Aktuelle Dermatologie 2020; 46(06): 251-255
DOI: 10.1055/a-1003-4363
Fehler und Irrtümer in der Dermatologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Panzytopenie durch Azathioprin in Kombination mit Allopurinol

Panzytopenia Induced by Azathioprine in Combination with Allopurinol
P. Elsner
1   Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Jena
,
J. Meyer
2   Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, Hannover
› Institutsangaben
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Peter Elsner
Klinik für Hautkrankheiten
Universitätsklinikum Jena
Erfurter Str. 35
07743 Jena

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. Oktober 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Ein 55-jähriger Patient mit einem seit Jahrzehnten vorbekannten systemischen Lupus erythematodes (SLE) und zahlreichen medikamentös behandelten Komorbiditäten (arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2, Hyperurikämie, Niereninsuffizienz, Antiphospholipid-Syndrom, venöse Thromboembolien und periphere arterielle Verschlusskrankheit) stellte sich zur Abklärung von Ulcera crurum bei einem Hautarzt vor. Der Dermatologe diagnostizierte eine Immunvaskulitis und verordnete Azathioprin (100 mg/Tag). In der Folge kam es zu einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinbefindens sowie zu einem Abszess am Oberschenkel; als Ursache stellte sich eine schwere Panzytopenie heraus. Während des nachfolgenden stationären Aufenthaltes wurde der Patient dialysepflichtig, entwickelte eine Pneumonie, Gerinnungsstörungen und zerebrale Infarkte mit Entwicklung einer kortikalen Blindheit. In zeitlichem Abstand traten eine akute Cholecystitis bei Cholelithiasis, eine Sepsis und zunehmende Ischämien im Bereich der hirnzuführenden Arterien mit motorischen Ausfällen, Sprachstörungen und rezidivierenden Krampfanfällen auf, die schließlich zum Tode führten.

Gutachterlich festgestellt und von der Schlichtungsstelle bestätigt wurde als Ursache der Panzytopenie die behandlungsfehlerhafte Komedikation von Azathioprin mit der vorbestehenden Medikation mit Allopurinol ohne Dosisanpassung. Xanthinoxidasehemmer wie Allopurinol können die Myelotoxizität von Azathioprin erhöhen; sollte im Einzelfall eine entsprechende Kombination unvermeidbar sein, ist laut Fachinformation eine Dosisreduktion von Azathioprin auf 25 % erforderlich sowie eine engmaschige Kontrolle von Blutbild und Thrombozyten.

Gerade bei multimorbiden, multimedikamentös vorbehandelten Patienten sollten bei Neuansetzen einer medikamentösen Therapie mögliche Arzneimittelinteraktionen sorgfältig überprüft werden.


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Abstract

A 55-year-old patient with long-standing systemic lupus erythematosus (SLE) and numerous medically treated comorbidities (arterial hypertension, diabetes mellitus type 2, hyperuricemia, renal insufficiency, antiphospholipid syndrome, venous thromboembolism and peripheral arterial occlusive disease) presented to a dermatologist for management of leg ulcers. The dermatologist diagnosed immune vasculitis and prescribed azathioprine (100 mg/day). This resulted in a marked deterioration of the patient’s general condition and abscess formation on the thigh due to severe pancytopenia. During the subsequent hospital treatment, the patient had to be dialysed, developed pneumonia, coagulation disorders and cerebral infarctions with cortical blindness. At a later stage, acute cholecystitis on the basis of cholelithiasis, sepsis and increasing ischemia in the cerebral arteries with motor deficits, speech disorders and recurrent seizures occurred, eventually leading to death.

The cause of the pancytopenia was the faulty comedication of azathioprine with the preexisting medication of allopurinol without dose adjustment. Xanthine oxidase inhibitors such as allopurinol may increase the myelotoxicity of azathioprine; should an appropriate combination be necessary in individual cases, a dosage reduction of azathioprine to 25 % is necessary, as well as tight control of blood count and thrombocytes.

Especially in the case of multimorbid, multidrug-treated patients, drug interactions should be carefully considered when starting a new drug therapy.


