Pneumologie 2020; 74(04): 222-229
DOI: 10.1055/a-0977-6236
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Atemstörungen im Schlaf

Sleep-disordered Breathing
A. Möller
Fachbereich pädiatrische Pneumologie und Schlafmedizin, Universitäts-Kinderspital – Eleonorenstiftung, Zürich, Schweiz
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Alexander Möller
Pädiatrie, pädiatrische Pneumologie, Schlafmedizin (SSSSC)
Leitender Arzt, Leiter Pneumologie
Universitäts-Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung
Steinwiesstraße 75
CH–8032 Zürich

Publication History

eingereicht24 January 2019

akzeptiert05 February 2019

Publication Date:
09 April 2020 (online)

 

Zusammenfassung

Atemstörungen im Schlaf haben bei Kindern eine hohe klinische Relevanz. Sie betreffen nicht nur einen großen zeitlichen Anteil im Leben der Kinder, sondern haben auch negative Auswirkungen auf das Gedeihen, die kardiovaskuläre Funktion und die kognitive Entwicklung. Verschiedene entwicklungsspezifische Faktoren müssen in der Beurteilung von Schlafuntersuchungen bei Kindern berücksichtigt werden. Die Adeno-Tonsillenhyperplasie ist sicherlich der häufigste Grund für eine Atemstörung im Schlaf, aber das Spektrum an Ursachen ist sehr breit. Gerade syndromale kranio-faziale Missbildungen und metabolische Erkrankungen sind mit einem sehr hohen Risiko einer relevanten Atemstörung assoziiert. Eine korrekte und kindergerechte Diagnostik ist essenziell, um eine adäquate Therapie zu ermöglichen.


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Abstract

Sleep disordered breathing disorders in children are of a high clinical relevance. They do not only affect a large proportion of the children‘s lives in terms of time but they impact on the thriving, cardiovascular function and cognitive development. Different developmental factors have to be considered in the interpretation of sleep studies in children. Adeno-tonsillar hypertrophy is the most frequent reason for paediatric sleep disordered breathing, however the spectrum of aetiologies is very large. Syndromic cranio facial malformations and metabolic disorders are often associated with a very high risk of relevant sleep disordered breathing. Correct and child-oriented diagnostics are essential to enable adequate therapy.


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Schlafassoziierte Atemstörungen haben beim Kind eine hohe Relevanz. Auf der einen Seite ist die Zeit, welche Kinder im Schlaf verbringen, sehr hoch, und auf der anderen Seite hat der Schlaf wichtige Funktionen in der kognitiven Entwicklung [1] [2]. Rund 10 % der gesunden Kinder schnarchen regelmäßig, und 1 – 2 % leiden an einem Schlafapnoesyndrom [3]. Atemstörungen im Schlaf sind aber sehr viel häufiger, wenn entsprechende Risikofaktoren vorhanden sind. Dies betrifft vor allem Kinder mit syndromalen Erkrankungen, welche auch anderweitig vielfältige gesundheitliche Probleme haben [4]. Wichtige Beispiele werden in diesem Artikel vorgestellt. Schlafassoziierte Atemstörungen resultieren nicht nur bei den betroffenen Kindern in einer Beeinträchtigung, sondern führen auch bei deren Eltern zu einer relevanten Reduktion der Lebensqualität [5]. In diesem Artikel möchte ich auf verschiedene Aspekte eingehen. Diese sind bis zu einem gewissen Grad subjektiv gewichtet und haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Entwicklungsspezifische Faktoren

Bei Kindern sind verschiedene entwicklungsspezifische Faktoren in Betracht zu ziehen, weshalb die Kinderschlafmedizin nicht einfach ein Kapitel der allgemeinen Schlafmedizin sein kann, sondern in die Hände von Kinder-Spezialisten gehört. Im Folgenden werden einige Grundlagen über den kindlichen Schlaf, die Entwicklung der oberen Atemwege sowie der Atemkontrolle beschrieben.

Schlaf

Die mittlere Schlafdauer liegt im ersten Lebensjahr bei 14 Stunden und nimmt dann ab. So schlafen zum Beispiel Vorschulkinder im Alter von 3 – 5 Jahren im Schnitt 11,5 – 13 Stunden und 10-Jährige rund 10 Stunden [6]. Der Anteil des REM-Schlafs an der totalen Schlafzeit nimmt von 50 % im ersten Lebensjahr auf rund 20 – 25 % im Alter von 5 Jahren ab [7]. Schlafassoziierte Atemstörungen betreffen deshalb einen sehr relevanten Anteil im Leben der Kinder. Zudem sind Atemstörungen im REM-Schlaf in der Regel ausgeprägter als im Non-REM-Schlaf.


