Schlüsselwörter
Lungenkrebs - Bronchialkarzinom - Chemotherapie - Strahlentherapie - Tumorresektion
- Checkpointinhibitor
Keywords
pulmonary cancer - bronchial carcinoma - chemotherapy - radiation therapy - tumor
resection - checkpoint inhibitor
Abkürzungen
95 %-KI:
95 %-Konfidenzintervall
BCL2:
B-Cell Lymphoma 2
BSC:
best supportive Care
CAR:
chimeric Antigen Receptor
COPD:
chronisch obstruktive Lungenerkrankung
CTLA4:
cytotoxic T-Lymphocyte-associated Protein 4
DDL3:
Delta-like ligand 3
DLL3:
Delta-like Protein 3
EBUS:
endobronchialer Ultraschall
ED:
extensive Disease (nach Klassifikation der VALG)
EGFR:
epidermal Growth Factor Receptor
EUS:
endoskopischer Ultraschall
HR:
Hazard Ratio
Ig:
Immunglobulin
ITIM:
immunoreceptor tyrosine-based inhibitory motif
KM:
Kontrastmittel
LD:
Limited Disease (nach Klassifikation der VALG)
mTOR:
mechanistic Target of Rapamycin
MYC:
Myelocytomatose
PCI:
prophylactic cranial Irradiation (prophylaktische Ganzhirnbestrahlung)
PD-1:
Programmed Death Receptor 1
PD-L1:
Programmed Death Receptor Ligand 1
PFS:
Progression free Survival (progressionsfreies Überleben)
PI3K:
Phosphatidylinositol-3-Kinase
RB1:
Retinoblastoma transcriptional Corepressor 1
Rova-T:
Rovalpituzumab Tesirine
SCLC:
small Cell Lung Cancer (kleinzelliges Lungenkarzinom)
TIGIT:
T-Zell-Immunrezeptor mit Ig und ITIM-Domänen
TNM:
Klassifikationssystem der UICC für maligne Tumoren (t = „tumor“, n = „node“ [Lymphknoten],
m = „metastasis“)
TTF-1:
thyroidaler Transkriptionsfaktor 1
UICC:
UICC (The Union for International Cancer Control)
VALG:
Veterans Administration Lung Cancer Study Group
VEGF:
vascular Endothelial Growth Factor
VLD:
very limited Disease (nach Klassifikation der VALG)
Einleitung
Der Lungenkrebs ist das häufigste zum Tode führende Malignom in Deutschland und i. d. R.
durch einen aggressiven und sehr heterogenen Verlauf charakterisiert. Mit leicht abnehmender
Inzidenz stellt das kleinzellige Lungenkarzinom mit 15–20 % eine histologische Unterform
des Lungenkarzinoms dar, die allerdings einen charakteristischen Verlauf hat und dadurch
eine besondere Therapieplanung erfordert.
Das international gebräuchliche Akronym für das kleinzellige Lungenkarzinom (SCLC)
leitet sich von der englischen Bezeichnung „small cell lung cancer“ ab.
In Deutschland erkranken jährlich ungefähr 7500 Patienten neu am kleinzelligen Lungenkarzinom,
davon etwa 40 % Frauen [1]. Dies entspricht ungefähr 14 % der neu diagnostizierten Lungenkarzinome.
Der Hauptrisikofaktor ist der lang anhaltende Nikotinabusus, der nahezu von allen
Patienten in der Anamnese angegeben wird.
Das kleinzellige Lungenkarzinom ist gekennzeichnet durch
Daher befinden sich nur 5 % der diagnostizierten SCLC in einem frühen Stadium (I und
II) [2]. Bei 25 % der Patienten wird die Erkrankung im lokal fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert.
Die Mehrzahl der Patienten (70 %) zeigt bereits bei Diagnose hämatogene Metastasen,
die sich bevorzugt in folgenden Organ(-systemen) finden:
-
Lunge,
-
Gehirn,
-
Leber,
-
Nebenniere,
-
Knochen.
Die Prognose ist allgemein schlecht, das mediane Überleben beträgt im Stadium III
11–16 Monate und im Stadium IV 7,3 Monate [2].
Die meisten kleinzelligen Lungenkarzinome werden im bereits fortgeschrittenen Stadium
diagnostiziert.
Die systemische Therapie stellt die entscheidende Therapieform für die Mehrzahl der
Patienten dar. Allerdings erleiden die meisten Patienten im metastasierten Stadium
nach zunächst gutem Ansprechen auf eine Platin-haltige Chemotherapie einen Progress
im weiteren Verlauf mit dann nur limitierten Therapieoptionen, die kürzlich um die
Immuntherapie erweitert werden konnten. Weitere, neue Behandlungsansätze wie neue
zytotoxische oder immunmodulatorische Therapien werden derzeit klinisch evaluiert.
Das mediane Überleben im Stadium IV beträgt ungefähr 8 Monate.
Pathogenese
Das SCLC ist morphologisch definiert durch kleine Zellen mit
-
wenig Zytoplasma,
-
schlecht erkennbaren Zellgrenzen,
-
fein verteiltem granulärem Kernchromatin und
-
fehlenden oder unscheinbaren Nukleolen [3].
Typisch ist eine hohe Mitosenanzahl (bspw. durch Ki-67-Färbung darstellbar) und damit
einhergehend häufig Nekrosebildung.
Nicht selten kann eine Kombination einer kleinzelligen und einer nicht kleinzelligen
Komponente beobachtet werden. Die Prognose dieser Kombinationstumoren wird dabei i. d. R.
durch die kleinzellige Komponente bestimmt.