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Klinischer Fall

Aus den von der Schlichtungsstelle herangezogenen Krankenunterlagen, auch der vor- und nachbehandelnden Ärzte, ergab sich folgender Krankheits- und Behandlungsablauf: Zum Zeitpunkt des Beginns der beanstandeten Behandlung stand der Patient im 55. Lebensjahr. Vorbekannt seit 23 Jahren war ein systemischer Lupus erythematodes (SLE). Im Verlauf weiterhin aufgetreten waren eine arterielle Hypertonie, ein Diabetes mellitus Typ 2, eine Niereninsuffizienz, ein Antiphospholipid-Syndrom, venöse Thromboembolien und eine periphere arterielle Verschlusskrankheit. Verschiedene immunsuppressive Behandlungen und sonstige Maßnahmen (u. a. Dauerantikoagulation mit Falithrom) waren durchgeführt worden. Nach Diagnose einer Gicht war eine Therapie mit Allopurinol eingeleitet worden. Wegen des SLE mit chronischer Niereninsuffizienz stand der Patient in regelmäßiger rheumatologischer und nephrologischer Behandlung. Die aktuelle Medikation bestand aus Falithrom, Aggrenox, Metoprolol, Ramipril, HCT, Quensyl, Prednison, Allopurinol, Colchysat und Dekristol. Zur Abklärung von Ulcera crurum beidseits stellte sich der Patient bei einem Hautarzt vor. Als Ursache der Hautveränderungen im Bereich der Unterschenkel ging der Dermatologe von einer Immunvaskulitis ([Abb. 1]) aus und verordnete Azathioprin (100 mg/Tag). In der Folgezeit kam es zu einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinbefindens, was schließlich zur Vorstellung in einer rheumatologischen Krankenhausabteilung führte. Klinisch fanden sich eine schmerzhaft überwärmte Schwellung im Bereich des Oberschenkels links, Ulcera crurum an beiden Unterschenkeln sowie Zahnfleischblutungen. Sonografisch zeigte sich eine partielle Ruptur des Oberschenkelmuskels links mit Einblutungen. Das abpunktierte Material erbrachte den Nachweis von Kokken. In der Labordiagnostik bestand eine schwere Panzytopenie mit Anämie/Hämoglobin = 4,5 mmol/l, Leukozytopenie = 0,4 Gpt/I und Thrombozytopenie = 23 Gpt/I. Die stationäre Aufnahme erfolgte am Folgetag in einer hämatologischen Schwerpunktabteilung. Dort wurden in Kooperation mit der Chirurgischen Abteilung eine Abszessspaltung im Bereich des linken Oberschenkels sowie Supportivmaßnahmen bei toxischem Knochenmarkversagen durchgeführt. Es kam zu Wundheilungsstörungen und zur Zunahme der präexistenten Niereninsuffizienz. Anämie und Thrombozytopenie wurden durch transfusionsmedizinische Maßnahmen korrigiert. Nach Absetzen der myelotoxischen Kombination Allopurinol/Azathioprin und Einsatz von Leucovorin kam es zur Rückbildung der Leukopenie. Wegen einer als Komplikation aufgetretenen Pneumonie waren eine intensivmedizinische Behandlung einschließlich Intubation und Beatmung sowie wegen passagerer Zunahme der Niereninsuffizienz eine intermittierende Dialyse erforderlich. Der weitere Verlauf war durch zahlreiche Komplikationen gekennzeichnet (u. a. Gerinnungsstörungen im Sinne einer Thrombophilie bei Antiphospholipid-Syndrom, zerebrale Infarkte mit Entwicklung einer kortikalen Blindheit). Dennoch war die Entlassung aus stationärer Behandlung in die Häuslichkeit möglich. Im weiteren Verlauf blieben die Blutbildwerte und die Nierenfunktion auf niedrigem Niveau stabil. Vierzehn Tage später befand sich der Patient zur Rehabilitation in einer Klinik, in deren Verlauf ein Hirninfarkt rechts mit Hemiparese links auftrat. Der Patient wurde rollstuhlpflichtig. Die Sehfähigkeit verschlechterte sich weiter, und Zeichen eines hirnorganischen Psychosyndroms traten in den Vordergrund. 2 Monate später wurde der Patient stationär wegen einer akuten Cholecystitis bei Cholelithiasis behandelt. Es entwickelten sich die Zeichen einer Sepsis (SIRS) und zunehmende Ischämien im Bereich der hirnzuführenden Arterien mit motorischen Ausfällen, Sprachstörungen und rezidivierenden Krampfanfällen; der Patient verstarb nach weiteren 4 Wochen. Eine Obduktion wurde nach Aktenlage nicht durchgeführt.

