Schlüsselwörter
nosokomiale Infektionen - katheterassoziierte Infektionen - Desinfektionsmaßnahmen
- Katheterverbände - Antiseptika
Key words
nosocomial infections - device-associated infections - disinfection - device dressing
- antiseptics
(Quelle: KH Krauskopf.)
Epidemiologie
Die nosokomialen Infektionen stellen auf der Intensivstation weiterhin ein erhebliches
Problem dar. Die Fallzahl in Deutschland wird pro Jahr auf 400 000 – 600 000 geschätzt.
Die Gesamtprävalenz 2016 betrug 4,6% (auf den Intensivstationen 17,07%). Dabei waren
am häufigsten die Infektionen der unteren Atemwege (24%) aufgeführt, gefolgt von den
postoperativen Wundinfektionen (22,4%), den Harnwegsinfektionen (21,6%) sowie der
primären Sepsis (5,1%). Von den Pneumonien waren 35,3% beatmungsassoziiert, von den
Harnwegsinfektionen 60,7% mit einem Harnwegskatheter assoziiert. Von der primären
Sepsis waren 78,1% mit einem zentralen Venenkatheter (ZVK) assoziiert (21,9% mit einem
peripheren Venenkatheter). Eine sekundäre Sepsis entwickelte sich in 26,6% der Fälle
aus einer Pneumonie, in 26,6% aus einem Harnwegsinfekt sowie in 18,8% aus einer postoperativen
Wundinfektion [2].
Merke
Die häufigsten nosokomialen Infektionen sind Infektionen der unteren Atemwege; ungefähr
zwei Drittel der Harnwegsinfektionen sind Harnwegskatheter-assoziiert.
Desinfizieren
Hände- und Flächendesinfektion
Eine effektive, teils kausale und für den Patienten in keinster Weise belastende Maßnahme
ist die Vermeidung der Keimübertragung. Ein bedeutender Faktor bei der Erregerübertragung
sind die Hände. Die wichtigste Einzelmaßnahme der Basishygiene ist die hygienische
Händedesinfektion. Sie sollte streng gemäß den Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene
und Infektionsprävention (KRINKO) durchgeführt werden [3]. In Deutschland werden überwiegend alkoholbasierte Händedesinfektionsmittel verwandt.
Je nach enthaltenem Alkohol (Ethanol, Propanol) ist die Mindesteinwirkzeit verschieden
lang und muss nach Angaben des Herstellers exakt eingehalten werden. Die Hände müssen
vor Anziehen der Handschuhe trocken sein, da Alkoholreste Materialschäden hervorrufen
können und damit zur Patientengefährdung führen können. Bei Ethanol beträgt die Einwirkzeit
für die chirurgische Händedesinfektion 120 s, bei Propanol 90 s. Ein Zusatz von remanent
wirkenden Antiseptika (z. B. Chlorhexidin, Octenidin) besitzt keine Wirkungsverstärkung
und erhöht zusätzlich die Gefahr einer Unverträglichkeit und einer Resistenzentwicklung
[3].
Merke
Vor und nach jedem Patientenkontakt, aber auch nach Kontakt mit der unmittelbaren
Patientenumgebung ist die hygienische Händedesinfektion durchzuführen.
Denn bereits die Berührung von Oberflächen und Gegenständen aus der unmittelbaren,
aber auch erweiterten Patientenumgebung führt zu einer relevanten Kontamination der
Hände. Insofern ist es wichtig, dass die nähere Patientenumgebung, jedoch auch die
Oberflächen adäquat gereinigt bzw. desinfiziert werden. In den Empfehlungen der KRINKO
„Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen“ wird
aufgeführt: Reinigungs- und Desinfektionsverfahren führen zu einer Verminderung von
Mikroorganismen auf den behandelten Flächen. Die alleinige Reinigung erzielt eine
ca. 50 – 80%ige Reduktion, durch wirksame Desinfektionsverfahren kann die Effektivität
auf mindestens 84 – 99,9% erhöht werden. Desinfiziert werden müssen Flächen mit einem
häufigen Hand- bzw. Hautkontakt, ebenso müssen die Fußböden in Bereichen mit besonderem
Infektionsrisiko (Intensivstation) desinfiziert werden. Eine exakte Dosierung der
Desinfektionsmittel ist Voraussetzung für eine wirksame Desinfektion. Es muss genügend
Desinfektionsmittel auf die zu desinfizierende Fläche gelangen. Aus diesem Grund muss
eine Scheuer-Wisch-Desinfektion („Nass-Wischen“) erfolgen.
Cave
Eine Sprühdesinfektion führt zu einer unzuverlässigen Wirkung und sollte nur im Ausnahmefall,
wenn eine Scheuer-Wisch-Desinfektion von Flächen nicht möglich ist, angewandt werden
[4].
Ein eher ernüchterndes Ergebnis zeigen die Compliance-Beobachtungen der „Aktion saubere
Hände“ aus der Charité in Berlin: Die Compliance bei der Händedesinfektion in allen
Funktionsbereichen lag im Jahr 2017 bei den Ärzten bei 49% und bei den Pflegekräften
bei 65% (gepoolter arithmetischer Mittelwert) [5].
