Die Etablierung einer eigenständigen klinischen Dermatologie an der zweitältesten deutschen Universität, Leipzig, erfolgte im Vergleich zu den Universitäten in Österreich in Deutschland (Berlin, Breslau, München, Würzburg) relativ spät. Sie begann erst 1896, als der am Wiedener Krankenhaus in Wien tätige Primararzt, Gustav Riehl, am 1. April als außerordentlicher Honorarprofessor für Syphilis und Hautkrankheiten an die Medizinische Fakultät der Universität Leipzig berufen wurde und damit auch die Funktion des Oberarztes der selbständigen Abteilung für Syphilitiker und Hautkranke am Klinikum St. Jacob übertragen bekam. Bei seiner Amtsübernahme wurden diese Patienten in den chirurgischen bzw. internistischen Kliniken des Krankenhauses St. Jacob in insgesamt 168 Betten (131 für Geschlechtskranke und 37 für Hautkranke) behandelt [1]. Riehl übernahm am 2. Mai seine klinischen Aufgaben. Am 15. 07. 1896 wies man ihm weitere Räume in der ersten Etage des Haupthauses in der Liebigstraße (frühere Triersche Chirurgische Klinik) zu, die als Hörsaal, Poliklinik, Wartesaal und Laboratorium genutzt wurden. Außerdem genehmigte man ihm 2 Assistentenstellen. Damit war die Dermatovenerologie als eigenständiges Fachgebiet auch an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig etabliert und hatte neben der klinischen Einrichtung auch ihren fachspezifischen Lehr- und Forschungsbereich. In den vorhergehenden Jahrzehnten waren Vorlesungen über dermatovenerologische Erkrankungen von interessierten internistisch oder chirurgisch tätigen Ärzten gehalten worden, unter denen der von 1880 – 1982 in Leipzig wirkende und hier habilitierte Albert Neisser und der 10 Jahre in Leipzig agierende, spätere Direktor der Hautklinik der Charité, Edmund Lesser, die berühmtesten waren.
Riehl verstand es in den 6 Jahren seiner Tätigkeit in Leipzig, das Profil des Fachgebietes im akademischen Umfeld zu schärfen und dessen klinische Bedeutung zu mehren. In zugewonnenen weiteren Räumlichkeiten konnte er ein breites Leistungsspektrum in Lehre und Forschung offerieren. Seine erfolgreiche Pionierarbeit in Leipzig bereitete den Boden dafür, dass er 1902 als Nachfolger Kaposis auf den Lehrstuhl des Faches an der traditionsreichen Wiener Universität berufen wurde. Der Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig lud anlässlich seines Ausscheidens zu einer Abschiedsfeier ein, die „dem geistvollen eleganten Wiener Riehl die Wertschätzung und Verehrung bezeigen sollte, die er sich während seines Wirkens in Leipzig erworben hatte“ [1].
Die von Riehl geschaffenen Arbeitsbedingungen bewirkten auch, dass der damalige Vorstand der Innsbrucker Universitätshautklinik, Johann Heinrich Rille, 1902 den Ruf nach Leipzig annahm, wo er zum außerordentlichen Professor ernannt wurde. Hier arbeitete Rille ununterbrochen bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1933, dabei wiederholt betonend, wie sehr ihm die Arbeitsbedingungen in Leipzig zusagten. Immerhin lehnte er in seinen Leipziger Anfangsjahren mehrfach die Berufung an andere renommierte Universitäten (Wien, Prag, Graz) ab [2]. Unter Rilles Leitung blühten Lehre und Forschung des Fachgebietes weiter auf und auch die klinischen Leistungen wuchsen stetig. Bereits 1908 verfügte die Klinik über 208 Betten, die im Notfall auf 243 aufgestockt werden konnten. In den folgenden Jahren erhöhten sich die Bedarfszahlen weiter, sodass sogar Außenstellen in anderen Leipziger Stadtbereichen genutzt werden mussten. Deshalb bemühte sich Rille 2012 um den Neubau einer Klinik, der allerdings trotz fortgeschrittener Planungen dem Ausbruch des 1. Weltkrieges zum Opfer fiel [3].