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Anatomische Entwicklung der oberen Atemwege

Die oberen Atemwege sind hauptverantwortlich für die funktionelle Atemregulation. Aufgrund der anatomischen Besonderheiten spielen sie bei Säuglingen eine große Rolle. Die Atemwege haben generell einen kleineren Durchmesser und generieren deshalb höhere Fluss-Widerstände. Die Nares sind enger, die Zunge ist im Verhältnis größer, die Epiglottis ist relativ gesehen groß und der Larynx deutlich höher gelegen als bei Kindern im Schulalter. Dazu ist die engste Stelle subglottisch gelegen und nicht wie zum Beispiel bei Erwachsenen im Bereich der Glottis. Die Glottis wird inspiratorisch weiter, was den Atemwiderstand vermindert, und exspiratorisch enger, was den exspiratorischen Druck erhöht und so die Atemwege offenhält. Die subglottische Region kann hingegen nicht funktionell reguliert werden. Aufgrund dieser anatomischen Verhältnisse und der noch weichen kartilaginären Strukturen ist die Kollapsneigung der oberen Atemwege größer als bei Erwachsenen. Dabei kommt es zum Atemwegs-Kollaps, wenn der extraluminale Druck höher ist als der intraluminale Druck des betroffenen Segments (kritischer Verschlussdruck = Pcrit). Dieser ist bei Säuglingen am höchsten, sinkt im Vorschulalter und Schulalter, um dann im Verlauf des Erwachsenenalters wieder anzusteigen. Affektionen der oberen Atemwege, aber auch ein reduzierter Muskeltonus führen deshalb bei den Säuglingen zu relevanten Atemstörungen.


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Atemkontrolle

Aufgrund der noch nicht voll entwickelten Atemkontrolle zeigen junge Säuglinge eine Unreife in der ventilatorischen Antwort auf einen Abfall der Blutsauerstoffsättigung. Dies zeigt sich in der Häufigkeit von zentralen Apnoen und Desaturationen im ersten Lebensmonat mit deutlicher Abnahme dieser Ereignisse bis ins Alter von 3 Monaten [8].

Die unreife Atemkontrolle kann zur sogenannten periodischen Atmung führen. Im Rahmen von spontanen zentralen Apnoen (z. B. nach Seufzern oder Bewegungen) kommt es bedingt durch die kleine funktionelle Residualkapazität zu einem Abfall der Blutsauerstoff-Sättigung. Daraus resultieren eine kurze Weckreaktion (Arousal) und eine durch die unreife Atemkontrolle bedingt überschießende Erhöhung der Ventilation. Dadurch sinkt der Partialdruck des CO2 im Blut kurz unter die Apnoe-Schwelle, und es erfolgt eine weitere Apnoe. Dieser Kreis-Effekt führt zum Atemmuster der periodischen Atmung mit sich abwechselnden tiefen Atemzügen und Apnoen ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Kreis-Effekt der periodischen Atmung.

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Physiologische Besonderheiten der Atmung im Schlaf

Die Atmung wie auch die physiologischen Reaktionen auf Ereignisse, wie z. B. Hypoxie, sind abhängig von der Schlafphase. Im Tiefschlaf (NREM Stadium 3) ist die Atmung regelmäßig mit nur kleiner Variabilität der Atemfrequenz und Amplitude der Atemzüge. Im Vergleich zum Wachzustand sinkt die Minutenventilation um ca. 15 %, und der obere Atemwegswiderstand ist auf das Doppelte erhöht. Im REM-Schlaf ist die Atmung unregelmäßig mit variabler Atemfrequenz und Amplitude. Der Tonus der oberen Atemwege sinkt, was zu einer Erhöhung des Atemwegswiderstandes und einer vermehrten Kollapsneigung der oberen Luftwege führt. Ebenfalls durch den reduzierten Muskeltonus sinkt der Anteil des Rippenthorax an der Atmung, und der Zwerchfell-Anteil steigt. Beides resultiert in einer Tendenz zu vermehrter Atemwegsobstruktion und paradoxer Atmung im REM-Schlaf. Die ventilatorischen Antworten auf Hypoxie und Hyperkapnie sind im Schlaf generell und im REM-Schlaf deutlich reduziert. Daraus resultiert, dass zentrale Apnoen im REM-Schlaf deutlich häufiger auftreten und vor allem obstruktive Atemstörungen im REM-Schlaf ausgeprägter sind [9].


