Hintergrund
Eine zentrale Herausforderung im Gesundheitswesen stellt der Ausbau von Versorgungsstrukturen
für die bessere Diagnostik, Therapie und Prävention von chronischen Erkrankungen dar
[1]
[2]
[3]. Um einen Beitrag für eine solche Effektivierung der Versorgung zu leisten, wurden
im Jahr 2003 in Deutschland die Disease-Management-Programme (DMP) als gesetzlich
vorgeschriebene Behandlungsprogramme im ambulanten Bereich eingerichtet [4]
[5]. Kernelemente bestehen in einer Strukturierung der Behandlungsabläufe und einer
klaren Orientierung von Diagnostik und Therapie an aktuellem medizinischem Wissen
unter Berücksichtigung evidenzbasierter Leitlinien [6]. Zudem soll eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Versorgungsebenen
(Haus- und Fachärzte, Kliniken, Reha-Einrichtungen) erreicht werden, etwa durch verordnungsrechtliche
Aufgaben- bzw. Therapiebeschreibungen und festgelegte Untersuchungsintervalle („Versorgungskette“)
[7]. Eine konsequente Dokumentation aller Untersuchungs- und Behandlungsergebnisse dient
der Abstimmung einzelner Versorgungsschritte und damit der Vermeidung unnötiger Doppeluntersuchungen.
Neben der regelmäßigen Betreuung von eingeschriebenen Patienten werden teilnehmende
Ärzte durch DMP-Pflichtfortbildungen regelmäßig geschult. Ferner müssen Arztpraxen,
die eine Behandlung im Rahmen von DMP anbieten, festgelegte Qualitätsanforderungen
erfüllen, was Veränderungen im Praxisablauf bedeuten kann [8]
[9]. Je nach Programm werden auch strukturierte Patientenschulungen zur therapeutischen
Unterstützung und/oder Prävention angeboten. Eine einheitliche elektronische Dokumentation
dient der fortlaufenden Evaluation und Qualitätssicherung. Hierzu werden Behandlungsdaten
zentral erfasst und teilnehmenden Ärzten zwecks Selbstkontrolle über Feedback-Berichte
erreichte Behandlungsfortschritte rückgespiegelt [4]
[10]
[11].
Wirksamkeit von DMP
Im Zusammenhang mit DMP wird darauf verwiesen, dass teilnehmende Patienten besser
über ihre Krankheit sowie assoziierte Risiken informiert sind und ihre Therapieadhärenz
höher liegt [38]. Hinsichtlich nachweisbarer Effekte von DMP sind für den deutschen Versorgungskontext
bislang allerdings nur wenige belastbare Wirksamkeitsstudien vorgelegt worden. Eine
Wirksamkeitskontrolle ist auf Basis der gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentationen
zumeist nicht ohne Weiteres möglich, da eine Kontrollgruppe fehlt [12]. Darüber hinaus bestehen unbekannte Störgrößen, die nur durch eine strikte Randomisierung
– die ethisch und praktisch oftmals nicht umsetzbar ist – neutralisiert werden können
[39].
Für das DMP Diabetes mellitus Typ 2 zeigen mehrere Studien günstige Effekte für Mortalität
und Prozessparameter [10]
[13]
[14]
[15]
[16]
[17]
[18]
[24]. Eine multizentrische, jedoch nicht randomisierte Querschnittsstudie untersuchte
jüngst den Nutzen der DMP Asthma bronchiale und COPD. Hier konnten die Autoren weder
bei der Krankheitskontrolle noch bei der Lebensqualität klinisch relevante Vorteile
für DMP-Teilnehmer belegen [19]. Eine erste Wirksamkeitsanalyse für das DMP KHK lässt trotz der methodischen Limitationen
positive Tendenzen mit Blick auf Mortalität, Kostenentwicklung und leitlinienbasierte
Medikation erkennen [20].
Anders als in Deutschland, wo belastbare Wirksamkeitsnachweise zu DMP noch am Anfang
stehen, konnten im Ausland nützliche Effekte vergleichbarer Programme im Rahmen klinisch
randomisierter Studien bereits häufiger belegt werden [21]
[22]
[23].
Kosteneffizienz von DMP
Inzwischen sind über 8 Millionen Versicherte in die bestehenden DMP eingeschrieben,
davon 1,2 Millionen als Teilnehmer an mehr als ein Programm [4]. In Bezug auf den ökonomischen Nutzen von DMP fehlen vollumfängliche Daten. Bisherige
Arbeiten kommen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen. So konnte in Repräsentativstudien
für die Diabetes-bezogenen DMP ein Einsparpotenzial von 120 Millionen Euro jährlich
nachgewiesen werden, allerdings bei 260 Millionen Euro jährlicher Kosten [40]. Andere im BVA-Bericht aufgeführte Studien urteilen positiver und sehen leichte
Kosteneinsparungen, wenn man nicht nur direkte Kosten, sondern auch die positiven
Folgen einer erhöhten Therapieadhärenz gesamtwirtschaftlich einrechnet [38].
