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DOI: 10.1055/a-0898-4402
Pseudarthrosen am Unterarm
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Publication Date:
19 November 2019 (online)
- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Häufigkeit und Risikofaktoren verzögerter Frakturheilung am Unterarm
- Behandlungsstrategien bei verzögerter Frakturheilung am Unterarm
- Zusammenfassung und Ausblick
- Literatur
Zusammenfassung
Unterarmfrakturen treten häufig auf und werden regelhaft operativ versorgt. Für gute funktionelle Ergebnisse müssen Unterarmfrakturen anatomisch reponiert werden, was im Falle einer Revision weiter erschwert wird. Daher ist eine ausbleibende Frakturheilung bei diesen Verletzungen besonders problematisch.
Die operative Therapie dieser Pseudarthrosen besteht aus einem Debridement und der stabil osteosynthetischen Versorgung. In der Regel ist zudem eine Augmentation des knöchernen Defekts erforderlich: Kleinere Defekte können erfolgreich mit einer Spongiosaplastik behandelt werden, für größere Defekte werden vaskularisierte und nicht vaskularisierte Späne verwendet. In seltenen Ausnahmen können auch Reserveverfahren wie der Segmenttransport oder das Masquelet-Verfahren Anwendung finden. Mit diesen Strategien ist meist eine erfolgreiche Ausheilung der Pseudarthrose möglich. Ziel dieses Artikels ist die Häufigkeit von Pseudarthrosen am Unterarm und Therapiestrategien zusammenzufassen.
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Abstract
Fractures of the forearm are common and regularly treated operatively. For a satisfactory functional outcome, these fractures require an anatomical reduction which can be particularly difficult in revision surgery. Therefore, operative treatment of non-unions is especially challenging in these injuries.
Surgical treatment of a forearm non-union consists of a debridement and a stable osteosynthesis. The resulting defect regularly needs augmentation: Smaller defects can be treated using cancellous bone grafting, larger defects are treated with vascularized and non-vascularized grafts. Callus distraction or the Masquelet technique are less common and can be used as a fallback. With use of these procedures, a successful healing of a non-union can usually be achieved. Aim of this article is to summarize the frequency of forearm non-unions and to present therapeutic strategies.
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Einleitung
Unterarmfrakturen treten mit einer Häufigkeit von ca. 12,5/100 000 pro Jahr auf. Typischer Unfallmechanismus für Unterarmschaftfrakturen ist ein direktes Anpralltrauma oder ein Unfall mit hoher Energieeinwirkung.
Vollständige Unterarmschaftfrakturen sollten aufgrund schlechter funktioneller Ergebnisse der konservativen Therapie generell operativ versorgt werden. Ausgenommen hiervon sind nicht dislozierte isolierte Frakturen der Ulna (sog. „Parierfraktur“), die meist auch unter konservativer Therapie zufriedenstellende Ergebnisse erzielen. Aktueller Therapiestandard ist die Kompressionsplattenosteosynthese bei einfachen Frakturen oder eine winkelstabile Plattenosteosynthese bei komplexeren Frakturen.
Um die hohen Ansprüche in Bezug auf Stabilität und Mobilität des Unterarms zu erhalten, ist ein komplexes Zusammenspiel der beteiligten anatomischen Strukturen erforderlich. An diesem Zusammenspiel sind neben Radius und Ulna auch das proximale und distale Radioulnargelenk sowie ligamentäre Strukturen wie die Membrana interossea beteiligt. Ziel der Behandlung von Unterarmfrakturen ist daher stets die Wiederherstellung der ursprünglichen anatomischen Verhältnisse. Bei komplexen Frakturen oder im Falle einer Revision kann sich der Operateur an anatomischen Landmarken wie bspw. dem radialen Bogen orientieren, der präoperativ auch am konventionellen Röntgenbild der betroffenen oder der Gegenseite ausgemessen werden kann ([Abb. 1]). Hierbei muss allerdings streng der Vorteil von Aufnahmen der Gegenseite mit strahlenhygienischen Bedenken abgewogen werden.
Spezifische Komplikationen einer Unterarmschaftfraktur sind die verzögerte Frakturheilung, Ausbildung einer Pseudarthrose, die Verheilung der Fraktur in Fehlstellung (Malunion), heterotope Ossifikationen mit Fusion von Ulna und Radius (Synostose) sowie das erhöhte Risiko für eine Refraktur nach frühzeitiger Metallentfernung.
