Abkürzungen
ARDS:
akutes Lungenversagen (acute respiratory distress syndrome)
PEEP:
positiv-endexpiratorischer Druck
paO2
:
Sauerstoffpartialdruck
FiO2
:
Sauerstoffkonzentration der Einatemluft
Grundlagen
Primäres Ziel der Bauchlagerung bei Patienten mit ARDS ist die Verbesserung des Gasaustauschs. Das Lungenparenchym des ARDS-Patienten ist inhomogen: Die dorsalen Lungenanteile sind gut durchblutet, aber teilweise atelektatisch, in den ventralen Lungenanteilen droht Überblähung und konsekutiv Minderperfusion.
Die Bauchlagerung resultiert in einer Vergrößerung des am Gasaustausch teilnehmenden Lungenvolumens, denn sie reduziert minder- oder nicht-belüftete Areale. So kommt es zu einer homogeneren Atemgasverteilung mit verbessertem Ventilations-Perfusions-Verhältnis mit geringerem alveolärem Shunt.
Der positive Effekt der Bauchlagerung besteht nicht nur in einer verbesserten Oxygenierung: Die homogenisierenden Effekte auf das Parenchym reduzieren auch das Beatmungstrauma entscheidend.
Wann ist die Bauchlage sinnvoll – und wann nicht?
Indikation
In einer großen, prospektiven randomisierten Studie zur Bauchlagerung wurden alle invasiv beatmeten Patienten mit ARDS und einem Oxygenierungsindex paO2/FiO2 < 150 bei einer FiO2 > 0,6 für 16 Stunden in Bauchlage verbracht [1]. Eine frühzeitige Bauchlagerung nach Indikationsstellung erwies sich als prognoseverbessernd. Die Bauchlagerung erfolgte 1-mal tgl., bis eine anhaltende Verbesserung der Oxygenierung in Rückenlage eingetreten war (4 Stunden nach Rücklagerung: paO2/FiO2 ≥ 150 mmHg bei einem PEEP ≤ 10 cm H2O und einer FiO2 ≤ 0,6) oder mehrere Lagerungsversuche erfolglos blieben. Es fand sich eine signifikante Reduktion der Sterblichkeit in der Bauchlagerungsgruppe.
Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie Invasive Beatmung gilt als Indikation für die Bauchlage: ARDS-Diagnose + Oxygenierungsindex paO2/FiO2 < 150 mmHg [2].
Jeder beatmete ARDS-Patient mit einem Oxygenierungsindex paO2/FiO2 < 150 sollte frühzeitig eine Bauchlagerungstherapie für 16 Stunden erhalten – es sei denn, es bestehen Kontraindikationen.
Kontraindikationen
Eine Bauchlagerung ist kontraindiziert bei [2]
[3]:
Auch ein bestehendes abdominelles Kompartmentsyndrom stellt eine relative Kontraindikation dar, da durch die Bauchlagerung der intraabdominelle Druck erhöht wird.
Eine schwere respiratorische Insuffizienz ist eine lebensbedrohliche Situation – daher können alle Kontraindikationen als relativ angesehen werden. Es sollte immer eine differenzierte Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen.
Risiken
Das Hauptrisiko bei der Bauchlagerung ist die Gefahr der Dislokation von Tubus oder Gefäßzugängen/Kathetern während der Lagerungsmanöver. Zur Vermeidung dieses Risikos darf die Bauchlagerung nur dann durchgeführt werden, wenn ausreichend Personal zur Verfügung steht, das mit der Methode vertraut ist.
Mindestens 3 Fachkräfte sind für die Bauchlagerung erforderlich, i. d. R. ein Arzt und 2 Pflegekräfte. Bei adipösen Patienten sind oftmals insgesamt 5 Fachkräfte zur sicheren Lagerung notwendig.
