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DOI: 10.1055/a-0914-3321
Aktuelle Bildgebungs-Strategien bei genetisch bedingten Erkrankungen der Aorta
Article in several languages: English | deutschCorrespondence
Publication History
24 December 2018
24 April 2019
Publication Date:
06 June 2019 (online)
- Hintergrund
- Bildgebende Verfahren
- Genetisch bedingte Aortenerkrankungen: Ätiologie, Prävalenz und Besonderheiten der Bildgebung
- Zusammenfassung
- References
Zusammenfassung
Hintergrund Genetische Aortenerkrankungen wie das Marfan- oder Loeys-Dietz-Syndrom umfassen ein relativ kleines, jedoch wichtiges kardiovaskuläres Patientenkollektiv. Die betroffenen Patienten unterscheiden sich durch diverse Phänotypen, haben jedoch alle bereits in jungem Alter ein sehr hohes Risiko für ein akutes Aortensyndrom. Sowohl in der Akutsituation als auch im Rahmen der Vorsorge ist die Schnittbildgebung unverzichtbar. In diesem Übersichtsartikel stellen wir die häufigsten genetischen Aortenerkrankungen und die für sie empfohlene Bildgebung vor. Darüber hinaus geben wir einen Ausblick auf moderne Methoden zur Erfassung der Hämodynamik bei Aortenerkrankungen.
Methode Diese Übersichtsarbeit basiert auf der Kombination publizierter Expertenmeinungen sowie den klinischen Standards unseres auf Aortenerkrankungen spezialisierten Zentrums.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen Die radiologische Bildgebung ist zentraler Bestandteil der initialen Diagnosestellung und Verlaufskontrolle genetischer Aortenerkrankungen und unterscheidet sich in Abhängigkeit der Grunderkrankung. Durch Kenntnis der Besonderheiten genetischer Aortenerkrankungen und der empfohlenen Bildgebungstechniken trägt der Radiologe wesentlich zur optimalen Patientenbetreuung bei. Die genaue Vermessung der Aortendiameter beeinflusst maßgeblich den interdisziplinären Beschluss eines prophylaktischen chirurgischen Aortenersatzes. Moderne Bildgebungstechniken wie die 4D-Fluss-MRT und die Pulswellengeschwindigkeit haben das Potenzial, die individualisierte Risikostratifizierung bei Patienten mit genetischen Aortenerkrankungen zu verbessern.
Kernaussagen:
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Patienten mit genetischen Aortenerkrankungen haben bereits in jungem Alter ein erhöhtes Risiko für vaskuläre Komplikationen wie das akute Aortensyndrom.
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Die Schnittbildgebung ist sowohl in der Akutsituation als auch im Rahmen der Vorsorge unverzichtbar.
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Die empfohlenen Zeitabstände und die Zielorgane für bildgebende Verlaufsuntersuchungen unterscheiden sich in Abhängigkeit von der Aggressivität der genetischen Aortenerkrankung.
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Die CT-Angiografie sollte nur in der Akutsituation oder in der präoperativen bzw. präinterventionellen Therapieplanung eingesetzt werden.
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Im Rahmen der Vorsorge empfiehlt sich die native MR-Angiografie der Aorta.
Zitierweise
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Weinrich JM, Lenz A, Girdauskas E et al. Current and Emerging Imaging Techniques in Patients with Genetic Aortic Syndromes. Fortschr Röntgenstr 2020; 192: 50 – 58
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Hintergrund
Das Marfan-Syndrom ist mit einer Prävalenz von 1,5–17,2/100 000 die häufigste genetisch bedingte Aortenerkrankung [1] [2]. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer genetischer Aortenerkrankungen, wie das Ehlers-Danlos- und das Loeys-Dietz-Syndrom [3]. Selbst beim nicht syndromalen akuten Aortensyndrom liegt bei etwa 20 % der Patienten eine familiäre Prädisposition vor [4]. Alle genetisch bedingten Aortenerkrankungen haben als gemeinsames Merkmal ein erhöhtes Risiko für die Ausbildung eines Aneurysmas und der damit verbundenen lebensbedrohlichen Komplikation einer Aortendissektion [3]. Dies macht die Kenntnis der häufigsten genetischen Aortenerkrankungen und der jeweils empfohlenen Bildgebung für den Radiologen notwendig. Die Kenntnis der richtigen Bildgebungstechnik sowie die genaue Vermessung der Aortendiameter ist relevant für die Diagnosestellung, individuelle Risikostratifizierung und den Operationszeitpunkt eines prophylaktischen Aortenersatzes sowie bei der Planung komplexer Interventionen [5].