Pseudarthrosen von Unterarmfrakturen stellen eine besondere Herausforderung in der Behandlung dar, da die hohen Ansprüche an eine anatomische Rekonstruktion weiter erschwert werden. Abweichungen von der anatomischen Achse im Falle einer Unterarmfraktur können generell zu erheblichen Bewegungseinschränkungen des Unterarms und der Hand führen, die wiederum zu deutlichen Funktionsdefiziten führen können.
Ziel dieses Artikels ist es, die Ätiologie und Häufigkeit schlecht heilender Frakturen am Unterarm des Erwachsenen darzustellen und aktuelle Therapiestrategien in dieser Situation zusammenzufassen.
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Häufigkeit und Risikofaktoren verzögerter Frakturheilung am Unterarm
Durch moderne Osteosyntheseverfahren können Heilungsraten bei Unterarmschaftfrakturen von ca. 98% erreicht werden [1], [2], [3], [4]. Eine verzögerte Frakturheilung am Unterarm wurde in den größten Kollektiven von Unterarmfrakturen mit einer Häufigkeit von 0 – 5% angegeben, Pseudarthrosen in 2 – 5,3% [2], [4], [5], [6], [7]. Die meisten Pseudarthrosen am Unterarm sind oligotrophe oder atrophe Pseudarthrosen, nur ca. 9% der Pseudarthrosen sind hypertroph [8].
Das Risiko für eine Pseudarthrose hängt von verschiedenen Faktoren wie der anatomischen Lokalisation der Fraktur, dem Verletzungsmuster, begleitenden allgemeinen Risikofaktoren und der verwendeten operativen Technik ab.
Historisch bedingt wird bei Unterarmfrakturen in der Literatur bereits bei der primären Verletzung eine Spongiosaplastik diskutiert. Grund hierfür war die Empfehlung von Anderson et al., die eine Spongiosaplastik auch bei kleineren Trümmerzonen empfohlen haben, wobei bereits in diesem Kollektiv kein evidenter Unterschied hinsichtlich der Konsolidierungsrate durch eine primäre Spongiosaplastik nachgewiesen werden konnte [5]. Auch in neueren Publikationen konnte kein eindeutiger Vorteil einer primären Spongiosaplastik zur Verminderung der Pseudarthroseraten gezeigt werden [1], [2], [3], [4], [9]. Aufgrund der fehlenden Evidenz kann daher eine primäre Spongiosaplastik nicht als Standard empfohlen werden.
Verletzungsmuster
Wie bei anderen Körperregionen ist auch am Unterarm das Verletzungsmuster entscheidend für die Ausbildung einer Pseudarthrose nach einer Fraktur. Die Häufigkeit einer Pseudarthrose hängt u. a. von der Lokalisation der Fraktur ab. Für isolierte Frakturen des Ulnaschaftes konnten Brakenbury et al. in ihrer Serie zeigen, dass über 70% der 21 untersuchten Pseudarthrosen am mittleren Schaftdrittel vorkommen [10].
Ist eine Trümmerzone oder eine Dislokation über eine halbe Schaftbreite vorhanden, liegt die Pseudarthroserate deutlich höher [9], [10]. Darüber hinaus konnte mehrfach gezeigt werden, dass die Pseudarthroserate bei offenen Frakturen gegenüber geschlossenen Frakturen deutlich erhöht ist [4], [5]. Verletzungen mit höherenergetischem Trauma haben ebenfalls höhere Pseudarthroseraten [10].
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Risikofaktoren
In der Literatur werden verschiedene Faktoren diskutiert, die das Risiko für eine Pseudarthrose allgemein erhöhen sollen. Hierzu zählen u. a. ein höheres Alter, Diabetes mellitus und starkes Übergewicht [11], [12], [13]. Ein höheres Risiko für eine schlechtere Knochenheilung konnte ebenfalls bei Rauchern an verschiedenen Lokalisationen nachgewiesen werden [14], [15]. Spezifische Daten zu schlechterer Frakturheilung nach Unterarmfrakturen bei Rauchern gibt es zwar nicht, Chen et al. konnten aber bei 39 untersuchten Patienten nach Verkürzungsosteotomie der Ulna höhere Raten einer verzögerten oder ausbleibenden Knochenheilung (30 vs. 0%) bei Rauchern zeigen [16].