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Definitionen und Einteilung

Die American Academy of Sleep Medicine (AASM) hat Guidelines festgelegt, nach welchen die Atemereignisse eingeteilt werden [10]. [Abb. 2] illustriert die verschiedenen Muster.

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Abb. 2 Darstellung der verschiedenen Atemereignisse.
  • Zentrale Apnoe: Abfall des Atemflusses um mehr als 90 % über ≥ 2 Atemzyklen ohne sichtbaren respiratorischen Effort. Diese Ereignisse sind von einem Abfall der Blutsauerstoff-Sättigung (SaO2) von ≥ 3 % und/oder einem Arousal im EEG begleitet. Die in der Erwachsenen-Schlafmedizin gebräuchliche minimale Dauer für ein Ereignis von 10 Sekunden ist bei Kindern aufgrund der altersabhängig variablen Atemfrequenz nicht anwendbar.

  • Obstruktive Apnoe: Abfall des Atemflusses um mehr als 90 % über ≥ 2 Atemzyklen mit sichtbarem respiratorischem Effort. Dabei ist oft eine asynchrone Ein- und Ausatembewegung von Thorax und Abdomen = paradoxe Atmung erkennbar.

  • Hypopnoe: Abfall des Atemflusses um ≥ 30 % über ≥ 2 Atemzyklen assoziiert mit einem Abfall der Blutsauerstoff-Sättigung (SaO2) von ≥ 3 % und/oder einem Arousal im EEG. Bei sichtbarem respiratorischem Effort mit in der Regel asynchroner Ein- und Ausatembewegung von Thorax und Abdomen handelt es sich um obstruktive Hypopnoen.

  • Gemischte Apnoen: eine Kombination aus einer obstruktiven und einer zentralen Apnoe. Beginnt typischerweise ohne erkennbaren Effort zentral und gegen Ende der Apnoe kommt es zu frustranen Atembewegungen.

Ein pathologischer Befund liegt gemäß AASM-Richtlinien dann vor, wenn mehr als ein Ereignis pro Stunde Schlaf auftritt, also der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) > 1/h ist. Die relativ neuen Daten von Brockmann et al. [8] zeigen aber, dass im frühen Säuglingsalter bei gesunden Kindern zentrale Apnoen deutlich häufiger auftreten. Bei vorwiegend obstruktiven Atemstörungen sollte deshalb der obstruktive Apnoe-Hypopnoe-Index (OAHI) verwendet werden, welcher nur die obstruktiven Ereignisse zählt. Ein OAHI von 1 – 5/h gilt als eine milde, ein Index von 6 – 10 als moderate und ein Index von > 10 als schwere obstruktive Atemstörung (OSA) [11]. Eine Hypoventilation liegt vor, wenn der Gasaustausch soweit kompromittiert ist, dass CO2 ungenügend abgeatmet wird und das end-tidale PCO2über mehr als 25 % der totalen Schlafzeit höher als 50 mmgHg ist, oder wenn das höchste PCO2 ≥ 55 mmHg erreicht ist [11].

Obstruktive Atemstörung und obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS)

Eine obstruktive Atemstörung hat ihre Ursache meist in einem hohen oberen Atemwegswiderstand oder inspiratorischen Atemwegskollaps. Sie kann aber auch durch eine schwache Atemmuskulatur entstehen, wenn die Kraft zur Überwindung des oberen Atemwegswiderstands nicht ausreicht. [Tab. 1] fasst das Spektrum der obstruktiven Atemstörung zusammen.

Tab. 1

Spektrum der obstruktiven Atemstörungen im Schlaf.

Atemstörungen

Symptome

Primäres Schnarchen

Habituelles Schnarchen (> 3 Nächte pro Woche ohne Apnoen, Hypopnoen, häufige Arousals aus dem Schlaf oder Störung des Gasaustauschs)

Upper airway resistance syndrome (UARS)

Schnarchen, erhöhte Atemarbeit, häufige Arousals, aber keine erkennbaren obstruktiven Ereignisse oder Gasaustauschstörung

Obstruktive Hypoventilation

Schnarchen und erhöhter endexpiratorischer oder transkutaner CO2-Partialdruck ohne erkennbare wiederholte obstruktive Ereignisse

Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS)

