Nuklearmedizin 2019; 58(05): 348-350
DOI: 10.1055/a-0972-0758
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Präklinische (Radionuklid-)Bildgebungszentren

Preclinical (Radionuclide) Imaging Centers
Winfried Brenner
1   Klinik für Nuklearmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin
2   Berlin Experimental Radionuclide Imaging Center (BERIC), Charité - Universitätsmedizin Berlin
,
Nicola Beindorff
2   Berlin Experimental Radionuclide Imaging Center (BERIC), Charité - Universitätsmedizin Berlin
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Publication History

Publication Date:
19 September 2019 (online)

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat am 22. Dezember 2017 in ihrer Information für die Wissenschaft Nr. 95 im Rahmen der Förderung der gerätebezogenen Forschungsinfrastruktur in Deutschland das Förderprogramm „Gerätezentren – Core Facilities“ mit folgender Intention bekanntgegeben: „… stehen Nutzungs- und Managementkonzepte im Vordergrund, um eine Professionalisierung des Betriebs und Managements von Gerätezentren zu fördern und die Bildung von stabilen Strukturen für die Nutzung dieser Zentren zu unterstützen“ (www.dfg.de/foerderung/info_wissenschaft/2017/info_wissenschaft_17_95/index.html).

Diese Fördermaßnahme verweist im Umkehrschluss auf ein nicht seltenes Manko der Förderung von insbesondere präklinischen Forschungsgroßgeräten in den unterschiedlichen Förderprogrammen. High-End-Forschungsgroßgeräte bedeuten in allen wissenschaftlichen Bereichen für die einwerbende Institution sowohl auf Abteilungs- wie auch auf Universitätsebene Prestige, so dass entsprechende Geräte gerne eingeworben werden, anschließend aber teils wenig effektiv oder im Extremfall gar nicht genutzt werden, wenn die personellen, räumlichen und/oder baulich-gesetzlichen Vorgaben (z. B. Strahlenschutz) nicht erfüllt werden und das Gerät „im Keller steht“, da Um- und Einbaukosten häufig nicht Bestandteil der Geräteförderung sind und von der einwerbenden Institution getragen werden müssen.

Diese Nichtnutzung dürfte zunehmend seltener vorkommen, da bei Antragstellung in den gängigen Programmen Forschungsgroßgeräte nach Art. 91b GG oder Großgeräte der Länder der DFG ein detaillierter Raum- und Gebäudeplan mit exakten Angaben zu notwendigen Anforderungen vorzulegen ist. Anders sieht es bei den Angaben zu Betrieb und Nutzungskonzept sowie Personal aus. Diese Angaben sind meist entsprechend der Antragsstruktur primär projektbezogen, und in ihrer Projektbezogenheit auch realistisch, allerdings wird damit eine Verstetigung des Betriebs sowie eine Weiterbeschäftigung des zum Betrieb eines hochkomplexen Forschungsgerätes erforderlichen Personals nach Projektende nicht ausreichend sichergestellt. Damit werden teure Forschungsgroßgeräte nach Abschluss der ursprünglich beantragten Projekte ggf. nicht adäquat ausgelastet.

Das Problem nicht effektiv genutzter Geräte betrifft in unserem Fachgebiet am ehesten Forschungsgroßgeräte zur Kleintierbildgebung an Ratten und Mäusen. Grund hierfür scheint – bis auf wenige Zentren – primär das Fehlen von ausreichend (Stamm-)Personal zum professionellen Betrieb der Geräte zu sein. Dies ist unserer Meinung nach einer der entscheidenden Schwachpunkte, da die Geräte oft nicht als zentrale Core Facility der Universität bzw. Fakultät mit festem Stammpersonal betrieben werden, sondern innerhalb der antragstellenden Abteilung auf Doktoranden- und Habilitandenbasis intermittierend genutzt werden, was nicht zu einer Verstetigung des Betriebs und der Generierung von nachhaltiger Expertise im Sinne einer notwendigen Akkumulation von detaillierten Geräte- und Untersuchungskenntnissen beiträgt. Auch stehen häufig an einem Standort nicht alle relevanten Modalitäten wie Single-Photonen-Emissions-Tomographie (SPECT), Positronen-Emissions-Tomographie (PET), Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) und idealerweise optische/Fluoreszenzbildgebung zur Verfügung, wie sie letztlich für ein präklinisches Kleintierbildgebungszentrum zur optimalen Nutzung der Bildgebung innerhalb einer akademischen Einrichtung aber auch unter tierschutzrelevanten Gesichtspunkten im Sinne des 3R-Prinzips (Replacement, Reduction, Refinement) sinnvoll wären. So greifen gerade unter 3R-Gesichtspunkten zunehmend Arbeitsgruppen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen auf den Einsatz von Bildgebung zurück, um in Longitudinalstudien den Krankheits- bzw. Therapieverlauf am gleichen Tier oder zunehmend auch an Ersatzmodellen wie dem Chorion-Allantois-Membran Assay bei fertilisierten Hühnereiern zu verfolgen. Damit weitet sich zunehmend der Nutzerkreis von Bildgebungsmodalitäten über die primären Fächer wie Radiologie und Nuklearmedizin hinaus aus.