Umgang mit Devices
Neben der Übertragung von Krankheitserregern ist der Patient von Keimen besiedelt,
die sich physiologischerweise am/im Körper befinden: auf der Haut, im Nasen-Rachen-Raum,
im Gastrointestinaltrakt und Urogenitaltrakt. Zum Beispiel durch Anlage von Kathetern
in das Gefäßsystem, den Urogenitaltrakt, den Respirationstrakt oder den Magen-Darm-Trakt
kommt es zu Störungen der natürlichen Schutzbarrieren des Körpers (Haut, Schleimhaut).
Dadurch können für den Körper sonst apathogene Keime diese Barrieren überwinden und
sich – das Device entlang – ausbreiten und lokale oder systemische Entzündungen hervorrufen.
Eine Sonderstellung nimmt das zentrale Nervensystem (ZNS) ein. Das Gefäßendothel der
Kapillaren des ZNS stellt durch seine besondere Anordnung der Endothelzellen mit seinen
Tight Junctions sowie Perizyten und Astrozyten eine besondere Barriere dar. Dadurch
ist es für Keime, allerdings auch für Medikamente, deutlich erschwert, sie zu passieren,
um ins Gehirn zu gelangen. Eine Beschädigung dieser physiologischen Blut-Hirn-Schranke
stellt z. B. die Anlage einer externen Liquordrainage (ventrikulär oder lumbal) dar.
Merke
Damit es nicht schon bei der Insertion von Kathetern zum Einschleppen von Keimen in
den Körper kommt, ist die unbedingte Voraussetzung ein aseptisches Vorgehen.
Device-Anlage
Selbstverständlich ist vor der Punktion die entsprechende Stelle genügend großflächig
mit einem Hautdesinfektionsmittel vorzubehandeln. Von der KRINKO wird ein schnell
wirkendes alkoholisches Antiseptikum mit einem remanenten Antiseptikum empfohlen [6], [7]. In Amerika kommt überwiegend Chlorhexidin zum Einsatz, ein weiteres remanentes
Antiseptikum ist Octenidin. Beide Stoffe schädigen die Zellwand der Mikroorganismen
und wirken so je nach Konzentration bakteriostatisch bzw. bakterizid. In einer Arbeit
von Müller et al. war Octenidin dem Chlorhexidin in Bezug auf das antibakterielle
Wirkungsspektrum überlegen und zeigte eine bessere Wirkung bei gleicher molarer Konzentration.
Die in vitro gemessene antiseptische Aktivität ist bei Octenidin 3- bis 10-mal stärker
als bei Chlorhexidin. Gleichzeitig ist der Biokompatibilitätsindex (BI = gleichzeitige
antimikrobielle und zytotoxische Wirkung) je nach Keim mit 1,73 bzw. 2,11 deutlich
höher als bei Chlorhexidin (0,83 bzw. 0,98). Dies belegt die geringere zytotoxische
Wirkung von Octenidin [8], [9].
Je nach Ort der Punktion und der Art des einzuführenden Katheters ist die Punktion
und Katheteranlage unter maximalen Barrieremaßnahmen durchzuführen. Das bedeutet bei
Anlage von zentralen Venenkathetern (s. „[Praxis – Zentraler Venenkatheter]“), Liquordrainagen (s. „[Praxis – Periduralkatheter]“) und externen Ventrikeldrainagen den Einsatz von Kopfhaube und Mundschutz, sterilem
Kittel und sterilen Handschuhen. Ebenso erforderlich sind eine ausreichend große sterile
Abdeckung im Bereich der Punktionsstelle sowie auch steriles Abdecken einer etwaigen
Unterlage [6], [7]. Außer Kopfhaube, Mundschutz und sterilem Kittel sowie einem anderen Antiseptikum
(Schleimhautdesinfektionsmittel) gilt bei der Anlage eines Harnwegskatheters das gleiche
aseptische Vorgehen [6], [10] ([Tab. 1]).
Praxis
Zentraler Venenkatheter
Die Vorbereitung einer ZVK-Anlage umfasst:
-
Anlegen von Kopfhaube und Mundschutz
-
ausgiebige Sprühdesinfektion der Punktionsstelle unter Beachtung der Mindesteinwirkzeit
des Desinfektionsmittels (eine Applikation mittels Tupfer erbringt keinen Vorteil)
-
Herrichten des sterilen Tisches (vorgefertigtes Set, ggf. Einzelkomponenten)
-
hygienische Händedesinfektion
-
Anziehen des sterilen Kittels und der sterilen Handschuhe (Hände müssen zuvor trocken
sein)
-
wenn der abzudeckende Bereich trocken ist: Abdecken der Punktionsstelle (z. B. mit
Lochtuch)
-
steriles Einpacken des Ultraschallkopfes und Kabels
Praxis
Periduralkatheter (PDK)
Die Vorbereitung einer PDK-Anlage umfasst:
-
Anlegen von Kopfhaube und Mundschutz
-
Lagern des Patienten
-
Abtasten der Dornfortsätze und Festlegen der Punktionsstelle
-
ausgiebige Sprühdesinfektion der Punktionsstelle unter Beachtung der Mindesteinwirkzeit
des Desinfektionsmittels
-
Herrichten des sterilen Tisches (vorgefertigtes Set, ggf. Einzelkomponenten)
-
hygienische Händedesinfektion
-
Anziehen des sterilen Kittels und der sterilen Handschuhe (Hände müssen zuvor trocken
sein)
-
wenn der abzudeckende Bereich trocken ist: Abdecken der Punktionsstelle (z. B. mit
Lochtuch)
Tab. 1 Erforderliches Material zur Device-Anlage.