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich die Förderbedingungen der Krankenkassen für
DMP verändert haben. Bis 2009 bestand eine Kopplung der DMP-Einschreibung an Ausgleichszahlungen
aus dem Risikostrukturausgleich (RSA) der Krankenkassen. Seitdem werden DMP nicht
mehr bei den durchschnittlichen Leistungsausgaben im RSA berücksichtigt. Stattdessen
erfolgt ein Ausgleich nach Morbiditätsgruppen. Programmkosten für medizinisch notwendige
Aufwendungen wie Dokumentations- oder Koordinierungsleistungen werden durch Zuweisungen
aus dem Gesundheitsfonds gefördert.
Hausärztliche Versorgung und DMP
Ohne die maßgebliche Beteiligung von Hausärzten als Primärversorger mit Zugang zu
einer breiten, unselektierten Patientenschaft sind die DMP-Zielsetzungen nicht erreichbar
[8]
[9]
[24]. Insofern haben Hausärzte bei der Patientenrekrutierung, der Sicherstellung der
Compliance und der Koordination des Behandlungsgeschehens eine Schlüsselfunktion inne
[7]
[24].
Innerhalb der Hausärzteschaft gibt es seit Einführung der DMP eine kontroverse Diskussion
über Sinn und Nutzen der strukturierten Behandlungsprogramme [25]
[26]
[27]
[28]. Eine Gruppe betont gewinnbringende Potenziale (u. a. Erhöhung der diagnostischen
und therapeutischen Treffsicherheit aufgrund stärkerer Evidenzorientierung, Transparenz
von Entscheidungsprozessen zur besseren Absicherung, mehr Ressourceneffizienz), eine
andere hingegen beklagt zu starke Eingriffe und Einschnitte in die hausärztliche Versorgung
(u. a. zu strikte Vorgaben, die einer individuellen Patientenbehandlung entgegenstehen,
Veränderung routinierter Praxisabläufe, ausufernde Dokumentationspflichten) [29].
Trotz der bedeutsamen Rolle, die die hausärztliche Versorgung im DMP-Kontext spielt,
haben empirische Studien ihr nur sporadisch Aufmerksamkeit gewidmet; an aktuellen
Befunden mangelt es. Insbesondere über Fragen der Akzeptanz, Zufriedenheit und damit
verbundenen Einstellungs- und Erfahrungswerte hinsichtlich DMP im Versorgungsalltag
fehlen belastbare Erkenntnisse. Mehr als anderthalb Dekaden nach Einführung der strukturierten
Behandlungsprogramme widmet sich die nachfolgende Studie einer Bilanz aus hausärztlicher
Sicht.
Methodik
Erkenntnisinteresse und Fragebogen
Um ein aktuelles und breites Einstellungs- und Erfahrungsbild aus hausärztlicher Perspektive
zu DMP zu gewinnen, wurde zwischen dem 15. April und 15. Juni 2019 eine schriftliche
Befragung unter Hausärzten durchgeführt. Beleuchtet wurde u. a., an welchen Programmen
Hausärzte teilnehmen, inwiefern sie positive oder negative Standpunkte in Bezug auf
DMP vertreten, welche Erfahrungen sie in der Patientenversorgung gemacht haben, wie
sie den konkreten Nutzen von DMP beurteilen und welche Verbesserungen sie sich wünschen.
Der Fragebogen basiert zum einen auf einer Aufarbeitung des Forschungsstands, wobei
insbesondere die bis dato vorliegenden Studien zur hausärztlichen Sicht auf DMP bzw.
deren Akzeptanz Berücksichtigung fanden [6]
[30]
[31]
[32]. Zum anderen erfolgten Vorgespräche mit insgesamt 10 Hausärzten. Diese waren für
die Konkretisierung des Fragebogens entscheidend und halfen bei der Entwicklung der
verwendeten Item-Batterien (Fragen 4 und 15). Neben den standardisierten Fragen wurden
mehrere offene Fragen eingesetzt, um im Sinne eines explorativen Vorgehens aufgeschlossen
gegenüber neuen Aspekten zu sein. Vor dem Feldeinsatz wurde ein Pretest durchgeführt.
Der Fragebogen (Ausfülldauer ca. 10 Minuten) setzt sich aus 4 Blöcken zusammen: Einstellungen
und Standpunkte in Bezug auf DMP, Teilnahme an einzelnen DMP und Bewertung, Beurteilung
und Bilanzierung von Effekten sowie prospektive Aspekte und Optimierungspotenziale.
Rekrutierung, Soziodemografie und Datenanalyse
Auf schriftlichem Weg zur Teilnahme an der anonymisierten Befragung eingeladen wurden
sämtliche 3611 als Behandler aktive Hausärzte in Hessen. Als soziodemografische Merkmale
wurden Alter, Geschlecht, Praxisumgebung, Praxisform und Patienten pro Quartal erhoben.
Die Daten wurden mittels SPSS 23.0 für Windows ausgewertet. Neben der deskriptiven
Auswertung erfolgte eine Faktorenanalyse mit Varimax-Rotation.
