Anamnese
Ein 23-jähriger Patient mit bekannter allergischer Rhinokonjunktivitis, allergischem Asthma bronchiale, atopischem Ekzem und einem birkenpollenassoziierten oralen Allergiesyndrom auf Kernobst und Nüsse berichtet über mehrfache anaphylaktische Reaktionen nach dem Verzehr von Fetakäse (erstmalig vor 5 Jahren) und Pecorino (einmalig vor 1,5 Jahren) in Form von Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Atemnot und Tetanie der Hände nach 15 – 30 Minuten. Kuhmilch und Kuhmilchprodukte werden sonst problemlos vertragen und regelmäßig verzehrt.
Pricktest
Im Pricktest zeigten sich zunächst die bekannten Sensibilisierungen auf Aeroallergene ([Tab. 1 a]). Bei der Testung von Milchkomponenten und Molkereiprodukten (nativ) fiel ein differenziertes Sensibilisierungsmuster auf ([Tab. 1 b], [Abb. 1]).
Tab. 1 a
Allergologische Diagnostik – Pricktest Aeroallergene.
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Quaddel/Erythem (mm)
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Quaddel/Erythem (mm)
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Hasel
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15/35
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Kräuter
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0/0
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Erle
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25/40
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Beifuss
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0/0
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Birke
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16/35
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Ambrosia
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0/0
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Gräser
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10/30
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Cladosporium
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0/0
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Esche
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17/50
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Alternaria tenuis
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10/30
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Tab. 1 b
Allergologische Diagnostik – Pricktest Milchkomponenten und Molkereiprodukte.
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Quaddel/Erythem (mm)
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Quaddel/Erythem (mm)
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Schafskäse Feta
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12/25
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Kuhmilch
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0/0
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Pecorino Romano
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5/30
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Rohmilch
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0/0
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Kasein (Ziege)
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20/50
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Kasein (Kuh)
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0/0
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Ziegenmilch
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30/65
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α-Lactalbumin
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0/0
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Parmesankäse
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4/15
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β-Lactoglobulin
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0/0
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Grana Padano
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0/0
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Bergkäse
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0/0
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Reibekäse
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0/0
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Abb. 1 Pricktest mit Milchkomponenten und Molkereiprodukten.
Allergologisches Labor
Gesamt IgE: 1159 IU/ml
Spezifische IgE-Antikörper (Thermo Fisher CAP FEIA):
Tryptase: 2,27 µg/l
Basophiler Aktivierungstest: deutliche Aktivierung der basophilen Granulozyten auf Ziegenmilch und Kuhmilch, jedoch eingeschränkte Aussagekraft aufgrund eines hohen Leerwerts.
Orale Provokation
Tag 1) Kumulativ 30 Gramm Kuhmilchkäse und 100 Milliliter Kuhmilch wurden vertragen.
Tag 2) Kumulativ 30 Gramm Rohmilchkäse und 100 Milliliter Rohmilch wurden vertragen.
Verlauf
Es erfolgte eine allergologische Ernährungsberatung mit der Empfehlung Ziegen- und Schafsmilch sowie Produkte aus Ziegen- und Schafsmilch konsequent zu meiden. Ein Notfallset bestehend aus einem Kortikosteroid, einem Antihistaminikum und einem Adrenalinautoinjektor wurde verordnet. Im Anschluss erfolgten keine weiteren anaphylaktischen Episoden.
Diskussion
Aufgrund der Anamnese, der positiven Pricktestergebnisse mit den angeschuldigten Käsesorten, Ziegenmilchkasein und Ziegenmilch und aufgrund des Nachweises von korrespondierenden spezifischen IgE-Antikörpern gegen Ziegenmilch und Schafsmilch bei gleichzeitig unauffälligen Testergebnissen von Kuhmilch und Kuhmilchkäse diagnostizierten wir eine isolierte Schafs- und Ziegenmilchallergie. Ein basophiler Aktivierungstest zeigte eine deutliche Aktivierung der basophilen Granulozyten auf Ziegenmilch und Kuhmilch, war jedoch aufgrund eines sehr hohen Leerwerts nicht valide. Wegen der grenzwertigen Pricktestergebnisse von Parmesankäse mit Anteilen aus Rohmilch erfolgte zudem eine orale Provokationstestung sowohl mit Kuhmilch und Kuhmilchkäse als auch mit Rohmilch (Kuh) und Rohmilchkäse, die eine relevante Allergie ausschloss. Die orale Provokation von Ziegen- und Schafsmilch war aufgrund der klaren Anamnese und Befundlage nicht indiziert. Wir empfahlen dem Patienten Schafsmilch und Ziegenmilch sowie Schafsmilchprodukte und Ziegenmilchprodukte zu meiden. Da vermutlich eine Allergie gegen die hitzestabile Kaseinfraktion vorliegt, sind dabei auch erhitzte Produkte zu vermeiden.
Eine Allergie gegen Kuhmilch ist im Kindesalter sehr häufig und betrifft 2 – 3 %. Die Therapie dieser Milchallergie besteht in der konsequenten Meidung von roher Kuhmilch und je nach Provokationsbefund von Kuhmilchprodukten [1]. Im Laufe des Heranwachsens geht die Kuhmilchallergie in 98 % der betroffenen Kinder zurück [2]
[3]
[4]. Majorallergene sind Molkeproteine (α-Lactalbumin, β-Lactoglobulin) und Kaseine (αs1-Kasein, αs2-Kasein, β-Kasein, κ-Kasein), daneben sind Sensibilisierungen gegen Bovines Serum-Albumin, Lactoferrin und Immunglobuline beschrieben [5].
Da mit bis zu 96 % Übereinstimmung in der Zusammensetzung eine hohe Strukturhomologie der Molkeproteine und Kaseine von Kuhmilch, Ziegenmilch und Schafsmilch besteht ([Tab. 2]), werden Ziegen- und Schafsmilch von Kuhmilchallergikern ebenfalls nicht vertragen. Eine isolierte Allergie gegen Schafs- und Ziegenmilch bei gleichzeitiger Toleranz von Kuhmilch ist selten und wurde bisher nur in wenigen Fällen beschrieben [5].
Tab. 2
Homologie der Milch von Säugetieren. Übereinstimmung in Prozent [5].
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Kuh vs. Ziege
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Kuh vs. Schaf
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α-Lactalbumin
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96
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96
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β-Lactoglobulin
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95
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94
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Kasein αs1
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87
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89
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Kasein αs2
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88
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89
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Kasein β
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90
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90
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Kasein κ
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85
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84
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