Aktuelle Dermatologie 2019; 45(10): 427-428
DOI: 10.1055/a-0985-2844
Derma-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Positionspapier zu den Effekten der Mikrobiota auf Allergien und Krebs verfasst

Untersmayr E. et al.
AllergoOncology: Microbiota in allergy and cancer – A European Academy for Allergy and Clinical Immunology position paper.

Allergy 2019;
74: 1037-1051
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Publication History

Publication Date:
08 October 2019 (online)

 

    Es ist bekannt, dass die Mikrobiota und deren Komposition mit gesundheitsfördernden Effekten in Zusammenhang stehen und maßgeblich für die Immunität und Immuntoleranz verantwortlich sind. Kommt diese Komposition allerdings aus dem Gleichgewicht, so können Allergien und sogar Krebserkrankungen die Folge sein. E. Untersmayr et al. haben diese Zusammenhänge nun in einem Positionspapier genauer beschrieben.


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    Die epidemische Zunahme von Allergien muss vor dem Hintergrund zunehmender Hygienemaßnahmen betrachtet werden. Laut den Ergebnissen verschiedener Studien kann eine durch Landwirtschaft geprägte Umgebung diesem Trend aber entgegenwirken (z. B. durch Arbeit auf einem Bauernhof während der Schwangerschaft oder den Konsum unbehandelter Milch). Eine im Alter von 1 Jahr unausgereifte mikrobielle Komposition im Darm von Kindern asthmatischer Mütter ist beispielsweise assoziiert mit dem späteren Asthmarisiko. In westlichen Ländern steht die Entwicklung mancher Krebsarten möglicherweise in Zusammenhang mit einem mangelhaften Kontakt zu bestimmten Mikroorganismen. Dies ist unter anderem auf einen modernen Lebensstil und auf den Verzehr sterilisierter Nahrungsmittel zurückzuführen. Das humane Mikrobiom wird auch von Metaboliten beeinflusst. Dazu gehören etwa Mikronährstoffe wie Eisen und Vitamine aber auch nicht verdauliche Oligosaccharide.

    Die Wirkungsweise der Mikrobiota kann einerseits durch einen direkten Transfer von Mikroorganismen erfolgen, andererseits indirekt unter Beteiligung des Immunsystems. Die Darmmikrobiota interagiert bei kranken und gesunden Individuen in vielfältiger Weise mit Immunzellen. Zellen der epithelialen Barriere erkennen molekulare mikrobielle Muster mittels spezieller Rezeptoren. Dendritische Zellen wechselwirken sowohl mit von „außen kommenden“ Pathogenen als auch mit der Mikrobiota des Wirtes. Sie erhalten die Balance zwischen einer tolerogenen und Entzündungs-basierten Immunantwort aufrecht. Weitere Komponenten des Immunsystems, die mit der Mikrobiota in Verbindung stehen, sind Makrophagen, Mastzellen, Eosinophile, innate lymphoide Zellen, regulatorische T-Zellen sowie B-Zellen.

    Wie funktioniert die Interaktion zwischen der Mikrobiota und dem Immunsystem auf molekularer Ebene? Studien haben ergeben, dass bestimmte Mikroorganismen in der Lage sind, intrazelluläre Signalwege mittels reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) zu stimulieren (beispielsweise unter Beteiligung von MAP-Kinasen und Protein-Tyrosin-Phosphatasen). Dabei kann es zu einer Schädigung der DNA in den Epithelzellen kommen und möglicherweise Krebs entstehen. Auch Asthma steht mit einer verstärkten Bildung von ROS in Zusammenhang. Der damit einhergehende oxidative Stress greift den Atmungsapparat an und verursacht Schädigungen. Antigene der Mikrobiota können IgA-produzierende Plasmazellen des Darms anregen. Wenn sich die Mikrobiotazusammensetzung ändert, hat dies auch einen Einfluss auf das IgA-Repertoire. Beim Menschen konnte gezeigt werden, dass eine veränderte Diversität der Darmmikrobiota sowie niedrige IgA-Levels möglicherweise mit Allergien und Asthma assoziiert sind.

    Fazit

    Das Positionspapier beleuchtet die Zusammenhänge zwischen der intestinalen Mikrobiota-Komposition und der Entstehung von Allergien und Krebs. Nach Meinung der Autoren können Patienten von medizinischen Maßnahmen profitieren, die eine Wiederherstellung des Mikrobioms und somit eine verbesserte Immunantwort zum Ziel haben. In diesem Zusammenhang komme dem „Microbiota Engineering“ zukünftig eine Rolle zu.

    Dr. Frank Lichert, Weilburg


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