Einleitung
Arthrose ist international die am häufigsten auftretende Gelenkerkrankung beim Erwachsenen [40]. Sie betrifft vorwiegend die gewichtstragenden Gelenke der unteren Extremitäten sowie die Hände. An der Entstehung sind unterschiedlichste biochemische, mechanische und systemische Faktoren beteiligt [52], wobei klinische Manifestationen, Risikofaktoren, Prävalenz und Prognose je nach betroffenem Gelenk variieren [12].
Zu den Risikofaktoren einer Arthrose zählen u. a. konstitutionelle Einflüsse wie Alter, Geschlecht und genetische Ursachen sowie biomechanische Faktoren durch berufliche und sportliche Belastungen, Varus- und Valgusfehlstellungen, Beinlängendifferenzen und Gelenkdysplasien, daneben Übergewicht, Verletzungen und Muskelschwäche. Eine abgeschwächte Muskelkraft ist eines der ersten Symptome der Arthrose und ein Prädiktor für Schmerz und Funktionsverlust sowie radiologische Progression [23]. Patienten mit einer Kniegelenksarthrose haben im Durchschnitt 30–40% weniger Maximalkraft als gesunde Erwachsene gleichen Alters und Geschlechts.
Behandlungsoptionen
In Leitlinien und anderen wissenschaftlichen Empfehlungen zur Therapie der Arthrose werden neben allgemeinen Maßnahmen wie Information, Beratung sowie Edukation zunächst immer konservative Behandlungsoptionen genannt. Hierzu zählen neben der medikamentösen Therapie zur Schmerzbehandlung insbesondere physikalische Therapieverfahren [49], zumal klinisch relevante Effekte und Kosteneffektivität unterschiedlicher physikalischer Therapien in den vergangenen Jahren in mehreren randomisiert kontrollierten Studien u. a. für die Behandlung der Hüft- und Kniearthrose nachgewiesen werden konnten [1]
[16]
[26]
[47]
[51]. Zudem haben physikalische Therapieverfahren ein sehr günstiges Nutzen-Risiko-Profil. Daher ist es verwunderlich, wenn die Hälfte der Patienten mit einer Arthrose am Hüft- bzw. Kniegelenk vor dem Einsatz einer Endoprothese in Deutschland nach Lange keine physikalischen Therapien erhalten und starke regionale Unterschiede im ärztlichen Verordnungsverhalten für physikalische Leistungen existieren [28].
Bei der Auswahl der einzelnen konservativen Therapieverfahren sollten nachfolgende Faktoren berücksichtigt werden:
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Ursache und Lokalisation der Arthrose
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Schweregrad/Symptomatik der Erkrankung
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Alter und Aktivitätsgrad der Patienten
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Begleiterkrankungen/Allgemeinzustand
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individueller Leidendruck/Lebensqualität
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berufliche Situation sowie Erwartungshaltung.
Physikalische Therapien
Zu den physikalischen Therapieverfahren zählen u. a.:
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Bewegungstherapeutische Verfahren wie
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Thermotherapie: Wärme-/Kältetherapie
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Elektrophysikalische Verfahren
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Balneotherapie
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Ergotherapie
Bewegungstherapeutische Verfahren
Bewegungstherapeutische Interventionen u. a. in Form von Kraft-, Ausdauer- und Beweglichkeitstraining haben in der Behandlung degenerativer, aber auch entzündlicher Gelenkerkrankungen in den letzten Jahren als wichtiger Bestandteil der konservativen Therapie [17] eine zunehmende Bedeutung erhalten. Mit ihrer vielfältigen funktionell somatischen und psychosozialen Wirkung wird die Bewegungstherapie unter anderem dazu eingesetzt, die Pathophysiologie und Symptomatik geschädigter Körperfunktionen und -strukturen am Muskel-Skelett-System positiv zu beeinflussen, Bewegungsfertigkeiten zu verbessern und eine nachhaltige Gesundheitskompetenz bei Patienten durch Bindung an regelmäßige und angepasste körperliche Aktivität aufzubauen. Inhalte können am besten vermittelt werden, wenn Patienten nicht nur schriftliches Informationsmaterial zur Verfügung steht, sondern eine visuelle Demonstration erfolgt und das Training therapeutisch begleitet wird [4]
[24].