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Abb. 1 Immunvaskulitis bei Lupus erythematodes (typischer Befund, nicht dem vorliegend präsentierten Fall entsprechend).

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Sachverständigen-Gutachten und Stellungnahme der Schlichtungsstelle

Zu dem Fall lag ein Gutachten des MDK vor bez. des Verdachts eines ärztlichen Behandlungsfehlers des Hautarztes aufgrund der Verordnung von Azathioprin zusätzlich zu dem regelmäßig eingenommenen Arzneimittel Allopurinol. Dessen Kernaussagen waren:

  • Der Hautarzt sei ausschließlich durch eine visuelle Befunderhebung zur Diagnose der Immunvaskulitis gelangt. Das sei nicht sachgerecht gewesen.

  • Die Behandlung mit Azathioprin sei vom Hautarzt nicht gemäß geltender Standards durchgeführt worden und habe die Panzytopenie verursacht.

  • Die Abszessbildung im Bereich des rechten Oberschenkels und die schwere beidseitige Pneumonie seien Folge des Behandlungsfehlers.

Ein weiteres Gutachten wurde für den zuständigen Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung erstellt. Auch dieses kam zu dem Schluss, die Verordnung von Azathioprin durch den Hautarzt sei als Behandlungsfehler bzw. Abweichung von geltenden Standards zu qualifizieren. Die ausgeprägte Panzytopenie sei vermeidbar gewesen. Unmittelbare Folge der Panzytopenie sei ein Abszess im linken Oberschenkel gewesen, der eine operative Sanierung und Wundbehandlung erforderlich gemacht habe. Auch die beidseitige Lungenentzündung mit respiratorischem Versagen, die begleitende Herzinsuffizienz, passagere Herzrhythmusstörungen und hypertensive Dekompensationen sowie ein akutes Nierenversagen seien fehlerbedingt aufgetreten.

Der für den Hautarzt zuständige Berufshaftpflichtversicherer teilte mit, dass der Arzt der Versicherung gegenüber bereits Fehler bei der Medikation eingeräumt habe. Damit sei die Frage nach dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers bereits beantwortet und eine diesbezügliche Bewertung durch die Schlichtungsstelle nicht erforderlich.

Auf den Vorwurf fehlerhaften Handelns führte der Hautarzt aus, dass die Panzytopenie durch die Medikation beider Medikamente ausgelöst worden sei. Die darüber hinaus aufgetretenen Komplikationen halte er nicht für fehlerbedingt.

Die Schlichtungsstelle schloss sich den vorliegenden Gutachten im Ergebnis an.

Die seit Jahrzehnten bekannte Autoimmunerkrankung (SLE mit sekundärem Antiphospholipid-Syndrom) hatte trotz immunsuppressiver und antithrombotischer Behandlung in der Vergangenheit bereits zu typischen Komplikationen geführt (chronische Niereninsuffizienz, mehrfach venöse Thromboembolien mit postthrombotischem Syndrom/Ulcera crura, ischämische Defektareale im Sinne von abgelaufenen Hirninfarkten in der bildgebenden Diagnostik, periphere arterielle Verschlusskrankheit). Es bestand eine umfangreiche medikamentöse Therapie, darunter wegen einer Gicht Allopurinol. Nach Aktenlage befand sich der Patient vor der Einleitung der Azathioprin-Therapie unter Berücksichtigung seiner Multimorbidität in relativ gutem Allgemeinbefinden. Die von dem Hautarzt eingeleiteten Therapiemaßnahmen waren fehlerhaft. Dem Patienten wurden 100 mg Azathioprin/Tag p. o. verordnet. Es handelt sich dabei zwar um die im Regelfall korrekte Dosis; unberücksichtigt blieb jedoch die gleichzeitige Medikation mit Allopurinol. Die notwendige Dosisanpassung erfolgte nicht. Fehlerbedingt trat eine toxische Knochenmarkschädigung auf. Da der Hautarzt auch auf die notwendigen Kontrolluntersuchungen nach Einleitung der Behandlung mit Azathioprin verzichtet hatte, wurde die Panzytopenie erst erkannt, nachdem klinische Komplikationen, die vermeidbar gewesen wären, aufgetreten waren.

