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DOI: 10.1055/a-0943-1068
Pränatale sonografische Diagnostik von Lungenfehlbildungen
- Einleitung
- Unilaterale Lungenagenesie
- Lungenhypoplasie
- Kongenitale zystisch-adenomatoide Malformation der Lunge (CCAML)
- Lungensequester
- Zwerchfellhernie
Einleitung
In Deutschland ist etwa jedes 15. Neugeborene von einer großen (angeborenen) Fehlbildung betroffen (ca. 49 000/Jahr).
Ziel sonografischer Untersuchung ist nicht die Geburt eines „designten“ Kindes, sondern bei nachgewiesenen Auffälligkeiten die Sicherung einer optimalen Betreuung während der verbleibenden Restschwangerschaft, Vermittlung von Beratungsmöglichkeiten für die prospektiven Eltern, Wahl eines geeigneten Entbindungsortes (Perinatalzentrum) mit entsprechender interdisziplinärer (z. B. kinderkardiologischer oder kinderchirurgischer) Kompetenz. Entsprechend der Diagnose kann auch die vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der geltenden Bestimmungen (u. a. § 218 StGB, Schwangerschaftskonfliktgesetz) Resultat einer vorgeburtlichen Diagnostik sein.
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Als Indikatorfehlbildungen werden 36 exakt definierte Fehlbildungen bezeichnet, die als strukturelle Defekte des Körpers und/oder von Organen die Lebensfähigkeit und die Lebensqualität beeinflussen bzw. einer medizinischen Intervention bedürfen. Fehlbildungen der Lunge werden im Rahmen der sog. Indikatorfehlbildungen (definiert vom International Clearinghouse for Births Defects Surveillance and Research (ICBDSR)) nicht explizit benannt. Die angeborene Zwerchfellhernie (ICD-10: Q61.1-Q61.9) gehört zu den Indikatorfehlbildungen und wird wegen der Bedeutung für die fetale Lungenentwicklung hier ausdrücklich erwähnt.
Insgesamt sind Lungenfehlbildungen seltene Ereignisse. Weitaus häufiger werden angeborene Herzfehler oder Erkrankungen der Nieren und ableitenden Harnwege des Fötus beobachtet. Der frühzeitigen, möglichst pränatalen Erkennung von Lungenfehlbildungen kommt wegen der zentralen Bedeutung der ungestörten Lungenfunktion beim Neugeborenen eine große Bedeutung zu.
Unilaterale Lungenagenesie
Es handelt sich um eine sehr seltene Hemmungsmissbildung mit fehlender oder rudimentärer Entwicklung des ipsilateralen Bronchus. Die Prävalenz wird mit 0,0034–0,0097 % angegeben. Die geschätzte Inzidenz (Autopsie-Daten) liegt bei 1:15 000.
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linksseitig häufiger, manchmal Kombination mit Vitium cordis (Fallot’sche Tetralogie)
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rechtsseitige Lungenagenesie führt zur Obstruktion von großen Gefäßen und Atemwegen, häufig Kombination mit Herzfehlern (Lungenvenenfehleinmündung, VSD, Aortenisthmusstenose)
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Ausdehnung der kontralateralen Lunge bis auf die Gegenseite, Gefahr der Hyperperfusion, Neigung zur pulmonalen Hypertonie
Sonografie:
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Fehlen eines Lungenflügels
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ggf. Nachweis eines Vitiums
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Lungenhypoplasie
Die Inzidenz der Lungenhypoplasie wird in Autopsie-Serien mit bis zu 10 % und ca. 2/1000 Lebendgeborene angegeben. Eine Lungenhypoplasie wird definiert als Zustand, bei dem das kombinierte Lungengewicht weniger als 1,2 % des Körpergewichts bzw. das Lungenvolumen < 60 % des üblichen Lungenvolumens beträgt oder der sog. „radial alveolar count“ mit < 4 ermittelt wurde.
Für die normale intrauterine Entwicklung der fetalen Lungen sind verschiedene Faktoren maßgeblich notwendig. Eine Schlüsselrolle kommt einer normalen Fruchtwassermenge zu. Fetale Kompression bei Oligo- oder Anhydramnion (z. B. als Folge eines vorzeitigen Blasensprungs, bei renaler Agenesie, bei schwerer obstruktiver Uropathie, fetaler Nierenfunktionsstörung (Zystennieren)) begünstigen eine Lungenhypoplasie. Eine kongenitale Zwerchfellhernie (CDH) führt sekundär zu einer Entwicklungsstörung der primär normal angelegten Lunge ([Tab. 1]).
Sonografie:
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Beurteilung der Fruchtwassermenge
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Amnion-Fluid-Index (AFI), Oligohydramnion AFI < 5. Perzentile, Polyhydramnion > 95. Perzentile
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Single deepest pocket (SDP),
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Nachweis von Magen, Leber, Darm im Thorax des Fötus; Mediastinal-Verlagerung
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fetaler Pleuraerguss
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Thorax-Form
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Kongenitale zystisch-adenomatoide Malformation der Lunge (CCAML)
Die CCAML ist die häufigste angeborene Lungenfehlbildung, aber mit einer Häufigkeit von 1:8300–1:35 000 trotzdem relativ selten. Ursache der CCAML ist eine Fehlentwicklung des Bronchialbaums mit einem gesteigerten Wachstum der terminalen Bronchiolen. Das zum Zeitpunkt der Entwicklungsstörung vorliegende Gestationsalter hat vermutlich einen Einfluss auf den Typ der CCAML. Die CCAML wird häufiger beim männlichen Fötus beobachtet und tritt in 80–95 % einseitig auf (weniger als 2 % bilateral) ([Tab. 3], [Abb. 1], [2], [3]).