Im Hinblick auf ein präklinisches Bildgebungszentrum mit den genannten Modalitäten, z. B. auch als Hybridkombinationen wie beispielsweise SPECT/CT und PET/MR, in jeweils eigenen Laborräumen zum gleichzeitigen Gerätebetrieb und der erforderlichen Infrastruktur mit radioaktiver Tierhaltung, Vorbereitungs- und Operationsbereich für die Tiermodelle, Laborraum für Radiopharmaka, Laborraum für ex-vivo Beta- und Gammamessungen, ggf. Laborraum für (radioaktive) Zellkulturen und einem Abklingraum für Radioaktivität (kontaminierte Abfälle, Einstreu, Tierkadaver etc.) ergibt sich schnell ein Raumbedarf, ausgewiesen als Strahlenschutzbereich mit entsprechender Zugangsregelung und idealerweise S1- oder besser S2-Sicherheitseinstufung, von 200 qm und mehr. Darüber hinaus besteht ein Bedarf an (unbefristetem) Stammpersonal von mindestens einem Wissenschaftler, anteilig einem Radiochemiker und je nach Gerätezahl von mindestens einer technischen Fachkraft (MTRA etc.), da neben dem eigentlichen Gerätebetrieb der Zeitbedarf für ein einzelnes Projekt von der Projektplanung über die Mithilfe beim Tierversuchsantrag und dem Erstellen von geeigneten Imaging-Protokollen bis hin zur spezialisierten Datenauswertung leicht mit dem Dreifachen der Gerätenutzungszeit oder mehr zu veranschlagen ist. Inklusive notwendiger Wartungsverträge und Personal addieren sich die jährlichen Betriebskosten eines solchen Bereichs schnell auf 300 000 € und mehr. Zusammen mit den Geräteanschaffungskosten von mindestens 2 Millionen Euro allein für SPECT/CT und PET/MR wird deutlich, daß die Bereitstellung und der Betrieb eines derartigen Kleintierbildgebungszentrums nicht an jeder Universitätsklinik realisierbar sein wird.

Welche Chancen bietet das Förderprogramm sowie grundsätzlich die Schaffung von Gerätezentren für die Kleintierbildgebung für die Nuklearmedizin? Insbesondere an Standorten mit einer bereits (teilweise) vorhandenen Infrastruktur, aber ohne etablierte Core Facility bzw. Zentrumsstruktur für die experimentelle (Radionuklid-)Kleintierbildgebung, ergibt sich die Gelegenheit, systematisch eine modalitätenumfassende Serviceeinheit für die experimentelle in-vivo Kleintierbildgebung aufzubauen – idealerweise unter Einschluss anderer Modalitäten wie MRT, CT, Ultraschall und optische/Fluoreszenzbildgebung –, die universitätsweit die komplette Kleintierbildgebung für alle tierexperimentell arbeitenden Arbeitsgruppen auf einem professionellen und kompetenten Niveau anbieten kann, wobei die einzelnen Modalitäten nicht konkurrierend agieren, sondern ihr Einsatz von der Core Facility auf die jeweilige Fragestellung optimiert angeboten werden kann. Dies führt auf mittlere Sicht für die Nuklearmedizin zu einer deutlich höheren Sichtbarkeit und Aufwertung ihrer Methodik, zu einer besseren Vernetzung im Bereich der präklinischen Forschung und zu einem Ausbau der „Bildgebungskompetenz“ und Expertise allgemein. Auch werden die Betriebskosten auf mehrere Schultern verteilt, da eine allen intramuralen Arbeitsgruppen zur Verfügung stehende Core Facility in der Regel als „Grundausstattung“ einer Universitätsklinik mindestens anteilig zentral betrieben und finanziert wird und mehr Nutzer zu einer höheren Refinanzierung beitragen.

Anzumerken ist jedoch, dass Wunschvorstellungen, eine derartige Einrichtung könne sich durch interne Leistungsverrechnung selbst refinanzieren oder sogar Gewinn abwerfen, nicht realistisch sind. Allein z. B. die von der DFG in Projektanträgen anerkannten Kosten für Gerätenutzungszeiten, die auf den zusätzlichen Projektbedarf ausgerichtet sind und nicht die Grundausstattung finanzieren, decken bei weitem nicht die Gerätenutzungskosten, wie sie sich auf Vollkostenbasis darstellen!