Als Karzinom exprimiert das SCLC epitheliale Marker, die zumeist mit Pankeratin angefärbt
werden können. Zudem können neuroendokrine Marker (CD56, Chromogranin A, Synaptophysin)
nachgewiesen werden. In der überwiegenden Zahl der Fälle zeigt sich zudem eine Expression
von thyroidalem Transkriptionsfaktor 1 (TTF-1).
Als Ursprung des SCLC geht man aktuell von einer Genese aus neuroendokrinen Zellen
oder Progenitorzellen der Lunge aus. Allerdings sind hier noch Fragen offen; so gibt
es auch Hypothesen einer sekundären Entstehung aus transformierten Adenokarzinomzellen.
Das SCLC weist als starker Nikotin-assoziierter Tumor zahlreiche Mutationen auf. Eine
zumeist nachweisbare Veränderung ist der Funktionsverlust der Tumorsuppressorgene
-
Tp53 (Tumorsuppressorgen, welches das Protein p53 mit einer Molekularmasse von 53
kDa kodiert) und
-
RB1 („retinoblastoma transcriptional corepressor 1“).
Die frühe Inaktivierung von Tp53 führt zu genetischer Instabilität und trägt so auch
zur hohen Mutationslast bei.
Weitere, häufig anzutreffende Alterationen sind
-
MYC-Amplifikationen (Myelocytomatose-Onkogen),
-
Aktivierungen von BCL2 (B-cell lymphoma 2) und PI3K (Phosphatidylinositol-3-Kinase).
Eine besondere Aufmerksamkeit hat zuletzt der Notch-Signalweg („neurogenic locus notch
homolog“) erhalten, der bei SCLC-Tumoren häufig verändert ist. Dieser kann unterschiedliche
inhibitorische und stimulierende Einflüsse auf essenzielle Zellfunktionen wie Zelldifferenzierung,
-Überleben, Proliferation und Angiogenese ausüben. Durch Bindung bspw. durch die membranständigen
Liganden der DDL-Familie („delta like ligand“) auf der Oberfläche einer anderen Zelle
kann ein inhibitorischer Effekt ausgelöst werden.
Immunhistochemisch sind SCLC-Tumoren häufig positiv für Pankeratin, TTF-1 und neuroendokrine
Marker wie CD56, Chromogranin A und Synaptophysin.
Staging und Diagnostik
Die Diagnostik sollte die histologische/zytologische Diagnose sowie den Ausbreitungsgrad
der Erkrankung ermitteln. Dazu sollte mindestens eine Kontrastmittelcomputertomografie
(KM-CT) des Thorax und Oberbauchs mit Abbildung der Leber und Nebennieren durchgeführt
werden [3]. Zusätzlich muss eine Bildgebung des Neurokraniums idealerweise als Magnetresonanztomografie
(MRT) aufgrund der hohen Inzidenz von Hirnmetastasen beim kleinzelligen Lungenkarzinom
erfolgen.
Klinischer Standard ist zudem
-
die vollständige Anamnese,
-
klinische Untersuchung,
-
Erhebung der Standardlaborparameter,
-
Lungenfunktionsdiagnostik,
-
Abklärung und Einschätzung von Risikofaktoren und Komorbiditäten, die den Erkrankungsverlauf
und mögliche therapeutische Entscheidungen beeinflussen können.
Neben der aktuellen (8. Edition) TNM-Klassifikation, die nun verwendet werden sollte
[2], wurde insbesondere von früheren publizierten Daten zumeist auf eine Unterscheidung
zwischen „limited“ und „extensive disease“ zurückgegriffen. Diese von der VALG (Veterans
Administration Lung Cancer Study Group) begründete Unterscheidung orientiert sich
primär an der Durchführbarkeit einer kurativ intendierten thorakalen Bestrahlung.
Dabei beschreibt das Stadium „limited disease“ einen auf den initialen Hemithorax
begrenzten Tumor mit oder ohne ipsi- oder kontralaterale mediastinale oder ipsilaterale
supraklavikuläre Lymphknotenmetastasen und mit oder ohne ipsilateralen Pleuraerguss
unabhängig vom zytologischen Ergebnis.
Etwa 25–35 % aller SCLC-Patienten werden in diesem Stadium diagnostiziert, die verbleibende
Mehrzahl hat bereits ein Stadium IV ausgebildet.
In Abhängigkeit vom diagnostizierten Tumorstadium sollten unterschiedliche Therapiemodalitäten
diskutiert werden ([Abb. 1], [3]
[4]). Diese Diskussion sollte interdisziplinär erfolgen.
Abb. 1 Orientierender Therapiealgorithmus Kleinzelliges Lungenkarzinom (geeignete Patienten)
(nach [3]
[4]).
Alle Patienten mit diagnostiziertem kleinzelligen Lungenkarzinom sollten nach der
aktuellen TNM-Stadieneinteilung klassifiziert und im Tumorboard interdisziplinär besprochen
werden.
Operative Therapie
Eine alleinige Operation ist für ein kleinzelliges Lungenkarzinom eine unzureichende
Therapiemaßnahme. Allerdings können Patienten mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom
(SCLC) im frühen Stadium und ohne Lymphknotenbefall (Stadium I oder II nach TNM; nach
der VALG-Klassifikation Stadium „very limited disease“, VLD) von einer Operation integriert
in ein multimodales Therapiekonzept durchaus profitieren.
Die Überlebenschancen dieser Patienten sind dann nicht schlechter als die von Patienten
mit einem nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom in vergleichbaren Stadien.