Die Auswertung der offenen Fragen basiert auf einer Nachcodierung im Sinne der qualitativen
Inhaltsanalyse nach Mayring [41]. Im Zuge der Sichtung der Antworten wurde ein Kategoriensystem erstellt, das mit
Fortgang der Auswertung wiederholt geprüft und ggf. modifiziert wurde. Auf diese Weise
war es möglich, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Daten in Form von Argumentations-
bzw. Problematisierungsmustern zu verdichten und zu systematisieren [41].
Ergebnisse
Stichprobe
Von den insgesamt 778 zurückgeschickten Fragebögen gingen die 752 vollständig ausgefüllten
Bögen in die Auswertung ein. Gemessen an der Gesamtzahl aller angeschriebenen Ärzte
beträgt die Rücklaufquote 21 %. Die Stichprobe ist wie folgt strukturiert:
-
Geschlecht: 53 % männlich, 47 % weiblich
-
Praxisumgebung: 44 % mittel- und großstädtisch, 56 % ländlich-kleinstädtisch
-
Praxisform: 53 % Einzelpraxen, 44 % Gemeinschaftspraxen, 3 % Sonstiges
-
Durchschnittsalter: 56 Jahre (Median: 57)
Einstellungen und Standpunkte in Bezug auf DMP
59 % der Befragten halten DMP ihrem Ansatz nach für eine gute Sache, 36 % bekunden
Skepsis bzw. Ablehnung (5 % unentschieden). Mit 56 % bekundet ebenfalls eine Mehrzahl,
dass DMP der eigenen Einschätzung bzw. Erfahrung nach grundsätzlich einen sehr großen
(14 %) oder eher großen (42 %) Nutzen für die Patientenversorgung haben (28 % eher
gering, 12 % kein Nutzen, 4 % schwer zu sagen). Bei 37 % der Befragten hat sich die
grundlegende Einstellung zu DMP in den letzten Jahren deutlich (15 %) oder etwas (22 %)
verbessert, bei 45 % ist sie gleichgeblieben, 18 % geben eine moderate (12 %) oder
deutliche (6 %) Verschlechterung an. Mit einem Anteil von 41 % geben insbesondere
Ärzte in eher ländlichen Praxisumgebungen an, in den zurückliegenden Jahren zu einer
größeren Wertschätzung von DMP gefunden zu haben; unter Ärzten in urbanen Gegenden
sind dies 33 %.
Die Abfrage unterschiedlicher Einstellungsitems zeigt, dass aus Sicht der Befragten
die Vorzüge von DMP für die hausärztliche Versorgung deutlich überwiegen (vgl. [Tab. 1], Gesamtzustimmung). Um genaueren Aufschluss zu erhalten, inwiefern bestimmte Ansichten
in Bezug auf DMP miteinander korrespondieren, wurde eine Faktorenanalyse durchgeführt.
Tab. 1
Hausärztliche Einstellungen zu DMP.
|
Frage: Welchen der folgenden Aussagen stimmen Sie zu? (n = 752, Antwortkategorien Stimme voll und ganz zu/Stimme eher zu zusammengefasst und rotierte Komponentenmatrix)
|
|
|
rotierte Komponentenmatrix
|
|
Disease-Management-Programme haben…
|
Gesamtzustimmung
|
Komp. 1 (Varianzaufkl.: 41,8 %)
|
Komp. 2 (Varianzaufkl.: 14,1 %)
|
Komp. 3 (Varianzaufkl.: 6,2 %)
|
|
zu viel unnötiger Bürokratie bzw. unnötigem Dokumentationsaufwand geführt.
|
73 %
|
–0,586
|
0,433
|
0,403
|
|
dazu beigetragen, dass chronisch kranke Patienten vorausschauend und kontinuierlich
betreut werden können.
|
72 %
|
0,781
|
–0,296
|
0,108
|
|
die Compliance von chronisch kranken Patienten verbessert.
|
72 %
|
0,758
|
–0,329
|
0,085
|
|
eine Veränderung von Arbeitsabläufen/Zuständigkeiten innerhalb der Praxis bewirkt.
|
71 %
|
0,463
|
0,168
|
0,545
|
|
dazu beigetragen, dass Patienten verstärkt auf Basis evidenzbasierter Medizin/Leitlinien
behandelt werden.
|
70 %
|
0,755
|
–0,157
|
–0,013
|
|
zu einem erfolgreicheren Management multimorbider/chronisch kranker Patienten geführt.
|
61 %
|
0,866
|
–0,250
|
0,045
|
|
die Stellung des Hausarztes bei der Versorgung chronisch kranker Patienten gestärkt.
|
61 %
|
0,739
|
–0,283
|
0,053
|
|
zu einem klar geregelten Vorgehen geführt, wodurch die Transparenz von Entscheidungen
erhöht und ärztliches Handeln abgesichert wird.
|
55 %
|
0,771
|
–0,136
|
0,075
|
|
die Abhängigkeit der Hausärzte von den Krankenkassen erhöht.
|
48 %
|
–0,244
|
0,632
|
0,269
|
|
zu einer Vermeidung von Über- bzw. Unterversorgung beigetragen.
|
47 %
|
0,733
|
–0,179
|
–0,055
|
|
die diagnostische und therapeutische Sicherheit von Hausärzten verbessert.
|
44 %
|
0,801
|
–0,070
|
0,001
|
|
nur wenig an der Versorgungsqualität von chronisch kranken Patienten geändert.