|
ZVK
|
AK
|
EVD/LD
|
BK
|
|
* erforderlich bei Anlage mittels Seldinger-Technik, AK: arterieller Katheter, BK:
Harnwegskatheter, EVD: externe Ventrikeldrainage, LD: lumbale Liquordrainage, ZVK:
zentraler Venenkatheter
|
|
Mundschutz, Kopfhaube
|
+
|
*
|
+
|
–
|
|
sterile Handschuhe
|
+
|
+
|
+
|
+
|
|
steriler Kittel
|
+
|
*
|
+
|
–
|
|
sterile Abdeckung
|
+
|
*
|
+
|
+
|
Manipulationen an Devices
Merke
Auch für Manipulationen an den Kathetern gilt: zuvor und danach hygienische Händedesinfektion
sowie Desinfektion der Devices vor jeder Manipulation.
Über die Art der Desinfektion bei Probenentnahme aus oder Injektion in die Katheter
herrscht Uneinigkeit in der Literatur. Studien haben gezeigt, dass im Laufe der Liegedauer
zwischen 5 und 20% der Dreiwegehähne und Katheterhubs mikrobiell besiedelt sind. Die
Vorschläge zur Desinfektion reichen vom Abreiben mit einem alkoholhaltigen Tuch bis
hin zu Antiseptika sezernierenden Verschlussstopfen. Die KRINKO empfiehlt als eine
Möglichkeit der Desinfektion die Sprühdesinfektion mit einem Hautantiseptikum und
das Ausschütteln des Konus nach Ablauf der Einwirkzeit auf eine sterile Kompresse.
Vor jeglichen Manipulationen an einem ZVK sowie mit ihm verbundenen Dreiwegehähnen
muss eine hygienische Händedesinfektion sowie eine Desinfektion des Dreiwegehahns
durchgeführt werden [7]. Eine strikte Einhaltung der hygienischen Händedesinfektion und die Desinfektion
der dafür vorgesehenen Abnahmestelle an einer externen Ventrikeldrainage sind obligat.
Harnwegskatheter-Infektionen gehören zu den häufigsten nosokomialen Infektionen. Außer
der strengen Indikationsstellung für die Anlage eines Blasenkatheters gehört zu den
empfohlenen Präventionsmaßnahmen,
-
die Katheterisierung aseptisch vorzunehmen,
-
vor und nach jeder Manipulation am Blasenkatheter oder Drainagesystem eine hygienische
Händedesinfektion durchzuführen und
-
beim Wechsel des Ableitungssystems die Konnektionsstellen mit einem alkoholischen
Präparat zu desinfizieren.
Die Reinigung des Genitales sollte nur mit (Trink-)Wasser und Seifenlotion erfolgen,
ohne Zusatz antiseptischer Substanzen. Eine Instillation von antiseptischen oder antimikrobiellen
Substanzen in den Katheter zur Behandlung und Prävention katheterassoziierter Infektionen
ist obsolet [10].
Merke
Für alle Devices gilt: Die Indikation muss täglich überprüft werden.
Fallbeispiel
ZVK-assoziierte Infektion
Bei einer 76-jährigen Patientin kommt es nach Hemihepatektomie bei synchron metastasierendem
Rektumkarzinom zu einem protrahierten Intensivaufenthalt wegen SSI (postoperative
Wundinfektion) und respiratorischer Insuffizienz bei vorbestehender COPD (chronisch
obstruktive Lungenerkrankung). Nach 12 Tagen – 2 Tage vor geplanter Verlegung in die
Reha – wird sie auf Normalstation verlegt. Bei schlechtem Venenstatus erfolgt die
Verlegung mit ZVK (Liegedauer 12 Tage). 36 Stunden später ist die Rückübernahme der
Patientin auf Intensivstation erforderlich wegen kardiorespiratorischer Instabilität
(RR 76/34 mmHg, HF 148 bpm, SpO2 unter 6 l O2-Gabe 83%, AF 45/min), Fieber von 39,7 °C und Vigilanzminderung. Die Patientin stabilisiert
sich unter Volumen- und Vasopressorengabe. Nach Abnahme von Blutkulturen (über ZVK
und Punktion) wird der ZVK entfernt und bei V. a. katheterassoziierte Infektion eine
kalkulierte Antibiose begonnen. In den Blutkulturen (BK) wird Staphylococcus (S.)
aureus nachgewiesen: Positiv-Meldung nach 6,5 h (BK über Punktion) und 6,8 h (BK über
ZVK). An der ZVK-Spitze kann ebenfalls S. aureus nachgewiesen werden.
Waschen
Ganzkörperwaschung
Chlorhexidin ist ein Antiseptikum und wurde 1950 bei der Suche nach einem Malariamittel
in England entwickelt. Es besitzt eine unspezifische antibakterielle Wirkung. In niedriger
Konzentration wirkt es bakteriostatisch, in hoher bakterizid. Die Wirksamkeit beruht
darauf, dass sich das positiv geladene Molekül an die negativ geladenen Komponenten
der Bakterienzellwand bindet und zu einer Schädigung der äußeren Zellschichten führt.
In niedriger Konzentration kommt es zu einer Veränderung des osmotischen Gleichgewichts
der Bakterienzelle, dadurch treten Kalium und Phosphor aus der Zelle aus. So wird
ein weiteres Wachstum verhindert (bakteriostatisch). Bei hoher Chlorhexidin-Konzentration
kommt es zu Ausfällung der zytoplasmatischen Bestandteile und damit zum Zelltod (bakterizid).