Dass dennoch die Operation bei der Behandlung des kleinzelligen Lungenkarzinoms so
gut wie keine Rolle spielt, liegt daran, dass weniger als 5 % der Kleinzeller im Stadium
I oder II diagnostiziert werden. In der Mehrzahl der Fälle ist bei Diagnosestellung
zumindest die lymphogene Metastasierung bereits so weit fortgeschritten, dass mit
einer (zusätzlichen) Operation kein Überlebensvorteil erreicht werden kann.
Größere, insbesondere aktuelle randomisierte Studien bezüglich der Integration einer
kompletten Resektion in das therapeutische Konzept bei der Behandlung von SCLC-Tumoren
im Stadium VLD sind nicht verfügbar.
Prinzip
Vor einer geplanten Operation sind der bestmögliche Ausschluss eine Fernmetastasierung
und eine sorgfältige Untersuchung der mediastinalen Lymphknoten einschließlich PET-CT
und ggf. EUS/EBUS erforderlich.
Patienten mit prätherapeutisch nachgewiesenem N2- oder N3-Befall sollten primär nicht
operiert werden. Bei Patienten mit N1-Lymphknotenbefall wird der Stellenwert der Operation
kontrovers diskutiert, abhängig vom Ausmaß der N1-Metastsierung. Ist die N1-Metasierung
so ausgeprägt, dass für eine komplette, radikale Resektion eine Pneumonektomie erforderlich
wäre, sollte von einer Operation abgesehen werden [4].
Prinzip
Wird die Operation primär in Unkenntnis der Histologie zur Entfernung eines peripheren
Rundherdes durchgeführt und die Diagnose SCLC ergibt sich intraoperativ als Überraschungsbefund
in der Schnellschnittdiagnostik, so sollte die Resektion nach dem gleichen Standard
erfolgen wie bei nicht kleinzelligen Karzinomen, d. h. es sollte eine anatomische
Lungenresektion, i. d. R. eine Lobektomie in Kombination mit einer systematischen
interlobären, hilären und mediastinalen Lymphknotendissektion durchgeführt werden.
Nach Lobektomie im Stadium pT1/2 pN0 werden bei SCLC 5-Jahres-Überlebensraten von
52,6 % und ein medianes Überleben von 65 Monaten erreicht [5].
Postoperativ sollten diese Patienten eine adjuvante Chemotherapie und eine PCI erhalten.
Auf eine postoperative mediastinale Bestrahlung sollte hingegen verzichtet werden.
Retrospektive Untersuchungen zeigen einen negativen Effekt auf das Langzeitüberleben
bei einem pN0-Status [6].
Eine operative Therapie kann beim kleinzelligen Lungenkarzinom nur im sehr frühen
Stadium (idealerweise N0) diskutiert werden. Zumeist werden kleinzellige Lungentumoren
intraoperativ als Zufallsbefund nach Resektion eines unklaren Lungenrundherdes diagnostiziert.
Fall 1
Ein 67-jähriger Patient mit bereits einigen Komorbiditäten (rheumatoide Arthritis,
Steroiddauertherapie, Entfernung eines malignen Melanoms vor 6 Jahren) und starker
Raucheranamnese (50 Packungsjahre) stellt sich vor mit Zufallsbefund eines Rundherdes
im rechten Unterlappen ([Abb. 2 a]). Es wird zunächst ein PET-CT durchgeführt, bei dem der suspekte pulmonale Rundherd
eine starke Anreicherung zeigt, aber ansonsten keine weiteren Auffälligkeiten, insbesondere
der mediastinalen Lymphknoten, zu sehen sind ([Abb. 2 b]).
Abb. 2 Fallbeispiel 1: Zufallsbefund eines Rundherdes im rechten Unterlappen. a Computertomografie bei Diagnose. b PET-CT bei Diagnose.
Nach Diskussion im interdisziplinären Tumorboard wird eine Unterlappenresektion durchgeführt,
bei dem histologisch die Diagnose eines kleinzelligen Lungenkarzinoms im Stadium pT1a
N0 gestellt wird. Der Fall wird erneut interdisziplinär diskutiert, die Indikation
zur Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie gestellt und diese über 4 Zyklen mit
Cisplatin/Etoposid durchgeführt. Eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung lehnt der
Patienten ab.
Zwei Jahre nach Operation ist der Patient weiterhin tumorfrei.
Nicht metastasiertes Stadium
Nicht metastasiertes Stadium
Die simultane Radiochemotherapie ist das Standardverfahren der Behandlung des SCLC
im Stadium „limited Disease“, welches zumeist dem nichthämatogen metastasierten Stadium
entspricht [3]
[4].
Grundlage der Kombination von Radiotherapie und Chemotherapie ist die Überlegung,
mit der Radiotherapie von Tumorregion und Lymphabflussgebiet die lokale Kontrolle
zu erhöhen, die mit der Chemotherapie nicht erreicht werden kann. Andererseits macht
die frühe Metastasierung des SCLC eine systemische Therapie notwendig, da ansonsten
Patienten sehr häufig und rasch außerhalb des bestrahlten Gebietes rezidivieren.
Prinzip
Üblich sind Kombinationschemotherapien (z. B. Cisplatin und Etoposid) über zumindest
über 4 Zyklen in 3-wöchigen Intervallen. Ist von einer Fortsetzung der Therapie ein
weiterer Nutzen für den Patienten zu erwarten, kann die Therapie auf 6 Zyklen ausgedehnt
werden [3].
Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen in Studien zwischen 10 und 20 %. Die Bestrahlung
des Mediastinums führt häufig zu Schluckbeschwerden im Rahmen einer radiogenen Ösophagitis,
zu einer ausgeprägteren Fatigue sowie zu einer Verstärkung der chemotherapiebedingten
Anämie, Thrombopenie und Neutropenie. Zudem kann die Radiotherapie von Lungenanteilen
eine radiogene Pneumonitis bedingen, die typischerweise 6–8 Wochen nach Abschluss
der Radiotherapie auftritt und sich klinisch durch Husten, Fieber und Atemnot manifestiert.
Die Strahlentherapie sollte nach Möglichkeit simultan zur Chemotherapie erfolgen [4]. Die gleichzeitige Durchführung der Strahlentherapie und der Chemotherapie erhöht
allerdings die Gefahr ausgeprägter und prolongierter Neutropenien, einer höhergradigen
Mukositis und der Gefahr von Infektionen. Zudem sollten Dosisreduktionen oder gar
Therapieabbrüche der simultanen Radiochemotherapie vermieden werden, da sonst eine
Einschränkung der Effektivität befürchtet werden muss.
Früher galt, dass bei simultaner Radiochemotherapie mit Start der Bestrahlung parallel
zum ersten Chemotherapiezyklus eine hyperfraktionierte akzelerierte Bestrahlung einer
konventionell fraktionierten Strahlentherapie mit gleicher Gesamtherddosis von 45 Gy
überlegen ist, insbesondere durch verbesserte lokale Tumorkontrolle. Die biologisch
effektive Dosis ist jedoch bei diesen verschiedenen Fraktionierungen trotz gleicher
Strahlendosis deutlich unterschiedlich.
Daher wird heutzutage bei konventioneller Fraktionierung mit täglichen Einzeldosen
von 1,8–2,0 Gy eine Gesamtdosis der Strahlentherapie von 60–66 Gy empfohlen.
Eine Studie zeigte beim Vergleich einer hyperfraktionierten Strahlentherapie mit 2 × täglich
1,5 Gy bis zu einer Gesamtherddosis von 45 Gy versus einer konventionellen fraktionierten
Strahlentherapie mit täglichen Einzeldosen von 1,8 Gy bis zu einer Gesamtherddosis
von 66 Gy keinen statistisch signifikanten Unterschied [4].
Prinzip
Patienten mit kleinzelligem Lungenkarzinom im limitierten Stadium (ohne Nachweis hämatogener
Metastasen) sollten idealerweise eine simultane Radiochemotherapie erhalten. Dies
schließt die Durchführung einer Platin-haltigen Kombinationschemotherapie über zumindest
4 Zyklen mit ein.
Falls dies nicht simultan möglich ist, sollte eine sequenzielle Bestrahlung nach Abschluss
der Chemotherapie erfolgen.
Prophylaktische Ganzhirnbestrahlung im Stadium III
Verschiedene kontrollierte Studien und Metaanalysen zeigten für Patienten, die sich
einer prophylaktischen Ganzhirnbestrahlung unterzogen, eine Reduktion der Entwicklung
einer Hirnmetastasierung als erste Rezidivlokalisation im Stadium „Limited Disease“
sowie eine signifikante Verbesserungen der 3-Jahres-Überlebensrate um 5 % und der
5-Jahres-Überlebensrate um 3 % [7].
Aktuelle, prospektive Studiendaten, die auch die konsequent ein MRT als Entscheidungskriterien
verwenden, liegen nicht vor. Retrospektive Analysen aus einzelnen Zentren deuten einen
begrenzten klinischen Nutzen für eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung bei negativem
Schädel-MRT an [8]. Nach der aktuellen Leitlinie sollte dennoch allen Patienten mit Remission nach
Abschluss der Radiochemotherapie, die sich in gutem sonstigem Gesundheitszustand befinden
und bei denen in einer aktuellen MRT des Schädels eine Hirnmetastasierung ausgeschlossen
wurde, eine prophylaktische Schädelbestrahlung angeboten werden.
Bevorzugt wird eine Ganzhirnradiatio mit einer Zieldosis bis 30 Gy durchgeführt. Neben
einer möglichen akuten Toxizität wie Alopezie, Fatigue, Dermatitis und Otitis media
sind auch langfristige Nebenwirkungen beschrieben: In klinischen Studien wurde bei
bis zu 50 % der ganzhirnbestrahlten Patienten eine Reduktion der kognitiven Funktion
detektiert [9].
Prinzip
Eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung sollte bei Patienten mit SCLC nach kurativ
intendierter Radiochemotherapie durchgeführt werden.
Eine prophylaktische Bestrahlung des Schädels reduziert das Risiko für das Auftreten
von Hirnmetastasen von 40 % bei nicht bestrahlten Patienten auf unter 10 % bei schädelbestrahlten
Patienten und verbessert die 5-Jahres-Überlebensrate um absolut 5 % [4].
Fall 2
Bei einer 68-jährigen Patientin in leicht eingeschränktem Allgemeinzustand wird ein
kleinzelliges Lungenkarzinom im Stadium IIIB mit ausgeprägtem mediastinalem Lymphknotenbefall
mittels Bronchoskopie und endobronchialem Ultraschall diagnostiziert. Nach Besprechung
im Tumorboard wird eine sequenzielle Radiochemotherapie in Anbetracht des eingeschränkten
Allgemeinzustandes empfohlen. Die Patientin erhält eine Chemotherapie mit Carboplatin
und Etoposid über 4 Zyklen gefolgt von einer mediastinalen Strahlentherapie sowie
eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung.
In CT-Kontrollen, die sowohl vor Beginn und 6 Wochen nach Abschluss der Strahlentherapie
durchgeführt werden, zeigt sich thorakal ein gutes Ansprechen sowohl auf die Chemotherapie
als auch die Strahlentherapie ([Abb. 3]). Die Patientin wurde anschließend in eine Studie eingeschlossen und erhält eine
additive Therapie mit einem Checkpointinhibitor oder Plazebo.