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Operative Faktoren
Verschiedene Faktoren in der operativen Versorgung von Unterarmfrakturen können zu höheren Raten einer Pseudarthrose führen. Anderson et al. führten in ihrer großen Fallserie die aufgetretenen Pseudarthrosen ohne Nachweis eines Infekts auf technische Fehler in der Versorgung zurück [5]. Dabei war entweder die Plattenlänge falsch gewählt, die Platte nicht korrekt über der Fraktur zentriert oder die eingebrachten Schrauben waren zu nah an der Fraktur eingebracht [5]. Stern et al. beschrieben in ihrer Serie mit 64 Patienten weniger Pseudarthrosen bei Versorgung mit 5 oder mehr Schrauben [17]. Generell gilt bei der Frakturversorgung die offene Versorgung als ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Pseudarthrose [13]. Ziel der primären operativen Versorgung von Frakturen am Unterarm ist aufgrund der engen anatomischen Korrekturgrenzen die primäre Knochenbruchheilung unter Umgehung einer ausgeprägten Kallusbildung. Diese kann, wenn möglich, durch eine stabile Versorgung unter Kompression der Frakturzone erreicht werden. Bleibt eine stabile Versorgung aus, besteht eine höhere Gefahr für eine verzögerte Frakturheilung. Allgemein sollte außerdem ein vorsichtiges perioperatives Weichteilmanagement bei der Frakturversorgung erfolgen und möglichst das Periost nicht mehr als notwendig abgelöst werden, um die Durchblutung der Frakturzone nicht zu kompromittieren. Der Stellenwert weichteilschonenderer Marknagelosteosynthesen ist noch nicht geklärt.
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Behandlungsstrategien bei verzögerter Frakturheilung am Unterarm
Allgemeine Strategien
Prinzipiell bietet das „Diamond Concept“ eine Grundlage für die erforderlichen Faktoren im Falle einer problematischen Frakturheilung [18], [19]. Zu beachten ist demnach, dass nicht nur die mechanische Stabilität, sondern auch biologische Faktoren wie vorhandene knochenbildende Zellen, Wachstumsfaktoren und eine erhaltene Durchblutung entscheidend für eine erfolgreiche Frakturheilung sind. Als Konsequenz sollte die Analyse der Ursache für die Pseudarthrose am Beginn der Therapie stehen und ein entsprechendes Therapiekonzept geplant werden.
Allgemein sind die wenigsten Pseudarthrosen am Unterarm hypertroph, der überwiegende Teil stellt sich als oligotrophe oder atrophe Pseudarthrose dar ([Abb. 2]) [8]. Meistens ist daher weniger eine fehlende mechanische Stabilität, sondern eine unzureichende biologische Aktivität für die Pseudarthrose verantwortlich. Die Sonderform stellt eine Infektpseudarthrose dar, die unten gesondert besprochen wird.
Für die konservative Therapie einer verzögerten Frakturheilung am Unterarm steht bspw. die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) zur Verfügung. Insgesamt sind die Ergebnisse dieses Verfahrens bei einer verzögerten Frakturheilung zwar ermutigend, die Qualität der verfügbaren Daten ist allerdings für eine abschließende Beurteilung unzureichend [20]. Bei nur minimalen Nebenwirkungen (Hämatome, petechiale Einblutungen) kann die Indikation allerdings großzügig gestellt werden.
Für die biologische Augmentation stehen primär generell verschiedene Arten der Augmentation zur Verfügung:
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eine (autologe oder allogene) Spongiosaplastik,
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die Interposition eines nicht vaskularisierten Spans und
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die Interposition eines vaskularisierten Spans.
Daneben existieren besondere Verfahren, wie der Segmenttransport oder die Masquelet-Technik, die als Reserveverfahren in der Behandlung von Knochendefekten zum Einsatz kommen.
In der Literatur finden sich prinzipiell ermutigende Ergebnisse zur Therapie einer Pseudarthrose am Unterarm. Demnach können Pseudarthrosen am Unterarm erfolgreich mit einem Débridement der Pseudarthrosezone, einer stabilen Reosteosynthese, der biologischen Augmentation mit (autologem) Knochenmaterial und möglichst früher Mobilisation behandelt werden [21]. Kloen et al. konnten beispielsweise bei 47 Patienten mit 51 Pseudarthrosen des Unterarms nach einem Median von 7 Monaten alle Pseudarthrosen mithilfe dieser allgemeinen Prinzipien zur Ausheilung bringen [21]. Unklarheit besteht aber weiterhin in Bezug auf eine Strategie zur Art der knöchernen Augmentation.