Bei Patienten mit abdomineller Adipositas kann es zu einer Kompromittierung der Leber- und Nierenfunktion kommen, sodass bei längerdauernder Bauchlagerung die Nieren- und Leberfunktion engmaschig überwacht werden sollten.
Zudem besteht ein hohes Risiko für die Entwicklung von Druckläsionen. Diese entstehen v. a. an Stellen, an denen wenig Unterhautfettgewebe vorhanden ist. Dies ist insbesondere bei Knochenvorsprüngen der Fall: Gesicht, Schulter, Hüfte und Knie sind Risikostellen. Zur Vermeidung von Druckläsionen sollten eine sorgfältige Unterpolsterung der Auflagestellen sowie eine regelmäßige Mikrolagerung (1- bis 2-stündlich) in Bauchlage erfolgen. Zur Reduktion des Dekubitusrisikos wird oftmals statt der kompletten 180°-Lagerung eine 135°-Lagerung favorisiert. Diese wird im Folgenden Schritt für Schritt erklärt.
Bei der Bauchlagerung muss insbesondere auf die druckfreie Lagerung von Augen, Nase und Ohren geachtet werden.
Schritt für Schritt
Vorbereitung
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Tubus in dem Mundwinkel fixieren, der oben zu liegen kommt (135°-Lagerung)
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alle Zu- und Abgänge kontrollieren (unnötige oder kurzzeitig entbehrliche Zugänge diskonnektieren)
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Überwachung auf das absolut Notwendige minimieren (Pulsoxymetrie/invasive RR-Messung)
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Augenschutz (z. B. durch Augensalbe, Lidschluss sicherstellen)
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Ernährungssonden (Magensonde, PEG etc.) zum Drehen auf Ablauf
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endotracheal absaugen
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Notfallmedikamente und Equipment zur Re-Intubation in Reichweite
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Lagerungsmaterialien vorbereiten (Decken, Wattering o. ä. für den Kopf)
-
Präoxygenierung
Der Arzt steht immer am Kopfende des Bettes. Die folgenden Schritte des Drehens erfolgen ausschließlich auf sein Kommando. Der Arzt hält während des gesamten Lagerungsvorgangs den Kopf des Patienten. Er fixiert dabei mit seinen Händen den Tubus und die zentralen Zugänge im Halsbereich.
Schritt 1
Der erste physische Schritt bei der Bauchlagerung ist eine Mobilisierung des Patienten an einem Rand des Bettes. Bewährt hat sich, dass die Seite des Patienten am Rand liegt, die nach der Drehung „oben“ ist ([Abb. 1]).
Abb. 1 Lagerung des Patienten in Rückenlage an einer Seite des Bettes (weißer Pfeil: Position des Arztes; roter Pfeil: die Linke des Patienten liegt am Rand des Bettes – diese Körperseite soll nachher „oben“ sein).
Schritt 2
Um Lagerungsschäden und Verletzungen bei der Drehung zu vermeiden, sollte man – soweit es möglich ist – vermeiden, den Arm des Patienten, über den die Rotation erfolgt, unter den Körperstamm anzulagern. Die Hand des Patienten wird mit der Rückseite nach oben unter das Gesäß gelagert (wie bei der stabilen Seitenlage; [Abb. 2]). Diese Vorbereitung erleichtert die folgende Drehung deutlich.
Abb. 2 Den Arm unter den Körperstamm – die Hand mit der Rückseite nach oben unter das Gesäß (Pfeil).
Schritt 3
Der Patient wird in eine 90°-Seitenlagerung gedreht, dann weiter in die 135°-Position.
Die Angriffspunkte für die Drehung sind die nach oben rotierende Schulter und das Becken des Patienten. Dabei positioniert die eine Pflegekraft die Hände unter der Schulter und dem Becken des Patienten ([Abb. 3], rote Pfeile). Zur besseren Kontrolle der Drehung greift die andere Pflegekraft an der oberen Schultervorderseite und dem oberen vorderen Beckenkamm zu.