Abb. 3 Fallbeispiel 2: kleinzelliges Lungenkarzinom (SCLC) im Stadium IIIB. a Mediastinaler Befall vor Beginn der sequenziellen Radiochemotherapie. b CT nach Beendigung der Chemotherapie. c CT nach Abschluss der mediastinalen Strahlentherapie.
Metastasiertes Stadium
Im Stadium IV besteht nach heutigen Maßstäben keine Aussicht auf einen kurativen Therapieansatz.
Allerdings kann eine systemische Therapie die mittlere Überlebenszeit deutlich verbessern,
die unbehandelt nur wenige Monate betragen würde [10].
Erstlinientherapie
Prinzipien
Als Standard gilt mittlerweile die Durchführung einer Platin-haltigen Chemotherapie-Doublette
(mit Etoposid) in Kombination mit einem Checkpointinhibitor (zugelassen sind Atezolizumab
und Durvalumab, jeweils als Kombinationstherapie) über eine Behandlungsdauer von 4
Zyklen mit einer anschließenden Erhaltungstherapie mit dem Checkpointinhibitor [11]
[12]. Bei alleiniger Chemotherapie können bei gutem Ansprechen bis zu 6 Zyklen appliziert
werden [3].
Cisplatin zeigt im Vergleich zu Carboplatin eine geringere Hämatotoxizität, verursacht
dafür jedoch vermehrte renale und neurogene Nebenwirkungen sowie eine verstärkte Fatigue.
Platin-Kombinationen mit Zytostatika der 3. Generation (wie Paclitaxel) sind in einigen
randomisierten Phase-III-Studien gegen Standardregimes ohne Kombination mit Checkpointinhibitoren
verglichen worden, konnten aber keine Verbesserung der Überlebenszeit der Patienten
zeigen.
Die Durchführung einer Chemotherapie sollte aufgrund des aggressiven Verlaufs der
Erkrankung unverzüglich nach Diagnosestellung eingeleitet werden. Ein Ansprechen auf
die Behandlung kann häufig bereits nach dem 1. Zyklus beurteilt werden. Bei Nichtansprechen
ist die Prognose äußerst schlecht, und ein sofortiges Umstellen der Therapie ist indiziert
[3].
Als neuer Therapiestandard im fortgeschrittenen Stadium gilt die Kombination aus Platin,
Etoposid und einem Checkpointinhibitor.
Durch Weiterentwicklungen der supportiven Therapie konnte die Durchführung der Chemotherapie
deutlich verbessert werden, s dass gerade Übelkeit und Erbrechen heutzutage deutlich
seltener auftreten als früher. Dennoch gibt es verschiedene allgemeine und besondere
Nebenwirkungen der jeweiligen Therapieprotokolle (s. Übersicht).
Allgemeine Nebenwirkungen der Chemotherapie
Die Addition des Checkpointinhibitors kann zu zusätzlichen Nebenwirkungen führen.
Ältere Patienten (> 70 Jahre) profitieren ebenso wie jüngere Patienten von der Durchführung
einer Chemotherapie. Jedoch liegen nur wenige Studien zur Chemotherapiewirksamkeit
explizit bei älteren Patienten vor.
Trotz Verbesserungen der supportiven Therapie muss immer das zu erwartende Nebenwirkungspotenzial
abgeschätzt und eventuell durch Dosisreduktion der Chemotherapie versucht werden,
dieses Risiko zu verringern. Eine mögliche Verringerung der Effektivität bei Dosisreduktion
ist kaum untersucht, daher sollten größere Dosisreduktionen nach Möglichkeit vermieden
werden.
Zweitlinientherapie
Als Zweitlinientherapien wird je nach Abstand des Progresses zum Zeitpunkt der Beendigung
der Erstlinientherapie diese wiederholt oder eine andere Chemotherapie durchgeführt.
Allerdings ist die Studienlage in dieser Situation sehr limitiert:
-
Ein in dieser Situation in Studien geprüftes und zugelassenes Medikament ist Topotecan,
welches im Vergleich zu best supportive Care (BSC) das Gesamtüberleben um 12 Wochen
verbessern konnte [13].
-
Ähnliche Daten wurden für die Kombination Cyclophosphamid, Doxorubicin und Vincristin
berichtet [4].
-
Eine weitere geprüfte Substanz ist das Anthracyclin Amrubicin, das in der Monotherapie
gegenüber Topotecan ein besseres Ansprechen bei allerdings nicht unterschiedlichem
Gesamtüberleben gezeigt hatte und für diese Indikation auch nicht zugelassen ist [14].
Weitere Therapielinien
Zur Erstlinien- und Zweitlinientherapie liegen Studiendaten zur gesicherten Wirkung
und zu erwartenden Nebenwirkungen von Zytostatika vor. Darüber hinaus – zu einer dritten
oder weiteren Therapielinie – sind nur wenige Studiendaten verfügbar.
Für ungefähr 20 % der Patienten kommt eine dritte Therapielinie in Betracht [15], wobei hier i. d. R. auf verschiedene Monotherapien zurückgegriffen wird (wie Taxane,
Irinotecan, Gemcitabine, Bendamustin). Alternativ kann auch eine Reexposition mit
Substanzen aus der Erstlinie in bestimmten Therapiesituationen diskutiert werden.
Die Indikation einer erneuten Chemotherapie muss jedoch individuell und vorsichtig
gegenüber der zu erwartenden Toxizität unter Berücksichtigung des aktuellen Allgemeinzustandes
des Patienten geprüft werden. Die zu erwartenden Ansprechraten liegen i. d. R. unter
10 % [3].
