kleintier konkret 2019; 22(04): 46-48
DOI: 10.1055/a-0978-1218
Praxismanagement
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Führen darf Spaß machen!

Barbara Freitag-Herse
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
30. August 2019 (online)

 

Ein neuer Kollege fügt sich nicht so geschmeidig in Ihr Team ein, wie Sie es gern hätten? Es gibt Konflikte unter den TFAs? Nur zwei Beispiele, bei denen Sie als Praxisinhaber tätig werden müssen, und zwar in Ihrer Funktion als Führungskraft. Das haben Sie in Ihrem Studium vielleicht nicht gelernt, aber es ist auch keine Raketentechnik. Trauen Sie sich – es kann richtig Spaß machen!


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Als gute Führungskraft sind Sie für Ihre Mitarbeiter der standfeste Leuchtturm, der Ihnen bei unruhiger See den sicheren Weg in den Hafen zeigt.(© S. Schaaf)

Tierärzte lernen richtig viel! Sie lernen anatomische und physiologische Zusammenhänge, Krankheitsbilder und deren Behandlungen, eine eigene Sprache und im besten Falle auch den empathischen Umgang mit Patientenbesitzern und Kollegen. Für viele ist eine eigene Praxis das Ziel. Sie statten die Praxisräume mit allem Notwendigen aus und geben den Räumen den Style, der der ganz persönlichen Gründungsenergie, der Vision entspricht. Das Management wird organisiert, also die internen Abläufe von der Anmeldung bis hin zur Abrechnung.

Im optimalen Fall haben Sie eine gute Arbeit gemacht, sitzen am richtigen Ort und der Terminkalender wird voll. Er wird so voll, dass Sie sich überlegen, eine Kollegin, einen Kollegen einzustellen. Jetzt wird es spannend! Denn trotz fundierter Ausbildung und aller Richtlinien haben die meisten eine entscheidende Sache nicht gelernt: Führen!

Bloß keine Konflikte

Oft gehen wir an das Führen von Mitarbeitern genauso heran wie an die Gestaltung einer therapeutischen Beziehung: empathisch, freundlich, Konflikte clever umschiffend und harmonisch. Wir möchten bitte gemeinsam und nett unseren Alltag verleben.

Praxisinhaber erleben sich oft als Teil des eigenen Teams. Sie wollen mit nach Gleichheit suchender Sprache die kostbare Lebenszeit, die sie oft mehr in der Praxis verleben als mit der eigenen Familie, harmonisch verbringen. Es ist ja wunderbar, beliebt zu sein – allerdings nur genauso lange, bis es einen Konflikt gibt. Bis sich ein Mitarbeiter nicht so kooperativ und motiviert verhält, wie wir es uns wünschen oder unausgesprochen erwarten. Bis ein Mitarbeiter seine Grenzen an anderer Stelle setzt, als wir es bitte gern hätten, und so lange, bis es im Team anfängt zu dampfen. Eine typische Situation, die ich in meiner Arbeit mit Praxen häufig erlebt habe, ist, dass in ein bestehendes harmonisches Team ein neuer Kollege kommt, der einfach anders ist. Der sich nicht so kollegial verhält, wie es das eingespielte Team gewohnt ist. Der die Kaffeetasse stehen lässt, gerne ein volles Wartezimmer übergibt oder sich schon krank meldet, wenn andere noch nicht mal ein Aspirin nehmen würden. Jetzt wird es spannend im Team, denn alle angestellten Augen sind auf den Chef gerichtet. Wie wird er reagieren? Was wird sie sagen oder tun? Oft passiert nun leider Folgendes: nichts! Zumindest nichts, was nach außen als Führung wahrnehmbar wäre.

  • Trotz unserer fundierten Ausbildung haben wir eine entscheidende Sache nicht gelernt: Führen!


