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DOI: 10.1055/a-0966-4921
Prävention im Hautschutzzentrum – ein Konzept zur erfolgreichen Vermeidung von Berufsunfähigkeit
Prevention in the Skin Protection Centre – A Concept for the Successful Avoidance of Occupational DisabilityKorrespondenzadresse
Publication History
Publication Date:
13 November 2019 (online)
- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Ablauf der Patientenbetreuung im Hautschutzzentrum
- Fallbeispiele
- Leistungen des Hautschutzzentrums
- Schlussfolgerung
- Literatur
Zusammenfassung
Berufsbedingte Erkrankungen der Haut erfordern umfangreiche Maßnahmen zur Verhinderung einer krankheitsbedingten Berufsaufgabe. Adäquate Diagnostik und Therapie sind wichtig, aber zur Wiederherstellung von Arbeitsfähigkeit und hautgesunder Weiterbeschäftigung allein oft nicht ausreichend. Das Konzept eines Hautschutzzentrums vereint alle wesentlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Intervention in Zusammenarbeit mit den Gesetzlichen Unfallversicherern. Entscheidend ist die zeitnahe, umfassende Evaluation aller Ursachen sowie deren Beseitigung. Je länger die entscheidenden Stellschrauben nicht gedreht werden, desto eher ist durch Chronifizierung und Entstehen von Allergien ein Krankheitszustand erreicht, der ein hautgesundes Weiterarbeiten in dem häufig geliebten Beruf unmöglich macht. Neben organisatorischen und technischen Veränderungen beruht ein wesentlicher Teil des Erfolgs eines Hautschutzzentrums auf der Induktion und dem dauerhaften Etablieren grundlegender Verhaltensänderungen der Betroffenen.
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Abstract
A variety of measures is needed to prevent job loss as a result of an occupational skin disease. In order to achieve a successful restoration of work capacity and stable health of the skin, diagnostics and therapy are important but in many cases not sufficient. The concept of a Skin Protection Center (German: Hautschutzzentrum), a specialized dermatological doctor’s office focussing on occupational skin protection, combines all the necessary requirements for a comprehensive treatment in cooperation with the Institution for Statuatory Accident Insurance and Prevention. The quick and extensive evaluation of all the causes and possible cures of a skin disease is crucial. The longer this process takes, the higher is the risk of permanent loss of the ability to work in the given field due to newly developed allergies and chronification. In addition to both organizational and technical changes at the workplace, a key factor for the success of the Skin Protection Center is to establish and encourage permanent behavioural changes in the patient, ensuring successful treatment on a long-term basis.
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Einleitung
Tätigkeitsbedingte Hauterkrankungen erfordern frühzeitige Interventionsstrategien. Mit dem Hautarztverfahren wurde in den 1970er-Jahren hierzu ein wirksames Instrument implementiert, welches von den Unfallversicherern und Berufsdermatologen ständig weiterentwickelt wird. Der § 3 der Berufskrankheitenverordnung ermöglicht Hautärzten schon vor Eintritt der Berufskrankheit, zulasten des Gesetzlichen Unfallversicherungsträgers (kurz: Unfallversicherungsträger, UV-Träger) mit allen geeigneten Mitteln zu behandeln und so der Entstehung einer BK 5101 gezielt entgegenzusteuern. Am Verfahren können neben dem behandelnden Hautarzt der Betriebsarzt, die Präventionsdienste der Unfallversicherungsträger und Sicherheitsfachkräfte in den Betrieben beteiligt sein; trotzdem entstehen oft lange Laufzeiten aufgrund der Komplexität. Die Koordination der Hilfe für die Versicherten ist anspruchsvoll. Vielfach werden Versicherte über Jahrzehnte im Rahmen von § 3-Maßnahmen betreut.
Diese für alle beteiligten Parteien u. U. unbefriedigende Situation führte zu Spezialisierungen in der Berufsdermatologie und zur Entwicklung von Hautschutzzentren. Berufsbedingte Hauterkrankungen (BK Nr. 5101) sind schließlich mit ca. 22 000 Verdachtsfällen jährlich die am häufigsten angezeigte Berufskrankheit [1]. Die volkswirtschaftlichen Kosten wurden schon 2004 auf bis zu 1,92 Mrd. Euro pro Jahr [2] [3] [4] geschätzt, wobei diese Zahlen das Leid der Versicherten, ihre oft chronische und stark beeinträchtigende Belastung bei der Arbeit und im Alltag und die damit einhergehende berechtigte Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes nicht widerspiegeln [5] [6].
Die Dr. Neuber Hautschutzzentrum GmbH (kurz: Hautschutzzentrum, HSZ) bietet für eine frühzeitige und nachhaltige Intervention umfangreiche Leistungen zur primären und sekundären Prävention an. Die Kernkompetenz des Hautschutzzentrums ist die ambulante, berufsbegleitende, individuelle ärztliche/berufsdermatologische Betreuung der Versicherten. Je früher diese Betreuung beginnt und je intensiver sie erfolgt, desto besser sind die Ergebnisse [7] [8]. Ziel ist die Verhinderung des Entstehens einer Berufskrankheit. Durch Einbindung aller am Verfahren Beteiligten kann dies gelingen.
Im Hautschutzzentrum konnten in den Jahren 2014 – 2018 insgesamt 3982 neue Patienten unterschiedlichster Berufsbilder beraten werden. Wir blicken auf 15 699 Konsultationen in diesem Zeitraum und seit Eröffnung des Hautschutzzentrums auf insgesamt ca. 35 000 berufsdermatologische Beratungen zurück.
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Ablauf der Patientenbetreuung im Hautschutzzentrum
Es gibt verschiedene Konzepte zur Prävention von Hauterkrankungen: Stationäre Einrichtungen fokussieren auf eine intensive, i. d. R. einmalige und mehrwöchige Behandlung und Schulung der erkrankten Versicherten; in den Schulungs- und Beratungszentren (SchuBerZ) der BGW finden 1- bis 2-tägige Intensivschulungen und Beratungen statt.
