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DOI: 10.1055/a-1007-1858
Tinnitracks – Erste Ergebnisse einer Anwenderbefragung
Tinnitracks - First results of a user surveyKorrespondenzadresse
für angewandte HNO-Heilkunde (WIAHNO)
D-24576 Bad Bramstedt
Publication History
21 December 2018
28 August 2019
Publication Date:
26 September 2019 (online)
Zusammenfassung
Hintergrund Die Behandlung eines chronischen Tinnitus stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar. Vor einigen Jahren wurde das „Tailor-made notched music training“ (TMNMT) als neue Methode vorgeschlagen, bei der die Frequenz eines tonalen Tinnitus aus zu hörender individuell zusammengestellter Musik herausgefiltert wird. Mittlerweile gibt es Apps, mit denen die Behandlung durchgeführt wird, z. B. Tinnitracks.
Methoden Im Frühjahr 2018 wurden insgesamt dreimal die damals 457 anwendenden HNO-Ärztinnen und Ärzte hinsichtlich ihres Eindrucks der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tinnitracks per E-Mail befragt. Die Daten wurden zentral erfasst, arcsin transformiert und mit einfaktorieller ANOVA ausgewertet; t-Tests dienten zur weiteren Analyse.
Ergebnisse Insgesamt antworteten 117 (25,6 %) der 457 befragten HNO-Ärzte. Durchschnittlich wurde die Therapie in den teilnehmenden Praxen seit 1,26 Jahren angewendet. Hinsichtlich der untersuchten Punkte gab es signifikante Effekte hinsichtlich der Lautstärke, der Frequenz und der Angenehmheit des Tinnitus, die dadurch zustande kamen, dass weniger oft negative als gleichbleibende bzw. bessere Ergebnisse durch die Therapie berichtet wurden; signifikante Unterschiede zwischen „gleichbleibend“ und „besser“ im Sinne eines positiven Therapieeffektes gab es nicht.
Diskussion Tinnitracks ist eine App-basierte Therapie des Tinnitus mittels TMNMT, deren Wirksamkeit bisher noch nicht an einer größeren Patientenpopulation untersucht wurde. Die hier vorgestellt Anwenderbefragung zeigte, dass die Tinnitracks hinsichtlich der Tinnituslautstärke und dessen Angenehmheit wenigstens keinen schädlichen Einfluss hat. Die Tinnitusfrequenz wurde nicht signifikant beeinflusst. Negative Effekte waren selten und statistisch nicht signifikant. Insgesamt kann somit z. Zt. keine Empfehlung zur Therapie mit Tinnitracks gegeben werden.
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Abstract
Background The treatment of chronic tinnitus poses still a challenge for clinicians and researchers alike. Since a couple of years, the tailor-made notched music training (TMNMT) has been proposed as a new method in which the frequency of tonal tinnitus is been filtered from the spectrum of individually chosen music. Today, some smartphone-based apps are available for the patients, i. e. Tinnitracks.
Methods During spring 2018, in total 457 ENT-physicians have been consulted by e-mail in respect of effectiveness and compatibility by using Tinnitracks. The data were collected centrally, were arcsin transformed and analysed by single factor ANOVA, t-tests were used for further analyses of effects.
Results In total, 117 (25.6 %) of all consulted ENT-physicians participated in the survey. On average, TMNMT has been used for 1.26 years in the offices. With respect to loudness, frequency, and comfort of the tinnitus significant effects were found, which came forth by less reporting of negative in comparison of equal or better effects. Significant differences between “equal” and “better” as a positive effect of the therapy were not found.
Discussion The effectiveness of Tinnitracks has not been investigated. Our survey demonstrated that Tinnitracks did not influence negatively the loudness or discomfort of the tinnitus, its frequency was not influenced significantly. Negative effects were statistically not significant. Thus, a therapy with Tinnitracks could not be recommended yet.