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Führen ist was Positives

Gelingt es der Führungskraft nun nicht, aus dem heimeligen „Wir sind ein Team“-Gefühl in die Führungsrolle zu wechseln, ist das komplette eingespielte Team in Gefahr, denn genau diese Mitarbeiter fühlen sich nun verraten. Die „Meuterei auf der Bounty“ ist in vollem Gange. Manchmal übernimmt den nicht ausgefüllten Führungsposten einfach jemand anderes aus dem Team, der mehr oder weniger zufällig über diese Kraft verfügt. Das kann auch die TFA sein. Dann sind alle Positionen durcheinandergeraten. Genau mit diesem Dilemma richten sich nun oft verzweifelte Praxisinhaber an mich, in dem Irrglauben, sie könnten einfach nicht führen, alle anderen können dies ohnehin viel besser und alles solle doch bitte einfach wieder nett sein. Also zuerst einmal zur Beruhigung aller Arbeitgeber in dieser oder einer ähnlichen Situation: Führen ist keine Raketentechnik. Es ist viel einfacher zu lernen. Es macht sogar Freude, denn es fördert Potenziale in Ihnen zu Tage, von denen Sie bisher vielleicht noch gar nichts wussten. Und Sie führen jeden Tag: Ihr Leben, vielleicht Ihre Kinder, vielleicht Ihren Hund. Sicherlich können Sie Hunderte Seminare besuchen, in denen Führungstechniken gelehrt werden. Die alle sind dann sinnvoll, wenn Sie vorher einen entscheidenden Schritt gegangen sind: Bewerten Sie das Führen positiv!

Die inneren negativen Bilder und Überzeugungen zum Thema Führen stellen mit großer Präzision sicher, dass es Ihnen auch weiterhin schwerfällt. Sie wollen ja schließlich nicht zu diesen schrecklichen Despoten oder Ausbeutern gehören, unter denen Sie vielleicht selbst leiden mussten. Das waren allerdings keine Führungskräfte, das waren Diktatoren. Deren Art mit Mitarbeitern umzugehen hat nichts mit Führung zu tun.

Führen ist etwas ganz anderes: Stellen Sie sich vor, Sie säßen in einer kleinen Nussschale von Boot – nicht ohne Grund werden diese „Optimist“ genannt – und Sie treiben in dunkler stürmischer Nacht auf eine Küste zu. Es ist kalt, die Gischt schlägt Ihnen ins Gesicht und Sie erinnern sich, dass Sie einmal hörten, es gäbe Klippen vor der Küste. Was wünschen Sie sich nun? Möchten Sie einen unmissverständlich klar und deutlich strahlenden Leuchtturm, der unverrückbar an derselben Stelle steht und Ihnen zuruft: „Hier entlang!“, oder möchten Sie lieber gemeinsam mit dem Leuchtturmwärter im Boot sitzen und darüber reden, wie schrecklich alles ist, in dem Wissen, dass er Sie vollends versteht? Sehen Sie? Das ist Ihre Aufgabe! Kein Mensch braucht eine Führungskraft, wenn alles so läuft wie geschmiert. Wir brauchen FührungsKRAFT, wenn den Anvertrauten die Kraft und die Übersicht fehlt, wenn es hektisch und turbulent wird. Diese Kraft nährt sich aus drei wichtigen Quellen: Stabilität, Vision und Liebe zur Verantwortung.


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Stabilität

Neudeutsch auch „Standing“ genannt, meint der Begriff hier nicht unbedingt die stabilen Arbeitsverträge, sondern eine persönliche Stabilität. Fest verwurzelt stehen Sie mit sich selbst, Ihren Werten, Ihrer Vision und Ihrer Integrität zu Ihrer Praxis und zu sich selbst. Ja, vielleicht machen Sie auch Fehler. Willkommen, Sie sind ein Mensch! Und doch wirft Sie dies nicht um.

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(© S. Schaaf)

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Vision

Valentin Wemper nennt dies in seinem Buch „Management“ die eigentliche Führungsaufgabe. Er unterscheidet zwischen Führen und Management. Management sind das operative Geschäft, die Abläufe, Terminierung und der gesamte Bürokram. Führen ist, eine Vision zu haben und das Feuer der Gründungsidee über viele Jahre hinweg zu nähren und zu schüren. Die Vision beschreibt das Warum, das, was uns angetrieben hat, all die Hürden zu übersteigen, um ein eigenes Schild an die Hauswand zu hängen. Dieser wichtige Impuls, mein „Warum“ ist das, was mich auch durch schwierige Zeiten ziehen kann. Damals, als Sie sich auf den Weg zur eigenen Praxis gemacht haben, sagten Sie nicht: „Ich möchte bitte, wenn es keine Umstände macht.“ Sie sagten: „Ich will!“ Leider ist das Wollen in unserer Erziehung nicht sonderlich gut bewertet worden. Vielleicht erinnern Sie sich zum Wollen an ein paar Sätze wie „Kinder, die was wollen …“ oder: „Das heißt ‚Ich möchte!’“ oder: „Du hast nichts zu wollen!“

