Tagungsbericht
Die 93. Tagung der AG Knochentumoren fand in Zagreb/Kroatien auf Einladung von
Prof. Sven Seiwerth vom 24.bis 25. Mai in den Räumen des Pathologischen
Instituts der Medizinischen Fakultät statt. Zusammen mit seinem Team hatte Prof.
Seiwerth die Tagung exzellent vorbereitet und organisiert und ein
abwechslungsreiches Programm zusammengestellt, so dass es allen Gästen möglich war,
Zagreb und seine Umgebung besser kennenzulernen.
Die Tagung begann am 24.5. mit der Vorstandssitzung (15.00 bis 16.00 Uhr) gefolgt von
der Präsentation von ad hoc-Fällen, die aktuelle diagnostische oder therapeutische
Probleme beinhalteten und entweder vorab angemeldet (sekretariat@agkt.org) oder spontan
mitgebracht wurden. Insgesamt wurden 5 Fälle vorgestellt. Zunächst wurde der Fall
einer 37-jährigen Patientin diskutiert, die seit 4–5 Wochen über paravertebrale
Rippenschmerzen klagte. In der Bildgebung fand sich eine multilokuläre Osteolyse
ohne sichere begleitende Mineralisation. Unter der radiologischen Verdachtsdiagnose
einer möglicherweise sekundär veränderten fibrösen Dysplasie oder einer fokalen
hämatopoetischen Hyperplasie der Rippe wurde zunächst zu einer Biopsie geraten (nach
Tagungsende wurde histologisch eine fibröse Dysplasie gesichert).
Ein weiterer Fall betraf einen 64-jährigen Patienten, der sich mit einer Schwellung
am rechten Unterschenkel vorstellte. Vor 20 Jahren erlitt der Patient einen Unfall
mit Tibiafraktur rechts. Intraoperativ fand sich krümeliges Material, die
Mikrobiologie war negativ. In der Diskussion wurde ein Tumor als extrem
unwahrscheinlich angesehen und die vorliegende Bildgebung zusammen mit den
klinischen Befunden einer alten Kompartmentnekrose zugeordnet.
Als dritter Fall wurde ein 25-jähriger Patient vorgestellt, der körperlich und
geistig beeinträchtigt war und bei dem nach Fremdanamnese seit 7 Jahren eine langsam
zunehmende Schwellung des rechten Unterschenkels bestand. Radiologisch fanden sich
blasig-osteolytische Auftreibungen der distalen rechten Tibia (Markraum und Periost)
sowie der (leider nur teilweise erfassten) Fußwurzelknochen und des distalen Femurs
(partieller Nachweis in einzelnen MR-Sequenzen). In der Biopsie (Tibia) zeigte sich
ein Knorpeltumor ohne invasiv-destruktives Wachstum. Um einen M. Ollier
auszuschließen, wurde eine erweiterte Bildgebung (Ganzkörper-MRT, komplette
Darstellung des Fußes und des distalen Femurs) empfohlen.
Der vierte Fall betraf eine 74-jährige Patientin mit Schmerzen in der rechten
Schulter. Im CT fand sich eine – szintigraphisch aktive – Osteolyse im proximalen
Humerus, welche radiologisch zunächst als Metastase oder Myelommanifestation
gedeutet wurde. Außerdem bestanden Bursitis-artige Veränderungen am Schultergelenk,
welche in erster Linie für die Schmerzsymptomatik als ursächlich angesehen wurden.
Die Biopsie der Humerusläsion (marginale Ausräumung) ergab eine Infiltration durch
schaumzellige Histiozyten (pos: CD 68, CD 163; neg: CD1a, S-100, Langerin) sowie
eine begleitende Fibrose. Eine atypische Mykobakteriose oder eine Erdheim
Chester-Erkrankung sollten trotz ungewöhnlicher Manifestation noch ausgeschlossen
(BRAF p. 600VE-Mutation) und der Fall an der nächsten Sitzung in München diskutiert
werden.