Gerade bei der Hüft- und Kniegelenksarthrose, kommt es im Krankheitsverlauf häufiger zu einer Abnahme der allgemeinen körperlichen Fitness, was für die Bewältigung alltäglicher Belastungen und die Selbständigkeit eine grundlegende Bedeutung hat. Aktive Therapien beugen hier nicht nur einem Funktionsverlust vor, sondern fördern auch die soziale Teilhabe und erhalten die Lebensqualität der Betroffenen.
Die Bewegungstherapie umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher therapeutischer Methoden und Verfahren von der klassischen Sporttherapie, über spezielle physiotherapeutische Techniken, Aquatisches Training, arbeitsplatzbezogene Trainingsprogramme bis hin zur Rekreationstherapie [18].
Thematisch lassen sich u. a. folgende Inhalte differenzieren:
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Übungsformen zur Steigerung konditioneller und koordinativer Fähigkeiten wie Ausdauer-, Kraft-, Koordinations- und Beweglichkeitstraining
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Spielerische Elemente zur Schulung der Körperwahrnehmung und Selbsteinschätzung der Belastbarkeit
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Inhalte zur Steigerung der Motivation und Bindung an dauerhafte körperliche Aktivität
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Inhalte zur Vermittlung von Wissen über
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Inhalte zur Vermittlung von Kenntnissen
Trainingseffekte
Obwohl körperliches Training nach jetzigem Wissensstand zwar keinen direkten Einfluss auf die pathophysiologischen Veränderungen der Hüft- und Kniegelenksarthrose hat und eine weitere Schädigung des hyalinen Knorpels nicht aufhalten kann, hat Bewegung einen nachweisbaren positiven Einfluss auf die Schmerzsymptomatik, Gelenkbeweglichkeit, Kraft, Gleichgewichtsfähigkeit und die allgemeine Aktivität mitsamt der von Patienten hierdurch selbst wahrgenommenen Behinderung [9]. So können auch Low Impact Sportarten Schmerzen bei beginnender Gonarthrose reduzieren, Beweglichkeit und Kraft der gelenkstabilisierenden Muskulatur verbessern und den Gelenkstoffwechsel ökonomisieren.
Da es etwa ab der sechsten Lebensdekade zu einer beschleunigten Abnahme der Maximalkraft kommt, die sich in der achten Dekade nochmals steigert, ist zum Erhalt der Mobilität und auch der Fähigkeit, sich im Alltag selbst zu versorgen neben koordinativen Trainingsinhalten ein angepasstes muskuläres Krafttraining sinnvoll. Je inaktiver der Lebensstil, desto frühzeitiger zeigen sich altersbedingte degenerative Veränderungen [37]. Krafttraining führt auch bei älteren Menschen durch isometrische und dynamische Muskelarbeit zu einer Zunahme der Muskelkraft durch Erhöhung des Muskelvolumens und zu einer Optimierung der Rekrutierung und Frequenzierung motorischer Einheiten, wodurch sich die Gehfähigkeit und Ganggeschwindigkeit sowie die Möglichkeit Treppen zu steigen verbessert [46]. Das Ausmaß der Anpassung bei älteren Menschen über 60 Jahren ist dabei mit dem von Jüngeren durchaus vergleichbar.
Trainingsumfang/-intensität
Systematische Untersuchungen und Aussagen zur Dosierung in Bezug auf die Häufigkeit, Dauer, Intensität und Bewegungsform körperlicher Aktivität bei Arthrose gab es in der Vergangenheit allerdings nur wenige. Unabhängig davon stellen eine selbst gewählte moderat-intensive Belastungsintensität und langsame Belastungssteigerung verbunden mit einer schmerzfreien Bewegungsausführung die grundlegendesten Trainingsprinzipien dar [55]. Häufigere kürzere Trainingseinheiten (3 ×/Woche) scheinen sinnvoller zu sein als längere wenige Einheiten [25]. Im Rahmen eines multimodalen Therapieansatzes sollten bewegungstherapeutische Behandlungsanteile bei Patienten mit einer Hüft- bzw. Kniegelenksarthrose daher fester Bestandteil im Behandlungsregime sein. Einzelne Therapiearten weisen dabei gegenüber anderen keine Überlegenheit auf, sodass Therapien anhand individueller Präferenzen der Betroffenen und der Therapeuten ausgewählt werden sollten, wobei sinnvollerweise passive Therapien aktive Behandlungsverfahren ergänzen.
Thermotherapie
Unter Thermotherapie versteht man alle Arten von Therapien, bei denen dem Körper bezogen auf die Körpertemperatur Wärme zugeführt oder entzogen wird. Je nach Stadium der Arthrose (aktiviert/nicht aktiviert/chronisch) können entweder Kälte- oder Wärmeanwendungen eingesetzt werden. Obwohl weit verbreitet, finden sich bislang nur wenige kontrollierte klinische Studien zur Anwendung.