Der Bettenbedarf während des Krieges und in den Nachkriegsjahren erhöhte sich v. a. durch die steigende Zahl Geschlechtskranker (einschließlich Skabies) dramatisch. 1918 verfügte Rille in seinem Klinikbereich über 380 Betten. Seine Reputation und die des Fachgebietes waren bei den anderen klinischen Fachkollegen enorm gestiegen. Dies führte schließlich zur längst fälligen Verleihung einer ordentlichen Professur für Syphilis und Hautkrankheiten an Johann Heinrich Rille am 25. März 1919. Somit besteht der Lehrstuhl in Leipzig seit nunmehr 100 Jahren. Rille kommentierte das mit der Bemerkung, dass nunmehr „ein entscheidender Teil des Leidensweges der deutschen Dermatologie in Leipzig zurückgelegt wurde“ [1].
In den nachfolgenden Jahren wurde die Bettenknappheit in seiner Einrichtung so prekär, dass die Unterbringungsbedingungen sogar in den öffentlichen Medien angeprangert wurden. 1924 umfasste die Klinik insgesamt 397 Betten unter teilweise problematischen hygienischen Bedingungen.
Rille forcierte den Gedanken des Neubaus einer Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten. Eine Lösung in der damals schwierigen Wirtschaftslage zeichnete sich insofern ab, als 1929 die im sog. Trierschen Institut in der Stephanstraße untergebrachte Frauenheilkunde einen Neubau in der Philipp-Rosenthal-Straße erhielt und somit ihre Räumlichkeiten frei wurden.
Die Pläne für dieses Institut hatte der verdienstvolle Leipziger Architekt Arwed Rossbach erstellt, der in Leipzig auch andere Repräsentationsbauten wie das Universitätshauptgebäude und die Universitätsbibliothek entworfen hatte [4]. Sein ursprünglich hakenförmiger Bau wurde zu einem quadratischen Gebäudekomplex erweitert ([Abb. 1]). Dieser erfuhr eine besondere Ausstrahlung durch das aus rotem Porphyr errichtete Erdgeschoss und die mit gelbbraunen Verbundziegeln ausgestatteten Obergeschosse. Eindrucksvoll war das aus massiven Sandsteinsäulen bestehende Eingangsportal in der Stephanstraße mit seinen Kompositkapitellen ([Abb. 2]). Unter Leitung des damaligen Stadtbaurates Hubert Ritter wurde das vom Leipziger Hochbauamt getragene Umbauprojekt schließlich in den Jahren 1929 – 1931 verwirklicht [5]. Die Baukosten wurden mit 4 050 000 Reichsmark veranschlagt. Die Gesamtkapazität war auf die stattliche Zahl von 407 Betten und ein für damalige Verhältnisse großzügiges Interieur für Lehre, Forschung und medizinische Betreuung ausgelegt. Heinrich Rille und seine Mitarbeiter waren an der Umsetzung des Projektes stets ideell beteiligt. Ihr Einfluss wurde besonders deutlich an der Ausstattung des Hörsaales. Dieser war mit 3 parallelen Projektionsflächen ausgerüstet. Er wies erweiterte Sitzreihenabstände auf, damit die Patienten in den Lehrveranstaltungen jeweils vor den sitzenden Studenten vorbeigehen und von ihnen betrachtet werden konnten. Die Schreibtische waren seitlich an den Sitzen angebracht, um diese Demonstrationen nicht zu behindern. Bemerkenswert war, dass Heinrich Rille die Einrichtung einer großen Sonnenterrasse für Patienten auf Teilen des Anbaudaches erwirken konnte. Für Freiluftaktivitäten stand zudem ein großes Gartenareal zur Verfügung. Ein unterirdischer Gang, durch den auch liegende Patienten transportiert werden konnten, führte direkt vom angebauten Trakt in die auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindliche chirurgische Universitätsklinik. Rille durfte am 21. Februar 1931 mit Freude und Stolz seinen „Klinischen Palast“ [6] einweihen, der seinerzeit als „schönste und größte deutsche Hautklinik“ [7] galt.
Abb. 1 Luftaufnahme der Universitätshautklinik von 1930 (StadtAL) [rerif].
Abb. 2 Eingangsportal der 1931 fertiggestellten Hautklinik (SGML).