Im Hautschutzzentrum erfolgt die berufsdermatologische Betreuung berufsbegleitend und ambulant über den bis zur Stabilisierung notwendigen Zeitraum. Diese Maßnahme ist niederschwellig angelegt. Die Hautschutzberatung erfolgt sehr anwendungsbezogen und in enger Zusammenarbeit mit dem Präventionsdienst bzw. den Zuständigen innerhalb des Versorgungskonzepts des jeweiligen UV-Trägers. Verbesserungsvorschläge können so ohne Verzögerung im Arbeitsprozess ausprobiert und adaptiert werden. Die Abwesenheit vom Arbeitsplatz wird im Verfahren auf ein Minimum reduziert, was die Akzeptanz der Maßnahme steigert und dem Arbeitgeber die Mitwirkung erleichtert.
Bei der ca. 2-stündigen Erstvorstellung im HSZ erhebt ein Berufsdermatologe die sehr ausführliche Anamnese. Diese umfasst nicht nur die komplette medizinische Geschichte des Patienten, sondern auch dessen Arbeitsplatz, die private Hautbelastung und persönliche Besonderheiten. Ergänzt werden diese Angaben durch die vom Unfallversicherungsträger übermittelten Unterlagen, welche konkrete Angaben über die tatsächlich durchgeführte Arbeit, die Hautgefährdung und die Schutzmöglichkeiten am Arbeitsplatz enthalten können. Das HSZ ermittelt individuelle Risikoprofile am Arbeitsplatz wie auch in der Freizeit. Insbesondere Feuchtbelastung, Irritantienkontakte und Reinigungsverhalten werden erfragt. Auf dieser Basis berät das HSZ dann die Versicherten. Die vorliegende Hauterkrankung wird ausführlich besprochen. Der Arzt erklärt dem Betroffenen Ursachen bzw. bespricht weiteren Klärungsbedarf und Lösungsmöglichkeiten in verständlicher Weise. Auch die Prognose der Hauterkrankung wird dem Betroffenen erläutert.
Bei nachgewiesenen Typ I- oder Typ IV-Sensibilisierungen erfolgt eine Bewertung sowie Relevanzbeurteilung und, soweit möglich, eine Überprüfung des Gehalts der Arbeitsstoffe oder privater Externa auf das jeweilige Allergen. Ggf. wird über den Präventionsdienst oder über den Hersteller eine weitere Klärung angeregt. Es erfolgt eine intensive Besprechung mit dem Versicherten über das Vorkommen der Allergene.
Im Rahmen der Beratung im HSZ werden den Versicherten i. d. R. direkt die empfohlenen Hautmittel und Handschuhe und der dazugehörige individuelle Hautschutzplan ausgehändigt. Die adäquate Anwendung der empfohlenen Mittel wird erläutert und eingeübt, sodass die Erprobung am Arbeitsplatz nach Rücksprache mit der betrieblichen Sicherheitsfachkraft ohne weitere Schwierigkeiten oder Wartezeiten erfolgen kann.
Ergänzend werden auch die therapeutischen Maßnahmen ausführlich durchgesprochen. Der Patient erhält schriftliche Empfehlungen zur stadiengerechten Therapie, welche den aktuellen wissenschaftlichen Stand wie auch die berufsdermatologische Erfahrung und die Umsetzbarkeit für den Patienten berücksichtigen. Besonderer Wert wird auf eine wirksame, barrierestabilisierende Therapie gelegt.
Bei der Folgekonsultation im HSZ werden die Anwendung der Mittel, ihre Wirksamkeit und die Praktikabilität der Maßnahmen evaluiert und ggf. Modifikationen vorgenommen. Gleichzeitig kann im Rahmen der Vorstellungen die Therapie „feinadaptiert“ werden.
Über jede Konsultation erhält der Unfallversicherungsträger einen Bericht mit entsprechender berufsdermatologischer Wertung des Versicherungsfalles, welchem ein Arztbrief für die behandelnden Kollegen beiliegt. Die Betreuung im Hautschutzzentrum kann und will die behandelnden Kollegen vor Ort nicht ersetzen, sondern gezielt unterstützen. Der Versicherte stellt sich weiter wohnortnah beim behandelnden Hautarzt parallel zur Betreuung im HSZ vor. Im Optimalfall hat der Versicherte so in vergleichsweise engen Abständen kompetente Ansprechpartner, die sich über die Berichte austauschen, und kann eine stadiengerechte Therapie nach Bedarf erlernen. Der Informationsfluss zwischen den Beteiligten wird im Verfahren durch die Unfallversicherungsträger gewährleistet, die „Herr des Verfahrens“ sind.
Neben den oben genannten Punkten wird bei der Erstvorstellung auch eine Einschätzung abgegeben, ob die Unfallversicherungsträger die korrekten Kostenträger sind. Durch die behandelnden Hautärzte wird initial zunächst ein berechtigter Verdacht auf einen beruflichen Zusammenhang gemeldet. In Anbetracht der kurzen Zeitspanne, die dem behandelnden Arzt für klinische und berufliche Anamnese, Untersuchung, Dokumentation und Therapieeinleitung zur Verfügung stehen, gibt es regelmäßig Fälle, die bei näherer Betrachtung in die Zuständigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung gehören. So fällt bspw. die Behandlung einer eigendynamisch verlaufenden atopischen Dermatitis bei einer Lehrerin ohne berufliche Hautbelastung i. d. R. nicht in die Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers, auch wenn sich ein deutlicher, durchaus auch ärztlich dokumentierter zeitlicher Bezug zur beruflichen Tätigkeit ergibt. Auch hier werden bei der Beratung im HSZ mögliche Zusammenhänge erläutert und der Umgang mit infrage kommenden Triggerfaktoren erklärt. Im Beispiel wäre an eine atopische Hautdiathese, regelmäßige Kreidekontakte, häufiges Händewaschen und Vermeidung von Eincremen aus Sorge vor Fingerabdrücken zu denken. Die Versicherten erhalten Empfehlungen, wie sie diese Faktoren abstellen oder deutlich verringern können. Auch dadurch wird der Hautarzt vor Ort unterstützt.