Kältetherapie
Kältetherapie als lokaler Wärmeentzug mit einem Absinken der intraartikulären Temperatur setzt eine Anwendungsdauer von mindestens 20 Min voraus und führt zu einer veränderten Vasomotorik mit Vasokonstriktion der Haut und Muskelgefäße sowie zu einer Reduktion der Stoffwechselvorgänge [42] mit:
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Reduktion der Aktivität knorpelschädigender Enzyme,
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Hemmung der Freisetzung und Aktivierung von Entzündungsmediatoren
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und analgetischen Wirkung durch Schmerzschwellenanhebung von Nozizeptoren und Blockierung bzw. Verlangsamung der Schmerzfortleitung [10]
[38].
In der Praxis werden bei einer aktivierten Arthrose unterschiedliche Verfahren der Kältetherapie eingesetzt u. a. kaltes Peloid, kalter Wickel, Eisgranulat und Eisbeutel, gestielte Eisroller, Gelpackungen und Kältekompressen. Bei Anwendung von Eismassage konnte in einem systematischen Review der Cochrane Collaboration bei Gonarthrose ein günstiger Effekt auf die Besserung des Bewegungsumfanges, die Bewegungsfunktion und die Muskelkraft nachgewiesen werden [11].
Wämetherapie
Wärmetherapie kommt im subakuten und chronischen Stadium einer Arthroseerkrankung sowie bei Arthrose der kleinen Gelenke (insbesondere der Hand) zum Einsatz. Wärmetherapie führt zur Vasodilatation und Steigerung der Durchblutung mit Verbesserung der lokalen Trophik, weiterhin zu einer Muskelrelaxation und Anhebung der Schmerzschwelle. Als Verfahren werden u. a. angewandt: Packungen und Peloide, Auflagen und Wickel, Teil- und Vollbäder, Infrarottherapie, Hochfrequenztherapie (Kurz-/Dezimeter-/Mikrowelle), Ultraschall und Lasertherapie.
Paraffinbäder bei Fingerpoly- und Rhizarthrose implementieren durch das Abstreifen und Kneten der Wachsmasse gleichzeitig eine Bewegungstherapie, die die Gelenkbeweglichkeit trainiert und diese u. a. durch Steigerung der Elastizität kollagener Fasern infolge der Wärme verbessert [32]. Bei der Infrarottherapie konnten Hsieh et al. keine signifikanten Effekte in Bezug auf Funktion, Aktivität, Partizipation und Lebensqualität feststellen [22]. In Studien zur Lasertherapie bei Arthrose, bei der monochromatisches Licht von hoher Intensität eingesetzt wird, konnte eine signifikante Schmerzlinderung [36] und in Verbindung mit Bewegungstherapie auch eine Verbesserung der Funktionalität nachgewiesen werden [31]. Der sogenannte Low Level Laser (LLL) hat nur wenig thermische Effekte, wirkt aber v .a. durch Aktivierung intrazellulärer photochemischer Prozesse. Hier wird eine antiinflammatorische Wirkung sowie verstärkte synoviale Proteinsynthese und Mikrozirkulation postuliert.
Elektrophysikalische Verfahren
Hierzu zählen u. a. Impulsschall bei der Ultraschalltherapie, Mikrowellen und kontinuierliche Kurzwelle. Eine Metaanalyse ergab, dass die Behandlung mit Impuls- und Dauerschall bei Gonarthrose zu einer Schmerzreduktion führte und Impulsschall zusätzlich eine Besserung der Funktion bewirkte [56]. Rabini et al. wiesen zudem bei Gonarthrosepatienten für die Mikrowellentherapie eine signifikante Besserung sowohl in den Funktionseinschränkungen (WOMAC) als auch bei der Muskelkraft und Schmerzwahrnehmung nach [48]. Bei Therapie mit Kurzwelle zeigte sich eine signifikante Reduzierung von Schmerz und eine Verbesserung der Beweglichkeit [50]. Elektrophysikalische Therapien werden daher als eine Kann-Option in einigen Leitlinien zur Behandlung der Arthrose aufgeführt. Bei den Verfahren der Elektrotherapie liegen ebenso wie zur differenzierten Anwendung verschiedener Stromformen im Wesentlichen nur Erfahrungswerte vor. Umso wichtiger ist die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen physikalischen Entstehungsmechanismen und dadurch bedingten Wirkungsweisen der einzelnen Elektrotherapieformen.
