Nervenheilkunde 2019; 38(09): 682
DOI: 10.1055/a-0928-3067
Gesellschaftsnachrichten
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.

Thomas Lempert
,
Schlosspark-Klinik Berlin
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Impressum

Prof. Dr. Tom Bschor
Redaktion: Dr. Anja M. Bauer
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.
Schlosspark-Klinik, Abteilung für Psychiatrie
Heubnerweg 2, 14059 Berlin
Email: info@bgpn.de   

Publication History

Publication Date:
02 September 2019 (online)

 

NeurologyFirst: Initiative für eine unabhängige Neurologie

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Prof. Dr. Thomas Lempert, Schlosspark-Klinik Berlin

Die Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie (BGPN) hat bereits vor über 6 Jahren die letzten finanziellen Verbindungen zur pharmazeutischen Industrie beendet, sodass es z. B. kein Industrie-Sponsoring für BGPN-Veranstaltungen mehr gibt. Das BGPN-Mitglied Prof. Thomas Lempert hat beim psychiatrisch-neurologischen Aschermittwoch der BGPN 2018 über die Verzerrung von Studienergebnissen durch den Einfluss industriellen Sponsorings gesprochen („Glauben sie erstmal gar nichts – klinische Forschung“). Heute berichtet er über die von ihm ins Leben gerufene Initiative NeurologyFirst.

Im Sommer 2012 startete eine Gruppe deutscher Neurologen einen Aufruf an Kollegen in der Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und eröffnete die Internetplattform www.neurologyfirst.de. Unsere Kernforderungen lauteten:

  • Die DGN-Jahrestagung muss von der pharmazeutischen Industrie entkoppelt werden.

  • Wer Interessenkonflikte hat, kann nicht Autor einer DGN-Leitlinie sein.

  • Der DGN-Kongress braucht ein Diskussionsforum über Interessenkonflikte.

Hintergrund des Appells war ein ansteigendes Unbehagen angesichts der wachsenden Rolle der Industrie in unserer Fachgesellschaft. Wenn die Industrie ihre Studien bei Kongressen auf eigenen Symposien vorstellen kann und zudem Ärzte mit finanziellen Verbindungen zur Industrie klinische Behandlungsleitlinien formulieren, droht eine systematische Verzerrung des ärztlichen Wissens zugunsten teurer und unzureichend erforschter Medikamente [[1]].

Innerhalb weniger Wochen wurde unser Aufruf von 434 Neurologen unterzeichnet, innerhalb der DGN wurden die Forderungen der Initiative jedoch kontrovers diskutiert. Das DGN-Präsidium zeigte sich offen und berief eine Arbeitsgruppe zum Umgang mit wirtschaftlichen Interessen ein, die erste Reformschritte erarbeitete. Dazu gehörten die Einrichtung eines runden Tisches mit der Industrie, um Regeln für die Industrieausstellung und Industriesymposien einzuführen. In der Folge wurde das zuvor übliche industriegesponserte Mittagessen abgeschafft. Für Leitlinien wurde eine mindestens 50 %ige Quote unabhängiger Autoren vereinbart sowie eine Enthaltungsregel bei Befangenheit [[2]].

Gemeinsam mit der Ärzteinitiative Mezis und Transparency Deutschland eröffnete Neurologyfirst 2015 das Portal www.leitlinienwatch.de, das deutsche Leitlinien auf Ihre Unabhängigkeit von der Pharmaindustrie untersucht. Dabei werden Maßnahmen, die den Einfluss von Interessenkonflikten reduzieren nach einem Punktesystem bewertet. Die Ergebnisse werden den Fachgesellschaften und Koordinatoren mitgeteilt, um einen Dialog zum verbesserten Umgang mit Interessenkonflikten zu eröffnen. Bislang haben wir 178 Leitlinien evaluiert und eine Analyse von 67 S3-Leitlinien publiziert [[3]]. Insgesamt zeigt sich, dass Interessenkonflikte inzwischen zwar ausreichend deklariert werden, aber kaum praktische Konsequenzen haben. Anfang 2018 hat die AWMF neue Richtlinien zum Umgang mit Interessenkonflikten bei Leitlinienautoren formuliert, die unseren Forderungen sehr nahe kommen. So sollen Interessenkonflikte von einem unabhängigen Gremium bewertet werden und Folgen haben, beispielsweise zum Ausschluss von Beratungen oder Abstimmungen führen. Die DGN hat früher als andere deutschen Fachgesellschaften mit der Umsetzung dieser Maßnahmen begonnen und inzwischen auch die aktive Rekrutierung unabhängiger Autoren auf den Weg gebracht.

Auf Initiative von NeurologyFirst wurde vom DGN-Präsidium 2018 eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit der Finanzierung des Kongresses und der Sicherstellung seiner wissenschaftlichen Qualität beschäftigt. Dort bietet NeurologyFirst wieder eine eigene Veranstaltung an (27.9.). Wir freuen uns über alle, die mitdiskutieren wollen!


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Prof. Dr. Tom Bschor
Redaktion: Dr. Anja M. Bauer
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.
Schlosspark-Klinik, Abteilung für Psychiatrie
Heubnerweg 2, 14059 Berlin
Email: info@bgpn.de   


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