Strahlentherapie
Prophylaktische Ganzhirnradiatio im Stadium IV
Analog zum Stadium „Limited Disease“ wurde auch für hämatogen metastasierte SCLC-Patienten
ein Überlebensvorteil einer prophylaktischen Ganzhirnbestrahlung nach Ansprechen der
Erkrankung auf die systemische Therapie beschrieben [16]. In einer aktuellen, multizentrischen Studie aus Japan, bei der (anders als in der
vorher erwähnten Studie) ein Ausschluss von Hirnmetastasen vor Ganzhirnbestrahlung
mittels MRT Voraussetzung für die Aufnahme war, konnte der Überlebensgewinn der prophylaktischen
Hirnbestrahlung nicht bestätigt werden; es zeigte sich sogar eher ein negativer Trend
(mittleres Überleben für Patienten mit Ganzhirnbestrahlung versus Observation: 11,6
versus 13,7 Monate; Hazard Ratio 1,27; p = 0,094) [17]. Beide Studien stimmten allerdings mit einer signifikant reduzierten Entwicklung
von Hirnmetastasen überein.
Dennoch kann aufgrund dieser Daten die Empfehlung für eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung
im Stadium IV nicht mehr einheitlich ausgesprochen werden.
Die Indikation zu einer prophylaktischen Ganzhirnbestrahlung im Stadium IV sollte
individuell mit dem Patienten diskutiert werden.
Zusätzliche thorakale Radiatio im Stadium IV
In einer Phase-III-Studie führte eine zusätzliche thorakale Strahlentherapie mit einer
Dosis von 30 Gy bei Patienten mit SCLC im Stadium extensive Disease (ED) und einem
Ansprechen auf eine vorher durchgeführte Chemotherapie mit Platin und Etoposid über
4–6 Zyklen zu einer Steigerung des 2-Jahres-Überlebens um 10 % (Hazard Ratio 0,73),
während der primäre Endpunkt der Studie, eine Verbesserung des 1-Jahres-Überlebens,
nicht erreicht wurde (33 % für Patienten mit thorakaler Radiatio versus 28 % in der
Kontrollgruppe; Hazard Ratio 0,84; p = 0,066) [18]. Daher kann eine konsolidierende thorakale Bestrahlung auch im hämatogen metastasierten
Stadium eine therapeutische Option darstellen. Profitiert von der Nachbestrahlung
hatten insbesondere Patienten im Alter unter 70 Jahre mit thorakalem Resttumor und
Frauen.
Die zusätzliche Kombination mit Checkpointinhibitoren wurde bisher nicht in größeren
Studien adressiert.
Eine thorakale Bestrahlung im Stadium IV des SCLC nach Abschluss der Erstlinientherapie
kann im Einzelfall bei thorakalem Resttumor diskutiert werden.
Immuntherapie
Der beste Zeitpunkt und der mögliche Nutzen zum Einsatz von Checkpointinhibitoren
beim SCLC waren lange Zeit unklar. Nur ca. 6–40 % der SCLC-Tumoren exprimieren PD-L1.
Die Lymphozyteninfiltration (ein weiterer, möglicher, prädiktiver Faktor) im Tumor
ist im Vergleich zum nicht kleinzelligen Lungenkarzinom ebenfalls gering [19].
Eine erste Phase-III-Studie, die den Nutzen einer Therapie mit dem CTLA4 („cytotoxic
T-lymphocyte-associated protein 4“)-Antikörper Ipilimumab zusätzlich zur Platin-haltigen Kombinationschemotherapie bei therapienaiven SCLC-Patienten
untersuchte, zeigte keine Verbesserung des primären Endpunktes Gesamtüberleben (im
Median 11 Monate versus 10,9 Monate im Kontrollarm) [20].
Bei vorbehandelten SCLC-Patienten legten verschiedene Phase-I–II-Studien erste Anzeichen
für eine begrenzte klinische Wirkung einer Monotherapie mit PD-1- oder PD-L1-Antikörpern
dar. Bspw. zeigte der PD-L1-Antikörper Atezolizumab in einer Phase-II-Studie (IFCT-1603) eine Krankheitskontrollrate von 20,9 %, eine
mediane progressionsfreie Zeit von 1,4 Monaten und eine mediane Überlebenszeit von
9,5 Monaten [21].
In anderen Phase-I-Studien wurden verschiedene PD-1-Antikörper (PD-1 = „programmed
death receptor 1“) Antikörper als Monotherapie bei vorbehandelten SCLC-Patienten untersucht.
Pembrolizumab führte bei 24 Patienten zu einer Ansprechrate von 33 % und einem medianen progressionsfreien
Überleben (PFS) von 1,9 Monate (Keynote 028, [22]).
Eine Phase-I/II-Studie (Checkmate 032) behandelte 98 Patienten mit Nivolumab (3 mg/kg) alle 2 Wochen bis zur Krankheitsprogression oder Abbruch durch Unverträglichkeit.
Die Ansprechrate betrug 10 % bei einem medianen PFS von 1,4 Monaten [23].