Zeitnah, je nach Intensität der Problematik und der Fragestellung, folgen Verlaufskontrollen im Hautschutzzentrum. Eine gründliche Zwischenanamnese wird erhoben und vom Unfallversicherungsträger oder dem behandelnden Hautarzt eingegangene Unterlagen werden ausgewertet. Der Effekt der empfohlenen Maßnahmen wird besprochen. Insbesondere Wirksamkeit und Akzeptanz der einzelnen Hautschutzmittel werden evaluiert. Die Versicherten erhalten, falls nötig, modifizierte Empfehlungen sowohl zu Hautschutz als auch Therapie bis zur nächsten Vorstellung.
Die Betreuung im HSZ wird beendet:
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wenn die Hauterkrankung stabil abgeheilt ist bzw. sich derart stabilisiert hat, dass die berufliche Tätigkeit ohne Gefährdung des Versicherten fortgeführt werden kann,
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wenn bei anlagebedingten Hauterkrankungen der berufsbedingte Verschlimmerungsanteil abgestellt werden konnte,
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sobald eingeschätzt wird, dass die Tätigkeit nicht fortgeführt werden kann,
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wenn der Unfallversicherungsträger dies wünscht.
In die Beurteilung des Aufgabezwangs fließen zwingend neben rein medizinischen Faktoren und Prognosen auch die Berücksichtigung der Arbeitsplatzsituation, des Versichertenalters und die individuelle Lebenssituation ein. Schon im Laufe des Sekundärpräventionsverfahrens werden regelmäßig explizite Einschätzungen zur berufsdermatologischen Prognose gegeben.
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Fallbeispiele
Zur Illustration des Verfahrens seien im Folgenden 4 beispielhafte Patientenfälle vorgestellt.
1. Vesikuläres Handekzem bei Okklusion und Hyperhidrose
Eine knapp 60-jährige Frau wurde dem HSZ Anfang April 2018 durch den Unfallversicherungsträger vorgestellt. Die Patientin arbeitet als Funktionskrankenschwester in einer kardiologischen Ambulanz seit 1995, wobei sie u. a. im OP steril assistiert und regelmäßig Flächendesinfektionsarbeiten durchführt. Sie trug im Durchschnitt ca. 2 – 3 h pro Schicht Latexeinmalhandschuhe, welche auch bei der Flächendesinfektion verwendet wurden.
Ab 2012 wurden bei der bisher hautgesunden Patientin die Hände palmarseitig zunehmend rau und schuppend. In den Folgejahren kamen schubweise kleine Bläschen hinzu. Immer wieder machten Rhagaden v. a. die Händedesinfektion sehr schmerzhaft. Die Versicherte stellte fest, dass Feuchtigkeit den Hautzustand negativ beeinflusst, sowohl am Arbeitsplatz bei längerem Tragen von Handschuhen wie auch im Tropenurlaub. Ansonsten sei es im Urlaub meist zur deutlichen Besserung der Symptomatik gekommen. Seit mindestens 2 Jahren erfolgte eine Monotherapie mit einem Lokalsteroid, phasenweise 2-mal täglich an mindestens 2 – 3 Tagen pro Arbeitswoche. Die Bläschenschübe traten zuletzt in zunehmender Frequenz auf. Das Hautarztverfahren wurde Anfang 2018 eingeleitet.
Bekannt war zudem eine Duftstoff-Sensibilisierung ohne klinische Relevanz.
Bei der Erstvorstellung im April 2018 stellte das HSZ bei positivem Atopiescore und positiver Familienanamnese die Diagnose eines atopischen Handekzems, welches beruflich ausgelöst und verschlimmert wurde. Es zeigten sich in beiden Handtellern leichte Hyperkeratosen mit festhaftender Schuppung und flächig disseminiert winzige subkorneale Bläschen ([Abb. 1 a]). Es wurden adäquate Schutzhandschuhe wie auch Baumwollunterziehhandschuhe ausgegeben, dazu geeignete Hautschutz- und Hautpflegemittel, da die arbeitgeberseitigen Mittel nicht gut anwendbar und zu okkludierend waren und das Schwitzen eher verstärkten. Therapeutisch wurde zunächst eine Reduktion der Anwendungsfrequenz des Klasse-II-Steroids vereinbart.
Bei der ersten Kontrollvorstellung im Juli 2018 berichtete die Versicherte von einem sehr wechselhaften Verlauf mit immer wieder auftretenden Bläschen und ödematösen Schwellungen der Hände. Die tätigkeitsbezogenen Beschwerden hatten sich insgesamt zwar etwas gebessert, aber weiter war häufig die Anwendung von Lokalsteroiden nötig. Während zweier Urlaube in großer Hitze traten ebenfalls ausgeprägte Bläschenschübe auf. Die Versicherte sah nun im Beruf nicht mehr den alleinigen Trigger, weiterhin wurde aber das nicht vermeidbare Handschuhtragen als wichtiger Faktor eingestuft. Daher wurde im HSZ der Fokus auf eine Verringerung der Hautbelastung beim Handschuhtragen gelegt. Es wurden gerbstoffhaltige Externa und ein Leitungswasser-Iontophoresegerät verordnet.
Schon kurz nach Beginn der Leitungswasser-Iontophoresebehandlung (LWI) trat – durch verringertes Schwitzen in den Handschuhen – eine deutliche Besserung ein. Bei den Verlaufskontrollen im Oktober 2018 und im März 2019 ([Abb. 1 b]) war die Versicherte durchgehend beschwerdefrei und sehr zufrieden. Über die regelmäßige Anwendung der LWI hinaus war keine Behandlung mehr nötig. Die optimierten Hautschutzmaßnahmen werden wie die LWI selbstverständlich dauerhaft fortgeführt.