Für die akademische Einrichtung eröffnet die Schaffung einer professionellen Core Facility die Zusammenfassung der unterschiedlichen Modalitäten der Kleintierbildgebung zu einem Servicezentrum, in dem – auch unter zunehmend gewichtigen Tierschutzaspekten – multimodale Erfahrungen, Kompetenzen und Expertise langfristig gebündelt werden. Dies erhöht intramural die Sichtbarkeit und Nutzung der vorhandenen Ressourcen als auch extramural die Attraktivität für potentielle Kooperationspartner und Drittmittelgeber. Dies setzt aber auch die Bereitstellung einer räumlich optimierten Infrastruktur sowie die Schaffung einer Organisations- und Managementstruktur mit den Möglichkeiten der Weiterentwicklung der Core Facility voraus. Hierzu zählen auch Wartungs- und Serviceverträge bzw. finanzielle Ressourcen im Falle von Geräteausfällen, um einen kontinuierlichen Betrieb zu gewährleisten, Mittel für die Weiterentwicklung der Core Facility im Hinblick auf Neu- und Ersatzbeschaffungen in einem Gerätesektor mit oft kurzen Innovationszyklen ebenso wie die langfristige Bereitstellung von erfahrenem Stammpersonal, ohne das der Betrieb hochkomplexer, am Standort oft singulärer Forschungsgeräte nicht professionell möglich ist. Nur bestens eingearbeitetes und geschultes Personal mit langjähriger Geräteexpertise und umfangreicher Erfahrung in gerätespezifischen Workflows, Untersuchungsdurchführung und Bilddatenauswertung garantiert insbesondere bei SPECT, PET und MRT eine optimale Nutzung. Dies kann durch wechselnde Doktoranden und Habilitanden, die meist nur unregelmäßig oder kurzzeitig an den Geräten arbeiten, nicht gewährleistet werden. Auch zur Sicherstellung rechtlicher Anforderungen an das Vorhandensein fundierter Kenntnisse und teils Fachkunden z. B. für die Bereiche Strahlenschutz, Arbeitssicherheit, Gentechniksicherheit, Versuchstierkunde etc. ist entsprechend fachkundiges Personal erforderlich, ohne das die Versuche von den jeweiligen fachfremden Nutzern gar nicht durchgeführt werden dürfen.

Da somit der Betrieb einer gut ausgestatteten und leistungsfähigen Core Facility im Bereich der Kleintierbildgebung sowohl kosten- wie auch personalintensiv ist, ist es sinnvoll, dass derartige Core Facilities auch von extramuralen Arbeitsgruppen oder gar im Verbund von Universitäten gemeinsam genutzt werden. Dies reduziert die Betriebskosten und erhöht die Expertise durch eine bessere lokale Auslastung, verringert die Ausgaben für gleiche Forschungsgroßgeräte auf nationaler Ebene und setzt damit Gelder für die direkte Projektförderung frei, und schafft letztlich infrastrukturell gut ausgestattete Kompetenzzentren, die auch international konkurrenzfähig sind.

Allerdings setzt dies neben der Unterstützung durch die Fakultät auch die Unterstützung durch die Drittmittelgeber und der für den Tierschutz zuständigen Landesbehörden voraus. Denn ohne finanzielle Kompensation der für derartige Kooperationen zwischen verschiedenen Universitäten notwendigen Dienstreisen mit Übernahme auch von Reise- und Übernachtungskosten in Projektanträgen sowie einer geregelten Finanzierung von Untersuchungszeiten für die anbietende Universität durch die Fördereinrichtungen werden derartige Kooperationen nicht im wünschenswerten Umfang zustande kommen. Ebenso ist eine Unterstützung von Seiten der für den Tierschutz zuständigen Landesbehörden erforderlich, da derartige Kooperationen oft mit Tierversuchsanträgen einhergehen, die verschiedene lokale Behörden betreffen und daher von ihnen gemeinsam zu genehmigen sind. Einheitliche Antragsverfahren auf Landesebene für standortübergreifende Tierversuche für die Antragsteller wären hier zu begrüßen.

Somit bietet die Einrichtung einer professionell geführten und personell sowie gerätetechnisch gut ausgestatteten Core Facility für die (Radionuklid-)Kleintierbildgebung Vorteile sowohl für die akademische Einrichtung wie auch für das Gesamtfach Nuklearmedizin, andererseits erlaubt es den Universitäten wie auch den Drittmittelgebern im Sinne der DFG-Bekanntmachung eine „Professionalisierung des Betriebs und Managements“ sowie „die Bildung von stabilen Strukturen für die Nutzung dieser Zentren“.