Auf Basis publizierter Expertenmeinungen sowie den klinischen Standards eines auf Aortenerkrankungen spezialisierten Zentrums stellen wir die häufigsten genetischen Aortenerkrankungen und die empfohlene Bildgebung vor. Darüber hinaus geben wir einen Ausblick auf moderne Techniken wie die 4D-Fluss-MRT und die MRT-basierte Messung der Pulswellengeschwindigkeit bei Aortenerkrankungen.
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Bildgebende Verfahren
Transthorakale Echokardiografie (TTE)
Die TTE ist eine kostengünstige und weit verbreitete Bildgebungsmethode, die die Darstellung der Aortenwurzel ([Abb. 1]) sowie anteilig auch der aszendierenden Aorta und des Aortenbogens ermöglicht [6]. Neben den Aortendiametern können mittels TEE auch Klappen- und Ventrikelfunktion beurteilt werden.
Ein Großteil der Studien zur Erhebung von Normwerten der Aortenwurzeldiameter basiert auf echokardiografisch erhobenen Werten [7]. Aufgrund der jahrzehntelangen klinischen Erfahrungen ist die TTE integraler Bestandteil der initialen Untersuchung bei Verdacht auf eine genetische Aortenerkrankung. Häufig gehen genetische Aortenerkrankungen jedoch mit Veränderungen des Habitus einher [8]. Insbesondere beim Marfan-Syndrom kommen gehäuft Thorax-Deformitäten wie eine Pectus excavatum vor, sodass die Darstellung der Aortenwurzel erschwert sein kann.
Zusammenfassend hat die TEE sowohl in der initialen Diagnostik als auch für Verlaufsuntersuchungen aufgrund ihrer weiten Verfügbarkeit sowie den weit verbreiteten klinischen Erfahrungswerten unverändert einen hohen Stellenwert.
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Computertomografische Angiografie (CTA)
Die CTA ist weit verfügbar und kann die gesamte Aorta schnell und hochauflösend darstellen [7]. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit post-prozeduraler multiplanarer Rekonstruktionen. Dadurch können arbiträre Bildebenen erzeugt werden, welche die orthogonale und somit exakte Vermessung der Aortendiameter erlauben. Die CTA ist beim akuten Aortensyndrom der Referenzstandard zum Ausschluss einer Dissektion ([Abb. 1]) [6].
Als Limitationen der CTA gelten die Exposition mit ionisierender Röntgenstrahlung und die intravenöse jodhaltige Kontrastmittelgabe [5]. Da bei genetischen Aortenerkrankungen oftmals junge Patienten wiederholt und lebenslang mittels Schnittbildgebung untersucht werden müssen, sollte die CTA nur in der Akutsituation oder in der präoperativen bzw. präinterventionellen Therapieplanung eingesetzt werden [3]. Die CTA sollte nicht im Rahmen der Vorsorge eingesetzt werden.
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Magnetresonanz-Angiografie (MRA)
Die MRA ermöglicht eine multiplanare Schnittbild-Darstellung der gesamten Aorta ohne Einsatz ionisierender Strahlung [9]. Sie erlaubt die exakte Vermessung des Aortendiameters [10] und die Diagnose von Aortendissektionen [6] mit hoher diagnostischer Genauigkeit. Zusätzlich erlaubt sie eine Quantifizierung möglicher Insuffizienzen oder Stenosen der Aortenklappe. Der Nachteil der MRA ist die im Vergleich zur CTA längere Untersuchungszeit.