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Key words
Chronic tinnitus - tailor made notched music training - TMNMT - user survey - evidence - app-based therapyEinleitung
Tinnitus beschreibt ein Phantomgeräusch ohne externe Quelle und ist die am weitesten verbreitete, chronische Hörstörung [1]. Die wahrgenommenen Geräusche können sehr unterschiedlich sein, von z. B. relativ spezifischen Tönen (tonaler Tinnitus) zu Rauschen, Brummen, Klingeln. Sehr häufig wird dieses Symptom von affektiven (Depression, Angst) und somatoformen Symptomen begleitet [2]. Die Komorbidität ist sehr hoch und ist deutlich erhöht bei schwerem Tinnitusgrad [z. B. [3], [4], [5], [6], [7], für einen aktuellen Review siehe [2]]. Neben dieser komorbiden Symptomatik kommt es auch zu kognitiven Veränderungen im Bereich der Aufmerksamkeit, den exekutiven Funktionen und dem Sprachverständnis [für Reviews: [8], [9], [10], [11]]. Die Belastung für die Patienten sowie die Gesellschaft inkl. Kostenträgern sind als sehr hoch einzustufen. Die jährlichen Kosten für die EU werden auf 117–325 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt [12]. Trotz dieser erheblichen Belastung für das Individuum und die Gesellschaft gibt es nur relativ wenige evaluierte Behandlungsverfahren. Basierend auf der Literatur sprechen sich die S3-Leitlinien für eine Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) aus [13]. Dieser Ansatz wurde im Rahmen von klinischen Studien, auch für internetbasierte Versionen, evaluiert [[14], [15], [16], [17], [18], für einen systematischen Review siehe [19], für internetbasierte Versionen: [5], [20], [21], [22], [23], [24], [25]]. Als problematisch sehen jedoch viele Patienten, dass sich die KVT gemäß der S3 Leitlinien als Ziel nur den verbesserten Umgang mit dem Phantomgeräusch setzt und nicht das Symptom per se. In einem interdisziplinärem Therapiesetting des Tinnituszentrums an der HNO Klinik Jena äußerten 35 % der Patienten, dass sie Habituation an das Phantomgeräusch als alleinige Zielsetzung nicht akzeptieren [26]. Was sind Alternativen, für die es in der Fachliteratur erste Evidenz gibt?
Als eine neuere Möglichkeit wird das „tailor-made notched music training“ (TMNMT) diskutiert, bei der die individuelle Frequenz eines tonalen Tinnitus aus zu hörender individuell zusammengestellter Musik herausgefiltert wird (sog. Notchfilter). Das Verfahren beruht auf der Überlegung, dass fehlende laterale Inhibition auf Grund eines peripheren Hörverlusts zu einer Dysbalance von Erregung und Hemmung führt, was wiederum eine kortikale Reorganisation tonotoper Repräsentation zur Folge hat [27]. Inhibitionsinduzierte Plastizität auch durch Musik mit einem Notch wurde zuerst an normalhörenden Probanden gezeigt [28], [29], [30] und in Folge an Tinnituspatienten [31], [32], [33]. Nach einem Jahr TMNMT zeigten Patienten, die mit TMNMT behandelt wurden im Vergleich zu einer Placebogruppe (bei dieser Gruppe lag der Notchfilter nicht an der Stelle der Tinnitusfrequenz, sondern springt zu anderen Frequenzen] ein verändertes neurophysiologisches Muster. Sie gaben mit Hilfe einer visuellen Analogskala (VAS) auch an, dass sich die wahrgenommene Lautstärke des Tinnitus verringert hat. Dieser Verhaltenseffekt konnte in einer kürzlich veröffentlichten klinischen Studie repliziert werden [34]. Es zeigten sich jedoch keine signifikanten Veränderungen auf dem üblichen Maß für Tinnitusbelastung, dem Tinnitus Questionaire [25].
Basierend auf den vielversprechenden Ergebnissen der Münsteraner Gruppe um Prof. Pantev, die die meisten Studien mit genotchter Musik durchgeführt hatten, brachte die Firma Sonormed GmbH, Hamburg, das Programm Tinnitracks auf den Markt.
Hierbei wird zunächst in einer HNO-ärztlichen Eingangsuntersuchung die Tinnitusfrequenz und -lautstärke und ggf. der Hörverlust ermittelt (Modul 1). Die Patienten erhalten dann eine Bescheinigung mit den Angaben zum Tinnitus sowie einen Code, mittels dessen die App-gestützte Anwendung Tinnitus auf dem patienteneigenen Smartphone aktiviert werden kann (www.tinnitracks.com). Der Patient wir angehalten, täglich für mindestens 90 Minuten entsprechend seines Tinnitus gefilterte, von ihm gewünschte Musik zu hören. Insgesamt finden 5 HNO-ärztliche Kontrolluntersuchungen statt (Module 2a–e). Nach einem guten Jahr findet eine ärztliche Abschlussuntersuchung statt (Modul 3). In der Vergangenheit wurde die TMNMT, zu der mittlerweile weitere Apps vorliegen, kritisiert [36]. Neben der insgesamt schwachen Evidenz im Hinblick auf die Ergebnisse der Fragebogenmaße der Therapie wurde dabei hervorgehoben, dass die genaue Frequenzfindung als Therapievoraussetzung für die Patienten schwierig sei, und dass primär ein häufig geschädigtes Innenohr für die Schallperzeption benutzt werde, wobei die bestehenden Hördefizite auch die kortikale inhibitorische Regulation beeinflusse [36].