Der maximale Effekt tritt bereits nach 20 s auf [11], [12].
Inzwischen ist Chlorhexidin weitverbreitet – von der Mundspüllösung über Händedesinfektionsmittel
bis hin zur Ganzkörperwaschung und Infektionsprophylaxe bei Katheter-Eintrittsstellen
sowie antimikrobiellen Beschichtung von intravasalen Kathetern.
Unter der Vorstellung, dass durch Chlorhexidin-Ganzkörperwaschungen die Keimzahl auf
der Haut vermindert und dadurch die Häufigkeit einer katheterassoziierten Infektion
verringert wird, wurden viele Studien durchgeführt. Die Ergebnisse sind sehr uneinheitlich
(s. „Info – Chlorhexidin-Körperwaschungen“).
Info
Chlorhexidin-Körperwaschungen
Die Studie von Gastmeier et al. [13] zeigte: Auf medizinischen Intensivstationen und Knochenmarkstransplantationsstationen
konnten die Anzahl der Blutstrominfektionen und die Anzahl der Infektionen mit Methicillin-resistentem
S. aureus (MRSA) signifikant reduziert werden. Dies ließ sich jedoch auf operativen
Intensivstationen nicht nachweisen. Als mögliche Ursache wurde eine höhere Anzahl
sekundärer Blutstrominfektionen genannt. In einer Untersuchung von Frost et al. [14] wurde die Effektivität der Chlorhexidin-Ganzkörperwaschung zur Reduktion der katheterassoziierten
Blutstrominfektionen und MRSA-Infektionen beschrieben. Noto et al. [15] konnten dies nicht bestätigen. Dies traf auch für in der Studie untersuchte Harnwegskatheter-assoziierte
Infektionen, ventilatorassoziierte Pneumonien und Infektionen mit Clostridium difficile
zu. In einem Review von 2019 von Lewis et al. [16] zeigte sich keine Evidenz dafür, dass Chlorhexidin-Körperwaschungen nosokomiale
Infektionen, die Mortalität oder die Länge des Intensivaufenthalts reduzieren.
In unserer Klinik werden Ganzkörperwaschungen mit Chlorhexidin nach dem klinikeigenen
Hygieneplan nur im Rahmen des Dekontaminierungsschemas bei MRSA-Keimträgerschaft unter
regelmäßigen Kontrollabstrichen eingesetzt.
Merke
Für Chlorhexidin-Ganzkörperwaschungen wurde bislang keine Reduktion Device-assoziierter
Blutstrominfektionen auf operativen Intensivstationen belegt. Sie sollten speziellen
Indikationen (wie Dekontamination bei MRSA-Besiedelung) vorbehalten bleiben.
Dekontamination von Oro- und Nasopharynx
Ventilatorassoziierte Pneumonie
Unter den nosokomialen Infektionen nimmt die ventilatorassoziierte Pneumonie (VAP)
einen hohen Stellenwert ein. Trotz Einhaltung aller Hygienemaßnahmen sind die Patienten
durch ihre eigene Keimbesiedelung von Naso- und Oropharynx, Magen und Darm bedroht.
Insbesondere der Oropharynx ist eine häufige Quelle für pulmonale Infektionen. Ein
weiteres Keimreservoir, vor allem für Methicillin-sensiblen S. aureus (MSSA) und MRSA,
stellt die Nase dar. Um die Entstehung einer VAP zu verhindern, ist eine Reihe von
Maßnahmen erforderlich.
Merke
Zum VAP-Präventions-Bundle gehört neben Endotrachealtuben mit subglottischer Absaugung
und erhöhter Oberkörperlagerung (ca. 30°) auch die Dekontamination des Oropharynx.
Chlorhexidin ist das hierzu am häufigsten verwendete Antiseptikum. Bei Anwendung des
gesamten Bundles konnte die Entstehung einer VAP signifikant reduziert werden. Eine
prophylaktische Langzeitanwendung von Antibiotika im Sinne einer selektiven Darmdekontamination
ist wegen der erhöhten Gefahr der Resistenzbildung umstritten [17].
Offene herz- und lungenchirurgische Eingriffe
Patienten, die sich einem offenen herzchirurgischen Eingriff unterziehen, erleiden
in bis zu über 20% eine nosokomiale Infektion. Diese Operationen werden vermehrt an
älteren, mit vielen Begleiterkrankungen vorbelasteten Patienten durchgeführt und es
kommt hierbei häufiger zu einem verlängerten Intensivaufenthalt. Daher ist hier eine
Infektionsprophylaxe besonders wichtig, vor allem die Eradikation von S. aureus, dem
wichtigsten Erreger bei chirurgischen Wundinfektionen (SSI).
Segers et al. konnten zeigen: Durch Dekontamination von Naso- und Oropharynx mittels
Chlorhexidin-haltiger Mundspüllösung und Chlorhexidin-haltiger Nasensalbe ließ sich
eine effektive Reduktion der Infektionen der unteren Luftwege und der tiefen Wundinfektionen
erzielen. Da Mupirocin einer der Grundpfeiler der MRSA-Behandlung ist, wurde auf dessen
Einsatz verzichtet, weil man eine Resistenzbildung befürchtete. Patienten, die eine
selektive Darmdekontamination erhielten, wurden wegen mehrfach beschriebener Resistenzentwicklungen
von der Studie ausgeschlossen. Es zeigte sich, dass es unter Chlorhexidin-Gabe bei
einigen Erregern zu einem Anstieg der minimalen Hemmkonzentration (MHK) kommen kann.