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2. Handekzem vs. One-hand-two-feet-Syndrom
Im Frühjahr 2017 wurde uns ein 50-jähriger Versicherter vorgestellt, der an Hautveränderungen an den Händen litt. 2013 hatte sich der Patient erstmalig hautfachärztlich vorgestellt, seit 2014 wurde er zulasten der BG behandelt. Der Versicherte ist als Elektromonteur an Elektroanlagen in Großbetrieben beschäftigt, bei denen er mechanisch belastende und teils stark verschmutzende Arbeiten durchführen muss. Er bemerkte unter Arbeitsbelastung ein verstärktes Austrocknen der Haut und gab eine Besserung in arbeitsfreien Intervallen an. Es waren über die Jahre Vorbehandlungen mit lokalen Kortikosteroiden, Calcineurininhibitoren und Creme-PUVA erfolgt. Zeitweise hatte er von der BG gestellte Hautmittel verwendet, jedoch ohne Einfluss auf die besonders störenden Hauterscheinungen der rechten Hand. Bei der Vorstellung im Hautschutzzentrum zeigten sich die rechte Handfläche, die beugeseitigen Finger und die Fingerseitenflächen gerötet, betont in den Hautlinien eine weißliche, kleieartige Schuppung ([Abb. 2 a]). Die linke Hand war völlig erscheinungsfrei bis auf eine geringe Hauttrockenheit ([Abb. 2 b]). Beide Füße dagegen waren mit Aussparung der Fußgewölbe mokassinartig gerötet, schuppend, betont an den seitlichen Begrenzungen und den Zehenzwischenräumen ([Abb. 2 c]). Alle Fußnägel waren distal verdickt, gelblich verfärbt. Die Hauterscheinungen an den Füßen hatte der Versicherte bei der Anamnese nicht spontan berichtet. Die „trockenen Füße“ bestanden anamnestisch schon seit vielen Jahren, seinem behandelnden Hautarzt hatte er die Füße nie gezeigt. Wir veranlassten eine mykologische Untersuchung. Ex juvantibus wurde eine antimykotische Lokaltherapie eingeleitet. An der rechten Hand, den Füßen und den Zehennägeln bestätigte sich der Verdacht einer Mykose; in der Kultur wurde Trichophyton rubrum als pathogener Dermatophyt nachgewiesen – ein klassisches One-hand-two-feet-Syndrom. Nach telefonischer Rücksprache zur Erläuterung des Ergebnisses und der Beratung zu weiteren Therapieverfahren schilderte der Versicherte schon nach 4 Wochen eine erhebliche Besserung. Das Verfahren zulasten der BG konnte beendet werden, über den behandelnden Hautarzt wurde eine adäquate Therapie weitergeführt.
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3. Fußulzeration und adäquate Schuhversorgung
Im Herbst 2018 wurde ein 60-jähriger Drahtzieher vom Unfallversicherungsträger wegen rezidivierender Hauterscheinungen an den Händen und Füßen vorgestellt. Das Hautarztverfahren war 2015 eingeleitet worden. Angegeben wurden Fußekzeme seit Mitte der 90er-Jahre und ein Handekzem seit 2015. Der Versicherte ist an einer Ziehmaschine eingesetzt. Die Arbeitsplatzanamnese war vielschichtig, u. a. wurde konstatiert, dass es mehrfach am Tag zu Kontakt mit Kühlwasser und Ziehmittel an den Händen kam und darüber hinaus bis zu einer Stunde in einem Seifenbecken gearbeitet wurde, wobei Seife teils zwischen die Finger laufe und die Haut reize. Der Versicherte schützte sich vollschichtig mit Leder-Stoffhandschuhen, die bei derartigen Tätigkeiten durchfeuchteten.
Vorberuflich war der Versicherte hautgesund. Seit ca. 2 Jahren traten juckende, wässrige Bläschen an den Fingerseitenflächen aller Finger auf, die im weiteren Verlauf aufplatzten, die Haut riss teils tief ein. Eine wirkstoffhaltige Therapie an den Händen war bis zur Vorstellung im Hautschutzzentrum nicht erfolgt.
Für den Versicherten standen die Probleme an den Füßen klar im Vordergrund ([Abb. 3]). Als wesentliche Vorerkrankungen bestanden ein Schienbeinbruch links, ein Betriebsunfall mit Schien- und Wadenbeinbruch links, ein weiterer beruflicher Unfall mit Trümmerbruch des linken Fußes mit Fehlstellung und infolge der Unfälle ein Lymphödem des linken Unterschenkels. Immer wieder traten seit Mitte der 90er-Jahre am linken Fuß Hauterscheinungen mit Schwellungen und Ulzerationen am Fußrücken über dem „Buckel“ nach Trümmerbruch und an den streckseitigen Zehen, betont an der Großzehe (Reibungsstellen im Schuh), auf. Der Versicherte schilderte zudem ein „Ablösen der Haut“. Die Therapie erfolgte seit 2 Jahren langfristig mit wechselnden Steroidpräparaten, phasenweise in einer Kombination mit Antimykotika (bereits länger zurückliegend) oder Antiseptika, worunter es jeweils zur Abheilung der Hautveränderungen kam, jedoch mit Rezidivneigung nach Therapieende. Mehrfach erkrankte der Versicherte an Erysipelen, die teils stationär behandelt werden mussten. Es gab im Verlauf seit 2006 acht Krankschreibungen wegen der Hauterscheinungen am linken Fuß, davon 3 in den Jahren 2015 und 2016, 4 im Jahr 2018 mit einer Dauer von 1 – 7 Wochen, zudem 2 stationäre Aufenthalte. Der Hautbefund besserte sich anamnestisch regelhaft in arbeitsfreien Zeiten, da dann keine Sicherheitsschuhe getragen werden mussten.
