Aktuelle Dermatologie 2019; 45(05): 236-238
DOI: 10.1055/a-0883-6579
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Therapie der schweren Psoriasis vulgaris et arthropathica in der Schwangerschaft

Therapy of Psoriasis vulgaris and Arthritis in Pregnancy
K. Berndt
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
,
S. Schneiderat
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
,
S. Heyne
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
,
S. Beissert
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
,
S. Abraham
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Katja Berndt
Klinik und Poliklinik für Dermatologie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Fetscherstr. 72
01307 Dresden

Publication History

Publication Date:
16 May 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Die Psoriasis vulgaris stellt eine häufige, chronisch entzündliche Hauterkrankung dar. Bis zu einem Drittel der Betroffenen leiden zusätzlich unter Psoriasis-Arthritis, einhergehend mit schmerzhaften Gelenkentzündungen, die unbehandelt zur Gelenksdestruktion führen können [1]. Trotz eines enormen Fortschritts in den Möglichkeiten der Systemtherapie stellen schwere Verläufe, insbesondere in der Schwangerschaft, immer noch eine Herausforderung dar. Wir berichten über den Fall einer 32-jährigen schwangeren Patientin mit seit dem Jugendalter bestehender, schwerer Psoriasis vulgaris et arthropathica. Unter kombinierter Lokal-, UV- sowie Systemtherapie mit Certolizumab pegol (Cimzia®) konnte eine stabile Krankheitskontrolle erreicht und in der 40. Schwangerschaftswoche ein gesundes Mädchen entbunden werden.


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Abstract

Psoriasis vulgaris is a common chronic inflammatory skin disease. Up to one third of these patients also suffer from psoriasisarthritis with painful inflammations of the joints. This may lead to a destruction of the involved joints without therapy. Despite the availability of several new systemic therapies, the management of severe psoriasis in pregnancy still is challenging. We report the case of a 32-year-old pregnant woman with a severe psoriasis vulgaris with arthritis since childhood. Under combined local-, ultraviolet and systemic therapy with certolizumab pegol we gained a stable disease control. Our patient gave birth to a healthy daughter in the fortieth week of pregnancy.


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Kasuistik

Anamnese

Eine 32-jährige Patientin befindet sich seit dem 12. Lebensjahr aufgrund einer schweren, teils erythroderm verlaufenen Psoriasis vulgaris in unserer ambulanten Betreuung. Eine Psoriasis-Arthritis wurde im Verlauf ebenfalls diagnostiziert. Die Familienanamnese bez. Psoriasis war positiv. Neben der Patientin litt der Bruder, der Vater sowie ein Onkel, die Großmutter und eine Großtante väterlicherseits an Psoriasis. Bisher erfolgten multiple Systemtherapien (Ciclosporin A, Neotigason, Infliximab, MTX, Etanercept, Adalimumab, Efalizumab) und Kombinationstherapien (MTX mit Etanercept, Infliximab oder Adalimumab), die jedoch aufgrund von Nebenwirkungen oder Wirkungslosigkeit abgesetzt werden mussten. Während einer von der Patientin im 28. Lebensjahr durchgeführten Therapiepause kam es binnen weniger Wochen zu einem schweren Rezidiv mit einem PASI von 32 und generalisierter Aktivierung der Arthritiden v. a. im linken Knie- und Sprunggelenk, sodass eine akute stationäre Therapie erfolgen musste. Zuletzt konnte seit 2013 trotz der hohen Krankheitsaktivität unter Ustekinumab 45 mg im 3-Monats-Intervall ein guter Hautbefund und ein Rückgang der Arthritisaktivität erzielt werden. Im April 2018 erfolgte die stationäre Aufnahme der Patientin bei erneutem Krankheitsschub, nachdem Ustekinumab bei nachgewiesener Frühschwangerschaft pausiert wurde. Die letzte Ustekinumab-Injektion erfolgte im November 2017.


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Aufnahmebefund

Bei der Untersuchung des gesamten Integuments, einschließlich der einsehbaren Schleimhäute, zeigten sich multiple nummuläre, teils großflächig konfluierende, deutlich infiltrierte, erythemato-squamöse Plaques mit zentraler Abblassung an den Armen, Beinen ([Abb. 1] und [Abb. 2]) sowie am Rumpf. Vereinzelte Plaques wiesen im Randbereich kleinste Pusteln auf. Zusätzlich zeigten sich Areale mit postinflammatorischer Hyperpigmentierung. Das Kapillitium war ebenso betroffen. Der PASI (Psoriasis Area and Severity Index) betrug 25,1. Der DLQI (Dermatology Life Quality Index) lag bei 17 von 30. Arthritische Beschwerden lagen nicht vor.

