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DOI: 10.1055/a-0978-0893
Bauchlagerung bei Beatmung – Schritt für Schritt
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Publication History
Publication Date:
12 February 2020 (online)
Das akute Lungenversagen (ARDS) ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild mit hoher Sterblichkeit. Die Bauchlagerung verbessert die Prognose bei moderatem und schwerem ARDS. Sie wird daher heutzutage als Standardtherapieverfahren bei der ARDS-Behandlung empfohlen. Die Risiken der Bauchlagerung sind überschaubar – wenn die Durchführung korrekt erfolgt.
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Abkürzungen
Grundlagen
Primäres Ziel der Bauchlagerung bei Patienten mit ARDS ist die Verbesserung des Gasaustauschs. Das Lungenparenchym des ARDS-Patienten ist inhomogen: Die dorsalen Lungenanteile sind gut durchblutet, aber teilweise atelektatisch, in den ventralen Lungenanteilen droht Überblähung und konsekutiv Minderperfusion.
Die Bauchlagerung resultiert in einer Vergrößerung des am Gasaustausch teilnehmenden Lungenvolumens, denn sie reduziert minder- oder nicht-belüftete Areale. So kommt es zu einer homogeneren Atemgasverteilung mit verbessertem Ventilations-Perfusions-Verhältnis mit geringerem alveolärem Shunt.
Der positive Effekt der Bauchlagerung besteht nicht nur in einer verbesserten Oxygenierung: Die homogenisierenden Effekte auf das Parenchym reduzieren auch das Beatmungstrauma entscheidend.
Wann ist die Bauchlage sinnvoll – und wann nicht?
Indikation
In einer großen, prospektiven randomisierten Studie zur Bauchlagerung wurden alle invasiv beatmeten Patienten mit ARDS und einem Oxygenierungsindex paO2/FiO2 < 150 bei einer FiO2 > 0,6 für 16 Stunden in Bauchlage verbracht [1]. Eine frühzeitige Bauchlagerung nach Indikationsstellung erwies sich als prognoseverbessernd. Die Bauchlagerung erfolgte 1-mal tgl., bis eine anhaltende Verbesserung der Oxygenierung in Rückenlage eingetreten war (4 Stunden nach Rücklagerung: paO2/FiO2 ≥ 150 mmHg bei einem PEEP ≤ 10 cm H2O und einer FiO2 ≤ 0,6) oder mehrere Lagerungsversuche erfolglos blieben. Es fand sich eine signifikante Reduktion der Sterblichkeit in der Bauchlagerungsgruppe.
Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie Invasive Beatmung gilt als Indikation für die Bauchlage: ARDS-Diagnose + Oxygenierungsindex paO2/FiO2 < 150 mmHg [2].
Jeder beatmete ARDS-Patient mit einem Oxygenierungsindex paO2/FiO2 < 150 sollte frühzeitig eine Bauchlagerungstherapie für 16 Stunden erhalten – es sei denn, es bestehen Kontraindikationen.
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Kontraindikationen
Eine Bauchlagerung ist kontraindiziert bei [2] [3]:
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offenem Abdomen
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Wirbelsäuleninstabilität
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erhöhtem intrakraniellem Druck
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bedrohlichen Herzrhythmusstörungen
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manifestem Schock
Auch ein bestehendes abdominelles Kompartmentsyndrom stellt eine relative Kontraindikation dar, da durch die Bauchlagerung der intraabdominelle Druck erhöht wird.
Eine schwere respiratorische Insuffizienz ist eine lebensbedrohliche Situation – daher können alle Kontraindikationen als relativ angesehen werden. Es sollte immer eine differenzierte Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen.
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Risiken
Das Hauptrisiko bei der Bauchlagerung ist die Gefahr der Dislokation von Tubus oder Gefäßzugängen/Kathetern während der Lagerungsmanöver. Zur Vermeidung dieses Risikos darf die Bauchlagerung nur dann durchgeführt werden, wenn ausreichend Personal zur Verfügung steht, das mit der Methode vertraut ist.
Mindestens 3 Fachkräfte sind für die Bauchlagerung erforderlich, i. d. R. ein Arzt und 2 Pflegekräfte. Bei adipösen Patienten sind oftmals insgesamt 5 Fachkräfte zur sicheren Lagerung notwendig.