Die Behandlung mit Tinnitracks ist zwar nicht Bestandteil des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) und gehört somit nicht zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen. Sie wird aber von vielen gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen unterstützt, die ärztliche Tätigkeit wird gesondert vergütet (pro Modul 19 bis 30 €). Umso erstaunlicher ist, dass es bisher keine umfassenden Evaluierungsstudien zu dieser neuen Therapieform gibt. In der vorliegenden Arbeit möchten wir als ersten Schritt in diese Richtung die Ergebnisse einer Anwenderbefragung bei Tinnitracks-anbietenden HNO-Kolleginnen und -Kollegen präsentieren. Ziel der vorliegenden Arbeit war es auch, anhand der Ergebnisqualität der Befragung auf die dringende Notwendigkeit einer systematischen Untersuchung zur Wirksamkeit von Tinnitracks hinweisen zu können.
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Methoden
Am 28.05., 11.06. und 25.06.2018 wurden die 457 Tinnitracks-anbietenden HNO-Kolleginnen und -Kollegen mittels E-Mail um Teilnahme an einer Umfrage auf einer internetbasierten Plattform (surveymonkey.de) gebeten. Der Text der E-Mail findet sich in [ Abb. 1 ]. Im Rahmen der Umfrage wurden folgende Fragen gestellt:
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Seit wann bieten Sie Tinnitracks in Ihrer Praxis an?
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Wie vielen Patienten haben Sie bisher diese Therapiemöglichkeit angeboten?
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Wie viele Patienten führen tatsächlich diese Therapie bei Ihnen regulär durch?
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Wie viele Patienten haben die Therapie bisher regulär beendet?
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Wieviel Prozent aller Patienten wollten die Therapie nach dem regulären Ende fortsetzen?
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Wie erfassen Sie die subjektive Belästigung des Tinnitus?
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Visuelle Analogskala
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Tinnitus-Fragebogen (z. B. Mini-TF-12 [37])
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rein anamnestisch
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gar nicht
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Wieviel Prozent der Patienten machen folgende Angaben zur
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Tinnituslautstärke?
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Tinnitus gleichbleibend in der Lautstärke
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Tinnitus schlechter in der Lautstärke
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Tinnitus leiser in der Lautstärke
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Tinnitusfrequenz?
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Tinnitusfrequenz wird höher
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Tinnitusfrequenz bleibt gleich
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Tinnitusfrequenz wird niedriger
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Empfindung des Tinnitus?
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Tinnitus wird angenehmer
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Tinnitus wird unangenehmer
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Tinnitus wird als gleichbleibend empfunden
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Therapie selbst?
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Die Therapie ist angenehm/unangenehm
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Die Therapie ist einfach/schwierig
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Würden Sie bei sich selbst oder einem Angehörigen – eine Eignung vorausgesetzt – einen Tinnitus mittels Tinnitracks behandeln?
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Wie finden Sie die Durchführung von Tinnitracks mit allen Formalien?
Die Antworten wurden in der Datenbank von surveymonkey.de erfasst und anschließend in eine Excel-Tabelle exportiert. Mit diesem Programm erfolgte auch die statistische Darstellung und Auswertung der Ergebnisse. Die Daten zur Tinnituslautstärke, Tinnitusfrequenz und Empfindung des Tinnitus wurden arcsin transformiert. Dies ist ein übliches Verfahren um Prozentwerte zu transformieren, um sie mit inferenzstatistischen Verfahren zu analysieren. Die entstandenen Werte wurden anschließend mit einfaktoriellen ANOVAs ausgewertet; t-Tests dienten zur weiteren Analyse der Effekte und wurden mit der Bonferroni-Methode korrigiert. Vor der Analyse wurden die Daten auf Einzelfallebene überprüft. Wenn nicht auszuschließen war, dass Prozentangaben mit absoluten Werten verwechselt wurden, wurden die Werte von der Analyse ausgeschlossen. Weiterhin wurden nur Fälle in die Analyse genommen, wenn angegeben wurde, dass Behandlungen bis zum Schluss durchgeführt wurden. Diese Auswertungen inkl. der Transformation erfolgten mit IBM SPSS Statistics 25.