Leider wurden durch den Luftangriff auf Leipzig im Jahre 1943 auch Teile dieser Einrichtung zerstört. Das Dachgeschoss der voll belegten Klinik brannte völlig aus, eine Gebäudeecke stürzte ein und nur durch den heroischen Einsatz der Mitarbeiter, insbesondere der Schwestern, die die Patienten rechtzeitig in die Kellerräume verlegt hatten, waren keine Menschenleben zu beklagen [8]. Reparaturleistungen noch während des Krieges und in der Nachkriegszeit führten zu einer völligen Wiederherstellung der Klinikstrukturen und -funktionen einschließlich der Labore, die in den folgenden Jahrzehnten ständig modernisiert wurden. Das betrifft auch die Etablierung der Andrologie in den 60er-Jahren mit einem entsprechenden Laborbereich. Für tierexperimentelle Studien erhielt die Klinik als Neubau einen eigenen Tierstall. In den frühen 70er-Jahren erfolgte die Einrichtung der interdisziplinären Tumorsprechstunde. 1984 wurde eine eigene Abteilung für experimentelle Dermatologie gegründet, um die Grundlagenforschung in Kooperation mit Naturwissenschaftlern besser in die Klinik einbinden zu können.
Allerdings hatte sich ab den 60er-Jahren bereits abgezeichnet, dass die Behandlung der Geschlechtskrankheiten wie auch die Dermatotherapie zunehmend in den ambulanten Bereich verlagert und die ursprünglich hohen Bettenzahlen nicht länger benötigt wurden. Dagegen bestand dringender Betten- und Raumbedarf anderer Kliniken bzw. medizinischer Einrichtungen wie Chirurgie, Radiologie, Urologie und der Klinikapotheke, der durch freiwerdende Kapazitäten in der Hautklinik gedeckt werden konnte.
Die dermatologische Dominanz im Gebäudekomplex reduzierte sich durch die neuen Mitnutzer. So wurde schließlich um die Jahrtausendwende entschieden, dass im Zuge der Konzentration klinischer, insbesondere auch primär chirurgisch orientierter Fächer, die ehemalige Hautklinik zum Forschungszentrum umgebaut wird und die Dermatologie in eine eigene Klinik in der Philipp-Rosenthal-Straße einzieht. Der jetzige Klinikdirektor, Prof. Dr. Jan-Christoph Simon ([Tab. 1]) [9], konnte 2006 mit seinen Mitarbeitern ein komplett neues Gebäude übernehmen, dessen Ausrüstung er – wie vorher sein berühmter Amtsvorgänger Rille – wesentlich mitbestimmt hatte ([Abb. 3]). Dementsprechend erfüllt die nunmehr dritte Leipziger Universitätshautklinik alle für die heutige Lehre, Forschung und medizinische Betreuung notwendigen Anforderungen. Für die stationäre Versorgung stehen 56 Betten zur Verfügung. Die Poliklinik ist vollständig in das Gebäude integriert. Ein großzügiger OP-Trakt mit 3 OP-Sälen bietet optimale dermatochirurgische Arbeitsmöglichkeiten. Die Laser-, Fototherapie- und Allergieabteilungen sind wie auch die anderen Klinikbereiche sehr modern ausgestattet. Der experimentelle Forschungsbereich wurde in das im Campus befindliche Max-Bürger-Forschungszentrum verlagert. Somit ist die Klinik für die aktuellen Herausforderungen in der Dermatovenerologie gut gerüstet.
Tab. 1
Klinikdirektoren der Universitätshautklinik Leipzig [9].
1896 – 1902
|
Gustav Riehl
|
1902 – 1934
|
Johann Heinrich Rille
|
1934 – 1943
|
Bodo Spiethoff
|
1943 – 1945
|
Josef Vonkennel
|
1945 – 1947
|
Oskar Kies
|
1947 – 1951
|
Karl Linser
|
1951 – 1962
|
Wolfgang Gertler
|
1963 – 1974
|
Harry Braun
|
1975 – 2002
|
Uwe-Frithjof Haustein
|
2003 – dato
|
Jan-Christoph Simon
|
Abb. 3 Eingangsseite der 2006 fertiggestellten neuen Hautklinik in der Philipp-Rosenthal-Straße (Foto M. Karsten/UKL).