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Abb. 1 Aufnahmebefund der Beine, frontal.
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Abb. 2 Aufnahmebefund der Beine, dorsal.

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Diagnostik

Das Aufnahmelabor (insbesondere Entzündungsparameter und Differenzial-Blutbild) gestaltete sich unauffällig. In der gynäkologischen Untersuchung zeigte sich ein zeitgerecht entwickelter Fetus mit sonografisch unauffälliger Anatomie.


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Therapie

Wir leiteten eine intensivierte Lokaltherapie bestehend aus einem Klasse II-Steroid (Dermatop® 2,5 % Salbe) für den Körper und einem Betamethason-haltigem Schaum für die Kopfhaut sowie einer Olivenöl-Kappe zur Nacht ein. Zur antipruriginösen Therapie verordneten wir Loratadin. Neben einer Fototherapie mit UVB 311 nm begannen wir aufgrund der bekannt hohen Krankheitsaktivität eine Systemtherapie mit Certolizumab pegol subkutan. Hierunter zeigte sich eine stetige Befundbesserung mit Rückgang der Juckreizsymptomatik.


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Verlauf

Die Lichttherapie wurde mit insgesamt 44 Behandlungen bis zu einer Gesamtdosis von 34,18 J/cm2 ambulant fortgeführt. Certolizumab pegol wurde laut Fachinformation im 2-Wochen-Rhythmus mit 400 mg (Woche 0, 2 und 4), gefolgt von 200 mg subkutan angewandt. Im Juli 2018 zeigte sich der Hautbefund nahezu abgeheilt ([Abb. 3]). Im September 2018 folgte jedoch ein erneuter Schub (PASI 24,8), weshalb die UVB 311 nm-Therapie wieder begonnen wurde und eine Dosissteigerung von Certolizumab pegol auf 400 mg alle 14 Tage erfolgte. Unter dieser Therapie konnte eine Reduktion der Krankheitsaktivität und eine Stabilisierung des Hautbefundes bis zur Entbindung eines gesunden Mädchens in der 40. Schwangerschaftswoche erreicht werden.

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Abb. 3 Verlaufsbefund der Beine, frontal.

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Diskussion

Bei Certolizumab pegol handelt es sich um ein pegyliertes Fab-Fragment eines rekombinanten, humanisierten, monoklonalen anti-TNF-α-Antikörpers. Der Arzneistoff wurde ursprünglich für den M. Crohn und die Rheumatoide Arthritis zugelassen. Seither gab es zusätzliche Indikations- und Zulassungserweiterungen, neben der Psoriasis-Arthritis zuletzt im Sommer 2018 für die Therapie der mittelschweren bis schweren Psoriasis vulgaris. Es weist aufgrund seiner Fc-Fragment-Freiheit keinen bis minimalen Plazentatransfer auf [2], was eine vernachlässigbare fetale Exposition in uteri im dritten Trimester nahelegt, und kann daher laut Fachinformation bei „klinischer Notwendigkeit“ in der Schwangerschaft angewendet werden [3]. Zusätzlich geht Certolizumab pegol nicht oder nur geringfügig in die Muttermilch über [4] und kann „während der Stillzeit angewendet werden“ [3]. Der Hersteller empfiehlt aus Vorsichtsgründen, dass in der zweiten Schwangerschaftshälfte exponierte Kinder nicht früher als 5 Monate nach der letzten intrauterinen Certolizumab pegol-Gabe mit einem Lebendimpfstoff geimpft werden sollten [8]. Loratadin kann laut Embryotox in allen Phasen der Schwangerschaft eingenommen werden und stellt das heute am besten untersuchte Antihistaminikum dar [9].