Gleich-/Wechselstrom
Die Verfahren der Elektrotherapie werden je nach Impulsform eingeteilt in Gleich- oder Wechselstrom. Daneben erfolgt eine Differenzierung nach der Frequenz (Nieder-, Mittel- und Hochfrequenz) sowie der Amplitude.
Bei der Gleichstromtherapie (Galvanisation) erfolgt die Behandlung mit Strom konstanter Spannung, Stromrichtung und Stromstärke. Physiologisch kommt es zu einer Verschiebung des Membranpotenzials der Haut- und Muskelzellen im Sinne einer Depolarisation und Hyperpolarisation, die das Mikromilieu der Gewebe beeinflusst. Diese Therapieform findet auch im Wasser als hydrogalvanisches Bad seine Anwendung. Vertreter dieser Hydro-Wärme-Elektro-Therapie sind das Stangerbad sowie das 2- und 4-Zellenbad. Bei der Iontophorese macht man sich die Ionenwanderung zur besseren Einbringung von Medikamenten unter Umgehung des Verdauungstraktes durch die intakte Haut zu Nutze. Zur Anwendung kommen in Flüssigkeit gelöste Medikamente in Form von Gels oder Salben. Damit können bei der Arthrosebehandlung v. a. Prozesse zur Schmerzlinderung, Abschwellung und Entzündungshemmung unterstützend behandelt werden, indem NSAR-, Salicylsäure-, sowie Heparin- und Hirudin-haltige Salben eingebracht werden, die zumeist negativ geladen sind und dann unter der positiven Kathode aufzutragen sind. Unter der Anode werden u. a. folgende positiv geladene Medikamente in Salben oder Gelform verwendet: Lidocain, Procain, Histamin (Vasodilatation), Adrenalin (Vasokonstriktion) oder Hyaluronidase, das gewebserweichend und resorptionsfördernd wirkt.
Niederfrequente Reizströme
Für die Arthrosebehandlung relevante niederfrequente Reizstromformen sind die Diadynamischen Ströme sowie in der Praxis v. a. die Transkutane Nervenstimulation (TENS). Bei den Diadynamischen Strömen handelt es sich um einen gleichgerichteten (unidirektionalen) sinusförmigen Wechselstrom, der eine schrittweise impulssynchrone Ionenwanderung in eine Richtung induziert. Jeder Impuls löst dabei ein Aktionspotential aus (im Gegensatz zur Gleichstromtherapie, von der keine direkte Reizwirkung auf die Muskel- und Nervenzellen ausgeht). Unterschieden wird die Stromform MF (monophase fixe) zur Muskelreizung und DF (diphase fixe). DF hat eine dämpfende Wirkung auf das vegetative Nervensystem und ist damit besser für die Schmerztherapie geeignet und hat nur eine geringere Auswirkung auf die Muskulatur.
Bei der Transkutanen Elektrischen Nervenstimulation (TENS) kommen ausschließlich bidirektionale nullliniensymmetrische niederfrequente Wechselströme zur Anwendung. Eingesetzt werden kleine batteriegetriebene Geräte, die über kleinflächige Elektroden variable, in der Regel Rechteckimpulse von 0,1 ms Dauer abgeben. Um einen direkten Stromfluss der Elektroden zu vermeiden sollte der Mindestabstand 1 cm und mehr betragen. Bei den heute handelsüblichen Geräten kann die Stromstärke ebenso wie die Impulsfrequenz und -breite individuell eingestellt werden: der Anwendungsbereich reicht von einer schmerzarmen TENS-Anwendung bei niedrigen Stromstärken mit sensibel erträglicher Stromwahrnehmung (subjektives Kribbeln) ohne motorische Reizung bis zu einer schmerzhaften TENS-Anwendung bei hohen Stomstärken mit schmerzhaft empfundener Stromwirkung (subjektiv Nadelstiche) mit motorischer Wirkung.