|
42 %
|
0,378
|
–0,687
|
0,040
|
|
zu mehr Effizienz in der Patientenversorgung geführt.
|
38 %
|
0,770
|
–0,165
|
–0,084
|
|
die Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten bei der Versorgung chronischer Erkrankungen
wirksam verbessert.
|
31 %
|
0,634
|
0,036
|
–0,258
|
|
die Kosten für das Gesundheitssystem gesenkt.
|
31 %
|
0,751
|
–0,055
|
–0,112
|
|
die Therapiefreiheit von Hausärzten eingeschränkt.
|
30 %
|
–0,163
|
0,839
|
–0,009
|
|
dazu geführt, dass Patienten weniger individuell behandelt und berücksichtigt werden
können.
|
23 %
|
–0,139
|
0,825
|
–0,069
|
|
große organisatorische/logistische Belastungen beim Praxismanagement nach sich gezogen.
|
18 %
|
–0,151
|
–0,012
|
0,733
|
|
|
Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse
Rotationsmethode: Varimax, Kaiser-Normalisierung
Rotation in 5 Iterationen konvergiert
Aufgeklärte Gesamtvarianz: 62,1 %
Stichprobeneignung nach Kaiser-Meyer-Olkin: .951
Signifikanz nach Bartlett: p < 0,001
|
Ziel der Faktorenanalyse ist es, eine größere Zahl von Variablen aufgrund von systematischen
Beziehungen (Korrelationen) untereinander zu Faktoren zusammenzufassen. Indem die
Variation einer Variablenvielzahl auf eine deutlich geringere Zahl von gemeinsamen
Faktoren zurückgeführt wird (Datenreduktion), sollen zugrunde liegende gemeinsame
Dimensionen aufgedeckt werden. Die hier gewählte Varimax-Methode ist das geläufigste
Verfahren, um zu interpretierbaren Faktorenlösungen zu gelangen. Um die Voraussetzung
für eine Faktorenanalyse zu prüfen, wurde zum einen die Stichprobeneignung nach Kaiser-Meyer-Olkin
getestet, die im vorliegenden Fall besonders günstig ist (.951). Zum zweiten wurde
der Bartlett-Test auf Sphärizität durchgeführt, der die Hypothese prüft, dass in der
Grundgesamtheit alle Korrelationskoeffizienten den Wert 0 haben. Ein wie im vorliegenden
Fall signifikantes Ergebnis erlaubt die Interpretation, dass in der Grundgesamtheit
„zumindest zwischen einigen Variablen Korrelationen bestehen; die 0-Hypothese kann
also zurückgewiesen werden“ [37: 325]. Auch die Kommunalitäten liegen im Fall aller
eingeschlossenen Variablen deutlich über dem gängigen Grenzwert .5, sodass jede einzelne
Item-Variable für die Faktorenanalyse geeignet ist.
Die Analyse fiel zugunsten einer 3-Faktoren-Lösung aus, da im vorliegenden Fall 3
Faktoren einen überproportional großen Erklärungsgehalt besitzen und jeweils einen
Eigenwert >1 aufweisen (Kaiser-Kriterium). Zudem liegt die aufgeklärte Gesamtvarianz
bei einer 3-Faktoren-Lösung vergleichsweise hoch (62 %). Auch gemäß Scree-Test spricht
der Verlauf der Eigenwerte am ehesten für eine 3-faktorielle Lösung. Folglich erscheint
eine solche Struktur plausibel und stabil. Als Grenze, ab der ein Item auf einen Faktor
lädt, wurde der Wert .4/–.4 gewählt [37].
Entsprechend dem dargestellten Verfahren lassen sich 3 Cluster von Hausärzten unterscheiden.
Die größte Gruppe konstatiert insbesondere spürbare Fortschritte bei der Diagnostik,
Verlaufsbegleitung und Therapie sowie Compliance-Effekte. Die verstärkte Leitlinienorientierung
wird als klarer Vorteil erlebt. Insgesamt wird eine Stärkung der hausärztlichen Rolle
wahrgenommen. In Cluster 2 werden erlebte negative Aspekte betont, darunter eine gestiegene
Abhängigkeit von den Krankenkassen oder die Einschränkung der ärztlichen Therapiefreiheit.
Der 3. Cluster fokussiert praxisinterne Anpassungsprozesse an die DMP-Vorgaben.
Auffällig ist, dass in sämtlichen Gruppen der hohe Dokumentations- und somit Zeitaufwand
beklagt wird; insgesamt weisen 3/4 aller Ärzte darauf hin. Zudem nehmen nur wenige
Befragte eine bessere Zusammenarbeit mit fachärztlichen Kollegen aufgrund der Teilnahme
an einem oder mehreren Programmen wahr. An nachhaltigen Effizienzvorteilen in der
Patientenversorgung durch DMP besteht auf Seiten der Ärzte Zweifel.