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Ergebnisse
Insgesamt antworteten 117 (25,6 %) der 457, zum Zeitpunkt der Befragung Tinnitracks-anbietenden HNO-Kolleginnen und -Kollegen. Die zeitliche Verteilung der Rückläufe zeigt [ Abb. 2 ]. Die Antworten zu den Fragen 1 bis 5 zeigt [ Tab. 1 ]. Durchschnittlich wurde die Therapie in den teilnehmenden Praxen seit 1,26 Jahren angewendet (SD ± 0,14 Jahre, Median 1,34 Jahre, Frage 1). Die durchschnittliche Erfahrung der antwortenden Ärzte liegt damit über der standardisierten Therapiedauer. Insgesamt wurde die Therapie 5.121 Patienten angeboten, davon nahmen 1.764 (34,4 %) tatsächlich das Behandlungsangebot mit Tinnitracks an, 646 (36,6 % der behandelten Fälle) haben die Therapie bisher regulär beendet. Die Minimalanzahl der Patienten, denen die Therapie angeboten wurde (Frage 2) lag bei 0, das Maximum bei 300 Fällen. Die Minimalanzahl der Fälle, bei denen die Behandlung durchgeführt wurde (Frage 3) lag bei 0, das Maximum bei 100 Fällen. Abhängigkeiten des Antwortverhaltens von der Betreuungsgröße fanden sich nicht.
Mindestens bei keinem und maximal bei 80 Fällen wurde angegeben, dass die Behandlung regulär beendet worden sei (Frage 4). Hinsichtlich der Erfassung der Belästigung der Patienten durch den Patienten (Frage 6) benutzten 8,5 % eine visuelle Analogskala, 16,2 % einen standardisierten Fragebogen (z. B. Mini-TF-12 nach Hiller und Goebel [37]), 71,0 % zogen rein anamnestische Angaben hierzu hinzu, 0,9 % erfassten diese Angabe nicht und 3,4 % machten zu dieser Frage keine Angaben. Die Angaben zur Veränderung des Tinnitus hinsichtlich der Lautstärke, der Frequenz und des Therapiekomforts (Frage 7) finden sich in [ Tab. 2 ], die Ergebnisse zu den übrigen Fragestellungen in [ Tab. 3 ].
Die ANOVA für Lautstärke zeigte einen hochsignifikanten Effekt (F(2,88) = 29,857; p < 0,001; partielles Eta-Quadrat 0,404). Der Effekt kommt zustande, weil seltener berichtet wurde, dass die Lautstärke schlechter (M = 5 %; SD = 9) wird im Vergleich zu „leiser“ (M = 44 %; SD = 28; p < 0,001) oder „gleich“ (M = 53 %; SD = 27 p < 0,001). Zwischen „leiser“ und „gleich“ gab es keinen Unterschied (p = 0,813). Die Analyse der Frequenzänderung zeigte ebenso einen hochsignifikanten Effekt (F(2,88) = 32,307; p < 0,001; partielles Eta-Quadrat 0,423), der dadurch zustande kam, dass häufiger angegeben wurde, dass die Frequenz gleich geblieben ist (M = 68 %; SD = 39), im Gegensatz zu „höher“ (M = 15 %; SD = 21; p < 0,001) oder „niedriger“ (M = 19 %; SD = 24; p < 0,001). Die Häufigkeit der Angaben zu „höher“ und „niedriger“ unterschied sich nicht voneinander (p = 0,602). Die Analyse der Angenehmheit des Tinnitus zeigte einen hochsignifikanten Effekt (F(2, 90) = 28,920; partielles Eta-Quadrat 0,391), der dadurch zustande kam, dass weniger häufig berichtet wurde, dass der Tinnitus „unangenehm“ (M = 6 %; SD = 11) im Vergleich zu „angenehmer“ (M = 53 %; SD = 29; p < 0,001) oder gleich (M = 43 %; SD = 28; p < 0,001) wurde. Zwischen den beiden letzten Antwortmöglichkeiten gab es keinen signifikanten Unterschied (p = 0,143).