Als 5. Fall wurden die Befunde eines 50-jährigen Patienten diskutiert, der sich nach
einem Sturz eine Schenkelhalsfraktur zuzog, welche sich in der Bildgebung als
pathologische Fraktur erwies. Die Bildgebung wurde zunächst als dedifferenziertes
Chondrosarkom gedeutet. Die Biopsie ergab ein Klarzellchondrosarkom ohne
histologische Hinweise auf eine Dedifferenzierung, eine Nachresektion ergab einen
histologisch identischen Resttumor, so dass wegen der Diskrepanz in der
Aggressivitätsbeurteilung zwischen Radiologie und Pathologie (high-grade Tumor vs.
low-grade Tumor) zunächst engmaschige Kontrollen empfohlen wurden.
In einer anschließenden Kurzpräsentation stellte Prof. Jundt noch die Basler
Erfahrungen mit Antikörpern gegen Caldesmon vor. Dieses Molekül wird als Marker für
glatte Muskulatur angesehen. Es existieren jedoch unterschiedliche Caldesmon-Formen.
Nur das hochmolekulare Caldesmon ist Glattmuskel-spezifisch, niedermolekulares
Caldesmon kommt auch in anderen Zellen (z. B. Myofibroblasten) vor [Dabrowska R et
al. Protoplasma (2004) 224: 1–13]. Nach den Basler Erfahrungen und den Angaben in
der Literatur (Beck, EM et al. J Cutan Pathol. 2018;45:581–587) eignet sich der
Clone h-CD (Dako) am besten für die Markierung glatter Muskulatur.
Nach Diskussion der ad hoc-Fälle fanden die wissenschaftlichen Vorträge statt, welche
einen Überblick über 20 Jahre orthopädische Pathologie an der Universität Zagreb,
die Epidemiologie muskuloskeletaler Tumoren sowie die Problematik der Behandlung und
Diagnostik von Knochentumoren in Kroatien beinhalteten:
-
Orthopedic pathology – 20 years single center experience:
Sven Seiwerth (Institute of Pathology University of Zagreb School of
Medicine and KBC Zagreb- Die Kurzfassung des Vortrags ist im
Anschluss an den Tagungsbericht auf Seite 229 zu finden).
-
Pediatric bone tumors in Croatia, a single oncology centre
experience:
Bonevski A1, Stepan Giljević J1, Ćepulić M1,
Seiwerth S2 (1
Children’s Hospital Zagreb, Oncology department, Zagreb,
Croatia
2,
Institute of Pathology School of Medicine University of Zagreb, Zagreb,
Croatia – Die Kurzfassung des Vortrags ist im Anschluss an den
Tagungsbericht auf Seite 231 zu finden)
-
Epidemiology of musculoskeletal tumors in a national referral orthopedic
department. A study of 3482 cases:
Bergovec M1,2, Kubat O1, Smerdelj M1,
Seiwerth S3, Bonevski A4, Orlic D1
(1
Department of Orthopaedic Surgery, University of Zagreb
School of Medicine, KBC Zagreb,
2
Department of Orthopedic Surgery, Medical University of
Graz,
3
Clinical Department of Pathology and Cytology, Medical School University
of Zagreb, KBC Zagreb,
4
Children’s University Hospital Zagreb – aktualisierte Fassung
der in Cancer Epidemiology 2015; 39: 298–302 bereits publizierten
Arbeit – PMID:25703268)
Das anschließende gemeinsame Abendessen fand in den Räumen des 1927 auf Initiative
von Andrija Štampar mit Unterstützung der Rockefeller Foundation errichteten
«Institutes for Hygiene and School of Public Health« statt, das 2014 nach seinem
Gründer in «Andrija Štampar School of Public Health» umbenannt wurde. Štampar war
außerdem 1948 einer der Initiatoren der WHO und Präsident der ersten
Weltgesundheitsversammlung. Die jetzige Direktorin, Frau Professor Mirjana Kujundžić
Tiljak, stellte in einem kurzen Abriss die Institutsgeschichte dar und gab uns
außerdem die Gelegenheit, das Institut zu besichtigen.
Mitgliederversammlung
Am Samstagvormittag begann die nicht-öffentliche Mitgliederversammlung um 8.30 Uhr
(bis 9.30 Uhr).
