Phlebologie 2019; 48(03): 144-146
DOI: 10.1055/a-0889-5204
Aktuelles
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Abrechnung Liposuktion

Karsten Hartmann
Venenzentrum Freiburg, Email: info@venenzentrum-freiburg.de
,
Thomas M. Proebstle
Hautklinik, Universitätsmedizin Mainz, Email: tom.proebstle@gmail.com
,
Stefan Rapprich
Hautmedizin Bad Soden, Email: s.rapprich@hautmedizin-badsoden.de
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Publication History

Publication Date:
27 May 2019 (online)

 

    Immer wieder gibt es Probleme bei der der Abrechnung von Liposuktionen, die in medizinischer Indikation, z. B. beim Lipödem, durchgeführt werden. Da der Eingriff im GKV-Leistungskatalog nicht enthalten ist, muss in allen Fällen eine Abrechnung nach der GOÄ erfolgen. Bedauerlicherweise ist die Liquidation der Liposuktion explizit weder in der GOÄ1996 abgebildet, noch gibt es hierzu eine Stellungnahme der Bundesärztekammer.


    #

    Problematisch ist in diesem Zusammenhang der publizierte Vorschlag einer Abrechnungsmodalität, der mangels Alternativen bereits von Gerichten als Basis
    für deren Entscheidung herangezogen
    wird (Gorlas, Dtsch Arztebl 2014; 111(12): A-521/B-449/C-429). Im Wesentlichen behauptet Gorlas, dass die Liposuktion einer gesamten Extremität mit dem einmaligen Ansatz der Ziffer 2454 abgegolten ist. Begründet wird dies damit, dass die Entfernung von Fettgewebe per Liposuktion mit der Ziffer 2454 vollumfänglich abgebildet würde und daher eine analoge Abrechnung der Liposuktion ausscheide. Außerdem könne diese Ziffer nicht mehrfach je Extremität angesetzt werden, weil dies der Logik der GOÄ widerspreche. Diese Aussage ist nicht haltbar und ein Mehrfachansatz dieser Ziffer entspricht durchaus der Logik der GOÄ, wie sich leicht aus den allgemeinen Hinweisen zur Ultraschalldiagnostik ablesen lässt. Dort steht:

    „Als Organe im Sinne der Leistungen nach den Nummern 410 und 420 gelten neben den anatomisch definierten Organen auch der Darm, Gelenke als Funktionseinheiten sowie Muskelgruppen, Lymphknoten und/oder Gefäße einer Körperregion.“ (GOÄ Kapitel C VI. Ziffer 6 S. 1). Als eine Körperregion ist danach der Teil des Körpers definiert, welcher notfalls auch als eigener Körperabschnitt seine Funktion wahrnehmen kann. Bezüglich der unteren Extremitäten gilt als jeweils eigene Körperregion seitengetrennt definiert:

    • die Leisten-Becken-Region

    • der Oberschenkel bzw. die Oberschenkelmuskulatur

    • das Kniegelenk

    • der separate Unterschenkel

    Ein derart umfassender Abrechnungsvorschlag bzw. eine Abrechnungsverhinderung wie von Gorlas im Dtsch Ärztbl 2014 mit der alleinigen und einmaligen Abrechnung der Ziffer 2454 für die Liposuktion einer gesamten Extremität muss aus folgenden Gründen abgelehnt werden:

    1. Der Wortlaut der Ziffer 2454, „Entfernung von überstehendem Fettgewebe an einer Extremität“ wird dem Eingriff einer Liposuktion am gesamten Bein nicht gerecht. Bei der Liposuktion wird eben nicht allein überstehendes Fettgewebe entfernt, sondern, die gesamte Oberfläche des Beines betreffend, auch nicht-überstehendes, erkranktes Lipödem-Fettgewebe abgesaugt. Eine Ziffer in der GOÄ, die diese umfängliche Behandlung abbildet, existiert nicht.

    2. Über den einmaligen Ansatz der Ziffer 2454 wird der Aufwand einer Liposuktion nicht annähernd abgebildet.