Die Wirkung der TENS-Therapie ist in der Regel auf die Stimulationsdauer begrenzt, teilweise gibt es einen poststimulatorischen analgetischen Effekt. Die Effekte der Anwendung sind dabei von Patient zu Patient sehr unterschiedlich, es bedarf einer individuellen variablen Geräteeinstellung, einer geduldigen Optimierung der Elektrodenplatzierung sowie einer Schulung des Patienten im Umgang mit der eigenständigen Anwendung dieser Therapieform. In der Literatur werden hohe initiale Behandlungserfolge, insbesondere bezüglich der Schmerzlinderung beschrieben, während die Langzeiterfolge als deutlich geringer ausgewiesen sind und auch teilweise ein Placeboeffekt unterstellt wird. In der Anwendung bei Gonarthrose konnten in einer Meta-Analyse Meta-Analyse 7 aussagekräftige Studien identifiziert werden, die den Schluss zulassen, dass das Verfahren hinsichtlich der Schmerztherapie effektiver ist als eine Placebobehandlung [43]. Eine Besserung der Funktion konnte jedoch mittels TENS-Anwendung nicht nachgewiesen werden [44].
Manche Geräte können auch zur isolierten Muskelstimulation multifunktionell umgeschaltet werden und fungieren dann als (Neuro-)Muskuläre Elektrische Stimulation (NEMS oder EMS). Die Studienlage ist jedoch inkonsistent, weshalb die deutsche Gonarthrose-Leitlinie NMES zur Muskelkräftigung nicht empfiehlt.
Im Bereich der Mittelfrequenztherapie (Frequenzbereich zwischen 1–100 kHz) kommt zur Behandlung der Arthrose in erster Linie der Interferenzstrom zum Einsatz. Bei der Interferenzstromtherapie interagieren 2 sinusförmige mittelfrequente Wechselströme unterschiedlicher Frequenz miteinander. Im Kreuzungsbereich entsteht im Körperinnern ein therapeutisch wirksamer niederfrequenter Interferenzstrom mit Frequenzen zwischen 1 bis 100 Hz. Es werden 4 Elektroden verwendet, zumeist in Form von Saugelektroden, die eine Hyperämie und Analgesie bewirken. Bei der Gonarthrose konnte eine Verbesserung des Outcomes beim WOMAC von Gundog et al. im Rahmen einer 15- tägigen Applikation bei 40, 100 und 180 Hz nachgewiesen werden [20]. Beim amplitudenmodulierten Mittelfrequenzstrom wird ein einkreisiger mittelfrequenter Trägerstrom zwischen 4000–20 000 Hz verwendet, der im Therapiegerät durch einen niederfrequenten Strom amplitudenmoduliert wird. Zielorgan ist in erster Linie die Muskulatur mit dem wesentlichen Effekt einer „reaktiven Depolarisation“. Aufgrund einer guten Tiefen- und Volumenwirkung kann der Einsatz auch bei arthrotischen Veränderungen der Wirbelsäule (Spondylarthrosen) erwogen werden.
Magnetfeldtherapie
Hierbei handelt es sich um ein in der Praxis vielfach angewandtes Verfahren, obwohl für die Magnetfeldtherapie bislang auf Grund der inkonsistenten Studienlage keine Empfehlung ausgesprochen kann werden [29]
[49]. Eingesetzt werden die unterschiedlichsten Feldstärken und Impulsformen. Der Markt, die aufgeführten Indikationen, die Applikationsformen und die Anwendungsdauer variieren hierbei beträchtlich.
Stoßwellentherapie
Die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) wurde von Chen et al. bei Patienten mit einer Gonarthrose untersucht, wobei auf die Untersuchungsparameter Schmerz, muscle peak torques, ROM und im Lequesne Index eine signifikante Verbesserung nachweisbar war [13].
Akupunktur
Akupunktur wird in der alltäglichen Praxis häufig zur Reduktion von Schmerzen bei Arthrose angewendet. Die Studienlage ist allerdings uneinheitlich. Geringe bis moderate Wirkeffekte werden meist für ca. 6–12 Wochen beschrieben gelegentlich auch für 26 Wochen in Abhängigkeit vom untersuchten Gelenk. Für Akupunktur bei Gonarthrose liegen viele RCTs vor, in denen eine signifikante Reduktion der akuten Knieschmerzsymptomatik und eine Funktionsverbesserung mit Steigerung der Lebensqualität bei geringen Nebenwirkungen beschrieben wurde. Langzeiteffekte wurden allerdings oftmals nicht untersucht bzw. waren klinisch irrelevant. Die deutsche Gonarthrose-Leitlinie führt Akupunktur als Kann-Option auf [49].
Balneotherapie
Der Wirkeffekt von Thermal- und Mineralbädern bei Arthrose-Patienten ist anhand der derzeitigen Studienlage nicht beurteilbar. Ein Review von Verhagen et al. fand kurzfristige Wirkungen auf Schmerz, Funktion, Lebensqualität und Schmerzmitteleinnahme [54].