DMP-Teilnahme und Bewertung
89 % der Befragten nehmen zurzeit an einem (36 %) oder mehreren DMP (53 %) teil; weitere
5 % haben zu einem früheren Zeitpunkt teilgenommen (6 % keine aktuelle oder frühere
Teilnahme). Bei nahezu allen Befragten (96 %) bezieht sich die DMP-Teilnahme auf sämtliche
und nicht lediglich auf bestimmte Krankenkassen. Die meisten aktuellen Teilnehmer
finden sich im DMP Diabetes mellitus Typ 2 (88 %), gefolgt vom DMP KHK (85 %). Dahinter
liegen die DMP COPD (83 %) und Asthma bronchiale (81 %). Am DMP Diabetes mellitus
Typ 1 nehmen 19 % teil, was sich mit den speziellen Voraussetzungen dieses Programms
erklärt.
Aus der oftmals jahrelangen Erfahrung der Befragten wird das DMP Diabetes mellitus
Typ 2 am besten beurteilt (38 % sehr gut, 39 % eher gut). Unter den 146 Befragten,
die am DMP Diabetes mellitus Typ 1 partizipieren, findet sich ebenfalls großer Zuspruch
(26 % sehr gut, 41 % eher gut). Anschließend folgen die DMP KHK (21 % sehr gut, 43 %
eher gut), COPD (14 % sehr gut, 46 % eher gut) und Asthma bronchiale (10 % sehr gut,
44 % eher gut).
Beim Blick auf die verschiedenen DMP-Bausteine zeigt sich ein unterschiedlicher Akzeptanzgrad.
So beurteilen 80 % die regelmäßige Einbestellung von Patienten, wie sie in den derzeit
von DMP vorgegebenen Intervallen vorgesehen sind, als sehr positiv oder eher positiv.
69 % goutieren die angebotenen Patientenschulungen zur Unterstützung der Therapie.
59 % halten die Pflichtfortbildungen für Ärzte für eine sehr gute oder eher gute Sache.
Hingegen zeigen sich nur 34 % mit der externen Erfassung der Behandlung und 31 % mit
der derzeitigen Ausgestaltung der Dokumentation zufrieden.
Positive und negative Erfahrungen im Praxisalltag
554 Ärzte haben die vorgesehenen offenen Fragen bearbeitet. Im Zuge der Nachcodierung
fiel eine Reihe wiederkehrender Argumentations- und Problematisierungsmuster auf.
In eigenen Worten werden allem voran die regelmäßige Patientenbetreuung, die Struktur
in der Patientenführung (Therapieadhärenz) und bei der Behandlung sowie Verlaufskontrolle
positiv hervorgehoben. Ebenfalls zeigt sich ein großer Teil der Befragten zufrieden
mit einer besseren Leitlinienkenntnis und der strukturierten Möglichkeit, gezielte
Schulungen zu besuchen.
Neben dem hohen Dokumentationsaufwand werden Schwierigkeiten im Verwaltungsablauf
problematisiert, wenn etwa Patienten, die einmalig nicht in der Sprechstunde erschienen
sind, direkt aus dem Programm entfernt werden und umständlich wieder eingeschrieben
werden müssen. Moniert wird ferner die verspätete Rückmeldung über den Teilnahmestatus
von Patienten oder der Umstand, dass Evaluationsreporte und Feedbackberichte deutlich
zeitverzögert eingehen. Auch eine oftmals unberechenbare Anpassung der Rahmenbedingungen
der Programme (z. B. wechselnde Bestimmungen und Formulare, EDV-Umstellungen) erschweren
die kontinuierliche Arbeit. Gegenstand von Kritik ist zudem eine weitgehende Unflexibilität
des DMP-Konzepts, das Hausärzten zu wenige situative Handlungsspielräume lasse (z. B.
Einbestellungsintervalle, Medikations- und Therapievorgaben). Als großes Problem wird
erlebt, dass zusammen mit den Strukturen und Vorgaben der DMP eine ausreichend funktionierende
Verzahnung mit anderen Versorgungsebenen, insbesondere ambulanten Fachärzten, nicht
im nötigen Umfang mitgewachsen ist. Überdies gibt es Kritik an den Krankenkassen,
die zum einen erhöhten Druck auf Patienten ausübten, an DMP teilzunehmen, was Hausärzte
oftmals zwinge, an den Programmen zu partizipieren. Zum anderen vertreten viele Befragte
die Ansicht, dass im Rahmen von DMP teilnehmende Patienten nicht gut genug informiert
und längerfristig motiviert würden. Weitere Kritikpunkte betreffen eine Honorierung,
die aus Sicht vieler Befragter nicht im Verhältnis zum erbrachten Aufwand und zur
Belastung im Praxisalltag stehe, sowie nicht immer praxisnahe und auf den Informationsstand
der Ärzte eingehende Schulungen.
Beurteilung und Bilanzierung von Effekten
Eine Umsetzung der DMP erfordert häufig eine Veränderung von Arbeitsabläufen, Routinen
und Aufgabenzuteilungen in der Praxis. So geben 81 % der Befragten an, ein Mitglied
des eigenen Praxispersonals (18 %) oder sogar mehrere Personen (54 %) bis hin zum
gesamten Personal (9 %) aufgrund der DMP-Teilnahme einmal oder mehrmals geschult zu
haben. Dessen ungeachtet können die durch DMP bewirkten Veränderungen im Praxisablauf
unter Umständen zu Verzögerungen oder anderweitigen Schwierigkeiten führen. Rund die
Hälfte der an mindestens ein DMP partizipierenden Befragten (49 %) gibt an, aufgrund
der Teilnahme häufig (14 %) oder gelegentlich (35 %) Behinderungen bzw. Komplikationen
im Praxisalltag erlebt zu haben (32 % selten, 18 % nie).
