration
[61], [62]. Jedoch nimmt die Dicke des Synzytiotrophoblasten mit fortschreitender Schwangerschaft
zunehmend ab und auch die dahinter folgenden Zytotrophoblast-, Stroma- und Endothelzellen
werden dünner und durchlässiger, weswegen der Stoffaustausch zwischen Mutter und Kind
zunehmend erleichtert wird [63].
Bei Trastuzumab handelt es sich um einen humanisierten monoklonalen IgGk1-Antikörper
[64]. Da Immunglobuline große hydrophile Moleküle mit einem Molekulargewicht von etwa
150 kD sind, überwinden sie Zellmembranen über aktiven Transport durch Kanalproteine
[65]. Der transplazentare Transport von IgG erfolgt letztlich über mindestens 2 Membranen,
die des Synzytiotrophoblasten sowie des fetalen kapillären Endotheliums [63], [66].
HER2-Rezeptoren wurden in plazentarem Gewebe in der fortgeschrittenen Schwangerschaft
sowie auch in fetalem Nierengewebe nachgewiesen. Wie bereits oben beschrieben wird
vermutet, dass die Interaktion von Trastuzumab mit diesen Rezeptoren hinsichtlich
des gehäuften Auftretens von Oligo- bzw. Anhydramnien unter Therapie eine entscheidende
Rolle spielt [67]. Sowohl der Applikationszeitpunkt des Antikörpers als auch die Therapiedauer scheinen
hierbei einen Einfluss zu haben. Insgesamt wird ein toxischer Effekt des Wirkstoffes
auf fetale Nierenzellen als ursächlich für die Abnahme der Amnionflüssigkeit angesehen.
Interessant ist, dass die Menge der Amnionflüssigkeit nach Absetzen des Antikörpers
wieder zunimmt, es sich also um einen reversiblen Effekt handelt. Wachstumsfaktorrezeptoren
der HER2-Familie, die, wie bereits erwähnt, in menschlichen Nephrozyten während der
Fetalzeit vermehrt exprimiert werden, induzieren DNA-Synthesevorgänge und fördern
die Zellteilung. Auch in experimentellen Studien konnte gezeigt werden, dass eine
Blockade dieser Rezeptoren zu verringerter Teilungsaktivität der nephrogenen Zellen
führte [68], [69], [70]. Dass Trastuzumab eine Schädigung fetaler Nierenzellen, nicht jedoch maternaler
Nierenzellen bzw. adulter Nierenzellen hervorruft, liegt hierbei sehr wahrscheinlich
an der unterschiedlichen Proteinstruktur des Wachstumsfaktorrezeptors. So liegt dieser
in fetalen Nierenzellen als Heterodimer vor, während er bei Erwachsenen in Form eines
Homodimers ausgebildet ist [71].
Des Weiteren ist Trastuzumab auch an der fetalen neuronalen sowie myokardialen Entwicklung
beteiligt. Bislang ist unter Trastuzumab jedoch noch kein Fall einer kindlichen Schädigung
des Nervensystems oder des Herzens berichtet worden [72].
Schlussfolgerung
Es wurden zahlreiche Anwendungen von Trastuzumab dokumentiert und die entsprechenden
Fälle publiziert. Es zeigten sich einige komplikationsarme Schwangerschaften, aber
auch teilweise deutliche Nebenwirkungen, sodass zunächst eine allgemeine Empfehlung
zur Anwendung in der Schwangerschaft noch nicht gegeben werden kann. Es sollte daher
im Einzelfall durch ein Expertenteam entschieden werden, ob eine Trastuzumabtherapie
angezeigt ist.
So kommt es unter Therapie vergleichsweise häufig zur Ausbildung eines Oligo- bzw.
Anhydramnions. Interessanterweise nimmt die Menge der Amnionflüssigkeit nach Absetzen
des Antikörpers aber wieder zu. Dieser Effekt scheint also reversibel zu sein. Daher
wird ein toxischer Effekt auf kindliche Nierenzellen vermutet [68]. Bisher konnte noch nicht eindeutig geklärt werden, über welchen molekularen Mechanismus
Trastuzumab eine Verminderung der Amnionflüssigkeit bewirkt, jedoch existieren Hypothesen,
die sich auf eine Beteiligung epidermaler Wachstumsfaktorrezeptoren in fetalem Gewebe
beziehen [73].
Wachstumsfaktoren der HER2-Familie werden in menschlichen Nephrozyten während der
Fetalzeit vermehrt exprimiert. Sie induzieren dort DNA-Synthesevorgänge und fördern
die Zellteilung. In experimentellen Studien konnte gezeigt werden, dass eine Blockade
dieser Rezeptoren zu verringerter Teilungsaktivität der nephrogenen Zellen führte.
Ähnliches könnte eine Rolle bei der HER2-Blockade durch Trastuzumab spielen [69], [70]. Des Weiteren ist HER2 auch an der fetalen neuronalen sowie myokardialen Entwicklung
beteiligt. Bislang ist unter Trastuzumab noch kein Fall einer kindlichen Schädigung
des Nervensystems oder des Herzens bekannt geworden, jedoch sollte dieses potenzielle
Risiko nicht außer Acht gelassen werden. Besonders bei Verabreichung von Anthrazyklinen
und anschließender Gabe von Trastuzumab ist Vorsicht bezüglich etwaiger kardiotoxischer
Nebenwirkungen geboten [74].