Die MRA kann sowohl nativ als auch kontrastmittelgestützt akquiriert werden. Vorteile der kontrastmittelgestützten MRA sind kurze Akquisitionszeiten, eine hohe räumliche Auflösung sowie die Möglichkeit, im Falle einer Dissektionen die Perfusion des Falschlumens zu beurteilen [11]. Die Akquisition von 3D-Sequenzen mit isotropen Datensätzen erlaubt multiplanare Rekonstruktionen (MPR), welche eine optimale Vermessung der Aortendiameter ermöglicht.
Mehrere Studien konnten zeigen, dass insbesondere die EKG-getriggerte native MRA, z. B. mittels steady-state-free-precession (SSFP) -Sequenzen, der kontrastmittelgestützten MRA im Rahmen der Vorsorge zur Vermessung der Aortendiameter ebenbürtig ist [9] [12] [13]. Auch die postoperative Verlaufskontrolle nach Aortenersatz-Operation kann mittels nativer MRA durchgeführt werden [14]. Somit empfehlen wir für die jährlichen Verlaufsuntersuchungen von asymptomatischen Patienten mit genetischer Aortenerkrankung die native EKG-getriggerte MRA. Diese erlaubt die Darstellung und Vermessung der gesamten Aorta ohne die Risiken ionisierender Strahlung oder intravenöser Kontrastmittel.
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4D-Fluss-MRT und Pulswellengeschwindigkeit
Bislang gelten die absoluten Aortendiameter sowie die jährliche Wachstumsrate eines Aortenaneurysmas als wichtigste Prädiktoren für das Auftreten einer lebensbedrohlichen Aortendissektion [6]. Dennoch treten bei Patienten mit genetischen Aortenerkrankungen Dissektionen auch bei normwertigen Diametern auf [15]. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, weitere Prädiktoren für das Auftreten von Dissektionen zu identifizieren. Vor diesem Hintergrund spielt die Erforschung neuer hämodynamischer Parameter und deren Wirkung auf die Gefäßwand eine entscheidende Rolle.
Einer dieser Parameter ist die Exzentrizität des Blutflusses im Gefäß, welche mittels 2D-Phasenkontrast (PC)-MRT quantifiziert werden kann. Kürzlich konnte bei Patienten mit bikuspider Aortenklappenerkrankung gezeigt werden, dass die Flussexzentrizität prädiktiv für die Diameterzunahme der aszendierenden Aorta ist [16].
Die 4D-PC-MRT (4D-Fluss-MRT) ermöglicht die Koregistrierung von morphologischen Bildern und Geschwindigkeitsdaten [17] [18] und damit die Visualisierung und Quantifizierung physiologischer und pathologischer Blutflussprofile [19] [20] [21]. In großen Gefäßen wie der Aorta erlaubt die 4D-Fluss-MRT die Darstellung und Quantifizierung komplexer Veränderungen der Hämodynamik, wie z. B. Vortices und Helices ([Abb. 2]) [17] [22]. Darüber hinaus kann die Wandschubspannung als Maß für die auf die Aortenwand einwirkenden Kräfte aus der 4D-Fluss-MRT abgeleitet werden [23]. Sowohl bei Patienten mit bikuspider Aortenklappe als auch Marfan-Syndrom konnte eine Korrelation zwischen den hämodynamischen Veränderungen und der Morphologie der Aorta festgestellt werden [24] [25] [26]. Diese MRT-basierten Studien unterstützen die Theorie, dass pathologische Blutflussprofile (Flussexzentrizität, Helix, Vortex, Wandschubspannung) zur Entstehung von Aneurysmen beitragen.
Auch Veränderungen der globalen oder regionalen arteriellen Gefäßsteifigkeit wurde als Risikofaktor für den Progress einer Aortendilatation bei Patienten mit Marfan-Syndrom beschrieben [27]. Die Gefäßsteifigkeit der Aorta kann indirekt aus der Pulswellengeschwindigkeit (PWV) abgeleitet werden. Die PWV ist bei steifer Gefäßwand erhöht und kann nichtinvasiv mittels PC-MRT ([Abb. 2]) bestimmt werden [28]. Im Vergleich zu gesunden Probanden haben Patienten mit Marfan-Syndrom eine erhöhte Pulswellengeschwindigkeit [29]. Es konnte gezeigt werden, dass die Pulswellengeschwindigkeit eine Aortendilatation hervorhersagen kann [30].