Wiederholte Ereignisse mit partieller oder kompletter Atemwegsobstruktion (Hypopnoen oder Apnoen) mit Desaturationen und Weckreaktionen

OSAS-Definition: A) Symptome einer Atemstörung im Schlaf in Kombination mit einem OAHI ≥ 2/h oder B) Symptome einer Atemstörung im Schlaf in Kombination mit einem AHI ≥ 1/h (inklusive zentrale Apnoen) [11]

Klassische nächtliche Symptome einer obstruktiven Atemstörung im Schlaf sind:

  • Schnarchen (≥ 3 Woche),

  • sichtbar angestrengte Atmung,

  • beobachtete Atemaussetzer,

  • laute inspiratorische Geräusche,

  • unruhiger Schlaf,

  • sekundäre Enuresis,

  • hyperextendierter Nacken,

  • Schlafen in sitzender Position.

Tagessymptome, welche auf eine Atemstörung im Schlaf hinweisen können, sind:

  • morgendliche Kopfschmerzen (Hyperkapnie im Schlaf),

  • vermehrte Tagesmüdigkeit und Schläfrigkeit,

  • Hyperaktivität,

  • Aggressivität sowie Lernprobleme.

In der klinischen Untersuchung können:

  • eine Tonsillenhyperplasie,

  • eine adenoide Fazies,

  • Mikro-Retrognathie und oder

  • ein hoher Rachenbogen

auffallen.

Risikofaktoren für ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS)

Die Gründe für obstruktive schlafassoziierte Atemstörungen beim Kind sind mannigfaltig. Es werden im Folgenden nur einige beispielartig erwähnt. Ein OSAS bei Kindern kann ätiologisch durch eine intrinsische obere Atemwegsenge oder durch eine erhöhte obere Atemwegs-Kollapsibilität bedingt werden.

Die Adenoid- und Tonsillen-Hypertrophie ist sicherlich die häufigste Ursache für eine kindliche OSA [7].

Neben der Tonsillenhyperplasie ist die Adipositas ein wichtiger und häufiger Risikofaktor. Die Atemstörung wird einerseits durch die Fetteinlagerungen in den oberen Atemwegen und Halsbereich bedingt, andererseits führt die Akkumulation von abdominellem viszeralem Fett vor allem in Rückenlage zu einer Verminderung der Zwerchfellbewegung. Dies führt zu einer Störung der Lungencompliance mit den Folgen von Hypoventilation, Atelektasen und einem Ventilations-Perfusions-Mismatch [14]. Je nach Daten zeigen 13 – 78 % von adipösen Kindern ein OSAS [12] [13].

Eine sehr wichtige und bezüglich schlafassoziierten Atemstörungen oft vernachlässigte Gruppe sind Kinder mit Trisomie 21. Aufgrund mehrerer anatomischer und funktioneller Faktoren leiden 57 – 100 % dieser Kinder an einem OSAS [7] [14]. Die Makroglossie und oft vorhandene leichte Retrognathie sind anatomische und die relative muskuläre Hypotonie die wesentlichsten funktionellen Faktoren. Aus diesem Grund ist ein Screening nach OSAS bei allen Kindern mit Trisomie 21 nötig.

Kinder mit Mittelgesichts-Hypoplasie und kraniofazialen Anomalien, wie zum Beispiel einer Dysostosis mandibulofacialis (Treacher-Collins-Syndrom) oder Dysostosis oculo-auriculo-vertebralis (Goldenhar-Syndrom), haben ein sehr hohes Risiko für eine obstruktive Atemstörung (rund 50 %, resp. 65 %) [15] [16]. Beispiele kraniofazialer Anomalien mit oberer Atemwegsobstruktion sind die Achondroplasie [17] (jeweils in Klammer die Häufigkeit eines OSAS; 48 %), Pierre-Robin-Sequenz [18] (76 %) und Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (50 – 69 %) [19]. Kinder mit kraniofazialen Dystsosen (Morbus Crouzon, Apert-Syndrom und Pfeiffer-Syndrom) haben ebenfalls ein sehr hohes Risiko für eine schwere OSA (50 – 91 %) [20]. Ein OSAS ist typisch für alle Formen der Mukoplysaccharidosen, und bis zu 70 % der betroffenen Kinder zeigen eine Atemstörung (in der Regel ein OSAS). Diese ist bedingt durch die exzessive Akkumulation von Glykosaminglykanen in den oberen und zentralen Atemwegen mit vergrößerten Adenoiden und Tonsillen, vergrößerter Zunge, engem Naso-Pharynxraum, kurzem Nacken und schmalem Thorax [21].