Durch das fehlerhafte Vorgehen sei es zu folgenden Gesundheitsstörungen gekommen:

  • Verschlechterung des Allgemeinzustandes bis zur stationären Aufnahme

  • Stationärer Aufenthalt mit den dort notwendigen invasiven Maßnahmen (u. a. operative Abszessspaltung am linken Oberschenkel; akute respiratorische Insuffizienz bei Pneumonie mit Notwendigkeit der künstlichen Beatmung, Verschlechterung der Nierenfunktion mit Notwendigkeit der Nierenersatztherapie),

  • Zeitweiser Übergang des präexistenten Antiphospholipid-Syndroms (APS) in ein „catastrophic APS“ während des schweren Krankheitsverlaufs und die im zeitlichen Zusammenhang damit neu aufgetretenen cerebralen Ischämien sowie deren neurologische Folge (prolongiertes Delir mit zeitweisen Halluzinationen, Verschlechterung der Sehfähigkeit).

Die in der Rehabilitationsklinik und nachfolgend aufgetretenen Gesundheitsstörungen sowie der Tod seien jedoch nicht mit ausreichender Sicherheit durch den Behandlungsfehler verursacht wurden, sondern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dem natürlichen Verlauf des SLE mit sekundärem Antiphospholipid-Syndrom zuzuordnen.


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Medizinische und rechtliche Interpretation

Die dermatologische Praxis ist vielfach durch eine große Zahl von Patienten geprägt, die in kurzen Zeitfenstern versorgt werden müssen. Die leitliniengerechte Betreuung von multimorbiden Patienten mit lange vorbestehenden Autoimmundermatosen wie im beschriebenen Fall ist in diesem Kontext eine besondere diagnostische und therapeutische Herausforderung, da Anamneseerhebung, diagnostische Maßnahmen sowie Studium vielfach mitgebrachter umfangreicher Vorbefunde sehr zeitaufwendig sind.

Dermatologische auf einzelne Krankheitsentitäten bezogene evidenzbasierte Leitlinien sind für den praktizierenden Dermatologen in dieser Situation meist wenig hilfreich, bieten sie doch keine ausreichende Berücksichtigung von Multimorbiditäten, wobei die kumulativen Auswirkungen von Behandlungsempfehlungen oft zur Multimedikation führen. Unangemessene Polypharmazie erhöht die Wahrscheinlichkeit von unerwünschten Arzneimittelereignissen, Arzneimittelwechselwirkungen und mangelnder Adhärenz [1]. Arzneimittelinteraktionen sind nicht selten und potenziell gesundheitsgefährdend; ein systematisches Review ergab, dass 33 % der Allgemeinpatienten und 67 % der Intensivpatienten während eines Krankenhausaufenthaltes eine potenziell gefährdende Arzneimittelinteraktion erfuhren [2].