Die letztgenannte Studie umfasste insgesamt zudem weitere 118 Patienten, die eine
Kombination aus Nivolumab plus Ipilimumab in unterschiedlicher Dosierung (1 mg/kg plus 1 mg/kg, 1 mg/kg plus 3 mg/kg oder 3 mg/kg
plus 1 mg/kg) für 4 Gaben alle 3 Wochen gefolgt von einer Nivolumab-Erhaltungstherapie)
erhielten. Die Ansprechraten waren mit 23 % (Nivolumab 1 mg/kg plus Ipilimumab 3 mg/kg)
und 19 % (Nivolumab 3 mg/kg plus Ipilimumab 1 mg/kg) höher mit Nivolumab-Monotherapie
bei allerdings auch vermehrten Grad-3/4-Nebenwirkungen (30 % versus 13 %). Als häufigste
Grad-3/4-Toxizitäten wurden Lipaseerhöhungen (bis zu 8 %) und Diarrhöe (bis zu 5 %)
berichtet. Das Ausmaß des Therapieansprechens war in allen Therapiearmen unabhängig
von der PD-L1-Expression [23].
Allererste Studiendaten lassen durchaus eine Wirksamkeit von PD-1-Checkpointinhibitoren
beim kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC) vermuten, die durch Kombination mit CTLA-Antikörpern
noch gesteigert werden könnte. Die Ansprechraten liegen allerdings niedriger als beim
nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC).
Auch als Erhaltungstherapie nach Erstlinienchemotherapie wurden Checkpointinhibitoren
evaluiert. Hier ist insbesondere die Studie Checkmate 451 bedeutsam: Diese große Phase-III-Studie
randomisierte 834 Patienten mit SCLC Extensive-Stage bei Ausschluss eines Progresses
nach 4 Zyklen Chemotherapie entweder für eine Therapie mit Nivolumab (Nivo) oder Nivolumab in Kombination mit Ipilimumab (Ipi) oder Plazebo [24]. Der primäre Endpunkt Gesamtüberleben war allerdings in keinem Therapiearm signifikant
verlängert (Nivo + Ipi versus Plazebo: HR 0,92; Nivo versus Plazebo: HR 0,84).
Zwei große randomisierte Phase-III-Studien haben schließlich die Addition eines PD-L1-Checkpointinhibitors
zusätzlich zu Platin mit Etoposid als Erstlinientherapie untersucht und aufgrund ihrer
positiven Ergebnisse zur Zulassung von Atezolizumab und Durvalumab – jeweils in Form
einer Kombinationstherapie – geführt.
In der Impower133-Studie wurden 403 Patienten mit Extensive-Stadium-SCLC mit 4 Zyklen
Carboplatin und Etoposid mit oder ohne Atezolizumab behandelt [11]. Der Atezolizumab-Arm zeigte ein signifikant verlängertes Gesamtüberleben (Median
12,3 versus 10,3 Monate; HR 0,70; 95 %-KI 0,54–0,91; p = 0,007) sowie ein verbessertes
progressionsfreies Überleben (HR 0,77, p = 0,02).
Bei der CASPIAN-Studie wurde ein etwas anderes Design gewählt [12]: Hier erhielten Patienten entweder eine Therapie mit 4 Zyklen Platin und Etoposid
mit Durvalumab oder bis zu 6 Zyklen einer alleinigen Chemotherapie. Die Wahl des Platin-Partners
blieb dem behandelnden Arzt überlassen und war in etwa 25 % der Patienten Cisplatin.
Auch hier waren durch die zusätzliche Checkpointinhibitor-Gabe das Gesamtüberleben
(Median 13,0 versus 10,3 Monate; HR 0,73; 95 %-KI 0,59–0,91; p = 0,0047) und das progressionsfreie
Überleben (Median 5,1 versus 5,4 Monate; HR 0,78; 95 %-KI 0,65–0,94) verbessert.
Auffällig war jeweils ein Teil von Patienten, die eine längerfristige Krankheitsremission
erreichten. Hier sind weitere Studienauswertungen abzuwarten, um die Dauer dieser
Remissionen besser bewerten zu können. Zudem war die Effektivität der Therapie jeweils
unabhängig vom PD-L1-Status, der wiederum nur von einem Teil der Studienpatienten
evaluiert werden konnte. Daher hat die Bestimmung des PD-L1-Status bei der Diagnostik
des SCLC derzeit keine klinische Relevanz. Die Toxizität war jeweils von der Chemotherapie
dominiert, die zusätzlichen Nebenwirkungen durch den PD-L1-Checkpointinhibitor waren
wie erwartet v. a. von geringerem Schweregrad. Dennoch sollte der behandelnde Arzt
die Vielfalt, Diagnostik und Therapie der möglichen Nebenwirkungen kennen.
Weitere Studien zeigten ähnliche Ergebnisse, führten jedoch derzeit nicht zur Zulassung
[25]
[26].
Zudem wird eine weitere Eskalation des immunmodulatorischen Ansatzes evaluiert: In
der CASPIAN-Studie wurde auch ein zusätzlicher Arm mit Platin und Etoposid mit Durvalumab und dem CTLA4-Antikörper Tremelimumab untersucht, wobei die zusätzliche Gabe von Tremelimumab keinen Vorteil brachte. Aktuelle
Studien untersuchen u. a. die Kombination mit Anti-TIGIT (T-Zell-Immunrezeptor mit
Ig und ITIM-Domänen)-Antikörpern, Anti-PD-L1 und Chemotherapie.
Weitere, neue Therapieansätze
Weitere, neue Therapieansätze
Verschiedene neue Therapieansätze wurden und werden in klinischen Studien geprüft.
Als stark nikotinassoziierter Tumor weist das SCLC zahlreiche Mutationen auf. Sehr
häufig kann ein Funktionsverlust der Tumorsuppressorgene p53 und RB1 nachgewiesen
werden. Trotz verschiedenster Ansätze, molekulare Veränderungen gezielt zu blockieren
(wie VEGF, EGFR, mTOR), konnten bisher keine neuen Therapiestrategien etabliert werden.