Die Vorgeschichte unserer Patientin veranschaulicht sehr gut, wie therapieaufwendig schwere Verläufe der Psoriasis sind. Aufgrund von Nebenwirkungen oder fehlender Effektivität sind häufig ein Präparatwechsel und eine Therapieanpassung notwendig, erfreulicherweise steht mittlerweile eine große Anzahl an möglichen hoch effektiven Systemtherapien zur Verfügung. In der Schwangerschaft sind viele Pharmaka jedoch nicht zugelassen, bzw. fehlen evidenzbasierte Daten. Oftmals stützt sich eine Therapieentscheidung auf Fallserien und Einzelfallberichte [5]. Eine adäquate Therapie der Psoriasis in der Schwangerschaft ist aber nicht nur aufgrund der störenden Hautveränderungen und der verminderten Lebensqualität notwendig. Eine dänisch-schwedische Kohorten-Studie zeigte 2018, dass schwere Psoriasis während der Schwangerschaft zu signifikanten Veränderungen führt: Auftreten von moderaten Frühgeburten (32. – 36. Woche) und geringem Geburtsgewicht sowie Präeklampsie und Schwangerschaftsbluthochdruck bei den Müttern [6]. Eine Krankheitskontrolle vor, während und nach der Schwangerschaft ist für die Gesundheit von Mutter und Säugling von immenser Bedeutung [7]. Certolizumab pegol scheint hier eine gute und zuverlässige Behandlungsoption darzustellen.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Gladman DD, Antoni C, Mease P. et al. Psoriatic arthritis: epidemiology, clinical features, course, and outcome. Ann Rheum Dis 2005; 64 (Suppl. 02) ii14-17
  • 2 Mariette X, Förger F, Abraham B. et al. Lack of placental transfer of certolizumab pegol during pregnancy: results from CRIB, a prospective, postmarketing, pharmacokinetic study. Ann Rheum Dis 2018; 77: 228-233
  • 3 Fachinformation Certolizumab Pegol. Stand Juli 2018
  • 4 Clowse EB, Förger F, Hwang C. et al. Minimal to no transfer of Certolizumab Pegol into breast milk: results from CRADLE: a prospective, postmarketing, multicentre, pharmacokinetic study. Ann Rheum Dis 2017; 76: 1890-1896
  • 5 Kaushik S, Lebwohl M. Psoriasis: Which therapy for which patient. J Am Acad Dermatol 2019; 80: 43-53
  • 6 Bröms G, Haerskjold A, Granath F. et al. Effect of Maternal Psoriasis on Pregnancy and Birth Outcomes: A Population-based Cohort Study from Denmark and Sweden. Acta Derm Venerol 2018; 98: 728-734
  • 7 Porter ML, Lockwood SJ, Kimball AB. Update on biologic safety for patients with psoriasis during pregnancy. Int J Women’s Dermatol 2017; 3: 21-25
  • 8 Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie Charité Berlin. Empfehlung für das Arzneimittel Certolizumab pegol. (Stand März 2017). Im Internet: www.embryotox.de/arzneimittel/details/certolizumab-pegol/ ; Stand: 26. 03. 2019
  • 9 Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie Charité Berlin. Empfehlung für das Arzneimittel Loratadin. (Stand März 2017). Im Internet: www.embryotox.de/arzneimittel/details/loratadin/ ; Stand: 26. 03. 2019

Korrespondenzadresse

Katja Berndt
Klinik und Poliklinik für Dermatologie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Fetscherstr. 72
01307 Dresden

  • Literatur

  • 1 Gladman DD, Antoni C, Mease P. et al. Psoriatic arthritis: epidemiology, clinical features, course, and outcome. Ann Rheum Dis 2005; 64 (Suppl. 02) ii14-17
  • 2 Mariette X, Förger F, Abraham B. et al. Lack of placental transfer of certolizumab pegol during pregnancy: results from CRIB, a prospective, postmarketing, pharmacokinetic study. Ann Rheum Dis 2018; 77: 228-233
  • 3 Fachinformation Certolizumab Pegol. Stand Juli 2018
  • 4 Clowse EB, Förger F, Hwang C. et al. Minimal to no transfer of Certolizumab Pegol into breast milk: results from CRADLE: a prospective, postmarketing, multicentre, pharmacokinetic study. Ann Rheum Dis 2017; 76: 1890-1896
  • 5 Kaushik S, Lebwohl M. Psoriasis: Which therapy for which patient. J Am Acad Dermatol 2019; 80: 43-53
  • 6 Bröms G, Haerskjold A, Granath F. et al. Effect of Maternal Psoriasis on Pregnancy and Birth Outcomes: A Population-based Cohort Study from Denmark and Sweden. Acta Derm Venerol 2018; 98: 728-734
  • 7 Porter ML, Lockwood SJ, Kimball AB. Update on biologic safety for patients with psoriasis during pregnancy. Int J Women’s Dermatol 2017; 3: 21-25
  • 8 Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie Charité Berlin. Empfehlung für das Arzneimittel Certolizumab pegol. (Stand März 2017). Im Internet: www.embryotox.de/arzneimittel/details/certolizumab-pegol/ ; Stand: 26. 03. 2019
  • 9 Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie Charité Berlin. Empfehlung für das Arzneimittel Loratadin. (Stand März 2017). Im Internet: www.embryotox.de/arzneimittel/details/loratadin/ ; Stand: 26. 03. 2019

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Abb. 1 Aufnahmebefund der Beine, frontal.
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Abb. 2 Aufnahmebefund der Beine, dorsal.
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Abb. 3 Verlaufsbefund der Beine, frontal.