Dies wurde von den Autoren jedoch nicht mit einer kompletten Resistenz der Keime gegen
Chlorhexidin gleichgesetzt [18].
In einer Studie von DʼJourno et al. wurden im Rahmen einer offenen Lungenchirurgie
ebenfalls Naso- und Oropharynx mit Chlorhexidin dekontaminiert. Es zeigte sich eine
signifikante Reduktion von Bakteriämie und SSI. Die Anzahl der Infektionen des Respirationstrakts,
die Länge des Krankenhausaufenthalts, die Keimbesiedlung der Trachea und der postoperative
Antibiotikaverbrauch wurden nicht beeinflusst [19].
Merke
Die Dekontamination von Naso- und Oropharynx soll nur bei Risikopatienten durchgeführt
werden. Sie reduziert das SSI-Risiko.
Kleben
Zentraler Venenkatheter
Nicht antiseptische Verbände
Die Eintrittsstelle des ZVK muss vor Kontamination und – daraus resultierend – drohender
katheterassoziierter Infektion geschützt werden. Die dazu verwendeten Abdeckungen
können nichtantiseptisch wirkende Verbände (sterile Gazepflaster oder semipermeable
Folienverbände) sein ([Abb. 1] u. [2]). Der Vorteil bei Gazepflastern besteht darin, dass austretendes Sekret/Blut sowie
Schweiß aufgesaugt werden können. Ein Nachteil ist, dass keine direkte Kontrolle der
Eintrittsstelle ohne Entfernung des Verbandes möglich ist. Die semipermeablen Folienverbände
ermöglichen zwar eine direkte visuelle Kontrolle der Eintrittsstelle, sind aber nicht
in der Lage, Flüssigkeiten aufzusaugen. Damit können sich feuchte Kammern bilden,
die ein ideales Milieu für das Keimwachstum darstellen [7].
Abb. 1 Gazepflasterverband.
Abb. 2 Semipermeabler Folienverband.
Antiseptische Verbände
Eine andere Möglichkeit, die Katheter-Eintrittsstelle zu schützen, ist das Aufbringen
von Verbänden, die aseptische Inhaltsstoffe abgeben ([Abb. 3]). Auch hier zeigt sich eine uneinheitliche Studienlage. In einer Reihe von Studien
konnte die präventive Wirkung von Verbänden mit Chlorhexidin-haltigem Gelkissen hinsichtlich
einer Reduktion von katheterassoziierten Blutstrominfektionen nachgewiesen werden
[20]. In anderen gab es keine signifikante Reduktion der katheterassoziierten Blutstrominfektionen
[21]. In weiteren Studien konnte eine Reduktion auch mit Verbänden ohne aseptischen Wirkstoff
mit nachhaltigem Effekt erzielt werden.
Abb. 3 Verband mit Chlorhexidin-Gelkissen.
Die aktuellen britischen und US-amerikanischen Empfehlungen (mit Ausnahme der American
Pediatric Surgical Association) beinhalten den Einsatz Chlorhexidin-haltiger ZVK-Verbände
bei Hochrisikopatienten sowie bei anhaltend hohen Infektionsraten – aber erst nach
Ausschöpfung aller anderen Maßnahmen. Diesen Empfehlungen schließt sich auch die KRINKO
an [7].
Merke
Chlorhexidin-Pflaster sollen nur bei spezieller Indikation verwendet werden (z. B.
Hochrisikopatienten). Sie ersetzen nicht die tägliche Kontrolle der Device-Eintrittsstelle!
Die Art des eingesetzten Verbandes ist aber auch abhängig von dem Ort der Katheter-Eintrittsstelle,
der Art des Katheters, der Hautbeschaffenheit (trocken, schweißig, haarig). Eine starre
Festlegung kann vorab nicht getroffen werden.
Verbandwechsel
Ein Wechsel des Katheterverbands muss in regelmäßigen Intervallen erfolgen. Diese
Intervalle differieren nach eigenen Erfahrungen von Klinik zu Klinik. In unserer Klinik
gelten folgende Zeiträume für den Verbandwechsel:
Bei jedem Verbandwechsel sollte die Katheter-Eintrittsstelle mit einem alkoholbasierten
Desinfektionsmittel mit einem Zusatz eines remanenten Antiseptikums desinfiziert werden.
Cave
Unabhängig von der Art des ZVK-Verbandes gilt: Jeder nicht mehr intakte, durchfeuchtete
oder sonst verunreinigte Verband muss sofort erneuert werden ([Abb. 4]) [7].
Abb. 4 Durchfeuchteter Folienverband.
Externe Ventrikeldrainage
Es gibt zahlreiche Untersuchungen zu Liquorinfektionen bei einliegenden externen Ventrikeldrainagen
(EVD). Diese äußern sich unterschiedlich zur Ursache in Abhängigkeit von der Liegedauer
der EVD und den Liquor-Probenentnahmen sowie der Art der verwendeten Drainagekatheter.
Auch werden Liquorinfektionen durch die Ursache des Liquoraufstaus sowie eine prophylaktisch
verabreichte Antibiose beeinflusst [22].