Trotz solcher vorübergehenden Einschränkungen und Umstellungsprozesse legen die weiteren
Ergebnisse nahe, dass die Befragungsteilnehmer ihr Engagement rückblickend positiv
bewerten. Mit 52 % gibt eine Mehrheit an, dass die Therapie der einbezogenen Patienten
von den DMP, an denen teilgenommen wurde, sehr stark (7 %) oder eher stark (45 %)
profitiert hat (29 % eher nicht so stark, 12 % überhaupt nicht, 8 % unterschiedlich
bzw. schwer zu sagen) ([Tab. 2]).
Tab. 2
Bilanzierung der DMP-Teilnahme.
|
Frage: Welchen der folgenden Aussagen stimmen Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung mit DMP zu? (n = 752)
|
|
stimme voll und ganz zu/stimme eher zu
|
stimme eher nicht zu/stimme gar nicht zu
|
|
„Die Vorteile, die Disease-Management-Programme bringen, überwiegen die Nachteile
und Schwierigkeiten.“
|
60 %
|
40 %
|
|
„Ich richte mich grundsätzlich nach den DMP-Empfehlungen zur (medikamentösen) Therapie.“
|
58 %
|
42 %
|
|
„Für mich ist es schwer vorstellbar, in meiner Praxis auf Disease-Management-Programme
zu verzichten.“
|
49 %
|
51 %
|
|
„Durch die Teilnahme an Disease-Management-Programmen konnte ich meine eigene Kompetenz
verbessern.“
|
48 %
|
52 %
|
|
„Durch die Teilnahme an Disease-Management-Programmen habe ich bezüglich der Diagnose
bzw. Therapie Neues gelernt.“
|
45 %
|
55 %
|
Anhand einer Item-Batterie wird die DMP-Teilnahme klar positiv bilanziert. Dabei wird
deutlich, dass der Großteil der Befragten Komplikationen und Belastungen, die durch
die Programmteilnahme entstehen, in Kauf nehmen, weil der Nutzen ihrer Einschätzung
nach überwiegt. Zudem wird ersichtlich, dass die DMP-Teilnahme nach Ansicht der Hausärzte
günstige Folgewirkungen in Bezug auf das diagnostische sowie therapeutische Vorgehen
hat.
Ein beträchtlicher Teil der Befragten steht einer Teilnahme an weiteren, derzeit in
der Entwicklung bzw. Implementierung befindlichen DMP aufgeschlossen gegenüber. Vor
allem an einem DMP Herzinsuffizienz ist das Interesse groß (33 % habe vor teilzunehmen,
38 % kann ich mir vorstellen), gefolgt von einem DMP Chronischer Rückenschmerz (25 %
habe vor teilzunehmen, 32 % kann ich mir vorstellen).
Prospektive Aspekte und Optimierungspotenziale
Wie die Auswertung einer weiteren offenen Frage zeigt, wünscht sich das Gros der Befragten
für die Zukunft bei DMP einen substanziellen Abbau von Dokumentationspflichten (z. B.
Abschaffung der Formulare für Neueinschreibung), eine Erleichterung bei der Interaktion
mit der DMP-Datenstelle (auch in Bezug auf zeitnahe Informationen) und mehr organisatorische
Kontinuität in den Behandlungsprogrammen. Andere häufig genannte Aspekte betreffen
die Ermöglichung von mehr ärztlicher Entscheidungsflexibilität (z. B. bei der Patienteneinbestellung
und therapiebezogenen Entscheidungen) sowie die Stärkung und bessere Strukturierung
der Kommunikation bzw. Kooperation an den Schnittstellen mit anderen Versorgungsakteuren.
Insgesamt, so viele Befragte, sollten DMP noch niedrigschwelliger für Ärzte und Patienten
angelegt werden, sodass sie bei der Versorgung vulnerabler Gruppen eine noch größere
Rolle spielen können. Ferner sollten Schulungen passgenauer sein, breiter angeboten
werden, stärker als bislang auch das Praxispersonal einbeziehen und möglichst kostenlos
sein. Nichts zuletzt sprechen sich die teilnehmenden Ärzte für eine aufwandsgerechte
Honorierung aus, etwa durch Schaffung von mehr Abrechnungsziffern.
Aus den Antworten geht hervor, dass Hausärzte innerhalb des DMP-Konzepts weiter gestärkt
werden sollten. Wege, dies zu erreichen, werden in einer ausgeprägteren Hausarztkonformität,
größerer Alltags- und Anwendungsnähe und einem stärkeren Einbezug hausärztlicher Leitlinien
gesehen. Hausärzte sollten die Möglichkeit haben, im Sinne eines Bottom-up-Verfahrens
zu einer erfahrungs- und praxisbasierten Verbesserung und Anpassung der Programme
beizutragen. Entsprechend geben bei einer Folgefrage 80 % der Teilnehmer an, dass
es sehr wichtig oder eher wichtig wäre, wenn Hausärzte stärker als bislang bei der
Entwicklung neuer bzw. Optimierung bestehender DMP einbezogen würden.