    3. Daher kommt hier die analoge Abrechnung nach den Regeln der § 6 Abs. 2 GOÄ, zum Tragen. Nach § 6, Abs. 2 GOÄ können selbständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind entsprechend nach einer Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Vergleicht man etwa die Exzision eines Lipoms (Ziffer 2454) mit der Liposuktion der gesamten Oberfläche eines Oberschenkels, so ist sofort klar, dass es sich um einen Eingriff handelt, der mit der chirurgischen Ziffer 2454 so nicht vergleichbar ist. Allein deshalb schon ist der Ansatz der Ziffer 2454 im Wortlaut der GOÄ für diesen extrem umfangreichen Eingriff falsch.

    Ziffer

    Begründung

    Ziffer 478 A

    Tumeszenzlokalanästhesie großer Areale, erhöhte Schwierigkeiten bei großer Volumenmenge bis 9Liter, pro Areal

    Ziffer 2452 A

    Liposuktion einer großen Fettschürze, erhöhte Schwierigkeit durch lange OP-Zeit, pro Areal

    Ziffer 2453 A

    Lymphschonende Liposuktion großer Areale mit vibrierenden Kanülen je Extremität, erhöhte Schwierigkeit durch lange OP-Zeit

    Ziffer 441 A

    Vorhalten einer Absaugpumpe und motorbetriebenem Vibrationshandstück

    Ggf. Ziffer 2886 A

    Hautstraffung mittels Laser, RF oder Heliumplasma, je Extremität

    Die Arbeitsgemeinschaft „Liposuktion“ des Berufsverbandes der Phlebologen (BVP) gibt eine klare Empfehlung zur Abrechnung der Liposuktion. Um den Aufwand der Liposuktion (hinsichtlich der Schwierigkeit als auch zeitlich) korrekt darzustellen, wurden Areale definiert, die großen Lipomen entsprechen. Somit kann durch mehrfachen Ansatz der Ziffer 2452 A die operative Leistung der Liposuktion korrekt wiedergeben werden. In der Liquidation müssen einerseits die zeitaufwändige, gewebeschonende Tumeszenz-Lokalanästhesie, deren Verabreichung bis zu einer Stunde Zeitaufwand erfordern kann und andererseits deren zusätzliche Einwirkzeit von weiteren rund 30 Minuten OP-Raum und Personal-Ressourcen bindet. Die lymphbahnschonende Absaugung selbst unter Nutzung von besonders dünnen Absaugkanülen zieht einen weiteren zusätzlich erhöhten Zeitaufwand während der Absaugung selbst nach sich. Ein erhöhter technischer Aufwand durch Einsatz vibrierender Kanülen oder beispielsweise der Wasserstrahl-Liposuktion muss zusätzlich in der Liquidation abgebildet werden mit der Ziffer 2453A.

    Zusätzliche, interstitiell angewendete hautstraffende Maßnahmen, die in ausgewählten Fällen nach Abschluss der Liposuktion z. B. an der Oberschenkelinnenseite, als separater Anschluss-Eingriff zum Einsatz kommen, müssen zusätzlich abgerechnet werden. Hierzu gehören die interstitielle Laserstraffung, interstitielle Radiofrequenz (RF)-Anwendungen und neuerdings auch die interstitielle Straffung mittels Heliumplasma. Hier empfiehlt die „Arbeitsgemeinschaft Liposuktion“ der Ansatz der Ziffer 2886 A mindestens einmal je Extremität zuzüglich der Materialkosten

    Im Einzelnen empfiehlt die Arbeitsgemeinschaft „Liposuktion“ bei der Liposuktion folgende Ziffern; der Ansatz des Steigerungsfaktors erfolgt nach individuellen Gegebenheiten bis zum Höchstsatz (3,5fach):

    Die Aufteilung der Areale bei der Ziffer 2452 A erfolgt analog der Größe von großen Lipomen oder Fettschürzen:

    • A Gesicht: Areal 1 Wange re, Areal 2 Wange li, Areal 3 Kinn, Areal 4 Mandibula re, Areal 5 Mandibula li, Areal 6 Hals

    • B Arm (Oberarm (OA), Unterarm (UA): Areal 1 UA dorsal, Areal 2 UA palmar, Areal 3 + 4 OA dorsal (prox, dist), Areal 5 + 6 OA lateral (prox, dist), Areal 7 + 8 OA ventral (prox, dist) Areal 9 + 10 Axillarregion (ventral/dorsal)

    • C Brust: Brust in 4 Areale einteilen (inkl. des dorsalen Anteils und des ventralen Pectoralisanteils, d. h. 4 Areale pro Brust