Für die Prävention von Infektionen, die mit Gefäß- und Harnwegskathetern assoziiert
sind, gibt es klare Empfehlungen. Aktuelle Leitlinien/Empfehlungen für die Infektionsprävention
bei EVD liegen dagegen weder von der KRINKO, der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie
noch von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vor.
Info
Chlorhexidin-Verbände
Bislang gab es nur wenige Studien über den Einsatz von Chlorhexidin-getränkten Verbänden
für die Hauteintrittsstelle der EVD. Roethlisberger et al. wiesen in ihrer Arbeit
nach, dass die Wiederbesiedelung der EVD-Hauteintrittsstelle mit Keimen durch den
Einsatz Chlorhexidin-haltiger Verbände sicher reduziert werden konnte. Die Anzahl
der kolonisierten Ventrikelkatheter war deutlich geringer, wenn auch nicht signifikant.
Die Infektionsrate differierte nicht signifikant zwischen den beiden verglichenen
Gruppen. Die Komplikation „Hydrozephalus“ war in der Chlorhexidin-Gruppe aber niedriger
[23]. Scheithauer et al. zeigten in ihrer Studie bei Patienten, deren EVD mit Chlorhexidin-haltigen
Pflastern versorgt war, einen signifikanten Rückgang (p = 0,005) der Meningoventrikulitis-Rate
[24].
Der Verband der Hauteintrittsstelle unterscheidet sich je nach Art des Zugangs: Getunnelte
Liquordrainagen können sowohl mit Gazepflastern als auch mit Chlorhexidin-Pflastern
problemlos versorgt werden ([Abb. 5]). Dagegen gestaltet sich der Chlorhexidin-Verband bei einer Ventrikeldrainage, die
über eine Schädelschraube eingeführt wird, extrem schwierig. In diesem Fall sollte
ein Gazepflasterverband angelegt werden ([Abb. 6]).
Abb. 5 Gazepflasterverband einer getunnelten externen Ventrikeldrainage.
Abb. 6 Über eine Schädelschraube eingeführte externe Ventrikeldrainage. a Schädelschraube ohne Verband. b Gazepflasterverband der Schädelschraube.
Kontrolle und Verbandwechsel
Wie bei den ZVK gilt auch bei den Liquordrainagen: Das Gazepflaster muss täglich gewechselt
werden, transparente Folienverbände müssen in der Regel nach 4, Chlorhexidin-haltige
Pflaster nach 7 Tagen gewechselt werden. Es sind jeweils die Herstellerangaben zu
beachten. Durchweichte und verunreinigte Verbände müssen sofort erneuert werden ([Abb. 7]) [7].
Abb. 7 Durchfeuchteter Gazepflasterverband.
Während der Liegedauer kann sich eine eingebrachte Schädelschraube (Gewinde) lockern.
Dadurch ist die EVD dann nicht mehr sicher befestigt, was ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko
darstellt. Daher muss täglich der feste Sitz der Schädelschraube kontrolliert werden.
Merke
Die tägliche Kontrolle der EVD-Eintrittsstelle und des Sitzes der Schädelschraube
sind essenziell. Insbesondere ist auf Liquoraustritt zu achten.
Fallbeispiel
Liquorinfektion
Ein 46-jähriger Patient mit akutem Kopfschmerzereignis wird nach Intubation durch
den Notarzt bei GCS 3 und Aspiration aufgenommen. Die Diagnostik ergibt: Subarachnoidalblutung
aus Basilaris-Kopf-Aneurysma mit massivem Liquoraufstau durch Blut im III. und IV. Ventrikel.
Nach EVD-Anlage (Spiegelberg-Sonde über Schädelschraube) erfolgt das Stent-gestützte
Aneurysma-Coiling, danach Antikoagulation mit ASS und Clopidogrel.
Auf Intensivstation werden bei schwerer Oxygenierungsstörung (Horovitz-Index 100 – 120)
eine kalkulierte Antibiose (Piperacillin/Tazobactam und Metronidazol) sowie die Lagerungstherapie
(Bauchlage) unter ICP-Monitoring begonnen.
Tag 2: Liquor blutig, Liquor-Laktat mit 3,5 mmol/l leicht erhöht und Liquor-Glukose
75 mg/dl (Serum-Glukose 148 mg/dl). IL-6 im Liquor 3150 ng/l.
Tag 5: Der EVD-Verband ist durchgeschlagen; beim Verbandwechsel zeigt sich, dass die
Schädelschraube gelockert ist und Liquor austritt. Eine Neuanlage ist unter doppelter
Plättchenhemmung mit hohem Einblutungsrisiko verbunden. Nach gründlicher Desinfektion
wird die Schädelschraube erneut fixiert.
Tag 6: Der Patient entwickelt Fieber (Meningismus war schon vorher vorhanden); der
Liquor ist weiterhin blutig und trübe. Anstieg des Liquor-Laktats auf 7,5 mmol/l,
Abfall der Liquor-Glukose auf 34 mg/dl (Serum 148 mg/dl), IL-6 im Liquor 87500 ng/l.
Im Liquor wird Staphylococcus epidermidis nachgewiesen. Wegen nachgewiesener Liquorinfektion
wird eine Antibiose mit Rifampicin und Vancomycin (systemisch und intrathekal) begonnen.
Wundverbände
Nach den Atemwegsinfektionen sind die SSI die häufigsten nosokomialen Infektionen.