Nach unserer Einschätzung ließen sich die rezidivierend auftretenden Hauterscheinungen an den Händen durch regelmäßige Kontakte zu Ziehseifen und die Arbeit in durchfeuchteten Handschuhen als irritatives Handekzem erklären.
Die Hauterscheinungen am linken Fuß erschienen wesentlich durch das Lymphödem und die Fehlstellung verursacht und begünstigt durch die Schweißneigung der Füße in den Sicherheitsschuhen. Der Versicherte trug wegen der Hautprobleme seinen Kompressionsstrumpf nur unregelmäßig. Es bestand zudem der Verdacht auf eine Tinea interdigitalis pedis und eine Onychomykose am Zehennagel. Eine mykologische Untersuchung erbrachte keinen Nachweis. Bei einer Mykose wäre eine Befundverschlechterung beim Schwitzen nicht untypisch, möglicherweise wären die Bläschenbildungen an den Händen auch als Mykid zu werten. Kleine Läsionen durch Reibung oder auch Mykose/Bläschen können wiederum Eintrittspforten für Bakterien bieten und Wundrosen (Erysipele) auslösen.
Im weiteren Verlauf gab es nochmals kurzfristig Hauterscheinungen an den Händen, da der Versicherte ausgegebene flüssigkeitsdichte Handschuhe nicht wie empfohlen nur bei den Nassarbeiten, sondern praktisch vollschichtig eingesetzt und darin stark geschwitzt hatte. Auf Details bez. der Hautschutzumsetzung kann hier aufgrund der Komplexität nicht näher eingegangen werden. Diese Symptomatik wurde unter korrekter Anwendung des Hautschutzes abgestellt, die Hauterscheinungen der Hände heilten ab.
Das Hauptproblem am linken Fuß wurde mit den zunächst ergriffenen Maßnahmen (antiseptisch, Kompressionsstrümpfe, Kortikoid ausschleichen) nicht behoben und bedingte noch eine einwöchige Arbeitsunfähigkeit (AU) im Dezember 2018 wegen erneuter Ulzeration. Bei Wiedervorstellung folgte dann eine dezidierte Anpassung der Schuhversorgung. Dem Versicherten wurden antiseptische Therapeutika und Hydrokolloid-Blasenpflaster für die Wunde sowie eine Ichthyolrezeptur zur Nachbehandlung bei geschlossenen Hautverhältnissen verordnet. Damit heilten die Hautveränderungen langsam ab. Der Versicherte wurde mit einem handelsüblichen Schuh versorgt, der bez. der Passform auf die individuelle Problematik abgestimmt ist. Es werden jetzt atmungsaktive Goretex S3-Arbeitssicherheitsschuhe getragen, welche zwei Nummern größer sind als die zuvor getragenen Arbeitsschuhe. Rechts wird der Schuh mit einer Einlegesohle angepasst. Bis zur Vorstellung Mitte 03/2019 konnte der Versicherte damit beschwerdefrei und ohne erneute Hautschädigung arbeiten. Er erhielt daher ein zweites Paar gleicher Schuhe zum täglichen Wechsel, um eine gute Trocknung zu gewährleisten. Das Verfahren konnte durch den UV-Träger Mitte 04/2019 nach einem Besuch des Präventionsdienstes und nach Abheilung der Hauterscheinungen an den Händen und Füßen beendet werden.
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4. Verdeckte Allergene im Kühlschmierstoff
Ende 2017 wurde ein damals 60-jähriger CNC-Maschinenbediener vom Unfallversicherer wegen eines seit Sommer 2016 bestehenden Handekzems vorgestellt. Bisher war der Versicherte immer hautgesund gewesen. Er verneinte Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis, nach Erlanger Atopiescore war jedoch eine atopische Disposition wahrscheinlich. Im Verlauf war ein deutlich erhöhtes Gesamt-IgE festgestellt worden.
Der behandelnde Hautarzt hatte 2016 und 2017 Epikutantestungen der Testreihen Standard, Gummichemikalien, Konservierungsmittel und Kühlschmierstoffe durchgeführt, es hatten sich Reaktionen auf Dibromdicyanobutan sowie eine schwache Reaktion auf Perubalsam gezeigt.
Die Hauterscheinungen waren fast durchgehend mit einem Klasse-III-Steroid behandelt worden. Ein Therapieversuch mit einem Calcineurininhibitor hatte zu einer Verschlechterung geführt. Eine Ichthyolrezeptur hatte keine ausreichende Wirksamkeit gezeigt.
Der Versicherte bearbeitet Aluminium, Stahl und Guss an modernen CNC-Bearbeitungszentren unter Verwendung von wassermischbaren Kühlschmierstoffen und war phasenweise an Maschinen, an denen mit Honöl gearbeitet wird, eingesetzt. Zunächst bestanden nur Hauterscheinungen an den Händen, die sich im Verlauf auf beide Unterarme ausbreiteten.
Im Jahr 2016 war eine einwöchige Arbeitsunfähigkeit erforderlich, 2017 folgten 4 Krankschreibungen von bis zu 7 Wochen.
Bei der Erstvorstellung im Hautschutzzentrum Ende 2017 – innerhalb einer Arbeitsunfähigkeit – fanden sich deutliche Hauterscheinungen an den Händen ([Abb. 4 a – c]), an den Unter- und den distalen Oberarmen sowie einige leicht gerötete, trockene, schuppende Effloreszenzen prätibial.
Die Erhebung der Anamnese gestaltete sich umfangreich und langwierig, Widersprüche waren aufzuklären. Auf Details kann hier nicht näher eingegangen werden. Der Versicherte schuldigte zunächst eine veränderte Blutdruckmedikation und das zu Beginn der Hauterscheinungen verwendete Honöl an. An diesem Arbeitsplatz wurde er jedoch nicht mehr eingesetzt. Trotzdem rezidivierten die Hauterscheinungen anamnestisch und wurden im Verlauf schlimmer, sodass dieser Auslöser als unwahrscheinlich eingeschätzt wurde.