Diese ersten Ergebnisse zur 4D-Fluss-MRT und Pulswellengeschwindigkeit deuten ihr Potenzial zur zukünftigen Beurteilung von Aortenerkrankungen an. Größere prospektive Studien mit klinisch relevanten Endpunkten sind nötig, um den diagnostischen und prognostischen Wert dieser MRT-Techniken zu bestätigen.
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Messung der Aortendiameter
Die genaue Messung des Aortendiameters ist entscheidend bei Patienten mit genetischen Aortenerkrankungen [5] [31]. Die Erweiterung des Aortenbulbus auf 5 cm ist bei Marfan-Patienten und bei Patienten mit bikuspider Aortenklappe und zusätzlichen Risikofaktoren (d. h. positive familiäre Anamnese, Hypertonie, schnelles Wachstum: > 3 mm/Jahr) eine Indikation für den prophylaktischen Aortenersatz [6]. Bei Marfan-Patienten ist ein jährliches Wachstum von > 3 mm ebenfalls ein weiterer Risikofaktor für eine Aortendissektion [6]. Daher sind einheitliche Messmethoden notwendig: Die Aortendiameter müssen standardisiert an bestimmten Aortenabschnitten ([Abb. 3]) vermessen werden. Messungen des Aortendiameters müssen orthogonal zur anatomischen Achse der Aorta durchgeführt werden und dürfen daher nicht auf axialen Quellbildern einer CTA oder MRA durchgeführt werden [32]. Mendoza et al. konnten anhand von CTA-Daten zeigen, dass streng axial erhobene Diameter im Vergleich zu orthogonalen Diametern die Diameter-basierte Operationsindikation verdoppeln [33].
Bei Patienten mit genetischen Aortenerkrankungen ist die Bedeutung der standardisierten Messungen aufgrund der seriellen Verlaufskontrollen hervorzuheben. Es sollte der Aortendiameter sowohl in der letzten (jüngsten) als auch ersten (ältesten) Voruntersuchung, idealerweise vom selben Radiologen, vermessen werden [34]. Unserer Erfahrung nach lassen sich nur so langsame Diameterzunahmen im Millimeterbereich sicher identifizieren und ein graduelles Wachstum beurteilen.
Die gemessenen aortalen Diameter werden insbesondere im pädiatrischen Bereich in Z-Werte (englisch: Z-score) umgerechnet. Z-Werte beschreiben in standardisierter Form, wie weit ein Messwert von dem zu erwartenden Mittelwert einer Vergleichsgruppe abweicht. Der Z-Wert ist entsprechend ein an das Patientenalter und die Körperoberfläche adaptierter Wert [35].
Zusammenfassend ist es notwendig, Aortendiameter einheitlich und standardisiert zu erheben. Wir empfehlen daher die Erstellung einer Verfahrensanweisung sowie einen Verweis im radiologischen Befund, in welcher Schnittebene und ggfs. Bildschicht der Aortendiameter erhoben wurden.
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Genetisch bedingte Aortenerkrankungen: Ätiologie, Prävalenz und Besonderheiten der Bildgebung
Marfan-Syndrom
Das Marfan-Syndrom ist eine systemische, autosomal dominant vererbte Bindegewebserkrankung, die auf einer Mutation des Fibrillin-1-Gens (FBN1) beruht. Das Marfan-Syndrom tritt mit einer Prävalenz von 1,5–17,2/100 000 auf [1] [2]. Die Diagnose eines Marfan-Syndroms basiert nicht ausschließlich auf einer Genmutation, sondern sie bedarf zusätzlicher klinischer Kriterien, die im Detail in der 2010 überarbeiten Version der Genter Nosologie festgelegt sind [1]. Ein entscheidendes Kriterium ist hierbei die Aortendilatation.