Diskussion
Zusammenfassung und Befunde anderer Studien
Die Befragung von 752 hessischen Hausärzten zeigt, dass DMP mehr als anderthalb Dekaden
nach ihrer Implementierung in der hausärztlichen Versorgungsrealität eine breite Durchsetzung
sowie eine insgesamt hohe Akzeptanz erlangt haben. Nicht nur nimmt eine Mehrheit der
Befragten an mehr als 1 DMP teil. Anders als unmittelbar vor bzw. nach Einführung
der Programme, wo Befürchtungen einer Beschneidung der Therapiefreiheit und des Verlustes
der Beachtung der Patientenindividualität dominierten [14]
[30], betonen hausärztlich tätige Mediziner heute vorrangig den Mehrwert und die Potenziale
von DMP, wenn es um die Diagnostik, Verlaufsbegleitung und Therapie von chronisch
kranken und multimorbiden Patienten geht. Damit bestätigt die Befragung Eindrücke
und Bekundungen, wie sie in den letzten Jahren vermehrt dem ärztlichen Fachdiskurs
zu entnehmen waren und auf eine allmähliche Veränderung der hausärztlichen Position
hindeuten [33]
[34]
[35]
[36]. Dies lässt sich in einen Zusammenhang mit einer sich verändernden Wissenserwerbs-
und Fortbildungslandschaft sowie einer vermehrten Wissenschaftsorientierung der Allgemeinmedizin
stellen. Viele Hausärzte fundieren ihre Arbeit heute in stärkerem Maße auf standardisierten,
evidenzorientierten Interventionen, wofür DMP ein gutes Beispiel sind [34]
[35].
Viele Hausärzte haben zu einer Wertschätzung von DMP gefunden, weil diese durch die
Sicherstellung einer regelmäßigen, strukturierten Patientenbetreuung nicht nur positiv
für ein leitlinienorientiertes Krankheitsmanagement wirken, sondern zugleich die Patientenführung
und Compliance erheblich verbessern können [6]
[10]
[14]
[19]. Infolgedessen vertritt eine Mehrzahl der Befragten die Ansicht, dass die hausärztliche
Rolle im Bereich der chronischen Erkrankungen durch die Etablierung von DMP aufgewertet
wurde. Ebenfalls wird mehrheitlich konstatiert, dass die Therapie der eingeschriebenen
Patienten sowie die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten von der DMP-Teilnahme
profitiert haben. Mehr als die Hälfte der Befragten richtet sich mittlerweile prinzipiell
nach den DMP-Empfehlungen zur Therapie und weist damit eine ausgeprägte Leitlinienadhärenz
auf – ebenfalls ein Befund, der sich im Vergleich zu ersten Erhebungen kurz nach Einführung
der Programme gewandelt hat [25]
[26]
[27]
[28]
[29]
[30]. Auch belegen die Ergebnisse, dass DMP inzwischen für viele Hausärzte kaum noch
aus dem Praxisalltag wegzudenken sind [36].
Nichtsdestotrotz lassen die Befragungsresultate auch Schwachstellen erkennen. Immer
wieder beklagt wird ein hoher bürokratischer Aufwand bei der Dokumentation und Patienten(wieder)einschreibung
sowie bei der Kommunikation mit der DMP-Datenstelle. Auch wird Unmut über häufige
Veränderungen an den Programmen bekundet [27]. Eine weitgehende Starrheit des DMP-Konzepts führt aus Sicht der Hausärzte zu einer
übertriebenen Einengung von Handlungsspielräumen, etwa bei der Festlegung von Intervallen
zur Patienteneinbestellung oder bei den Medikations- und Therapievorgaben, und gelegentlich
zu Komplikationen im Praxisablauf [6]. Aus den Ergebnissen geht zudem hervor, dass die Kooperation und Interaktion mit
fachärztlichen Kollegen innerhalb von DMP häufig als unbefriedigend erlebt wird [30]. Infolgedessen sind Hausärzte zwar der Ansicht, dass DMP Vorteile in der Qualität
der Patientenversorgung bringen, jedoch zweifeln sie an Effizienzvorteilen für das
Gesundheitswesen insgesamt [32].
Stärken und Schwächen
Die Befragung weist mehrere Limitationen auf, die entsprechend zu reflektieren sind:
-
begrenzte Fallzahl sowie begrenzte Rücklaufquote
-
regionaler Rekrutierungsschwerpunkt
-
Möglichkeit, dass verstärkt Hausärzte an den Interviews teilgenommen haben, die ein
thematisches Interesse haben
Dennoch lassen der gewählte Methodenansatz und die heterogene Stichprobe Aussagen
zu, die in die Breite der Hausärzteschaft hineinreichen.