Bei Patienten mit abdomineller Adipositas kann es zu einer Kompromittierung der Leber- und Nierenfunktion kommen, sodass bei längerdauernder Bauchlagerung die Nieren- und Leberfunktion engmaschig überwacht werden sollten.
Zudem besteht ein hohes Risiko für die Entwicklung von Druckläsionen. Diese entstehen v. a. an Stellen, an denen wenig Unterhautfettgewebe vorhanden ist. Dies ist insbesondere bei Knochenvorsprüngen der Fall: Gesicht, Schulter, Hüfte und Knie sind Risikostellen. Zur Vermeidung von Druckläsionen sollten eine sorgfältige Unterpolsterung der Auflagestellen sowie eine regelmäßige Mikrolagerung (1- bis 2-stündlich) in Bauchlage erfolgen. Zur Reduktion des Dekubitusrisikos wird oftmals statt der kompletten 180°-Lagerung eine 135°-Lagerung favorisiert. Diese wird im Folgenden Schritt für Schritt erklärt.
Bei der Bauchlagerung muss insbesondere auf die druckfreie Lagerung von Augen, Nase und Ohren geachtet werden.
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Schritt für Schritt
Vorbereitung
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Tubus in dem Mundwinkel fixieren, der oben zu liegen kommt (135°-Lagerung)
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alle Zu- und Abgänge kontrollieren (unnötige oder kurzzeitig entbehrliche Zugänge diskonnektieren)
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Überwachung auf das absolut Notwendige minimieren (Pulsoxymetrie/invasive RR-Messung)
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Augenschutz (z. B. durch Augensalbe, Lidschluss sicherstellen)
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Ernährungssonden (Magensonde, PEG etc.) zum Drehen auf Ablauf
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endotracheal absaugen
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Notfallmedikamente und Equipment zur Re-Intubation in Reichweite
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Lagerungsmaterialien vorbereiten (Decken, Wattering o. ä. für den Kopf)
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Präoxygenierung
Der Arzt steht immer am Kopfende des Bettes. Die folgenden Schritte des Drehens erfolgen ausschließlich auf sein Kommando. Der Arzt hält während des gesamten Lagerungsvorgangs den Kopf des Patienten. Er fixiert dabei mit seinen Händen den Tubus und die zentralen Zugänge im Halsbereich.
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Schritt 1
Der erste physische Schritt bei der Bauchlagerung ist eine Mobilisierung des Patienten an einem Rand des Bettes. Bewährt hat sich, dass die Seite des Patienten am Rand liegt, die nach der Drehung „oben“ ist ([Abb. 1]).
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Schritt 2
Um Lagerungsschäden und Verletzungen bei der Drehung zu vermeiden, sollte man – soweit es möglich ist – vermeiden, den Arm des Patienten, über den die Rotation erfolgt, unter den Körperstamm anzulagern. Die Hand des Patienten wird mit der Rückseite nach oben unter das Gesäß gelagert (wie bei der stabilen Seitenlage; [Abb. 2]). Diese Vorbereitung erleichtert die folgende Drehung deutlich.
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Schritt 3
Der Patient wird in eine 90°-Seitenlagerung gedreht, dann weiter in die 135°-Position.
Die Angriffspunkte für die Drehung sind die nach oben rotierende Schulter und das Becken des Patienten. Dabei positioniert die eine Pflegekraft die Hände unter der Schulter und dem Becken des Patienten ([Abb. 3], rote Pfeile). Zur besseren Kontrolle der Drehung greift die andere Pflegekraft an der oberen Schultervorderseite und dem oberen vorderen Beckenkamm zu.
Sollte zusätzliches Personal verfügbar sein, kann das Gewicht des Patienten noch besser aufgeteilt werden. Insbesondere bei adipösen Patienten sind zusätzliche Kräfte notwendig.
Eine kurze Pause der Bewegung in der 90°-Seitenlage zur Kontrolle der Zugänge und des Tubus ist sinnvoll. Hierbei können diese gegebenenfalls für die weitere Drehung erneut gesichert werden. Auch die Materialien zur Unterpolsterung können zu diesem Zeitpunkt noch optimal ausgerichtet werden.
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Schritt 4
Unter diesen kontrollierten Bedingungen erfolgt die Fortführung der Lagerung von 90° auf 135° ([Abb. 4]). Die „oben“ liegende Körperseite des Patienten wird auf einer längsgefalteten Decke gelagert.