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Gemischte zentrale und obstruktive Atemstörungen

Kinder mit Prader-Willy-Syndrom (PWS) haben ein außerordentlich hohes Risiko, eine schlafassoziierte Atemstörung zu entwickeln [22]. Das PWS ist charakterisiert durch eine muskuläre Hypotonie, Ernährungsprobleme und eine Gedeihstörung in der Säuglingsperiode, während sich die Hyperphagie mit Entwicklung einer morbiden Adipositas erst im Verlauf der Kindheit entwickelt. Säuglinge mit PWS zeigen durch die Entwicklungsstörung des Prä-Bözinger-Komplexes eine gestörte Reaktion auf Hypoxie und Hyperkapnie und deshalb eine vorwiegend zentrale Atemstörung im Sinne von prolongierten zentralen Apnoen. Im Verlauf wechselt das Muster zu einer obstruktiven Störung im Sinne einer OSA bedingt durch die muskuläre Hypotonie, faziale Dysmorphien und die Adipositas.

Neben einer Atemstörung zeigen die Kinder mit PWS oft eine exzessive Tagesmüdigkeit, Abnormitäten der REM-Schlaforganisation sowie eine erhöhte Weckbarkeit, Hyperarousabilität. Da ein OSAS ein Risikofaktor für einen plötzlichen unerwarteten Tod unter einer Wachstumshormontherapie darstellt, müssen alle Kinder mit PWS vor Einleitung einer entsprechenden Therapie eine respiratorische Polygrafie oder PSG erhalten [23].

Kinder mit neuromuskulären Krankheiten wie einem Morbus Duchenne haben ein sehr hohes Risiko einer progressiven Atemstörung im Schlaf, welche sich in der Regel in einem Mischbild einer OSA und einer Hypoventilation manifestiert. Bei allen Säuglingen mit einer klinisch manifesten neuromuskulären Krankheit sollte eine PSG-Untersuchung durchgeführt werden. Bei den älteren Kindern und Jugendlichen ist eine PSG in folgenden Situationen notwendig:

  • ab einer forcierten Vitalkapazität von 60 % der Altersnorm,

  • Rollstuhlpflichtigkeit,

  • Nachweis einer relevanten Diaphragma-Schwäche,

  • bei einer generellen klinischen Verschlechterung mit Tagessymptomen wie Müdigkeit und morgendlichen Kopfschmerzen sowie gehäuften Atemwegs-Infekten [24].


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Zentrale Atemstörungen

Eine zentrale Atemstörung hat ihre Ursache in einer dysfunktionalen Atemregulation. Diese kann durch eine Unreife der Atemkontrolle bedingt sein, wie bei den frühgeborenen Kindern oder im Rahmen der periodischen Atmungsunreife oder ihre Basis in einer Erkrankung oder Schädigung des zentralen Nervensystems haben, wie zum Beispiel durch Missbildungen, Hirntumoren oder Enzephalopathien.

Kinder mit Joubert-Syndrom leiden an einer Hypoplasie des zerebellären Vermis und des Hirnstamms und dadurch an einer gestörten Temperaturregulation und Herzfrequenz-Variabilität und zeigen neben einer persistierenden Tachypnoe massive zentrale Apnoen [25]. Kinder mit zentralen Malformationen, wie die Arnold-Chiari-Typ-1-Malformation, Tumoren des Hirnstamms ([Abb. 3]) oder der hinteren Schädelgrube, können teils schwere zentrale Atemstörungen entwickeln. Deshalb sollte bei unklaren Atemstörungen im Schlaf ein Schädel-MRI in Betracht gezogen werden [26].

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Abb. 3 Schwere zentrale Atemstörung bei einem 3-jährigen Jungen.

Das kongenitale zentrale Hypoventilations-Syndrom (Undine-Syndrom) ist äußerst selten. Die autonome Dysregulation ist das Resultat von Polyalanin-Repeat-Mutationen im Paired-like-Homebox-2B-Gen (PHOX2B) auf dem Chromosom 4. Der Schweregrad ist dabei abhängig von der Anzahl der Mutations-Repeats. Die reduzierte oder fehlende Sensitivität der Chemorezeptoren führt zu einer fehlenden ventilatorischen Antwort auf Hypoxie und Hyperkapnie mit der Folge einer alveolären Hypoventilation im Schlaf. Meist wird die Diagnose bereits bei Geburt gestellt, da das Neugeborene nicht genügend atmet. Es gibt aber auch spät erkannte, in der Regel mildere Formen [27].