In der Kolonchirurgie tritt eine SSI bei bis zu 30% der operierten Patienten auf.
In Europa gibt es keine Guidelines zur Vorbeugung von SSI.
Merke
Ein stabiler Kreislauf, eine suffiziente Oxygenierung, Normothermie und ein strenges
Transfusionsregime verringern die Entstehung von SSI [25], [26].
Bei chirurgischen Wunden sind die Wundränder in der Regel durch Nähte oder Klammern
adaptiert und heilen meist primär ab. Die Wundverbände, die am Ende der Operation
angelegt werden, entlasten die Wunde, schützen sie vor Kontamination und können austretendes
Exsudat aufnehmen. Je nach Art und Lokalisation der Wunde bestehen die Wundverbände
aus sterilen Gazepflastern, semipermeablen Pflastern oder aufgelegten sterilen Mullkompressen,
die mit einer Klebefolie fixiert sind [25], [27].
In einem Review von Dumville et al. [27] wurde die Häufigkeit des SSI-Auftretens in Abhängigkeit von verschiedenen Wundverbandarten
sowie beim Verzicht auf einen Wundverband verglichen. Es konnte für keine Art des
Wundverbands eine signifikante Überlegenheit gezeigt werden. In einer tierexperimentellen
Studie von Mana et al. [28] wurde bei anästhesierten Schweinen nach Setzen eines definierten Hautschnitts die
dadurch erzeugte Wunde mit MRSA kontaminiert. Dann wurde die Wunde mit oder ohne ein
Chlorhexidin-abgebendes Gelkissen verbunden. In der Chlorhexidin-Gruppe kam es zu
einer signifikanten Reduktion der Wundinfektion.
Kontrolle und Verbandwechsel
Eine tägliche Kontrolle des Wundverbands ist obligat. Für den Zeitpunkt des ersten
Wechsels eines Wundverbands gibt es keine Richtlinie. Mit Ausnahme von verschmutzten
oder durchtränkten Wundverbänden, die immer zeitnah gewechselt werden müssen, sollte
der erste Verbandwechsel nach ca. 48 h erfolgen. Eventuell vorhandene Fibrinbeläge
und Nekrosen sollten aseptisch abgetragen werden. Die Wundspülung kann mit steriler
isotoner Kochsalzlösung erfolgen, bei entzündeten Wunden ist die Spülung mit einem
Antiseptikum (z. B. Octenidin) angezeigt [29].
Merke
Ein Wundverband muss jeden Tag kontrolliert werden. Jeder Verbandwechsel erfordert
eine strenge Händehygiene und darf nie mit bloßen Händen erfolgen.
Info
Chlorhexidin-Nanopartikel
Ein neuer Ansatz für Wundverbände sind auf Chlorhexidinmetaphosphat basierende Nanopartikel.
Aus einer Reaktion von Chlorhexidindigluconat und Natriumhexametaphosphat entsteht
ein stabiles Kolloid aus Chlorhexidin-basierten Nanopartikeln. Es bindet sich an Stoffe
wie Metalloxide, Glas und elastische Wundverbände. Aus diesem Kolloid kann Chlorhexidin
über 50 Tage hinweg freigesetzt werden [30].
In einer tierexperimentellen Studie wurde narkotisierten Mäusen eine Schnittwunde
zugefügt und die Wunde mit Wundverbänden bedeckt. Die Verbände enthielten in der einen
Gruppe Chorhexidindigluconat und in der anderen Gruppe Chlorhexidinmetaphosphat. Es
zeigte sich in beiden Gruppen ein anhaltender antimikrobieller Effekt. Chlorhexidinmetaphosphat
besaß ein ähnliches Wirkungsspektrum wie Chlorhexidindigluconat, zeigte jedoch eine
niedrigere Toxizität. Die Wundheilung wurde nicht beeinflusst [31].
Resistenzentwicklung
Chlorhexidin
Die weitverbreitete Anwendung von Chlorhexidin im Gesundheitswesen birgt – wie in
einer aktuellen Übersichtsarbeit von Kampf [32] dargestellt – erhebliche Risiken. In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende
Sorge über die Entwicklung von Resistenzen, nicht nur gegenüber Antibiotika, sondern
auch gegen Antiseptika. Es konnte eine starke, stabile Resistenzentwicklung bei Bakterienstämmen
von Escherichia (E.) coli, Salmonella spp., Serratia marcescens und Pseudomonas aeruginosa
gezeigt werden. Auch wurden Kreuzresistenzen z. B. mit Tetrazyklin, Gentamicin und
Meropenem bei Bacteroides fragilis, Burkholderia cepacia und Salmonella spp. gefunden.
Des Weiteren konnte eine verminderte Empfindlichkeit von E. coli gegenüber anderen
Antiseptika – Triclosan und Benzalkoniumchlorid – gezeigt werden.
Merke
Unter Laborbedingungen konnte durch die Einwirkung von Chlorhexidin eine zunehmende
Resistenzbildung von Keimen gegen Antiseptika nachgewiesen werden.
Besonders beunruhigend ist ein nachgewiesener horizontaler Gentransfer für eine Sulfonamid-Resistenz
bei E. coli, was zu einer Resistenz innerhalb des gesamten Bakterienstamms führen
kann. Zusätzlich konnten eine vermehrte Biofilmbildung bei Klebsiella pneumoniae und
Serratia marcescens sowie eine erhöhte Affinität von Serratien an Polyethylen gefunden
werden. Bei Vancomycin-resistenten Enterokokken zeigte sich eine verminderte Empfindlichkeit
gegenüber Daptomycin.