Ergotherapie
Ergotherapie kommt im Rahmen einer Arthrosebehandlung in der Regel als Teil eines multimodalen Therapiekonzepts z. B. im Rahmen einer Rehabilitationsbehandlung zur Anwendung. Dabei stehen folgende Aspekte im Vordergrund [21]:
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motorisch-funktionelle und/oder sensomotorisch-perzeptive Behandlung
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Ödembehandlung/-prophylaxe
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Interventionen bezüglich der beruflichen Teilhabe im realitätsbezogenen Kontext/Alltagstraining
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Training wichtiger Lebensbereiche im realitätsbezogenen Kontext, z. B.
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Selbstversorgung
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Freizeit
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Hilfsmittelversorgung u. a. auch individuelle Anfertigung von Orthesen/Schienen bei Finger- und Handgelenksarthrosen
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Umfeldberatung
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psychoedukative Maßnahmen
Übergeordnetes Ziel der Ergotherapie ist dabei die Wiederherstellung bzw. der Erhalt der Selbständigkeit im Alltag und Beruf. Methodisch hochwertige Studien gibt es bislang kaum.
Orthopädietechnik
Orthopädietechnische Maßnahmen in Form von Schuhzurichtungen sowie Schuh- und Orthesenversorgungen kommen primär bei der Knie- und Sprunggelenksarthrose zum Einsatz. Die Datenlage zur Evidenz ist aufgrund heterogener Patientenpopulationen und zum Teil nur in ganganalytischen und biomechanischer Studien nachgewiesenen Effekten, deren Ergebnisse nicht immer mit den klinischen Resultaten korrelieren, eingeschränkt. Evidenzen für eine Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung wurden aber beschrieben, sodass insbesondere bei Patienten mit Co-Morbiditäten die Anwendung von biomechanischen Hilfen eine zusätzliche Therapieoption darstellen kann.
Medikamentöse Therapie
Insbesondere wenn es um die Reduktion der Schmerzsymptomatik geht, stellt die medikamentöse Therapie einen wichtigen Bestandteil im Behandlungsregime der Arthrose dar. Bei der Auswahl der Schmerzmedikation müssen mit zunehmenden Alter immer mehr individuelle Risiken durch die mitunter bestehende Multimorbidität (wie z. B. Leber- und Niereninsuffizienz, Herzinfarkt, Schlaganfall, Allergien etc.) berücksichtigt werden. Die oftmals vorhandene Multimedikation kann zusammen mit der im Alter veränderten Pharmakodynamik und -kinetik zu einem deutlich erhöhten Risiko für das Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) führen [19].
Traditionelle Nichtsteroidale Antirheumatika (tNSAR)/Coxibe
Der orale Einsatz von tNSAR und Coxiben bei der Arthrose ist weit verbreitet. Er sollte sich auf Schmerz- und Entzündungsperioden beschränken, d. h. so kurz und niedrig dosiert wie möglich erfolgen. Mitunter kommen größere Schwankungen in der individuellen Verfügbarkeit und Halbwertzeit vor, sodass sich die einzelnen Substanzen interindividuell in Bezug auf ihren Wirkeffekt und das Nebenwirkungspotential unterscheiden. Im Vordergrund der UAW stehen v. a. gastrointestinale, kardiovaskuläre und renale Komplikationen sowie Wirkungen auf das Gerinnungssystem mit einem erhöhten Blutungsrisiko. Daher sollte die Indikation für eine Behandlung mit tNSAR bei älteren Patienten immer streng gestellt werden.
Zum Schutz des oberen Gastrointestinaltraktes ist eine begleitende Therapie mit einem Protonenpumpeninhibitor indiziert. Ein erhöhtes Blutungsrisiko zeigt die Kombination von tNSAR und Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) [30]. Die Kombination von Ibuprofen und ASS führt bei zeitgleicher Einnahme zu einem Ausbleiben der irreversiblen thrombozyten-aggregationshemmenden Wirkung von ASS, da beide Substanzen um die Rezeptorbindung an den Thrombozyten konkurrieren. Unter der Therapie mit tNSAR sollte besonders auch der Effekt auf die Nierenfunktion beachtet werden. Speziell die gemeinsame Verordnung von tNSAR und ACE-Hemmern bzw. Sartanen ist problematisch, da beide Substanzgruppen die Autoregulation der Nieren beeinflussen und ein Nierenversagen induzieren können [6]. Die Einnahme von tNSAR und Coxiben kann zu einer Blutdrucksteigerung und einer verminderten Wirkung antihypertensiver Substanzen wie ß-Blocker und Diuretika führen. TNSAR können zudem in Kombination mit Sulfonylharnstoffen das Risiko einer Hypoglykämie steigern.