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Diagnostik der Atemstörungen im Schlaf

Die folgende Box fasst die Indikationen für die Durchführung einer Schlafuntersuchung zusammen.

Wichtige anamnestische Fragen zur klinischen Evaluation einer möglichen obstruktiven Atemstörung im Schlaf
  1. Schütteln Sie manchmal Ihr Kind, damit es wieder atmet?

  2. Zeigt Ihr Kind Atempausen im Schlaf?

  3. Hat Ihr Kind Mühe zu atmen im Schlaf?

  4. Machen Sie sich manchmal Sorgen wegen der Atmung ihres Kindes im Schlaf?

  5. Ist das Schnarchen laut?

  6. Schnarcht Ihr Kind oft, jede Nacht oder mindestens 3 Nächte pro Woche?

  7. Ist die Kopfhaltung im Schlaf in einer überstreckten Haltung?

  8. Zeigt das Kind eine allgemeine Unruhe, häufiges Drehen?

Gerade bei Kindern mit anderweitigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sprechen die Eltern Atemstörungen im Schlaf oft nicht spontan an. Wichtige anamnestische Fragen zur klinischen Evaluation einer möglichen obstruktiven Atemstörung im Schlaf sind in der Box zusammengestellt.

Es gibt zudem verschiedene validierte Screening-Fragebögen, welche vor allem in Studien angewendet werden. Diese können die in der PSG erhobenen Befunde allerdings nur ungenügend voraussagen und zum Beispiel ein primäres Schnarchen von einer OSA unzureichend unterscheiden. Zudem kann der Schweregrad einer OSA nicht akkurat durch anamnestische Angaben und klinische Befunde abgeschätzt werden [28].

Hilfreich können hingegen Videoaufnahmen sein. Mit modernen Smartphones können qualitativ hochwertige Ton- und Bildaufnahmen gemacht werden. Diese zeigen in den wenigen publizierten Studien eine gute Voraussagekraft für ein in der PSG verifiziertes OSAS, wenn sie die klassischen Zeichen einer Atemstörung zeigen [28]. Sehr häufig werden Messungen der Sauerstoffsättigung über eine Nacht angewendet. Diese zeigen eine exzellente Nacht-zu-Nacht-Übereinstimmung in zwei aufeinanderfolgenden Nächten [29]. Wenn eine Oxymetrie zyklische Desaturationen zeigt, ist dies relativ spezifisch für das Vorliegen eines OSAS. Dies gilt aber nur bei sonst gesunden Kindern. Hingegen können bei Patienten mit Adipositas, Asthma und anderen respiratorischen Erkrankungen falsch-positive Befunde resultieren. Während der positive prädiktive Wert bei rund 97 % liegt, ist der negativ prädiktive Wert mit nur 47 % ungenügend. Die Untersuchung ist deshalb relativ spezifisch, aber zu wenig sensitiv. Eine normale Oxymetrie schließt ein OSAS nicht aus [28] [30].

Eine PSG ist auf Kinderschlaflabore beschränkt und entsprechend aufwändig. Zudem muss das Kind (meist zusammen mit einer Begleitperson) im Labor übernachten, weshalb oft eine respiratorische Polygrafie (rPG) zu Hause durchgeführt wird. Dabei werden neben dem nasalen Druckfluss-Signal, die Sauerstoffsättigung, die Thorax- und Abdomenbewegungen sowie die Körperposition und oft auch die Schnarchgeräusche abgeleitet. Bezüglich der Beurteilung der Atemereignisse ist die Übereinstimmung mit einer gleichzeitig durchgeführten PSG sehr hoch [31]. Allerdings wird der Schweregrad durch Unterschätzung der totalen Schlafzeit zu gering eingestuft [31]. Wenn ein schweres OSAS vermutet wird, sollte deshalb immer eine PSG bevorzugt werden. Die Untersuchung mittels Heim-rPG kann bezüglich ihrer Qualität allerdings nicht überwacht werden. So weiß man zum Beispiel nicht, ob ein für die Evaluation von Hypopnoen essenzielles nasales Druckfluss-Signal in brauchbarer Qualität vorhanden ist oder ob durch Bewegungen der nasale Sensor nicht in situ liegt. Gerade bei nicht optimal kooperierenden Kindern hat diese Untersuchung eine relativ hohe Ausfallsquote. Aus eigener Erfahrung eignet sich die Heim-rPG nicht für Säuglinge und Kleinkinder unter 2 Jahren und bei Kindern mit Trisomie 21. Zudem fehlt eine Aussage über das CO2, weshalb keine Aussagen bezüglich einer Hypoventilation gemacht werden kann. Kurzzeit-Ableitungen, wie eine rPG oder PSG im Tagesschlaf, – sogenannte „daytime-nap“-Studien unterschätzen den Schweregrad einer Atemstörung aufgrund des reduzierten REM-Schlafs und weisen deshalb eine ungenügende Sensitivität auf [28]. Die folgende Box fasst die Indikationen zur Durchführung einer Polysomnografie zusammen.