Wichtiger Bestandteil dieser Wirkungsabschwächung sind Effluxpumpen, die Stoffe aus
der Bakterienzelle transportieren können [33]. Einige Effluxpumpen können nicht nur spezifisch einen Stoff transportieren, sondern
eine große Menge verschiedener Stoffe aus dem Bakterium eliminieren. Somit kann es
zu Kreuzresistenzen und Multiresistenzen kommen. Bei E. coli konnte nachgewiesen werden,
dass sich unter Chlorhexidin-Einwirkung eine verminderte Empfindlichkeit des Bakteriums
gegenüber Triclosan und Benzalkoniumchlorid entwickelte. Außerdem waren Salmonella
spp. in der Lage, ihre Zellwandstruktur zu verändern und den Zellstoffwechsel vermehrt
auf eine anaerobe Stoffwechsellage umzustellen. Eine Limitation der Studie von Kampf
[32] ist, dass diese Ergebnisse unter Laborbedingungen zustande gekommen sind. Inwieweit
diese Ergebnisse auf die Klinik übertragen werden können, bleibt bislang unklar. Jedoch
wurden auch bei klinischen Isolaten (z. B. S. aureus) höhere MHK-Werte gefunden.
Es ist bekannt, dass Chlorhexidin mit einer geringen Menge Wasser vermengt eine niedrige
bakterizide Wirkung besitzt. Inwieweit die Menge des Wassers, welches von der Haut
freigesetzt wird, ein solches Mischungsverhältnis ergibt, ist nicht bekannt. Klar
ist jedoch, dass eine subletale Chlorhexidin-Dosis für die Bakterien einen kontinuierlichen
chemischen Stress darstellt und dass dieser Stress eine Resistenzbildung provozieren
kann. Für die alkoholbasierten Händedesinfektionsmittel gibt es für den Zusatz von
Chlorhexidin keine Evidenz. Wegen der Risiken der Resistenzentwicklung und Unverträglichkeitsreaktionen
der Haut ist dieser Zusatz von der WHO auch nicht empfohlen [32].
Merke
Chlorhexidin sollte nur dann eingesetzt werden, wenn für den Patienten ein deutlicher
Vorteil zu erwarten ist. Eine engmaschige Surveillance muss gewährleistet sein.
Octenidin
Wegen der unspezifischen Wirkung auf die Bakterienzelle wurde lange Zeit davon ausgegangen,
dass Octenidin keine relevante Resistenzbildung hervorruft. In einer neueren Arbeit
konnten Dopcea et al. [34] aber zeigen: Auch unter Octenidin-Exposition kommt es zu einem Anstieg der MHK,
zu einer verminderten Empfindlichkeit der Erreger gegenüber Antibiotika sowie zu einer
verminderten Octenidin-Empfindlichkeit.
[Abb. 8] fasst den Aufbau und die Bedeutung der Maßnahmen der Infektionsprävention auf der
Intensivstation zusammen.
Abb. 8 Infektionsprävention auf der Intensivstation. ABx: Antiinfektiva-Therapie.
Kernaussagen
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Basishygiene ist der Grundpfeiler, um Infektionen auf der Intensivstation zu verhindern.
Sie verhindert das Übertragen von Keimen auf den Patienten. Wichtigste Einzelmaßnahme
ist die sorgfältige Händehygiene.
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Desinfektion verhindert das Einbringen von Keimen in den Patienten bei der Insertion
von Kathetern, bei Medikamentengabe über einliegende Katheter und Probenentnahmen
aus den Devices. Die Anzahl der Abnahmen ist auf das Notwendige zu beschränken.
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Waschen mit Antiseptika reduziert die Anzahl der auf dem Patienten befindlichen Keime
und kann somit die Gefahr der katheterassoziierten Infektionen reduzieren. Vor dem
Hintergrund einer möglichen Resistenzbildung ist die Indikation streng zu stellen.
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Eine Dekontamination des Naso- und Oropharynx ist bei Hochrisikopatienten sinnvoll.
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Kleben reduziert die Keimzahl im Bereich von Katheter-Eintrittsstellen und verlangsamt
die Geschwindigkeit einer erneuten Keimbesiedelung. Somit kann die Gefahr der katheterassoziierten
Infektionen reduziert werden.
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Die prophylaktische Gabe von Antibiotika wegen einliegender Katheter ist nicht indiziert.
Kommt es trotz Beachtung aller Punkte zu einem Keimnachweis, sollte nur bei Vorliegen
einer Infektion, nicht aber bei einer Kolonisation eine Antibiose verabreicht werden.
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Die Indikation zur Anlage der Devices sollte streng gestellt werden; die Indikation,
sie zu belassen, jeden Tag genau überprüft werden.
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Aufgrund gehäuft auftretender Meldungen über eine durch Chlorhexidin verursachte Resistenzentwicklung
und unerwünschte Nebenwirkungen sollte das Antiseptikum nur in ausgewählten Situationen
(nachgewiesener Vorteil für den Patienten) eingesetzt werden.
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Auch bei Octenidin sollte eine engmaschige Surveillance der Resistenzbildung erfolgen.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag
ist Dr. med. Jochen Steiner, Tübingen.