Beim Marfan-Syndrom ist das Risiko eines frühzeitigen Todes durch eine Aortenruptur oder -dissektion ohne regelmäßige Nachverfolgung mittels bildgebender Verfahren deutlich erhöht [6]. Der Dissektion geht in der Regel, aber nicht zwingend, eine aneurysmatische Erweiterung der Aortenwurzel voraus ([Abb. 4A, B]) [36]. Es kann jedoch auch bei Patienten nach proximaler Aortenersatz-Operation zur Ausbildung von Aneurysmen und Dissektionen der distalen Aorta kommen [37]. Somit ist die Bildgebung der gesamten Aorta nicht nur entscheidend bei der initialen Diagnosestellung und den Verlaufskontrollen ([Abb. 5A, B]), sondern auch bei der Nachverfolgung bei Aortenersatz-Operation [38]. Patienten mit Marfan-Syndrom müssen lebenslang einer Bildgebung der Aorta unterzogen werden.
Die fächerübergreifende US-amerikanische Leitlinie empfiehlt bei Erstdiagnose und in einem Abstand von 6 Monaten eine TTE zur Beurteilung der Aortenwurzel und der proximalen Aorta ascendens [5]. Bei konstantem Diameter wird eine jährliche Bildgebung empfohlen. Bei Überschreiten eines absoluten Diameters von 4,5 cm oder eines signifikanten Wachstums wird eine Bildgebung in kürzeren Zeitabständen empfohlen [5].
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Loeys-Dietz-Syndrom
Das Loeys-Dietz-Syndrom ist eine 2005 erstbeschriebene autosomal dominant vererbte Bindegewebserkrankung mit einer Prävalenz von 1/100 000 [39] [40]. Es hat Ähnlichkeiten zum Marfan-Syndrom, hat jedoch sowohl in der phänotypischen Präsentation als auch in der Prognose wesentliche Unterschiede [41]. Die bekannten Subtypen (I-IV) basieren jeweils auf Genmutationen des transforming-growth-factors-β-Rezeptors 1 und 2 (TGFBR1 und TGFBR2) und der im selben Signalweg vorkommenden decapentaplegic-homolog-3-Proteine (SMAD3) und TGFB2. Die Prognose für Typ I und II ist am ungünstigen, da es bei diesen Patienten auch schon bei normalen Gefäßdiametern zu Aortenrupturen kommen kann [39]. Typ I des Loeys-Dietz-Syndroms ist auf vaskulärer Ebene vorwiegend durch Aneurysmen der großen Gefäße und ausgeprägten Tortuositäten kleinerer Gefäße ([Abb. 6]) gekennzeichnet. Typ II hingegen kann dem vaskulären Ehlers-Danlos-Syndrom ähneln und hat eine höhere peri-/postoperative Komplikationsrate als die übrigen Subtypen (Loeys-Dietz-Syndrom allgemein: 1,7 %; Typ II: 4,8 %) [42]. Es muss zwingend eine definitive Diagnosesicherung stattfinden, da die Indikationsstellung für eine Operation aufgrund der niedrigeren Inzidenz peri-/postoperativer Komplikationen für das Loeys-Dietz-Syndrom großzügiger gestellt wird als bei dem vaskulären Ehlers-Danlos-Syndrom (45 %) [42] [43]. Im Unterschied zum Marfan-Syndrom treten Aneurysmen beim Loeys-Dietz-Syndrom auch gehäuft abdominell oder intrakraniell auf, zudem ist der Verlauf aggressiver [15]. Neben den Aneurysmen sind ein offener Ductus Botalli, Vorhofseptumdefekte sowie Tortuositäten kleinerer Arterien mit dem Loeys-Dietz-Syndrom assoziiert [3].
Die fächerübergreifende US-amerikanische Leitlinie empfiehlt im Vergleich zum Marfan-Syndrom für das Loeys-Dietz-Syndrom eine engmaschigere Bildgebung des Gefäßsystems von intrakraniell bis in das Becken [5]. Zum Diagnosezeitpunkt sowie nach 6 Monaten sollte eine CTA/MRA der gesamten Aorta erfolgen. Für die weiteren jährlichen Verlaufskontrollen wird eine Ganzkörper-MRA empfohlen [5]. Die Frequenz der Bildgebung erhöht sich abhängig der Befunde und wird regelmäßig im Mindestabstand von 2 Jahren empfohlen.