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Strukturelle Augmentation vs. nicht strukturelle Augmentation
Erste Berichte stammen von Nicoll et al., die bereits 1956 ihre Augmentationsstrategie mit einem Beckenkammspan beschrieben. Sie konnten mit dieser Strategie in allen Fällen eine knöcherne Konsolidierung erreichen. Zahlreiche weitere Arbeiten haben seither über die erfolgreiche Interposition eines kortikospongiösen Spans berichtet [22], [23], [24], [25], [26], [27], [28]. Späne werden von der Fibula, dem Beckenkamm oder als kortikaler Span von der Tibia genommen ([Abb. 3]) [22], [23], [24], [25], [26], [27], [28]. Ring et al. konnten hingegen an einem Kollektiv von 35 Patienten zeigen, dass eine Ausheilung der Pseudarthrose auch nach alleiniger Interposition autologer Spongiosa erreicht werden kann [8].
Uneinheitlich wird auch über Ergebnisse bei der Verwendung autologer oder allogener Transplantate berichtet. Davis et al. berichten bspw. in einer Serie von 7 Infektpseudarthrosen über eine Interposition mit einem strukturellen Allograft [29]. Die Defektgröße lag dabei zwischen 2,3 und 10,4 cm. Vier Patienten mussten allerdings nochmals mit autologem Graft augmentiert werden, um eine knöcherne Fusion an Radius oder Ulna zu erreichen [29]. Insgesamt liegt die berichtete primäre Ausheilungsrate nach (kortiko)spongiöser Augmentation zwischen 63 und 100% [22] – [28].
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Vaskularisierte Augmentation
Für die Verwendung vaskularisierter Knocheninterponate existieren ebenfalls einige Fallserien [30] – [37]. Die häufigste Entnahmestelle für das Graft ist dabei die Fibula [30], [31], [32], [35], [36], [37]. Weitere Berichte beschreiben ein lokales Autograft von der distalen Ulna über die A. interosseus posterior oder vom distalen Radius [33], [34]. Insgesamt wird auch bei der Verwendung vaskularisierter Grafts am Unterarm über gute Ergebnisse in Bezug auf die primäre knöcherne Ausheilung berichtet. Diese liegen zwischen 75 und 100% [30], [31], [32], [33], [34], [35], [36], [37].
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Segmenttransport
Über Techniken eines Segmenttransports am Unterarm existieren nur kleine Fallserien. Zhang et al. berichten bspw. über 16 Patienten mit einer Infektpseudarthrose, bei denen nach im Mittel 6,2 Monaten alle Pseudarthrosen zur Ausheilung gebracht werden konnten [38], [39]. Für den Segmenttransport können unilaterale Fixateure [38], [40] oder Ringfixateure verwendet werden [39]. Die häufigste Indikation für einen Segmenttransport ist die Infektpseudarthrose oder eine Osteomyelitis [38], [39], [40].
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Masquelet-Technik
Die Masquelet-Technik folgt dem Prinzip der „Membraninduktion“ [41]. Das bedeutet, dass nach Resektion eines knöchernen Segmentes zunächst temporär ein PMMA-Spacer (PMMA: Polymethylmethacrylat) eingebracht wird. Hierdurch wird ein Pseudoperiostschlauch um den Spacer generiert, der anschließend mit Spongiosa befüllt werden kann. Auch für die Verwendung dieser Technik bei einer Pseudarthrose am Unterarm existieren nur ein Fallbericht und eine kleine Fallserie, die allerdings beide gute Ergebnisse zeigen [42], [43].
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Infektpseudarthrose
Im Falle eines Infektes als Ursache für die ausbleibende Frakturheilung muss die Pseudarthrose debridiert, atrophes Gewebe abgetragen und infiziertes Material entfernt werden ([Abb. 4]). Eine unzureichend stabile Osteosynthese muss revidiert werden. Im Falle einer atrophen oder oligotrophen Pseudarthrose steht prinzipiell die biologische Augmentation im Vordergrund. Als Alternative zur Augmentation kann allerdings insbesondere in der Infektsituation ein Segmenttransport oder die Masquelet-Technik verwendet werden, da diese beiden Techniken keine Spaninterposition vorsehen, bei der sonst ein höheres Infektrisiko befürchtet wird.