Aus dem vom Versicherten geschilderten Verlauf und den dokumentierten Befunden war zunächst kein klarer zeitlicher Zusammenhang der Hauterscheinungen mit der beruflichen Tätigkeit erkennbar. Bei der Hausärztin wurden Nachermittlungen u. a. zum vermuteten zeitlichen Zusammenhang mit der Blutdruckmedikation veranlasst.
Die Nachermittlungen ergaben, dass die Hauterscheinungen in arbeitsfreien Zeiten zunächst abgeheilt waren, später aber nur noch eine unzureichende Besserung eintrat und die Medikation keinen Einfluss hatte.
Auch die Arbeitsplatzanamnese konnte erst im Laufe mehrerer Vorstellungen im HSZ ergänzt werden. Eine Nachermittlung über den Präventionsdienst wurde in Auftrag gegeben. Neben einem allergischen Kontaktekzem wurde ein kumulativ-toxisches Ekzem bei Atopie in Erwägung gezogen.
Im Ergebnis der Erstvorstellung empfahlen wir zunächst eine intensive Lokaltherapie mit Kortikosteroid, juckreizhemmenden Lotionen, ichthyolhaltiger Rezeptur und intensiver Basistherapie; es trat eine zunehmende Besserung ein, nach insgesamt 3-monatiger Arbeitsunfähigkeit bestand noch ein Residualbefund, alle anderen Hautveränderungen waren abgeheilt. Zwei Tage nach Wiederaufnahme der Arbeit Ende 02/2018 wurde eine erneute Verschlechterung des Hautzustands an Händen und Armen festgestellt. Nach 3 Arbeitswochen sahen wir die Unterarme wieder bis über die Ellenbeugen flächig gerötet, schuppend mit Papeln und Krusten. An den Fingern und Handflächen zeigten sich Rötung, Schuppung, Papulovesikel und Excoriationen bei atrophem Aspekt.
Die schriftlich und mündlich übermittelten Hautschutzempfehlungen hatte der Versicherte mit deutlichen Fehlern umgesetzt, Hautkontakt zum Kühlschmierstoff (KSS) hatte er noch nicht vollständig vermeiden können. Eine erneute Arbeitsunfähigkeit und eine stationäre Reha, v. a. wegen der Atrophie empfohlen, wurden vom Versicherten abgelehnt.
Aufgrund des Verdachts auf ein allergisches Kontaktekzem wurde in 04/2018 eine erweiterte Epikutantestung auch mit Arbeitsstoffen durchgeführt. In der breit angelegten Testung inklusive der Handschuhe, Hautmittel und Arbeitsstoffe konnten berufsrelevante Kontaktsensibilisierungen gegenüber dem wassermischbaren KSS (+/++ nach 24/72 h) sowie einfach positive Reaktionen gegenüber 1,2 Benzisothiazolinon (BIT), Monoethanolamin (MEA) und Methylisothiazolinon (MI) nachgewiesen werden. Im verwendeten KSS war laut Sicherheitsdatenblatt 2-Butyl-1,2-benzisothiazolin-3-on enthalten, die anderen Allergene nicht.
Wir vermuteten nun eine Kreuzallergie zu Benzisothiazolinon. 2-Butyl-1,2-benzisothiazolin-3-on ist als standardisierte Testsubstanz nicht verfügbar. In der Literatur gibt es nur wenige Fallberichte, sodass sich eine Kreuzreaktivität nicht belegen lässt, ausgeschlossen ist eine derartige Reaktion aber nicht. Auf unsere eindringliche Empfehlung versuchte der Versicherte im weiteren Verlauf im privaten wie beruflichen Umfeld alle Allergene zu meiden. Er wurde erneut ausführlich zu den erforderlichen Hautschutzmaßnahmen geschult, auch um eine etwaige irritative Verschlimmerung durch die (notwendige) Okklusion zu vermeiden. Die Verbreitung der Allergene wurde besprochen.
Der Hautbefund bei Vorstellung im HSZ im Juni 2018 ([Abb. 4 d, e]) war trotz Arbeitsbelastung deutlich besser als zu Beginn der Betreuung durch das HSZ, aber weiter unbefriedigend, im Juli wurde erneut eine zehntägige AU erforderlich. Mit dann gebessertem Hautbefund konnte bis Oktober unter Arbeitsbelastung eine zunehmende Stabilisierung erreicht werden ([Abb. 4 f]).
Der wassermischbare KSS wurde Mitte 10/2018 nach Einbeziehung des Präventionsdienstes und des Kühlschmierstofflieferanten durch ein KSS ohne die bekannten Allergene oder Isothiazolinone ausgetauscht.
Ende Oktober 2018 trat der Versicherte eine Reha an, er stellte sich kurz zuvor nochmals mit weiter gebessertem Hautbefund der Hände ([Abb. 4 g]) und leichten Ekzemen an den Unterarmen vor. Nach der Reha und einer dreiwöchigen Anschluss-AU waren die Hauterscheinungen komplett abgeheilt.
Epikutantestungen bei der Reha zeigten Reaktionen sowohl gegenüber dem zuerst verwendeten Kühlschmierstoff wie auch dem aktuell eingesetzten. Außerdem wurden multiple einfach positive Reaktionen (7-Ethylbiciclooxazolidin [Bioban CS-1246], [Nitrobutyl]morpholin [Bioban P 1487], Bronopol [2-Brom-2-nitropropan-1.3-diol], [Chlor-]Methylisothiazolinon (MCI), Methylisothiazolinon, 1,2 Benzisothiazolin-3-on und Monoethanolamin [MEA]) festgestellt.