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Ehlers-Danlos-Syndrom
Das Ehlers-Danlos-Syndrom umfasst eine genetisch und klinisch heterogene Gruppe von Bindegewebserkrankungen mit 13 Subtypen und einer Prävalenz von 4–10/100 000 [44] [45]. Aufgrund von Rupturen der Gefäße oder inneren Hohlorgane, insbesondere Kolon und Uterus, hat das Ehlers-Danlos-Syndrom eine hohe Letalität mit einer medianen Lebenserwartung von 40–50 Jahren. Der auf Mutationen im Typ-3-Prokollagen-Gen (COL3A1) basierte vaskuläre Subtyp (IV) tritt in 5 % auf und hat die schlechteste Prognose [46]. Schwangerschaften bei diesen Patientinnen ([Abb. 7A, B]) resultieren aufgrund von Uterusrupturen oder perinatalen Gefäßrupturen in einer Sterblichkeit von 12 % [47]. Bei anderen Subtypen sind Dissektionen seltener. Hier ist insbesondere die kyphoskoliotische Form (Typ VI) mit der Ausbildung von arteriellen Aneurysmen und Rupturen assoziiert [48].
Vaskuläre Komplikationen des Subtyps IV betreffen in bis zu 82 % der Fälle arterielle Gefäße. Sie können in unterschiedlichen Aortenabschnitten, aber auch in kleineren Gefäßen auftreten [47]. Im Gegensatz zum Marfan-Syndrom sind Aneurysmen der Aortenwurzel selten und Gefäßtortuositäten wie beim Loeys-Dietz-Syndrom untypisch. Elektive prophylaktische Eingriffe sind kritisch abzuwägen, da es durch die Gefäßfragilität zu intraoperativen Komplikationen wie Blutungen und Dissektionen kommen kann.
Experten empfehlen eine primäre TTE und bei unauffälligem Befund keine weiteren bildgebenden Verlaufskontrollen für Erwachsene. Kinder sollen bis zum 18. Lebensjahr alle 3 Jahre kontrolliert werden [47]. Eine neuere Arbeit empfiehlt hingegen die initiale Darstellung des gesamten arteriellen Gefäßbaums [46]. Letztlich bleibt jedoch festzuhalten, dass die unzureichende Studienlage bisher keine evidenzbasierte Empfehlung hinsichtlich der Frequenz der Bildgebung erlaubt.
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Bikuspide Aortenklappenerkrankung
Die bikuspide Aortenklappenerkrankung ist mit einer Prävalenz von ca. 1000–2000/100 000 die häufigste kardiovaskuläre Malformation [49]. Hier liegt ein polygenetisches Vererbungsmuster mit variabler Penetranz vor, häufig assoziiert mit den Mutationen des NOTCH1-Signalwegs. Das Erbmuster ist bislang nicht bekannt [49].
Die bikuspide Aortenklappenerkrankung ist eine primäre Erkrankung der Aortenklappe, kann jedoch häufig zur simultanen Aortendilatation führen [50]. Mit einer Häufigkeit von 0,5 % bis 5 % [51] [52] ist eine Aortendissektion seltener als beim Marfan-Syndrom [53], jedoch bleibt sie aufgrund der höheren Prävalenz eine häufige Ursache einer Aortendissektion [54].
Sowohl bei begleitender Aortenklappenstenose als auch -insuffizienz kann eine Dilatation der aszendierenden Aorta auftreten [55]. Ein Aneurysma oder eine Dissektion kann jedoch auch ohne Stenose oder Insuffizienz der bikuspiden Aortenklappe entstehen [49] [52]. Neben einem persistierenden Ductus Botalli, Koronaranomalien und Hirnaneurysmen kann auch eine Aortenisthmusstenose mit einer bikuspiden Aortenklappe assoziiert sein [49] [56]. Dies ist insofern relevant, da ein durch die Aortenisthmusstenose bedingter Hypertonus das Risiko einer Dissektion weiter steigert.