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Differenzierte Indikation
Prinzipiell spricht für eine alleinige (autologe) Spongiosaplastik im Vergleich zum autologen Knochenspan die geringere Entnahmemorbidität. Die Entnahme von Spänen an der Fibula oder am Beckenkamm geht häufig mit einer Deformierung und Schmerzen an der Entnahmestelle einher.
Allgemein wird empfohlen, dass kleinere Defekte mit einer alleinigen Spongiosaplastik aufgefüllt werden können, größere Defekte hingegen eher mit einem Knochenspan versorgt werden sollen [22], [24]. Dieser Empfehlung liegt die Annahme zugrunde, dass eine Spongiosaplastik ohne kortikalen Span nicht hinreichend Stabilität für die Versorgung größerer Defekte bietet. Eine Grenze für eine erfolgreiche Behandlung mit einer Spongiosaplastik bleibt allerdings unklar. Ring et al. konnten bspw. bei 35 Patienten mit Defekten zwischen 1 und 6 cm alle Pseudarthrosen mit einer Spongiosaplastik zur Ausheilung bringen, strukturelle Augmentate wurden nicht verwendet. Allgemein wird daher angenommen, dass bei stabiler Osteosynthese und guter Weichteildeckung eine strukturelle Augmentation bis 6 cm Defektlänge nicht erforderlich ist. Eine eindeutige Evidenz für diese Annahme existiert allerdings nicht.
Als Argument für vaskularisierte Späne gilt eine bessere Durchblutung des Spans, die zu einer besseren knöchernen Durchbauung und geringerer Resorption des Augmentats führen soll. Gegen vaskularisierte Späne sprechen allerdings deutlich längere Operationszeiten, die Notwendigkeit mikrochirurgischer Techniken und eine erhöhte Entnahmemorbidität. Als Grenze für die Verwendung nicht vaskularisierter Späne findet sich in der Literatur ebenfalls eine Defektlänge von 6 cm. Davey et al. berichteten bspw. in ihrer Serie über eine fehlende Ausheilung der Pseudarthrose bei Verwendung eines nicht vaskularisierten Spans bei Versorgung eines Defekts > 10 cm Länge [24]. Allerdings gibt es keinerlei Evidenz, die für eine Verwendung einer Grenze von 6 cm spricht, sodass letztlich unklar bleibt, welche Defekte mit (kortiko)spongiöser Augmentation versorgt werden können und für welche Defekte aufwendigere, vaskularisierte Späne verwendet werden sollten [44].
Prinzipiell ist die biologische Aktivität von autologem gegenüber allogenem Material höher und damit eine erfolgreiche Behandlung wahrscheinlicher [45]. Allerdings fehlen auch für diese Annahme klare Behandlungsgrenzen oder Empfehlungen. In der eigenen Praxis wird (kortiko)spongiöses Material, wenn möglich, zunächst am Beckenkamm oder aus dem Femur entnommen. Die Entnahme aus dem Femur eignet sich besonders dann, wenn eine Entnahme aus dem Beckenkamm nicht genügt. Hierfür stehen spezielle Operationssysteme (Reamer-Irrigator-Aspirator [RIA], Fa. Synthes) zur Verfügung. Sollte eine autologe Spongiosaplastik nicht (mehr) möglich sein bzw. nicht ausreichen, wird allogenes Material (additiv) verwendet.
Die Behandlungen mit alternativen Verfahren wie dem Segmenttransport oder dem Masquelet-Verfahren sind insgesamt deutlich schlechter untersucht, sodass diese in der eigenen Praxis nur Reserveverfahren darstellen, sollte eine Augmentation nicht möglich sein oder eine Infektpseudarthrose vorliegen. Auch wenn diese Verfahren insgesamt aufgrund der langen Behandlungsdauer, der Verwendung unbequemer Fixateure oder geplanter Reoperationen unbeliebt erscheinen, bieten sie bei guten Heilungsraten den großen Vorteil der fehlenden (im Falle des Segmenttransportes) oder zumindest geringeren Entnahmemorbidität gegenüber strukturellen Augmentaten.