Vor Eintritt in die Tagesordnung gedachten die Teilnehmer ihres im März verstorbenen
Mitgliedes Prof. Dr. Peter Meister aus München, der seit 1976 Mitglied der AG
Knochentumoren war, die Sitzungen unserer Gesellschaft mit seinen Beiträgen geprägt
und in seiner speziellen Art oft belebt hat.
Die Homepage der AGKT wurde überarbeitet und den neuen Datenschutzerfordernissen
angepasst. Außerdem wurde ein Abschnitt zur Geschichte der AGKT eingefügt.
Als neue Mitglieder wurden Herr Dr. Manoj Kakkassery, Leiter Muskuloskelettale
Radiologie am Helios-Klinikum Berlin-Buch und Frau PD Dr. Sylvia Hoeller, Oberärztin
am Institut für Pathologie des Universitätsspitals Basel, in die AGKT
aufgenommen.
Wissenschaftliche Falldiskussion
Hauptprogrammpunkt der samstäglichen Sitzung war die wissenschaftliche
Falldiskussion. Insgesamt wurden 9 neue Fälle diskutiert sowie Nachträge (Verläufe)
zu 5 bereits vorgestellten Fällen präsentiert. 6 Fälle betrafen die langen
Röhrenknochen (3 × Tibia, 2 × Femur, 1 × Ulna), je ein Fall die Hände bzw. den
Fuß/Unterschenkel und den Schädel. Siebenmal waren Männer betroffen, zweimal Frauen.
Die Patienten waren bei Symptombeginn bzw. Diagnose (1 Zufallsbefund) zwischen 11
und 66 Jahre alt.
5 Tumoren waren gutartig (darunter ein nicht sicher klassifizierbarer
Gefäßtumor/Spindelzellhämangiom, eine aneurysmatische Knochenzyste, ein
Chondromyxoidfibrom, ein sogenannter Kalottendefekt bei Neurofibromatose1 und
gleichzeitig bestehender fibröser Dysplasie, und ein brauner Tumor bei
Hyperparathyreoidismus). Der letztgenannte Tumor wurde nur zufällige anlässlich
einer Traumaabklärung entdeckt. In 4 Fällen lagen bösartige Tumoren vor (ein
extraaxiales, intraartikuläres Chordom, ein fibroblastisches high-grade Osteosarkom,
ein Grad2-Chondrosarkom und ein im Knochen extrem selten vorkommender sogenannter
inflammatorischer myofibroblastischer Tumor/IMT). Die histologisch gestellte
Verdachtsdiagnose: IMT wurde molekularbiologisch durch das typische
Methylierungsprofil untermauert (Tomassen T, et al.: Ann Diagn Pathol.
2019;41:102–105).
Am Ende der Veranstaltung erhielten Frau Dr. Boxberg, Frau PD Dr. Specht, Frau Dr. C.
Knebel, Prof. Wörtler (alle TU München) und Prof. Dr. Barth (Uniklinik Ulm) den
Preis für die beste Fallpräsentation (Fall 1106: extraaxiales
intraartikuläres Chordom – bereits publiziert in Skeletal Radiology – PMID
31104146).
Der offizielle Teil wurde gegen 13.30 Uhr mit einem herzlichen Dank für die
hervorragend organisierte und sehr persönlich gestaltete Tagung an die Veranstalter
beendet, deren Einsatz vielen Teilnehmenden Zagreb und Kroatien sicher sehr viel
näher gebracht haben dürfte. Mit einem nachmittäglichen Ausflug ins Neandertaler
Museum in Krapina, einem anschließenden gemeinsamen Abendessen sowie mit einer
geführten Tour durch Zagreb am Sonntagmorgen ging eine sehr interessante, zu
Diskussionen anregende und äußerst abwechslungsreiche Veranstaltung zu Ende.
Zukünftige Tagungen
Die Herbsttagung 2019 findet am 18./19.10. in München statt. Veranstaltungsort der
Frühjahrstagung 2020 (27./28.3.) ist Ulm.
Falls Interesse besteht, als Gast an den Tagungen der AG Knochentumoren teilzunehmen,
können weitere Informationen über das Sekretariat der AGKT in Basel oder über die
Homepage abgerufen werden.