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Diskussion
Die TMNMT ist eine vergleichsweise neuere Form zur Behandlung bei Tinnitus. Bisher liegt nur eine Studie zur langfristigen Wirksamkeit vor, die direkte und indirekte Wirkungen des Tinnitus prospektiv untersuchte [34]. Eine Anwenderbefragung ist definitionsgemäß mit einem niedrigen Evidenzgrad (5) behaftet [38]. Gleichwohl ist die individuelle klinische Expertise, also das Können und die Urteilskraft, die Ärzte durch ihre Erfahrung und klinische Praxis erwerben, ebenfalls ein wichtiges Element ärztlichen Handelns und ergänzt die verfügbare, externe Evidenz [39]. Deswegen ist, gerade wenn Studien höheren Evidenzgrades fehlen, zur Einschätzung einer neuen Methode die Befragung klinischer Anwender ein erster sinnvoller Schritt, der zudem einfach und ohne große Kosten durchzuführen ist.
Die hier vorgestellte Studie Rücklauffrequenz von gut 25 % limitiert die Aussagekraft grundsätzlich. Allerdings ist diese Rate für eine Befragung unter niedergelassenen HNO-Ärzten eher relativ hoch. Bei der vor Jahren durchgeführten Befragung zu Evidenzlücken im HNO-Gebiet kam es aus dem ambulanten Bereich nur zu einer Rücklaufquote von unter 20 % [40].
Tinnitus ist nicht auf eine einzelne Krankheit oder pathologische Veränderung zurückzuführen, sondern nur ein Symptom, das für einige, aber nicht für alle Betroffenen belastend ist [41]. Emotionale Faktoren, wie Depressionen, Angst- und somatoforme Störungen stellen ernst zu nehmende Prädiktoren für eine schlechte Prognose der Tinnitusentwicklung dar, entsprechend hoch ist die Rate an Komorbiditäten [Übersicht z. B. in [2]]. Die bisherigen Therapieansätze sind vielfältig [Übersicht z. B. in [42], [43]].
Am häufigsten wird ein Tinnitus mittels der Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) behandelt [44], [45], [46], [47]. Allerdings zeigen aktuellere Wirksamkeitsstudien mit einem kognitiv verhaltenstherapeutischen Ansatz (KVT) signifikant bessere Ergebnisse in Bezug auf Tinnitus-relevanten Distress als die TRT [18]. Dabei verbessert die KVT vor allem die Lebensqualität und komorbide Depressivität, ohne dass eine Veränderung der Tinnituslautstärke ein erklärtes Ziel ist [48]. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es keine Korrelation einer aus Patientenperspektive angenommenen Zunahme der subjektiven Tinnituswahrnehmung und einer Zunahme der messbaren Lautheit gibt; dieses gilt auch für alle anderen psychoakustischen Parameter und subjektiven Merkmale [2], [49]. Bei einer multimodalen Tinnitustherapie werden die vorgenannten Methoden zusammen mit weiteren (z. B. Hörtraining, Entspannungsverfahren, Physiotherapie) kombiniert [z. B. [11]]. In verschiedenen Studien wurde hierbei signifikante Verbesserungen hinsichtlich Tinnitusdistress, Lebensqualität, Stress und Depressivität über Jahre nachgewiesen [50], [51]. In diesem Sinne halten wir es für unabdinglich, dass Tinnitus interdisziplinär und in einer Gesamtschau mit einer Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten eines Patienten behandelt und untersucht wird. TMNMT könnte also in einem solchen Ansatz eines von mehreren Behandlungsmodulen darstellen. Wie oben schon dargestellt halten ca. ein Drittel der chronischen Tinnituspatienten in unserer Klinik [11] eine Habituation an den Tinnitus für kein ausreichendes Ziel und sie wünschen sich eine deutliche Verringerung des Symptoms per se. Aktuell kann das auf Grundlage der existierenden Literatur nicht als Ziel angeboten werden. Dies bringt Patienten und Behandler in die missliche Situation, dass eine Deckung der Ziele nicht gegeben ist, was als Grundlage für jedwede Therapie keine gute Ausgangsbasis ist. Diese Lage erfordert bei Behandlern ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten, die nicht unterschätzt werden sollten. Es bleibt jedoch eine offene Frage, was zu tun ist, wenn eine Überstimmung der Ziele nicht erreicht werden kann, d. h. der Patient will von dem Geräusch befreit werden, und der Behandler hält das für kein sinnvolles Ziel.