Große Hoffnungen wurden auch mit der Entwicklung von Anti-DDL3 (Delta-like protein
3)-Ansätzen verbunden. Rovalpituzumab Tesirine (Rova-T) ist ein DLL3-gerichteter Antikörper, der kovalent mit einer zytotoxischen, DNA-vernetzenden
Substanz (SC-DR002D6.5) konjugiert ist. In frühen, klinischen Studien wurde eine klinische
Aktivität bei vortherapierten SCLC-Patienten detektiert, wobei auch – meist gut beherrschbare
– Nebenwirkungen wie Fatigue, periphere Ödeme, Thrombozytopenie und Ergussbildungen
beobachtet wurden. Die klinische Entwicklung von Rova-T wurde jedoch eingestellt,
nachdem verschiedene Phase-II- und -III-Studien letztlich enttäuschende Ergebnisse
als Erhaltungstherapie oder Monotherapie nach Vortherapie zeigten.
Das Target DDL3 wird jedoch weiter evaluiert, so bspw. in Phase-I-Studien von DDL-3-spezifischen
CAR (chimeric Antigen Receptor)-T-Zellen.
Lurbinectidin ist neue, zytotoxische Substanz, die DNA-Doppelstrangbrüche induziert und die DNA-Transkription
inhibiert [27]. Zudem könnte diese Substanz auch einen immunogenen Zelltod auslösen, was wiederum
bspw. zur Rekrutierung und Aktivierung von dendritischen Zellen und T-Zellen führt.
In einer multizentrischen Phase-II-Studie erhielten 105 vortherapierte Patienten eine
Monotherapie mit Lurbinectidin, was zu einer Ansprechrate von 35,2 %, einer medianen
Ansprechdauer von 5,3 Monaten und einem medianen Gesamtüberleben von 10,8 Monaten
führte [28]. Bei der Bewertung dieser Daten muss berücksichtigt werden, dass 45 eingeschlossene
Patienten ein chemotherapiefreies Intervall von weniger als 90 Tagen aufwiesen, die
als „eher chemotherapieresistente“ Gruppe eine besonders schlechte Prognose aufweisen.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Myelosuppression, Fatigue und Nausea. Damit könnte
Lurbinectidin eine hoffnungsvolle, therapeutische Option beim vorbehandelten SCLC
darstellen.
In den USA wurde Lurbinectidin bereits zur Therapie von metastatischem SCLC und Krankheitsprogression
nach oder unter Platin-basierter Chemotherapie zugelassen. Aktuelle Studien evaluieren
u. a. die Aktivität von Lurbinectedin in Kombination mit Doxorubicin als Zweitlinientherapie
beim SCLC (Phase-III-Studie ATLANTIS) oder in Kombination mit Checkpointinhibitoren.
Fall 3
Bei einem 62-jährigen Patienten wird ein SCLC im Stadium IV mit bereits mehreren hepatischen
Metastasen diagnostiziert. Die Leberfunktion ist nicht eingeschränkt. Allerdings sind
mehrere Komorbiditäten wie eine COPD Grad II, eine leichte Nierenfunktionseinschränkung
und ein fortgesetzter Nikotinabusus mit einer kumulativen Dosis von 100 Packungsjahren
bekannt.
Nach 6 Zyklen Chemotherapie mit Carboplatin/Etoposid/Durvalumab zeigt sich eine sehr
gute partielle Remission aller Tumorlokalisationen ([Abb. 4]). Anschließend wird eine Erhaltungstherapie mit dem alleinigen Checkpointinhibitor
durchgeführt.
Abb. 4 Fallbeispiel 3: Kleinzelliges Lungenkarzinom (SCLC) Stadium IV. a Mediastinaler Befall vor Beginn der Platin-haltigen Erstlinientherapie. b Kontrolle nach Abschluss der Chemotherapie.
Eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung wird zunächst abgelehnt. Nach 3 Monaten entwickelt
der Patient mehrere zerebrale Filiae, weswegen nun doch eine Ganzhirnbestrahlung eingeleitet
wird. Weitere 2 Monate später muss leider ein deutlicher hepatischer und auch thorakaler
Progress festgestellt werden, weswegen eine Zweitlinientherapie mit Topotecan begonnen
wird.
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Das kleinzellige Lungenkarzinom ist durch eine äußerst aggressive Verlaufsform, eine
frühe Metastasierung und schlechte Prognose charakterisiert.
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Alle Patienten sollten nach der aktuellen TNM-Stadieneinteilung klassifiziert und
im Tumorboard interdisziplinär besprochen werden.
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Bei kurativer Zielsetzung ist die Standardtherapie eine kombinierte Radiochemotherapie,
die idealerweise simultan durchgeführt werden sollte.
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Im frühen Tumorstadium (N0, N1) kann eine vollständige Resektion mit adjuvanter Chemotherapie
abgestrebt werden.
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Die Mehrzahl der Tumoren werden bereits im metastasierten Stadium diagnostiziert,
bei denen eine (Kombinations-)Chemotherapie mit palliativer Intention die Standardtherapie
darstellt.
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Als neuer Therapiestandard im fortgeschrittenen Stadium gilt die Kombination aus Platin,
Etoposid und den Checkpointinhibitoren Atezolizumab oder Durvalumab.
Kleinzelliges Lungenkarzinom
Reinmuth N, Hoffmann H. Kleinzelliges Lungenkarzinom. Pneumologie 2021; 75: 304–318
Im oben genannten Artikel wurde die Antwortmöglichkeit E in Frage 9 falsch angegeben.
Richtig ist: Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
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ist Prof. Dr. med. Bernd Schönhofer, Hannover.