Azathioprin ist ein in den 1960er-Jahren eingeführtes Immunsuppressivum, das in Deutschland in Kombination mit anderen Immunsuppressiva zur Vorbeugung einer Transplantatabstoßung und zur Behandlung der schweren aktiven rheumatoiden Arthritis, schwerer entzündlicher Darmerkrankungen (Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa), des systemischen Lupus erythematodes, der Dermatomyositis und Polymyositis, der autoimmunen chronischen aktiven Hepatitis, der Polyarteriitis nodosa und hämatologischer Erkrankungen zugelassen ist. In der Dermatologie wird es daneben bei einer Vielzahl von Erkrankungen im off-label use insbesondere aufgrund seines steroidsparenden Effektes angewandt ([Tab. 1]), wobei die Evidenzlage sehr unterschiedlich ist [3]. Dermatologen sollten aufgrund des breiten Einsatzes der Substanz in ihrem Fachgebiet mit deren Wirkungen und Nebenwirkungen vertraut sein.

Tab. 1

Mögliche dermatologische Indikationen für den Einsatz von Azathioprin (off-label) [8] [14].

Bullöse Dermatosen

  • Pemphigus vulgaris

  • Pemphigus foliaceus

  • Schleimhautpemphigoid

  • Vernarbendes Pemphigoid

  • Paraneoplastischer Pemphigus

Photodermatosen

  • Chronische aktinische Dermatitis

  • Aktinisches Retikuloid

  • Polymorphe Lichtdermatose

Ekzematöse Erkrankungen

  • Atopisches Ekzem

  • Allergisches Kontaktekzem

  • Pompholyx

Weitere Dermatosen

  • Psoriasis

  • M. Adamantiades-Behçet

  • Erythema multiforme

  • Lichen ruber planus

  • Graft-versus-host Disease (GVHD)

  • Pityriasis rubra pilaris

  • M. Wegener

  • Immunvaskulitis

Azathioprin ist pharmakologisch ein „Prodrug“, welches im Organismus zu 6-Mercaptopurin abgebaut wird. Mercaptopurin wird weiter metabolisiert über 3 Stoffwechselwege, u. a. zu 6-Thioguanin-Nukleotiden (6-TGN), die verantwortlich sind für den Großteil der immunsuppressiven Aktivität der Thiopurine, aber auch deren Knochenmarkstoxizität verursachen [4]. Die Hemmung der Xanthinoxidase durch Allopurinol erhöht die 6-TGN-Konzentrationen durch bevorzugten Metabolismus entlang des Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase (HGPRT)-Pathways [4] und verstärkt so die immunsuppressiven, aber eben auch die knochenmarksupprimierenden Effekte. Diese additiven Wirkungen von Xanthinoxidase-Inhibitoren auf Wirkungen und Nebenwirkungen von Azathioprin sind bereits seit Jahrzehnten bekannt [5] [6] [7]. Die Thiopurin-Methyltransferase (TPMT) ist ein Schlüsselenzym des Azathioprin-Metabolismus, da genetische Variationen in der Enzymaktivität Unterschiede der 6-TGN-Konzentrationen und damit das Auftreten einer Wirkungsverminderung, aber auch einer Wirkungs- und Nebenwirkungsverstärkung erklären können [8]. Die AWMF-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Pemphigus vulgaris/foliaceus und des bullösen Pemphigoids [9] stellt daher fest: „Eine TPMT-Bestimmung vor Therapiebeginn kann zur Abschätzung der initial eingesetzten Dosis herangezogen werden, ersetzt jedoch nicht sorgfältige und frequente Laborkontrollen, die bei herabgesetzter TPMT-Aktivität häufig als Warnsignal eine Leukopenie zeigen können.“ Die britische Leitlinie zur Azathioprintherapie empfiehlt aus Sicherheitsgründen bei allen neueingestellten Patienten eine Bestimmung der TPMT-Aktivität [8].

Wesentliche bekannte Nebenwirkungen von Azathioprin sind [10]:

  • 4 – 6 % der Patienten erleiden innerhalb weniger Tage eine starke Übelkeit, die zum Absetzen zwingt.

  • Das Azathioprin-induzierte Fieber kommt bei ca. 1 – 2 % der Patienten vor.

  • Eine Knochenmarkdepression lässt sich in einer Häufigkeit von 2 – 12 % nachweisen.

  • In 3 % der Patienten kommt es zu einer Lebertoxizität, die teilweise dosisabhängig wie auch -unabhängig auftreten kann.