Die hier erhobenen Daten der Anwenderbefragung zeigen, dass die TMNMT keinen negativen Effekt auf Lautstärke oder Angenehmheit des Tinnitus hat. Die Tinnitusfrequenz wird in der Regel, jedenfalls signifikant nicht verändert, wenn auch solche Veränderungen vorkommen können. Die Erhebung zeigt allerdings auch, dass TMNMT nicht zu einer Verbesserung der Situation im Vergleich zum „gleich bleiben“ führte, weder im Hinblick auf die wahrgenommene Lautheit des Tinnitus noch auf die Angenehmheit. Einzelne Benutzer berichteten davon, dass es im Einzelfall schwierig war, die Tinnitusfrequenz exakt zu bestimmen. Dabei kam es nach Einzelberichten hierbei vor allem zu sog. Oktavverwechslungen; diese Berichte waren der Inhalt zur Umfrage begleitend zugesandter E-Mails. Durch eine wie auch immer geartete, falsche Bestimmung der Tinnitusfrequenz kommt es zwangsläufig zu einer Fehlprogrammierung der Notches, die wiederum den therapeutischen Ansatz der TMNMT konterkariert.
Da der Algorithmus von Tinnitracks nicht bekannt ist, kann nichts hinsichtlich des verwendeten Filters gesagt werden. Dieser ist aber hinsichtlich der postulierten Wirkung vermutlich ein relevanter Faktor. Hierzu sind weitere Studien erforderlich. Eine weitere Frage ist, wie hörsensitive Patienten mit dem veränderten Stimulus umgehen. In unserer Untersuchung wurde diesbezüglich nicht stratifiziert, dieses müsste in einer künftigen Studie jedoch berücksichtigt werden. Die hier vorgestellte Anwenderbefragung kann naturgemäß nur eine erste neutrale Tendenz hinsichtlich der Wirksamkeit der TMNMT zu zeigen; zumindest scheinen die Anzahl der Fälle mit negativem Einfluss durch die Therapie gering zu sein. Ein Wirksamkeitsnachweis von Tinnitracks wurde mit dieser Studie ausdrücklich nicht erbracht, d. h. auch dass sich daraus keine Empfehlung ableiten lässt. Künftige Studien sollten in jedem Fall anhand einer größeren Fallzahl prospektiv, doppelblind und mittels standardisierter Verfahren die hier bereits untersuchten Aspekte untersuchen.
Ein grundsätzliches Problem vieler bisherigen Studien – nicht nur zur TMNMT – zur Therapiewirksamkeit beim Tinnitus ist, dass nur leicht und mittelschwer erkrankte Probanden untersucht wurden, indem psychiatrische Komorbiditäten als ein ausschließendes Kriterium definiert wurden. Dabei korrelieren der Schweregrad des Tinnitus und das Niveau der neuropsychiatrischen Komorbiditäten [2]. Hinsichtlich künftiger Studien sollten daher nach Ansicht der Autoren unbedingt schwer erkrankte Tinnituspatienten hinsichtlich der Wirksamkeit der verschiedenen vorhandenen Therapieformen untersucht werden, weil bei diesen die Behandlungseffekte viel stärker sein könnten. Dieses verkompliziert natürlich das wissenschaftliche Design.
Vollständigkeitshalber wollen wir noch alternative Verfahren in gebotener Kürze darstellen, die in der Literatur zur Behandlung des Tinnitus diskutiert werden. Neurofeedback hat zum Ziel, durch eine Elektroenzephalographie-vermittelte Selbstkontrolle der eigenen Gehirnaktivität zu erreichen bzw. die eigene Gehirnaktivität gezielt zu beeinflussen. Mit diesem, nicht routinemäßig verwendeten Verfahren konnte in verschiedenen Studien eine positive Beeinflussung der Tinnitussymptomatik gezeigt werden [Übersicht in [52]. Auch wenn eine erste klinische Studie zur rekombinanten, vektorvermittelten Gentherapie bei hochgradig schwerhörenden Patienten initiiert wurde, befinden sich regenerative Therapien zur Behandlung einer Schwerhörigkeit und eines chronischen Tinnitus derzeitig noch im Experimentalstadium [53]. Versuche an Tiermodellen lassen vermuten, dass bei allen therapeutischen Ansätzen zur Tinnitustherapie, die versuchen, diesen über Anregungen von Neuroplastizitätsveränderungen zu supprimieren, wahrscheinlich wiederholte Behandlungseinheiten erforderlich sind, um zu verhindern, dass die durch Deafferenzierung ausgelöste Tinnitusaktivität wiederkehrt [54]; dieses ist bei der Anwendung von Tinnitracks gegeben.
