Aktuelle Dermatologie 2019; 45(05): 202
DOI: 10.1055/a-0890-9577
Derma-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erdnussallergie: Erste Erfolge einer Desensibilisierung

PALISADE Group of Clinical Investigators. et al.
AR101 Oral Immunotherapy for Peanut Allergy.

N Engl J Med 2018;
DOI: 10.1056/NEJMoa1812856.
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Publication History

Publication Date:
16 May 2019 (online)

 

Kinder und Jugendliche mit Erdnussallergie stellen insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika eine besondere Risikogruppe dar, bei ihnen zählt eine anaphylaktische Reaktion zu den häufigsten Todesursachen. Nachdem sich in Phase-I und Phase-II-Studien erste Erfolge einer Immuntherapie mit dem Agens AR101 zeigten, hat die PALISADE-Forschungsgruppe nun eine entsprechende Phase-III-Studie durchgeführt.


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In dieser klinischen, multizentrischen, doppelblinden, kontrollierten und randomisierten Phase-III-Studie wollten die Forscher der sogenannten PALISADE-Gruppe vor allem die Wirksamkeit und Sicherheit des Wirkstoffes mit der Bezeichnung AR101 testen. AR101 ähnelt dabei von der Struktur her dem für allergische Reaktionen verantwortlichen Erdnussprotein und kann oral eingenommen werden.

Da in Amerika immer noch sehr viele Kinder und Jugendliche an einer anaphylaktischen Reaktion auf Erdnüsse versterben, setzen die Forscher große Hoffnung auf die Entwicklung einer Desensibilisierung. Geeignete Patienten erfüllten die folgenden Einschlusskriterien:

  • Alter zwischen 4 und 55 Jahren

  • nachgewiesene Erdnussallergie

  • Erdnuss-spezifische IgE im Serum von mindestens 0,35 Allergen-spezifischen Einheiten

  • nachgewiesene allergische Reaktion im Pricktest

Nach dem Screening wurde jeder Proband im Verhältnis 3 zu 1 einer von 2 Studiengruppen zugeteilt:

  • Interventionsgruppe (IG): stufenweise Desensibilisierung mit AR101 als oral einzunehmendes Granulat in Dosierungen von 0,5, 1, 10, 20 oder 100 mg bis hin zur vollen Erhaltungsdosis von 300 mg über insgesamt 24 Wochen.

  • Kontrollgruppe (KG): gleiche Intervention wie bei der IG, nur mit einem Placebo-Präparat anstelle von AR101.

Um eine Baseline zu haben, unterzogen die Forscher jeden Probanden vor der Intervention einem Essversuch mit Erdnussprotein, registrierten die tolerierte Menge sowie sämtliche allergische Symptome der Intoleranz. Genau dieser Versuch wurde im Anschluss an die Studie wiederholt.

Als primären Endpunkt definierten die Forscher die Anzahl von Probanden im Alter zwischen 4 und 17 Jahren, die eine Einmaldosis von mind. 600 mg Erdnussprotein ohne Dosis-limitierende Symptome beim finalen Essversuch aufnehmen konnten. Sicherheitsendpunkte waren alle Formen von Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten im Rahmen der Intervention. Zu den sekundären klinischen Endpunkten zählte der Anteil von Teilnehmern, die Dosierung von 300 mg und 1000 mg im Essversuch tolerieren konnten, sowie die Häufigkeit des Einsatzes von Epinephrin zur Behandlung von allergischen Symptomen, Veränderungen in der Konzentration des Erdnuss-spezifischen IgE und IgG4 im Serum und Veränderungen der allergischen Hautreaktion im Pricktest.

Wirksam bei Kindern und Jugendlichen

555 Probanden erfüllten die Einschlusskriterien, 499 von ihnen waren zwischen 4 und 17 Jahre alt, 551 Probanden erhielten schließlich mindestens eine Dosis von AR101 oder Placebo. In Hinblick auf ihre klinischen Charakteristika waren die Teilnehmer aus beiden Studiengruppen vergleichbar, in beiden Gruppen kam es während der Intervention häufig zu leichten Nebenwirkungen.

250 der 372 Probanden der Interventionsgruppe im Alter zwischen 4 und 17 Jahren waren nach der Desensibilisierung in der Lage, eine einfache Dosis von 600 mg Erdnussprotein einzunehmen (67,2 %). In der Kontrollgruppe tolerierten lediglich 4 %, also 5 von 124 Probanden, diese Menge an Erdnussprotein. Der Gruppenunterschied wurde statistisch signifikant.

Das Maximum der Symptomschwere war bei Probanden der Interventionsgruppe beim Essversuch deutlich milder ausgeprägt als bei den Probanden der Kontrollgruppe. IG-Probanden zeigten nach der Desensibilisierung mit AR101 niedrigere Level von IgE und IgG4 und eine schwächere allergische Reaktion im Pricktest. Die Forscher machten jedoch sowohl im Ergebnisteil als auch in ihrem Fazit deutlich, dass diese Ergebnisse primär für die Gruppe von Kindern und Jugendlichen zwischen 4 und 17 Jahren zutrafen. Bei Erwachsenen konnten vergleichbare Erfolge durch AR101 in dieser Phase-III-Studie leider nicht erzielt werden.

Fazit

In dieser Phase-III-Studie konnte eine stufenweise Desensibilisierung mit dem Erdnussprotein-haltigen Agens AR101 die Toleranz gegenüber dem Allergen bei einem „Essversuch“ deutlich erhöhen. Da dabei auch sämtliche allergische Reaktionen im Vergleich zur Placebogruppe deutlich milder ausfielen, halten die Autorinnen/Autoren ihre Ergebnisse für einen großen Erfolg in Richtung Prävention von durch Erdnussallergie-bedingten Todesfällen bei Kindern und Jugendlichen.

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Prävention Erdnussallergie-bedingter Todesfälle bei Kindern und Jugendlichen? Forscher untersuchten in einer Phase-III-Studie die stufenweise Desensibilisierung mit dem Erdnussprotein-haltigen Agens AR101. (Symbolbild; Bildnachweis: radub85/Adobe Stock)

Dipl.-Psych. Annika Simon, Hannover


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Prävention Erdnussallergie-bedingter Todesfälle bei Kindern und Jugendlichen? Forscher untersuchten in einer Phase-III-Studie die stufenweise Desensibilisierung mit dem Erdnussprotein-haltigen Agens AR101. (Symbolbild; Bildnachweis: radub85/Adobe Stock)