Als klassische Kurzzeitnebenwirkungen treten ferner allergische Hauterscheinungen in einer Häufigkeit von 0,5 – 4 % auf [10]. Dermatologisch wichtig ist, dass Azathioprin eine erhöhte Photosensitivität der Haut induzieren kann. Bez. der Langzeitnebenwirkungen ist besonders zu erwähnen, dass nach epidemiologischen Studien unter Azathioprin die Inzidenz des nichtmelanozytären Hautkrebses erhöht ist [11].

Aus dem teils gravierenden Nebenwirkungspotenzial von Azathioprin erwächst die Verpflichtung, die Hinweise zum Therapiemonitoring besonders ernst zu nehmen.

Die Fachinformation [12] fordert, während der ersten 8 Therapiewochen mindestens einmal wöchentlich ein vollständiges Blutbild einschließlich Thrombozytenzahl zu fertigen. „Es sollte häufiger kontrolliert werden bei Anwendung hoher Dosen, älteren Patienten, beeinträchtigter Nierenfunktion, leichter bis mittelschwerer Leberfunktionsstörung, leichter bis mittelschwerer Beeinträchtigung der Knochenmarkfunktion und Patienten mit Hypersplenismus. Die Häufigkeit der Blutbildkontrollen kann nach 8 Wochen reduziert werden. Es wird empfohlen, in monatlichen Abständen ein vollständiges Blutbild anzufertigen, mindestens jedoch alle 3 Monate“ [12]. Die Patienten sollten angewiesen werden, sich sofort zu melden, „wenn Geschwüre im Rachen, Fieber, Infektionen, Blutergüsse, Blutungen oder andere Anzeichen einer Knochenmarkdepression auftreten“ [12].

Diese Maßnahmen waren vom behandelnden Dermatologen offensichtlich nicht durchgeführt worden; sie hätten die bei dem Patienten entstandene Knochenmarkssuppression vermutlich früher erkennen lassen und zu einer Dosisreduktion oder zu einem Absetzen des Azathioprin Anlass gegeben.

Wie häufig bei medizinischen Behandlungsfehlern kamen damit mehrere Fehlerursachen zusammen und führten entsprechend dem Fehlermodell nach Reason kumuliert zu einem deletären Verlauf [13]. Im konkreten Fall betraf die Zuordnung der Verantwortlichkeit für die fehlerhafte Therapieeinleitung und das fehlende Therapiemonitoring die gleiche Person; bei der nicht selten anzutreffenden interdisziplinären Verteilung von Verantwortlichkeiten können sich allerdings schwierige rechtliche Zurechnungsfragen ergeben. Jeder Arzt tut daher gut daran, im Interesse der Patientensicherheit nicht nur das eigene Fachgebiet im Auge zu haben, sondern stets auch die von ärztlichen Kollegen (oder gar nichtärztlichen Therapeuten) eingesetzten Therapien von seinen Patienten zu erfragen und zu bedenken.

Take Home Message

Die leitliniengerechte dermatologische Versorgung chronischer, multimorbider Patienten mit zahlreichen vorbestehenden Medikationen birgt ein besonders hohes Risiko von systemischen Arzneimittelinteraktionen. Auch seit langem in der Dermatologie mit großem Erfolg eingesetzte Immunsuppressiva wie das Azathioprin sind hochwirksame und potenziell nebenwirkungsbehaftete Arzneimittel, deren Einsatz unter Nutzen-Risiko-Erwägungen in jedem Fall sorgfältig abgewogen und eng monitoriert werden sollte. Sofern die zeitaufwendige Versorgung entsprechender Risikopatienten das Leistungsvermögen niedergelassener Dermatologen übersteigt, sollte diese spezialisierten Zentren überlassen werden.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.


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Prof. Dr. Peter Elsner
Klinik für Hautkrankheiten
Universitätsklinikum Jena
Erfurter Str. 35
07743 Jena


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Abb. 1 Immunvaskulitis bei Lupus erythematodes (typischer Befund, nicht dem vorliegend präsentierten Fall entsprechend).