Bisherige Theorien und Untersuchungen zur Tinnitusentstehung gehen davon aus, dass es sich beim chronischen Tinnitus um eine, den Betroffenen belastende Interaktion des auditiv sensorischen Systems mit dem limbischen System handelt, die teilweise mit Veränderungen der Cochlea und der zentralen Hörbahn, Auffälligkeiten der funktionalen Gehirnkonnektivität in Ruhe, in audiologischen und aufmerksamkeits- bzw. emotions- und gedächtnisrelevanten Strukturen und damit verbundener erhöhter Stressaktivität, Aufmerksamkeitsfokussierung oder erhöhten Kortisolspiegel einhergeht [55], [56], [57], [58], [59], [60], [61], [62], [63], [64]. Demzufolge wäre es folgerichtig, wenn künftig systematisch untersucht würde, welchen kurz- und langfristigen Einfluss entweder eine KVT oder TMNMT sowie die Kombination beider Methoden bei der Behandlung eines chronischen Tinnitus haben.
Mit den Ergebnissen dieser Studie wollen wir dazu beitragen, dass eine großangelegte multizentrische, systematische klinische Studie zum Nachweis der Wirksamkeit der TMNMT durchgeführt wird. Die hier aufgeworfenen Fragen sind nur in einem systematischen Ansatz und nicht einer kostenneutralen Studie tatsächlich zu klären, die weitere Kriterien z. B. zum Ausschluss, Alter, der Hörminderung, Subtypen des Tinnitus, Anwender und weitere Patientencharakteristika berücksichtig. Eine plazebokontrollierte Studie sollte grundsätzlich gut realisierbar sein, weil die gefilterte Musik allenfalls für geschulte Ohren von der Primärversion unterschieden werden kann. Nur bei einem positiven Wirksamkeitsnachweis wäre es gerechtfertigt, wenn weiterhin gesetzliche Krankenkassen diese Therapie zu Lasten der Solidargemeinschaft finanzierten. Umgekehrt könnte man auch fragen, warum gesetzliche Krankenkassen eine Therapie ohne nachgewiesene Evidenz überhaut bezahlen.
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Fazit für die Praxis
Tinnitracks ist eine Therapie des Tinnitus mittels TMNMT, deren Wirksamkeit bisher noch nicht an einer größeren Patientenpopulation untersucht wurde. Die hier vorgestellt Anwenderbefragung zeigte, dass die Therapie hinsichtlich der Tinnituslautstärke und dessen Angenehmheit wenigstens keinen schädlichen Einfluss hat. Ein Nachweis für einen positiven Effekt konnte nicht erbracht werden. Die Tinnitusfrequenz wurde nicht signifikant beeinflusst. Negative Effekte waren selten und statistisch nicht signifikant. Eine Wirksamkeit von Tinnitracks zur Behandlung eines Tinnitus ließ sich mit unseren Ergebnissen ausdrücklich nicht nachweisen; somit kann auch keine Empfehlung ausgesprochen werden, diese Therapie zur Behandlung eines chronischen Tinnitus anzuwenden.
Künftige Studien sollten diese Effekte unbedingt prospektiv, randomisiert und verblindet und mittels definierter Messmethoden untersuchen, auch hinsichtlich einer langfristigen Wirkung. Auch ein direkter Wirkungsvergleich zwischen einer TMNMT und KVT sowie einer Kombination dieser beiden Behandlungsformen sollte künftig untersucht werden. In diese Studien sollten auch Patienten mit schwerem chronischem Tinnitus und entsprechenden Komorbiditäten einbezogen werden.
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Interessenkonflikt
Die Autoren versichern, dass die Arbeit ohne eine Unterstützung durch die Tinnitracks anbietende Firma Sonormed, Hamburg, erfolgte. Die Forschung von Autor #2 zu Tinnitus wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt (Do 711/7–1). Die Forschung von Autor #1 wird vom Deutschen Berufsverband der HNO-Ärzte e. V. unterstützt.
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Korrespondenzadresse
für angewandte HNO-Heilkunde (WIAHNO)
D-24576 Bad Bramstedt
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