Abb. 3 Drehung in die 90°-Seitenlagerung (weißer Pfeil: Die Hand des Arztes fixiert den Tubus; rote Pfeile: Eine Pflegekraft positioniert die Hände unter der Schulter und dem Becken des Patienten).
Sollte zusätzliches Personal verfügbar sein, kann das Gewicht des Patienten noch besser aufgeteilt werden. Insbesondere bei adipösen Patienten sind zusätzliche Kräfte notwendig.
Eine kurze Pause der Bewegung in der 90°-Seitenlage zur Kontrolle der Zugänge und des Tubus ist sinnvoll. Hierbei können diese gegebenenfalls für die weitere Drehung erneut gesichert werden. Auch die Materialien zur Unterpolsterung können zu diesem Zeitpunkt noch optimal ausgerichtet werden.
Schritt 4
Unter diesen kontrollierten Bedingungen erfolgt die Fortführung der Lagerung von 90° auf 135° ([Abb. 4]). Die „oben“ liegende Körperseite des Patienten wird auf einer längsgefalteten Decke gelagert.
Abb. 4 Fortführung der Drehung in die 135°-Lagerung.
Schritt 5
Der unten liegende Arm und die Schulter des Patienten werden vorsichtig seitlich unter dem Körper herausgeschoben, sodass eine achsen- und gelenkgerechte Lagerung entsteht ([Abb. 5]).
Abb. 5 Befreiung von Arm und Schulter (grün: ideale Armposition).
Da hier eine Schädigung des Armplexus entstehen kann, sollte besonders gewissenhaft gepolstert werden. Die Arme müssen ohne Zug und ohne Überstreckung im Bereich der Schultern und damit des Plexus liegen.
Schritt 6
Die Lagerung des Kopfes erfolgt seitlich mit dem Gesicht zur „oben“ liegenden Seite. Empfehlenswert ist ein Ring aus Watte ([Abb. 6]).
Abb. 6 Lagerung des Kopfes in einem Wattering. Augen und Ohren müssen frei sein.
Aufgrund der geringen Weichteildeckung entstehen hier besonders leicht Lagerungsschäden. Augen, Nase und Ohren müssen frei sein und dürfen keinesfalls aufliegen.
Zirkuläre Tubusfixierungen müssen regelmäßig kontrolliert und ggf. gelockert werden. Es kann sonst zur Einschnürung kommen, wenn in Bauchlage im Halsbereich ödematöse Einlagerungen auftreten.
Schritt 7
Die Unterschenkel des Patienten müssen unterpolstert werden, damit Kniescheiben und Zehen frei liegen und sich auch hier keine Lagerungsschäden bilden können ([Abb. 7]).
Abb. 7 Unterpolsterung der Unterschenkel.
Im Anschluss erfolgt eine Re-Etablierung des Gesamtmonitorings, wobei die EKG-Elektroden nun auf dem Rücken analog zur frontalen Positionierung angebracht werden. Infusionen, Dialyse etc. werden wieder angeschlossen.
Vonseiten der Pflege sind in Bauchlagerung alle 1–2 Stunden Mikrolagerungen sowie eine Kontrolle der Lage – insbesondere des Kopfes – zur Vermeidung von Dekubiti obligat.
Nachdem der Patient in die Bauchlagerung gebracht wurde, sind eine gewissenhafte Abschlusskontrolle und eine regelmäßige Verlaufskontrolle der Lagerung unerlässlich. Die Bauchlagerung sollte für 16 Stunden beibehalten werden.
Beendung
Die Bauchlagerungstherapie sollte beendet werden, wenn es zu einer anhaltenden Verbesserung der Oxygenierung in Rückenlage kommt (4 Stunden nach Rücklagerung: paO2/FiO2 ≥ 150 mmHg bei einem PEEP ≤ 10 cm H2O und einer FiO2 ≤ 0,6) oder wenn mehrere Lagerungsversuche erfolglos geblieben sind [2].