Suptyp |
Häufigkeit |
Morphologie |
Kommentar |
Typ 0 |
1–3 % |
diffuse Malformation der gesamten Lunge |
postnatal schweres Atemversagen, letaler Verlauf |
Typ I[1] |
60–70 % |
Zysten 2–10 cm, singulär, gelegentlich multilokulär, meist nur einseitig |
Atemnot, Mediastinal-Verlagerung |
Typ II[2] |
15–20 % |
Zysten 0,5–2 cm, ähnelt Lungensequester, hat im Gegensatz dazu aber keine Gefäßversorgung! |
häufig Begleitfehlbildungen Gastrointestinaltrakt, Nieren, Zwerchfell, ZNS |
Typ III2 |
5–10 % |
sehr viele kleine Zysten bis 0,5 cm, häufig ganzer Lappen betroffen |
schwere Atemnot postnatal, Hydrops fetalis, Polyhydramnion, intrauteriner Fruchttod, schlechte Prognose |
Typ IV1 |
10–15 % |
Zysten bis 7 cm |
Zufallsbefunde nach Geburt häufig, postnatale Infektionen oder Pneumothorax |
1 maligne Entartung möglich.
2 keine maligne Entartung beschrieben.






Spontanregressionen in der Schwangerschaft sind – häufiger bei singulären oder großzystischen Befunden – beschrieben. Mikrozystische Läsionen sind häufiger mit Hydrops fetalis und Polyhydramnion assoziiert und haben eine schlechtere Prognose.
Die Diagnosestellung erfolgt in ca. 50 % der Fälle pränatal.
Sonografie:
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zystische Läsionen der fetalen Lunge
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Polyhydramnion
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Mediastinal-Verdrängung
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Abgrenzung zum Lungensequester
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(ergänzend pränatal MRT möglich)
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Lungensequester
Als Lungensequester wird dysfunktionelles Lungengewebe bezeichnet, das nicht an den Tracheobronchialbaum angeschlossen ist und in der Regel eine direkte Gefäßversorgung aus der Aorta aufweist. Intralobäre (in der Lunge und von der gleichen Pleura umgeben) werden von extralobären Lungensequestern (25 % der Fälle) abgegrenzt. 75–90 % der Lungensequester sind intrapulmonal lokalisiert, zumeist in den Unterlappen. Extralobäre Lungensequester werden vor allem links zwischen Unterlappen und Zwerchfell (90 % supradiaphragmatisch, 10 % subdiaphragmatisch) beobachtet. Der venöse Abstrom erfolgt über die pulmonalen Venen (intralobäre Lungensequester) bzw. die V. azygos (extralobäre Lungensequester) ([Abb. 4], [5]).




Sonografie:
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Hyperechogenität der extralobären Lungensequester im Vergleich zum normalen Lungengewebe ([Tab. 2])
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Gefäßdarstellung (farbcodierte Dopplersonografie)
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gelegentlich Pleuraerguss (6–10 % der Fälle)
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Begleitfehlbildungen möglich (CDH, CCAML, Vitium, Nieren, Cerebrum, Skelett) (extralobäre Lungensequester 60 %; intralobäre Sequester 10 %)
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(ergänzend pränatal MRT möglich)
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Zwerchfellhernie
Zwerchfellhernien (congenital diaphragmatic hernia, CDH) zählen zu den seltenen, je nach Ausprägungsgrad aber schwerwiegenden angeborenen Fehlbildungen. Dabei kann das Zwerchfell partiell oder vollständig fehlen, wobei bevorzugt die linke Seite betroffen ist (80–90 % linksseitig; 10–20 % rechtsseitig). Im Gegensatz zum Zwerchfelldefekt ist bei der Hernie ein peritonealer Bruchsack in den Thorax verlagert. Die Inzidenz wird mit 1:2000 bis 1:5000 angegeben. Die Genese von Zwerchfellhernien ist nicht vollständig geklärt.
Bestimmend für die postnatale Therapie und Prognose sind die persistierende pulmonale Hypertonie und das Ausmaß der Lungenhypoplasie. Die sonografische Detektion ist ab der 18. SSW möglich. Für die Prognoseabschätzung ist die Bestimmung des fetalen Lungenvolumens wichtig. Dieses kann sonografisch (B-Bild, 3D-Volumen-Ultraschall) und mittels MRT erfolgen.
Folgende Bestimmungsmethoden sind etabliert:
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lung area to head circumference ratio (lung-to-head-ration, LHR), absolute LHR
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observed/exspected lung-to-head-ratio (o/e LHR)
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quantitative Lung-Index (QLI)
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3D-Volumen-Ultraschall-Messung der fetalen Lungenvolumens
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Lungenvolumetrie im MRT
Sonografie:
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Nachweis von Magen, Darm, Leber im fetalen Thorax
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Verlagerung von Herz- und Mediastinum in der Vierkammerblickebene
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Nachweis einer Flow-Minderung in der A. cerebri media (Zwerchfellhernie komprimiert linken Ventrikel – fetales Herzminutenvolumen verringert) als negativer Prognosefaktor (infaust!)
Sonografische und ergänzend dopplersonografische und 3D-Volumen-Ultraschall-Untersuchungen ermöglichen im Rahmen der pränatalen Diagnostik die Erkennung und in bestimmten Situationen auch Prognoseabschätzung angeborener Lungenerkrankungen.
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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