Bezogen auf das Osteosyntheseverfahren können im Rahmen einer Revision Plattenosteosynthesen oder Marknagelosteosynthesen verwendet werden. Im Falle einer fehlgeschlagenen Plattenosteosynthese kann auch ein Verfahrenswechsel auf eine Marknagelosteosynthese erwogen werden [46]. Dieser Überlegung liegen die positiven Erfahrungen aus der Marknagelosteosynthese von Tibiaschaftfrakturen zugrunde. Direkt vergleichende Daten zwischen intramedullären Implantaten und Plattenosteosynthesen sind nicht vorhanden, für die intramedullären Implantate wird aber eine geringere Rotationsstabilität und Kompression angenommen, bei allerdings deutlich geringerem Weichteiltrauma während der Implantation. Die unterlegene mechanische Stabilität und insgesamt nur sehr geringe Datenlage zum Einsatz der Marknagelosteosynthesen führt allerdings zu einem insgesamt zurückhaltenden Einsatz dieser Technik.
Eine ergänzende lokale medikamentöse Therapie kann aktuell nicht als Standard für die Behandlung von Pseudarthrosen am Unterarm empfohlen werden. Kommerziell erhältliche Wachstumsfaktoren wie BMP-2 und BMP-7 haben nur eine schwache Evidenz in der Behandlung von Pseudarthrosen langer Röhrenknochen und Wirbelkörperfusionen [47]. Zudem sind beide Substanzen nicht für die Anwendung am Unterarm zugelassen und nur eingeschränkt verfügbar. Konzentriertes Knochenmarkaspirat (BMAC) oder thrombozytenreiches Plasma (PRP) konnten in der lokalen Behandlung keinen signifikanten Vorteil zeigen [48], [49]. Systemisch verabreichte Medikamente (wie bspw. Parathormon oder Strontiumranelat) könnten bei Patienten mit einer begleitenden Osteoporose hilfreich sein [50], [51]. Weitere Ansätze wie die medikamentöse Blockierung spezifischer Signalwege, die für den Knochenabbau relevant sind, oder die Transplantation autologer CD34+-Granulozyten auf eine lokal applizierte Matrix haben das experimentelle Stadium noch nicht verlassen, könnten aber möglicherweise zukünftig interessant werden [52], [53], [54]. Den häufig eingesetzten, nicht steroidalen antiinflammatorischen Medikamenten (NSAIDs) wird ein negativer Effekt auf die Frakturheilung nachgesagt, eine abschließende Bewertung ist allerdings weiterhin aufgrund der widersprüchlichen Datenlage nicht möglich [55].
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Zusammenfassung und Ausblick
Pseudarthrosen sind aufgrund der hohen funktionellen Erfordernisse am Unterarm besonders problematisch und bedürfen einer möglichst anatomischen Rekonstruktion. Dennoch sind bei richtiger Indikationsstellung gute Ergebnisse möglich. Nachdem der Grund für die Pseudarthrose untersucht wurde, kann durch ein Débridement der Pseudarthrose und stabile Versorgung die Pseudarthrose meist erfolgreich behandelt werden. Ein Infekt als Ursache für die Pseudarthrose sollte unbedingt ausgeschlossen werden. Sollte durch das Débridement der Pseudarthrose ein Knochendefekt entstehen, kann dieser, abhängig von der Größe, meist nicht strukturell (mit autologer oder allogener Spongiosa) oder strukturell (mit vaskularisiertem oder nicht vaskularisiertem Knochenspan) augmentiert werden. Reserveverfahren, wie der Segmenttransport oder die Masquelet-Technik, sind selten in der Primärbehandlung einer Pseudarthrose am Unterarm erforderlich.
Besonders bedeutsam für die Ausheilung einer Pseudarthrose ist neben der stabilen Versorgung allerdings ein vorsichtiges Weichteilmanagement. Eine ausgiebige subperiostale Präparation sollte vermieden werden und die Pseudarthrose ausreichend mit Weichteilen bedeckt sein.
In Zukunft könnten systematische oder lokale medikamentöse Therapieoptionen wie bspw. eine künstlich hergestellte Matrix hinzukommen, die die Ausheilungsraten weiter verbessern könnten und eine autologe Knochentransplantationen möglicherweise seltener erforderlich machen.
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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