Topische Anwendungen stellen bei der Gon- und Sprunggelenksarthrose bzw. an den Händen eine risikoärmere Behandlungsoption dar. Durch Verabreichung im Rahmen einer Iontophorese wird die Eindringtiefe gesteigert.
Metamizol
Metamizol hat zwar eine gute analgetische und antipyretische, aber keine antiphlogistische Wirkung und ist für die Behandlung einer Arthrose nicht zugelassen. Soweit andere therapeutische Maßnahmen nicht indiziert sind oder Kontraindikationen gegenüber anderen Substanzen bestehen, kann Metamizol bei sonstigen akuten oder chronischen starken Schmerzen versuchshalber aber eingesetzt werden. Die Interaktionen von Metamizol dürften eher gering sein, wobei die Datenlage dürftig ist. Haupt-UAW ist die Agranulozytose, die auch von der Dosis und zeitlichen Einnahme sowie genetischen Faktoren abhängt [19]. Bei gleichzeitiger Einnahme von ASS ist die thrombozytenaggregationshemmende Wirkung von ASS annähernd aufgehoben.
Paracetamol
Der Einsatz von Paracetamol zur Behandlung arthrotischer Beschwerden wird international unterschiedlich bewertet. Für die Cox- und Gonarthrose wurde in der aktuellen deutschen Leitlinie eine negative Empfehlung ausgesprochen, da Im Rahmen zweier Metaanalyen keine klinisch relevante schmerzlindernde Wirkung nachgewiesen werden konnte [14]
[33].
Opiate
Eindeutige Studien mit Opioiden zur schmerztherapeutischen Behandlung der Arthrose fehlen bislang. Der Einsatz ist gerade bei älteren Patienten aufgrund von Nebenwirkungen nicht unumstritten. Nachteilig sind v. a. die zentralnervösen Effekte mit einem vermehrten Risiko einer Sturzneigung bzw. für Schwindel und Gleichgewichtsstörungen. Insgesamt ist das Interaktionspotenzial von Opioiden aber gering. Für Opioide gibt es keine Standarddosen, daher gilt das Motto: start low, go slow. Schmerzspitzen sollten mit einem schnellwirksamen Opioid aus der gleichen Stufe wie die Basistherapie behandelt werden. In der deutschen Leitlinie für Gonarthrose wird der Einsatz von schwachen Opioiden nur kurzfristig bis zu einer Operation oder bei nicht operablen Patienten für sinnvoll gehalten.
Prophylaktisch sollte gegen eine Opioid induzierte Obstipation für die Dauer der Therapie eine osmotisch wirksame Substanz und gegen eine opioidinduzierte Nausea oder stärkere Übelkeit ein Antiemetikum z. B. Metoclopramid oder auch Haloperidol gegeben werden.
Bei gleichzeitiger Einnahme von Benzodiazepinen, Antidepressiva, Phenothiazinen, Hypnotika und Antihistaminika mit sedativer Wirkung kann die sedierende Wirkung verstärkt werden. Einige Opioide (Tapentadol, Fentanyl, Buprenorphin) können ein Serotoninsyndrom (paradoxe Unruhe- oder gar Angstzustände) verursachen, v. a. in Kombination mit Medikamenten aus der SSRI-Gruppe und z. B. Triptanen und CYP-3A4-Inhibitoren wie Verapamil, Diltiazem, Amiodaron, Erythromycin oder Cimetidin, da diese ebenfalls Einfluss auf den Serotoninspiegel haben. Problematisch ist die Kombination mit MAO-Hemmern (z. B. Linezolid), da es hier zu lebensbedrohlichen Interaktionen mit einer Potenzierung der opioiden und serotonergen Effekte kommen kann. Bei eingeschränkter Nierenfunktion und fortgeschrittener Leberinsuffizienz sollte Hydromorphon für die Dauer der Schmerztherapie bevorzugt werden.