    • D Bauch: Areal 1 Oberbauch re, Areal 2 Oberbauch li, Areal 3 Unterbauch re, Areal 4 Unterbauch li, Areal 5 Flanke re, Areal 6 Flanke li, 7 Areal Taille re, Areal 8 Taille li

    • E Oberschenkel (OS): Areal 1 + 2 OS medial (prox/dist), Areal 3 + 4 OS ventral, Areal 5 + 6 OS lateral, Areal 7 × 8 OS dorsal

    • F Unterschenkel (US): Areal 1 + 2 US medial (prox/dist), Areal 2 + 3 US lateral (prox/dist, Areal 4 + 5 US dorsal (prox/dist), Areal 7 + 8 US ventral (prox/dist)

    • G Glutealregion: gluteal re in 2 Areale einteilen, gluteal li in 2 Areale einteilen

    • H Hüfte: Areal 1 + 2 lateral proximal/distal, Areal 3 + 4 dorsal proximal (Übergang Taille)/distal und Areal 5 + 6 ventral proximal (Übergang Unterbauch)/distal

    Ziffer

    Text

    Betrag €

    Faktor

    OP-Bereich

    Areale/
    Extremität/Anzahl

    Betrag €

    1

    Beratung

    4,66

    2,3

    10,718

    7

    Untersuchung

    9,33

    2,3

    21,459

    491

    Infiltrationsanästhesie großer Areale zur Vorbereitung der Tumeszenz, Anzahl

    7,05

    2,3

    4

    64,86

    478 A

    Tumeszenzlokalanästhesie großer Areale,
    Zeit bis zu 60 min, erhöhte Schwierigkeiten
    bei großer Volumenmenge, je Areal

    13,41

    2,3

    z. B. OS gesamt, beide Beine

    4

    123,372

    2452 A

    Liposuktion einer großen Fettschürze, erhöhte Schwierigkeit durch lange OP-Zeit, je Areal

    81,6

    2,3

    z. B. OS medial + ventral + 
    dorsal + lateral, beide Beine

    16

    3002,88

    2453 A

    Lymphschonende Liposuktion großer Areale mit vibrierenden Kanülen, erhöhte Schwierigkeit durch lange OP-Zeit, je Extremität

    116,57

    2,3

    z. B. OS gesamt, beide Beine

    2

    536,222

    445

    Zuschlag ambulante Operation > 1200 Punkte

    128,23

    128,23

    602

    Puls-Oxy

    8,86

    2,3

    20,378

    448

    Postoperative Überwachung

    34,97

    34,97

    204

    Zirkulärer Verband mit Abpolsterung, großer Aufwand

    5,54

    2,3

    12,742

    252

    Injektion Niedermolekulares Heparin

    2,33

    1

    2,33

    441 A

    Vorhalten einer Absaugpumpe

    67,49

    67,49

    Ggf. 2886 A

    Lipo-Laser (RF, Heliumplasma) zur Hautstraffung

    161,46

    2,3

    0

    0

    OP-Pack + Verbandmaterial + Absaugkanülen (+ ggf. z. B. Lasersondenkosten)

    201,81

    201,81

    Gesamt

    4227,46

    Die Ziffer 478 A beinhaltet die Tumeszenzlokalanästhesie und wird ebenfalls in Areale unterteilt:

    • Extremität: jeweils pro US, OS, UA OA 2 Areale: Zirkumferenz hälftig (medial, lateral). Für eine gesamte Extremität also 4 Areale.

    • Bauch: 4 Areale

    • Glutealregion: 2 Areale

    • Brust: 2 Areale

    • Gesicht: 1 Areal

    An einer Beispielabrechnung soll aufgezeigt werden, welche Unterschiede sich aus der Anwendung der Empfehlungen des BVP gegenüber der Abrechnung nach den Empfehlungen DÄB 2014 – GOÄ Ratgeber ergeben. Das Beispiel zeigt die gleichzeitige Liposuction an beiden kompletten Oberschenkeln:

    Die Abrechnung nach dem DÄB ließe nur den Ansatz der 2452 einmal je Extremität zu. Alle anderen Positionen blieben unverändert! Die Gesamtrechnung beliefe sich dann auf 922,55 € und bildet damit weder den technischen Aufwand, noch den Zeitaufwand und die Schwierigkeit des Eingriffes ab.


    #

    Interessenkonflikt

    Die Autoren übernehmen keine Haftung für Abrechnungen nach dieser Empfehlung.