Um das positive Testergebnis bei der Reha auf den neu verwendeten KSS abzuklären, erfolgte durch uns nochmals eine Herstellerabfrage bez. der Inhaltsstoffe des KSS, auch um Allergene mit Gehalt < 1 % nicht zu übersehen. In den Sicherheitsdatenblättern waren die nachgewiesenen Allergene nicht aufgeführt, der Präventionsdienst und der Hersteller des Kühlschmierstoffes hatten die Eignung unter Kenntnis der Allergene geprüft. In 03/2019 erhielten wir die Antwort, dass sowohl im zuerst verwendeten Kühlschmierstoff als auch bei dem seit 10/2018 verwendeten Kühlschmierstoff laut Entwicklungsabteilung des Herstellers „Monoethanolamin in gebundener Form“ enthalten ist. Unsere Annahme, dass es zu einer Aufspaltung und damit allergenen Wirkung kommen kann, wurde von Prof. Geier, IVDK, bestätigt. Zudem gab der Hersteller an, dass auch Methylisothiazilinon in dem zuerst verwendeten KSS mit einer Konzentration unterhalb von 1 ppm (damit besteht keine Deklarierungspflicht) enthalten ist.
Die Diagnose eines berufsbedingten allergischen Kontaktekzems konnte damit gesichert werden.
Der Versicherte arbeitet seit Januar 2019 ([Abb. 4 h]) durchgehend. Bei der letzten Vorstellung Anfang 03/2019 zeigte sich der Verlauf erfreulich stabil, es waren praktisch keine Hauterscheinungen mehr aufgetreten ([Abb. 4 i, j]), dies bestätigte sich auch beim Präventionsdienstbesuch Mitte 04/2019. Der Hautschutz wird sehr gewissenhaft umgesetzt, der Versicherte ist geschult im Umgang mit den Handschuhen und dem kontaminationsvermeidenden An- und Ausziehen.
Zum Erfolg trugen eine adäquate Therapie und die wiederholte Schulung zum adäquaten Hautschutz und zur Allergenmeidung bei. Es bleibt zu hoffen, dass der Versicherte bis zum Eintritt in den Ruhestand unter Hautschutz am Arbeitsplatz verbleiben kann.
In diesem Fall ist sicherlich auch eine chronische Barriereschädigung durch kumulativ-toxische Einflüsse bei atopischer Disposition zu diskutieren. Es bleibt zu bedenken, dass es sich um einen bis zum 60. Lebensjahr hautgesunden Versicherten handelte, der bis dato unter der berufstypischen Belastung keinerlei Probleme hatte und der sehr deutliche Hauterscheinungen auch an den Armen hatte, obwohl er lange versuchte, den direkten Kontakt zu den Arbeitsstoffen zu vermeiden. Als allergene Auslöser konnten schließlich Monoethanolamin und Methylisothiazolinon identifiziert werden. Die Hauterscheinungen besserten sich langsam unter perfektem Hautschutz und unter Meidung des Allergenkontakts auch im privaten Bereich, obwohl weiter mit dem MEA-haltigen KSS (ohne Deklarierungspflicht) gearbeitet wird. Ob zudem eine Kreuzallergie von 2-Butyl-1,2-benzisothiazolin-3-on bei Sensibilisierungen gegenüber MI und BIT eine Rolle spielte, bleibt letztlich unklar. Eine weitere Klärung ist nur durch eine nicht standardisierte Testung möglich, wozu der Versicherte bei gutem Verlauf derzeit nicht bereit ist.
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Leistungen des Hautschutzzentrums
Diese Fallbeispiele verdeutlichen, wie wichtig es ist, Ursachen der Hauterkrankung zu identifizieren und zu eliminieren. Die oft vieljährige Verfahrenslänge bzw. Leidensdauer der Versicherten ist auch für „Bagatellfälle“ durchaus typisch. So können die von vielen Patienten mit hautbelastender Tätigkeit beklagten, regelmäßig im Winter auftretenden, blutigen Rhagaden der Hände i. d. R. mit einfachen Mitteln rasch und effektiv behandelt werden. Je früher eine Intervention eingeleitet wird und nach umfassender, individueller Beratung der Betroffenen greift, desto besser. Dies erspart dem Patienten Leid und dem Unfallversicherungsträger Kosten. Wie schon einleitend erläutert, sind die Faktoren Zeit und Erkrankungsdauer wesentlich für den Erfolg der berufsdermatologischen Intervention. Bei langer Verfahrensdauer und ausgeprägter Barrierestörung kann die Belastbarkeit der Haut derart gemindert sein, dass trotz adäquater Maßnahmen – beispielhaft bei Fall 4 – nur eine sehr langsame Stabilisierung erreicht werden kann, die manchmal die Geduld des Versicherten oder des Arbeitgebers überfordert.
Flankiert wird das Verfahren im HSZ von berufsspezifischen Hautschutzseminaren z. B. für handwerklich tätige Versicherte, für Mitarbeiter in metallbearbeitenden Betrieben oder in Heilberufen, Laboranten oder Reinigungskräfte. Im Hautschutz-Seminar werden im Rahmen eines strukturierten und standardisierten Programmablaufs Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten zum Umgang mit der Hauterkrankung vermittelt. Die Teilnehmer werden motiviert, diese Lerninhalte eigenverantwortlich und dauerhaft anzuwenden, um den Verbleib im Beruf zu sichern. Über einen dosierten Wiederholungsanteil werden Schulungsinhalte vertieft, trainiert und die – i. d. R. notwendige – Verhaltensänderung gefestigt. Dem Teilnehmer werden Grundkenntnisse über Hauterkrankungen (Entstehung, Einflussfaktoren, Entwicklung/Verlauf) in anschaulicher und verständlicher Form vermittelt. Der Teilnehmer wird in die Lage versetzt, hautschädigende Arbeiten und Abläufe zu erkennen und somit Risikoverhalten abzubauen. Präventives Schutzverhalten wird trainiert. Es werden Möglichkeiten aufgezeigt, im Arbeitsalltag auch unter Zeitdruck und Stress mit adäquaten Maßnahmen auf wechselnde Hautbelastungen und Gefahren im Umgang mit Arbeitsstoffen zu reagieren. Ferner werden Grundkenntnisse zur stadiengerechten Anwendung von dermatologischen Therapien vermittelt.