Die 2018 veröffentliche spezifische Leitlinie der US-amerikanischen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (American Association for Thoracic Surgery) empfiehlt eine initiale Vermessung der proximalen Aorta mittels TTE [49]. Sollten Abschnitte der Aorta nicht einsehbar sein oder der Aortendiameter 4,5 cm überschreiten, wird eine EKG-getriggerte MRA oder CTA empfohlen. Bei Vorliegen einer Aortenisthmusstenose wird zusätzlich der Ausschluss intrakranieller Aneurysmen empfohlen.
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Turner-Syndrom
Das Turner-Syndrom ist durch das Fehlen eines X-Chromosoms und daraus resultierender Gonadendysgenesie und Kleinwuchs gekennzeichnet [57]. Es betrifft ausschließlich das weibliche Geschlecht und hat eine Prävalenz von etwa 40/100 000. Darüber hinaus haben die Betroffenen eine bis zu 3-fach erhöhte kardiovaskuläre Mortalitätsrate [58]. Neben einer Aortenisthmusstenose (8 %) ist die bikuspide Aortenklappe mit 10–25 % die häufigste kardiovaskuläre Malformation [6].
Die Mehrzahl an Dissektionen bei Patientinnen mit Turner-Syndrom treten bei assoziierten kongenitalen kardiovaskulären Malformationen auf ([Abb. 8]) [59]. Der mit einem Turner-Syndrom vergesellschaftete Kleinwuchs erschwert die Beurteilung einer Aortendilatation: Referenzwerte einer normwüchsigen Population können somit zu einer Unterschätzung bei Turner-Patienten führen. Aus diesem Grund sollten die von Quezada et al. erhobenen und für das Turner-Syndrom spezifischen Aortendiameter werden [60].
Die klinischen Leitlinien des internationalen Turner-Syndrom-Symposiums von 2016 empfehlen die Abstände der bildgebenden Verlaufskontrollen in Abhängigkeit von Lebensalter, Z-Wert und dem Vorhandensein der 3 Turner-spezifischen kardiovaskulären Hauptrisikofaktoren: 1. bikuspide Aortenklappe, 2. Aortenisthmusstenose (ISTA) und 3. arterieller Hypertonus [61]. Eine ISTA ist häufig auch bei nicht syndromalen Erkrankungen mit weiteren kardiovaskulären Fehlbildungen, wie z. B. Klappenvitien oder Hypoplasie des Aortenbogens, vergesellschaftet [62], sodass man auch von einem ISTA-Komplex spricht. Die Spannbreite der Intervalle einer Verlaufsuntersuchung liegt zwischen 6 und 12 Monaten bei hohem Risiko und 5 und 10 Jahren bei niedrigem Risiko. Die Empfehlung der elektiven Bildgebung umfasst immer eine TTE und eine Herz-MRT inklusive MRA der gesamten Aorta.
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Seltenere genetische Aortenerkrankungen
Neben den oben beschriebenen Erkrankungen gibt es eine Vielzahl weiterer genetischer Aortenerkrankungen. Hier sind das Tortuositätssyndrom sowie das Aneurysma-Osteoarthritis-Syndrom zu erwähnen [3]. Für diese sehr seltenen Erkrankungen gibt es bisher keine eindeutigen Empfehlungen hinsichtlich der Bildgebung.
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Zusammenfassung
Genetische Aortenerkrankungen sind vielfältig und haben aufgrund hoher Morbiditäts- und Mortalitätsraten einen besonderen Stellenwert. Die radiologische Bildgebung ist essenziell in der Diagnosestellung, Verlaufskontrolle und Indikationsstellung zum prophylaktischen Aortenwurzelersatz. Mit Kenntnis der Besonderheiten genetischer Aortenerkrankungen und der empfohlenen Bildgebungstechniken trägt der Radiologe entscheidend zur interdisziplinären Patientenbetreuung bei. Moderne Bildgebungstechniken wie die 4D-Fluss-MRT und die Pulswellengeschwindigkeit haben das Potenzial, die individualisierte Risikostratifizierung bei Patienten mit genetischer Aortenerkrankung zu verbessern.
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