Symptomatic slow acting Drugs in Osteoarthritis (SYSADOA)
Der Begriff SYSADOA umfaßt mehrere Substanzen. Im Vordergrund stehen Glucosaminsulfat, Glucosamin-Hydrochlorid und Chondroitinsulfat. Die Datenlage für eine chondroprotektive bzw. analgetische und funktionsverbessernde Wirkung ist in der Literatur aufgrund methodischer Unzulänglichkeiten der einzelnen Studien widersprüchlich. Liegen Anwendungsbeschränkungen bzw. Kontraindikationen für den Einsatz anderer Medikamente vor (höheres Lebensalter, Begleiterkrankungen) kann die Gabe von Glucosamin entsprechend der deutschen Gonarthrose-Leitlinie in Erwägung gezogen werden. In den Empfehlungen der EULAR (The European League Against Rheumatism) und ESCEO (The European Society for Clinical and Economic Aspects of Osteoporosis, Osteoarthritis and Musculoskeletal Diseases) zur Therapie der Gon- und Cooxarthrose sowie der Osteoarthritis an der Hand werden die Substanzen ebenfalls vorschlagsweise genannt, demgegenüber wird der Einsatz von Glucosamin durch das NICE nicht empfohlen [8].
Hyaluronsäure
Hyaluronsäurepräparate werden seit langem zur Behandlung symptomatischer Arthrosen eingesetzt. Trotzdem ist die Wirksamkeit immer noch umstritten, sodass in internationalen Leitlinien weiterhin unterschiedliche Empfehlungen für den Einsatz gegeben werden. Einige Studien konnten eine klinisch relevante Schmerzhemmung nachweisen [5]
[27]
[39]. Da sich die einzelnen Hyaluronsäure-Substanzen erheblich voneinander unterscheiden, kann derzeit zudem aufgrund mangelnder vergleichender Studien keine Empfehlung für einzelne Präparate gegeben werden [45].
In der deutschen Leitlinie zur Gonarthrose wird eine Indikation dann gesehen, wenn der Einsatz von NSAR kontraindiziert bzw. NSAR nicht ausreichend wirksam sind. Im Rahmen einer aktivierten Arthrose kann mitunter auch die gemeinsame intraartikuläre Infiltration mit einem Steroid in Erwägung gezogen werden, um zu einer schnellen Beschwerdelinderung zu kommen [15]. Eine abschließende Empfehlung zu dieser Kombination ist aber derzeit aufgrund der Datenlage noch nicht möglich.
Corticosteroide
Die Wirksamkeit intraartikulär applizierter Corticosteroide in Bezug auf eine Schmerzlinderung konnte in verschiedenen Studien für unterschiedliche Zeiträume (1–24 Wochen) nachgewiesen werden [3]
[53]. Anders verhält sich der Effekt anscheinend auf funktionelle Parameter wie Steifheit, Gehstrecke und Lebensqualität [7]. In vielen internationalen Leitlinien wird bei einer Gelenkarthrose die intraartikuläre Injektion in einer möglichst geringen, aber wirksamen Dosis unter aseptischen Kautelen zur Reduktion der Schmerzsymptomatik empfohlen, wobei die Indikation im Einzelfall immer gründlich überdacht werden sollte, da Corticosteroide in hoher Dosierung den Knorpelzellstoffwechsel beeinträchtigen können.
Autologe Blutderivate
Plättchen-Reiches-Plasma (PRP)
In internationalen Leitlinien wird für die Behandlung mittels PRP wegen der geringen Zahl an hochwertigen Studien und der daraus resultierenden unzureichenden Datenlage derzeit keine Empfehlung gegeben. Wirkmechanismus und Beeinflussung der arthrotischen Veränderungen lassen sich auch aufgrund unterschiedlicher Herstellungsverfahren und damit möglicherweise einhergehender differenter Produkteigenschaften augenblicklich nicht beurteilen. Zwar enthalten Thrombozyten eine Vielzahl an Botenstoffen mit antiinflammatorischen und regenerativen Eigenschaften [2]
[35], die sich prinzipiell positiv auf die weitere Progression auswirken können, zugleich werden aber auch mannigfaltige Inhaltstoffe freigesetzt, die in der Lage sind, eine Entzündung und damit einem weiteren Fortschritt der Arthrose voranzutreiben [34]. Schwerwiegende unerwünschte Nebenwirkungen wurden allerdings bislang selten beschrieben [41].
Autologes konditioniertes Serum (AKS)
Wie beim PRP gilt auch beim AKS, dass aufgrund der mangelnden Datenlage derzeit keine valide Beurteilung eines Nutzens möglich ist. Die intraartikuläre Injektion von stimuliertem venösen Vollblut soll nach Angaben der Hersteller die inflammatorische Wirkung von Interleukin I entgegenwirken.