Weiter bietet das HSZ unabhängig vom Sekundärpräventionsverfahren primärpräventive Schulungen an. In Industriebetrieben wie auch in medizinischen und pflegenden Einrichtungen werden Mitarbeiter für die Gefahr von Hauterkrankungen sensibilisiert und notwendige Hautschutzmaßnahmen erklärt, um das Entstehen tätigkeitsbezogener Hauterkrankungen zu vermeiden. Im Rahmen dieser Schulungen wird eine individuelle berufsdermatologische Beratung vom HSZ angeboten.
Natürlich ist das Hautschutzzentrum darüber hinaus für Unfallversicherer, Versicherungen wie auch für Gerichte gutachterlich tätig. Zertifizierte berufsdermatologische Gutachter verfassen zur Feststellung des Vorliegens der Berufskrankheiten BK 5101, 5102 und 5103 wie auch anderer Hautkrankheiten wissenschaftliche Gutachten.
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Schlussfolgerung
Hautschutzzentren können sehr effektiv alle am Hautschutzverfahren Beteiligten unterstützen – betroffene Patienten, Unfallversicherungsträger und behandelnde Hautärzte. Der Verbleib der Versicherten am Arbeitsplatz und eine beschwerdefreie Fortsetzung der Tätigkeit sind Ziel der Intervention. Dies gelingt durch eine frühzeitige Einbeziehung des Hautschutzzentrums, welches über die erforderliche berufsdermatologische Kompetenz, langjährige Erfahrung und gute Kenntnis unterschiedlichster Arbeitsplätze verfügt. Es resultieren neben einer Kostenersparnis für den Unfallversicherer eine hohe Zufriedenheit der betroffenen Versicherten und nachhaltig gute Ergebnisse.
Anhand [Tab. 1] zur Entwicklung der BK 5101 lässt sich das Meldeverhalten gut belegen. Während in den frühen 2000er-Jahren noch von einer erheblichen Dunkelziffer ausgegangen wurde, gingen später die Meldezahlen deutlich nach oben und sanken im Jahr 2017 wieder auf knapp über 21 000. Interessanter ist aber, dass der Aufgabezwang, der sich in der Zahl der anerkannten Berufskrankheiten widerspiegelt, in den letzten Jahren deutlich rückläufig war und die Berufskrankheiten mit Rentenzahlungen bei einer MdE von ≥ 20 v. H. seit 2005 fast halbiert werden konnten. Hinter diesen Zahlen stehen menschliche Schicksale von Arbeitnehmern, die ihren Beruf aufgeben mussten und möglicherweise dadurch in persönliche und finanzielle Schwierigkeiten gelangten. Daher freuen wir uns, ein Teil dieser Erfolgsgeschichte zu sein. Entscheidend ist für das weitere Gelingen ein gutes Miteinander aller Beteiligten (behandelnde Hautärzte, Präventionsdienst, Betriebsärzte, Sachbearbeiter, Kliniken zur Rehabilitation), die nur gemeinsam das Bestmögliche für die Versicherten erwirken können. Schlüssel sind die Kommunikation und der Austausch, die über die Unfallversicherungsträger als Schnittstelle erfolgen müssen.
Jahr |
2005 |
2009 |
2010 |
2014 |
2015 |
2016 |
2017 |
Meldungen zur BK 5101 |
16 529 |
19 210 |
23 596 |
23 977 |
23 786 |
22 574 |
21 063 |
davon BK anerkannt |
877 |
586 |
559 |
565 |
578 |
533 |
515 |
mit Rentenzahlung (MdE ≥ 20 v. H.) |
263 |
151 |
168 |
148 |
169 |
143 |
136 |
gesamte Meldungen |
59 919 |
66 951 |
70 277 |
71 685 |
76 991 |
75 491 |
75 187 |
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Interessenkonflikt
Die Dr. Neuber Hautschutzzentrum GmbH wird von verschiedenen Gesetzlichen Unfallversicherungsträgern mit der Betreuung von deren Versicherten zu Primär- und Sekundärpräventionsmaßnahmen sowie mit Begutachtungen und beratungsärztlichen Stellungnahmen beauftragt.
* geteilte Autorenschaft
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Literatur
- 1 Deutsche gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). DGU-Statistiken für die Praxis 2017. Aktuelle Zahlen und Zeitreihen aus der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Im Internet: https://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/12743-dt.pdf S. 63 (abgerufen am 28.03.2019)
- 2 Batzdorfer L, Schwanitz H-J. Direkte und indirekte Kosten berufsbedingter Hauterkrankungen. ASU 2004; 39: 578-582
- 3 Diepgen TL, Purwins S, Posthumus J. et al. Cost-of-illness Analysis of Patients with Chronic Hand Eczema in Routine Care in Germany: Focus on the Impact of Occupational Disease. Acta Derm Venereol 2013; 93: 538-543
- 4 Diepgen TL, Scheidt R, Weisshaar E. et al. Cost of illness from occupational hand eczema in Germany. Contact Dermatitis 2013; 69: 99-106
- 5 Meding B, Wransjö K, Järvholm B. Fifteen-year follow-up of hand eczema: persistence and consequences. Br J Dermatol 2005; 152: 975-980
- 6 Le Coz CJ. Hand eczema and occupational disorders. Ann Dermatol Venereol 2010; 137 (Suppl. 03) 104-110
- 7 Cvetkovski RS, Rothman KJ, Olsen J. et al. Relation between diagnoses on severity, sick leave and loss of job among patient with occupational hand eczema. Br J Dermatol 2005; 152: 93-98
- 8 Mälkönen T, Alanko K, Jolanki R. et al. Long-term follow-up study of occupational hand eczema. Br J Dermatol 2010; 165: 999-1006
Korrespondenzadresse
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Literatur
- 1 Deutsche gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). DGU-Statistiken für die Praxis 2017. Aktuelle Zahlen und Zeitreihen aus der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Im Internet: https://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/12743-dt.pdf S. 63 (abgerufen am 28.03.2019)
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