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Schritt 5
Der unten liegende Arm und die Schulter des Patienten werden vorsichtig seitlich unter dem Körper herausgeschoben, sodass eine achsen- und gelenkgerechte Lagerung entsteht ([Abb. 5]).
Da hier eine Schädigung des Armplexus entstehen kann, sollte besonders gewissenhaft gepolstert werden. Die Arme müssen ohne Zug und ohne Überstreckung im Bereich der Schultern und damit des Plexus liegen.
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Schritt 6
Die Lagerung des Kopfes erfolgt seitlich mit dem Gesicht zur „oben“ liegenden Seite. Empfehlenswert ist ein Ring aus Watte ([Abb. 6]).
Aufgrund der geringen Weichteildeckung entstehen hier besonders leicht Lagerungsschäden. Augen, Nase und Ohren müssen frei sein und dürfen keinesfalls aufliegen.
Zirkuläre Tubusfixierungen müssen regelmäßig kontrolliert und ggf. gelockert werden. Es kann sonst zur Einschnürung kommen, wenn in Bauchlage im Halsbereich ödematöse Einlagerungen auftreten.
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Schritt 7
Die Unterschenkel des Patienten müssen unterpolstert werden, damit Kniescheiben und Zehen frei liegen und sich auch hier keine Lagerungsschäden bilden können ([Abb. 7]).
Im Anschluss erfolgt eine Re-Etablierung des Gesamtmonitorings, wobei die EKG-Elektroden nun auf dem Rücken analog zur frontalen Positionierung angebracht werden. Infusionen, Dialyse etc. werden wieder angeschlossen.
Vonseiten der Pflege sind in Bauchlagerung alle 1–2 Stunden Mikrolagerungen sowie eine Kontrolle der Lage – insbesondere des Kopfes – zur Vermeidung von Dekubiti obligat.
Nachdem der Patient in die Bauchlagerung gebracht wurde, sind eine gewissenhafte Abschlusskontrolle und eine regelmäßige Verlaufskontrolle der Lagerung unerlässlich. Die Bauchlagerung sollte für 16 Stunden beibehalten werden.
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Beendung
Die Bauchlagerungstherapie sollte beendet werden, wenn es zu einer anhaltenden Verbesserung der Oxygenierung in Rückenlage kommt (4 Stunden nach Rücklagerung: paO2/FiO2 ≥ 150 mmHg bei einem PEEP ≤ 10 cm H2O und einer FiO2 ≤ 0,6) oder wenn mehrere Lagerungsversuche erfolglos geblieben sind [2].
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Autorinnen/Autoren
Dr. Tobias Bertram Vogt
ist Facharzt in der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sowie Facharzt für Anästhesiologie, spezielle Weiterbildung Intensivmedizin.
Dr. Barbara Sensen
ist Oberärztin der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sowie Fachärztin für Anästhesiologie, spezielle Weiterbildung Intensivmedizin.
Prof. Dr. Stefan Kluge
ist Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Er ist Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunktbezeichnung Pneumologie, spezielle Weiterbildung Intensivmedizin.
Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonfikt besteht.
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Literatur
- 1 Guerin C, Reignier J, Richard J. et al. Prone positioning in severe acute respiratory distress Syndrome. N Engl J Med 2013; 368: 2159-2168
- 2 Fichtner F, Moerer O, Laudi S. et al. S3-Leitlinie – Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz. AWMF Leitlinien-Register Nr. 001/021
- 3 Bein T, Bischoff M, Brückner U. et al. Kurzversion S2e-Leitlinie – Lagerungstherapie und Frühmobilisation zur Prophylaxe oder Therapie von pulmonalen Funktionsstörungen. Anaesthesist 2015; 64: 596-611
Korrespondenzadresse
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Literatur
- 1 Guerin C, Reignier J, Richard J. et al. Prone positioning in severe acute respiratory distress Syndrome. N Engl J Med 2013; 368: 2159-2168
- 2 Fichtner F, Moerer O, Laudi S. et al. S3-Leitlinie – Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz. AWMF Leitlinien-Register Nr. 001/021
- 3 Bein T, Bischoff M, Brückner U. et al. Kurzversion S2e-Leitlinie – Lagerungstherapie und Frühmobilisation zur Prophylaxe oder Therapie von pulmonalen Funktionsstörungen. Anaesthesist 2015; 64: 596-611