Indikationen für die Durchführung einer Polysomnografie oder respiratorischen Polygrafie [11]
  • Klinischer Verdacht auf das Vorliegen eines OSAS

  • Residuelle Symptome eines OSAS nach Tonsillektomie

  • Postoperative Untersuchung nach Tonsillektomie zum Ausschluss eines residuellen OSAS:

    • schweres OSAS präoperativ

    • Adipositas

    • kraniofaziale Abnormitäten

    • Down-Syndrom

    • Prader-Willy-Syndrom

  • Präoperative Untersuchung vor einer Tonsillektomie

    • Kinder unter drei Jahren

    • schweres OSAS

    • wenn eine nächtliche Oxymetrie eine minimale Sättigung von < 80 % zeigt

    • Adipositas, Down-Syndrom, kraniofaziale Abnormitäten, neuromuskuläre Krankheiten, Mukopolysaccharidose, Sichelzellerkrankung

    • Diskordanz zwischen klinischem Befund und vermutetem Schweregrad des OSAS

  • Verdacht auf kongenitales zentrales Hypoventilationssyndrom

  • Verdacht auf Hypoventilation bei neuromuskulärer Krankheit oder schwerer Thoraxdeformität

  • Atemwegserkrankungen mit zusätzlich klinischem Verdacht für eine Schlafatemstörung, nächtliche Hypoxie oder Hypoventilation. Dies sind unter anderem Zystische Fibrose, schweres Asthma, bronchopulmonale Dysplasie, Bronchiolitis obliterans, restriktive Lungenerkrankungen

  • Säuglinge mit einem kurzen selbstlimitierenden unerklärten Ereignis (Brief Resolved Unexplained Event [BRUE]; ehemals als Apparent Lufe Threatening Event; ALTE benannt)

  • Sauerstoff-Absetzversuch bei Säuglingen mit bronchopulmonaler Dysplasie


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Folgen einer schlafassoziierten Atemstörung

Ein schweres OSAS kann zu einer Gedeihstörung führen [32]. Daneben ist das Risiko der Entwicklung eines metabolischen Syndroms deutlich erhöht. Eine arterielle Hypertonie ist erst ab einem OHAI von ≥ 5/h zu erwarten [33].

Eine Atemstörung im Schlaf beeinträchtigt die Lebensqualität der betroffenen Kinder wie auch deren Eltern [5]. Kinder mit OSA zeigen gehäuft Verhaltensauffälligkeiten im Sinne von Trotzanfällen, Hyperaktivität und Konzentrationsdefiziten [34]. Dies kann sich in schlechteren Schulleistungen [35] und einer beeinträchtigten kognitiven Leistungsfähigkeit manifestieren [36]. OSAS-assoziierte Verhaltensauffälligkeiten verbessern sich, wenn die Atemstörung zum Beispiel durch eine Tonsillektomie behoben werden konnte [37].


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Behandlung der Atemstörungen im Schlaf

Der folgende Abschnitt beschränkt sich auf die Behandlung der obstruktiven Atemstörung im Schlaf, da eine umfassende Diskussion den Rahmen dieses Übersichtsartikels sprengen würde.

Gemäß dem Konsensus der European Respiratory Society sollte ein dem Schweregrad und der Ätiologie angepasstes schrittweises Vorgehen zur Behandlung gewählt werden [11]. Die Indikation für eine Therapie ist bei einem AHI von > 5/h unabhängig von der Zusatzmorbidität gegeben. Bei kardiovaskulärer oder ZNS-Morbidität, bei sekundären Problemen, wie sekundärer Enuresis, Wachstumsverzögerung oder beeinträchtigter Lebensqualität, kann eine Behandlung bereits bei einem AHI von 1 – 5/h zu einer Verbesserung führen. Eine Behandlung sollte bei schweren kraniofazialen Missbildungen, neuromuskulären Erkrankungen, Achondroplasie, Chiari-1-Malformation und auch bei Trisomie 21 prioritär erfolgen. Die folgenden Empfehlungen basieren auf dem Task-force Report der European Respiratory Society [11]. Die Referenzen für die jeweiligen Punkte können dort eingesehen werden.