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse können als Beleg dafür gewertet werden, dass DMP in der Hausarztmedizin
angekommen sind und von Hausärzten als wichtige Instrumente zur kontinuierlichen und
systematischen Betreuung chronisch kranker und multimorbider Patienten befürwortet
werden. Jenseits dieser positiven Grundeinstellung benennen die Befragten eine Reihe
von Schwachpunkten, die einer effizienten und reibungslosen Vereinbarung von DMP mit
dem Praxisalltag nicht selten entgegenstehen. Vor diesem Hintergrund erscheinen folgende
Ansatzpunkte für eine Optimierung der DMP mit Blick auf die hausärztliche Versorgungsrealität
geboten:
-
Dokumentationspflichten sollten geprüft und auf relevante Erhebungen beschränkt werden.
Zugleich sollten die Interaktion mit der DMP-Datenstelle und die (Wieder-) Einschreibung
von Patienten in Behandlungsprogramme deutlich vereinfacht bzw. beschleunigt werden.
Ferner sollten Updates und Anpassungen so vorgenommen werden, dass Hausärzte im zeitkritischen
Praxisalltag keine großen Umstellungsproblematiken zu bewältigen haben.
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Die Ermöglichung einer größeren hausärztlichen Handlungsfreiheit (Festlegung von Intervallen
zur Widereinbestellung, medikamentöse Therapie) steht nicht per se im Widerspruch
zum DMP-Konzept. Vielmehr würde die Einräumung von mehr (Entscheidungs-) Flexibilität
für Hausärzte helfen, besser auf individuelle Patientenbedürfnisse einzugehen [28].
-
Eine bessere Strukturierung und Effektivierung der Zusammenarbeit mit anderen Versorgungsebenen
erscheint vordringlich. Nur wenn die heute bestehenden Schnittstellenproblematiken
gelöst werden, wird sich das erklärte Ziel einer ineinandergreifenden Versorgungskette
dauerhaft erreichen lassen [33]
[35].
-
Die Implementierung stärkerer Anreiz- und Belohnungsstrukturen kann dazu beitragen,
dass der Verbleib von Patienten in den Programmen unterstützt wird. Voraussetzung
dafür ist eine bessere Beratung durch die Krankenkassen (kontinuierliche Informationen,
spezielle Angebote zur Förderung der Patientenmotivation).
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Ein breiteres und differenzierteres Angebot an Pflichtschulungen würde helfen, präziser
auf die hausärztlichen Herausforderungen im Versorgungsalltag einzugehen. Zudem wäre
es im Sinne einer Entlastung des Hausarztes und einer Effektivierung der hausärztlichen
Versorgung günstig, die Schulungen stärker als bislang für Praxispersonal zu öffnen
und kostenlos anzubieten [30].
-
Um mehr Hausarztkonformität von DMP sicherzustellen, praktische Versorgungsprobleme
zu minimieren und Praxen besser in den Prozess der Qualitätskontrolle einzupassen,
sollten Programme unter verstärkter Einbeziehung hausärztlicher Erfahrungen evaluiert
und verbessert werden [7]
[8]
[9]. Ähnliches gilt für die Entwicklung neuer DMP. Tatsächlich ist eine verstärkte Tendenz
zur Involvierung von Hausärzten zu beobachten, wie der aktuell laufende Überarbeitungsprozess
der DMP KHK und Diabetes mellitus Typ 2 zeigt. Hier sind Allgemeinärzte systematisch
eingebunden und es wurden anwendungsnahe Optimierungen zur Leitlinienorientierung
und Umsetzbarkeit von Therapiemodellen ergriffen [42].
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Nicht zuletzt wäre darüber nachzudenken, eine stärker aufwandsgerechte Honorierung
von teilnehmenden Ärzten einzurichten, z. B. durch Schaffung von mehr Abrechnungsziffern
und einer höheren Anerkennung von Ärzten, die an mehreren DMP teilnehmen [33]
[35].
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Rund anderthalb Jahrzehnte nach ihrer Einführung sind Disease-Management-Programme
(DMP) fester und breit akzeptierter Bestandteil der hausärztlichen Versorgung chronisch
kranker und multimorbider Patienten. Die Kombination aus kontinuierlicher Patientenbetreuung
und diagnostischer sowie therapeutischer Evidenzorientierung wird von einer Mehrheit
der Hausärzte als großer Vorzug erachtet.
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Trotz positiver Erfahrungen mit DMP in der Patientenversorgung benennen die befragten
Hausärzte verschiedene Herausforderungen und Hürden im Praxisalltag. Diese betreffen
u. a. Aspekte der Organisation und Dokumentation, die Starrheit der DMP-Vorgaben,
die Ausgestaltung von Anreizstrukturen für Patienten und eine nicht immer gegebene
Hausarztkonformität der Programme.
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Vordringlich für eine substanzielle Verbesserung von DMP aus hausärztlicher Sicht
erscheinen eine Vereinfachung des Dokumentations- und Verwaltungsaufwands, eine besser
geregelte und reibungslosere Zusammenarbeit mit anderen Versorgungsebenen, eine Einräumung
von mehr Entscheidungsflexibilität, ein größeres und differenzierteres Angebot an
Pflichtschulungen, der verstärkte Einbezug von hausärztlichen Erfahrungen im Prozess
der DMP-Weiterentwicklung sowie eine bessere Honorierung.