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte diese Welt nicht unhöflicher machen und alle „Ich will aber“ brüllen lassen. Ich möchte Ihnen nur zeigen, was es bedeutet, wenn wir uns als FührungsKRAFT von der „Ich will“-Energie trennen: Das Feuer der Vision möchte nicht brennen, es will! Wenn Sie sich selbst das Wollen erlauben, wird es Ihnen auch deutlich leichter fallen, zu spüren und zu kommunizieren, was Sie nicht wollen. Das Pendel einer Uhr schlägt stets zu beiden Seiten aus. Es reicht übrigens vollkommen aus, dies zu denken. Formulieren dürfen Sie es für den Alltag selbstverständlich in allgemein verträglicher „Ich möchte“-Form.

  • Führen kann man lernen und es macht sogar Freude, denn es fördert Potenziale in Ihnen zu Tage, von denen Sie bisher vielleicht noch gar nichts wussten!


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Liebe zur Verantwortung

Bei vielen Coachingtechniken ist es ein probates Mittel, sich ein Vorbild zu suchen, wenn man eine bestimmte Fähigkeit nicht beherrscht. Die Idee ist, sich das Tun ganz konkret „abzugucken“, zu kopieren, modellieren, wie das NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) es nennt. Wenn ich mir nun also andere Praxisinhaber suche, deren Führungsfähigkeiten mir imponieren, kann das in Teilen richtig sinnvoll sein. Vielleicht sehe ich ganz konkrete Vorgehensweisen und Formulierungen, die ich übernehmen will. Bedenken Sie bitte, dass Sie nicht sehen, ob es Ihrem Vorbild auch schwerfällt; ob derjenige nicht auch nachts wach liegt und grübelt oder ob er vielleicht schon mit dem Zepter in der Hand geboren wurde und es auch seit Kindheit behalten durfte. Dies alles schließen Sie aus, wenn Sie sich mit anderen vergleichen.

Entscheidend ist doch, was Sie können und wo sie wachsen wollen. Es ist als Führungskraft wichtig zu wissen, wo Sie stehen, wie es Ihnen damit geht und was Ihnen schon morgen ein kleines Stück besser gelingen wird. Gabi Köster sagte zu diesem Thema auf einem ihrer Vorträge: „Wenn du ein gutes Vorbild suchst – sieh in den Spiegel!“

Im Wort „Verantwortung“ steckt „Antwort geben“. Sicherlich geben Sie im Laufe einer Woche eine Menge Antworten. Sie antworten auf Terminanfragen, therapeutische oder organisatorische Fragen. Sie sollten sich aber auch selbst Antworten geben, und zwar auf die wichtigen Fragen Ihres Führens: Ist meinen Mitarbeitern klar, was ich will und was nicht? Verhalte ich mich klar und souverän oder setze ich mich lieber jammernd mit den Mitarbeitern zusammen? Kann ich mit gutem Gefühl nein sagen, wenn mir Wünsche entgegengebracht werden, die ich nicht erfüllen will? Liebe ist nicht immer harmonisch und rosarot, auch wenn das die Momente sind, die uns sehr leichtfallen. Manchmal ist es auch notwendig, sich aus Liebe unbeliebt zu machen – aus Liebe zur eigenen Vision und Kraft, aus Liebe zum Unternehmen und auch aus Liebe zu den Mitarbeitern.


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Barbara Freitag-Herse

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ist Coach, Dozentin und Kommunikationstrainerin. Seit vielen Jahren begleitet sie therapeutische und pädagogische Teams in Findungs- und Konfliktsituationen.
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ist Coach, Dozentin und Kommunikationstrainerin. Seit vielen Jahren begleitet sie therapeutische und pädagogische Teams in Findungs- und Konfliktsituationen.
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Als gute Führungskraft sind Sie für Ihre Mitarbeiter der standfeste Leuchtturm, der Ihnen bei unruhiger See den sicheren Weg in den Hafen zeigt.(© S. Schaaf)
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