  • Eine Gewichtsreduktion ist bei übergewichtigen und adipösen Kindern die erste Therapie der Wahl. Bei schwerer Atemstörung mit einer obstruktiven Hypoventilation muss aber auch eine nicht-invasive Beatmung (CPAP oder BiPAP s. u.) initiiert werden.

  • Bei einem milden OSAS kann eine topische nasale Steroid-Therapie und oder Montelukast über 6 – 12 Wochen zu einer Verbesserung führen.

  • Bei Kindern mit Adenoid- und Tonsillenhypertrophie ist die Evidenz zur Behandlung der OSA mittels Adeno-Tonsillektomie (3-TE) sehr gut, und die American Academy of Pediatrics (AAP) empfiehlt die 3-TE entsprechend als first-line-Therapie. Bei anderweitig gesunden, nicht übergewichtigen Kindern führt eine 3-TE in mehr als 75 % zum Erfolg. Risikofaktoren für eine persistierende OSA sind starkes Übergewicht, ein schweres OSAS mit einem AHI von > 20/h, Asthma bronchiale sowie prädisponierende Grundprobleme wie kraniofaziale Missbildungen, Trisomie 21 und neuromuskuläre Krankheiten [38].

  • Kieferorthopädische Maßnahmen wie Unterkiefer-Protrusions-Schienen können bei sorgfältig selektierten Kindern effektiv sein. Bei kraniofazialen Missbildungen muss in der Regel eine kieferchirurgische Intervention erfolgen.

  • Eine nicht-invasive Heim-Beatmung mittels CPAP (continuous positive ariway pressure) oder allenfalls BiPAP (Biphasic Positive Airway Pressure) ist bei Kindern ohne Ko-Morbiditäten sicherlich nur selten notwendig für die Behandlung einer OSA. Wenn keine wesentlichen Kontraindikationen vorliegen, sollten immer die oberen Atemwege zuerst angegangen werden („Platz schaffen“). Eine CPAP-Therapie ist angezeigt bei vorwiegend obstruktiver Atemstörung, die nicht chirurgisch verbessert werden kann, oder nach erfolgloser operativer Therapie (Adipositas, kraniofaziale Dysmorphien, Trisomie 21). Hier ist das Ziel, die oberen Atemwege offen zu halten, die funktionelle Residualkapazität zu erhöhen und die Atemarbeit zu verringern. Wenn eine nächtliche Hypoventilation mit Hyperkapnie vorliegt (neuromuskuläre Krankheiten, schwere kraniofaziale Syndrome oder Adipositas-assoziierte Hypoventilation), muss primär eine BiPAP-Beatmung eingeleitet werden.

  • Eine Tracheostomie ist die ultima ratio bei schwersten Atemstörungen, zum Beispiel bei syndromalen kraniofazialen Missbildungen, oder wenn eine klassisch nicht-invasive Beatmung wegen der Notwendigkeit zu hoher Beatmungsdrucke misslingt [39].

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Atemstörungen im Schlaf bei Kindern sind relativ häufig. Sie umfassen ein großes Spektrum an verschiedenen Ursachen und Ko-Morbiditäten. Atemstörungen im Schlaf haben relevante Konsequenzen auf die Lebensqualität, die kognitive Funktion sowie metabolische Funktion und sollten deshalb großzügig gesucht und behandelt werden. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Alters- und entwicklungsspezifische Faktoren müssen berücksichtigt werden in der Interpretation von Schlafuntersuchungen, weshalb Kinder mit Atemstörungen im Schlaf in die Hände von Kinderschlafspezialisten gehören.


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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Alexander Möller
Pädiatrie, pädiatrische Pneumologie, Schlafmedizin (SSSSC)
Leitender Arzt, Leiter Pneumologie
Universitäts-Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung
Steinwiesstraße 75
CH–8032 Zürich

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Abb. 1 Kreis-Effekt der periodischen Atmung.
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Abb. 2 Darstellung der verschiedenen Atemereignisse.
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Abb. 3 Schwere zentrale Atemstörung bei einem 3-jährigen Jungen.