Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-1010-0494
Erinnerungen an Anton Friedrich Hohl (1789 – 1862) aus Anlass seines 230. Geburtstages
Vom Lobensteiner Advokaten und Maître de plaisir am Reußʼschen Hof zum Ordinarius für Geburtshilfe an der vereinigten Friedrichs-Universität Halle-WittenbergPublication History
Publication Date:
11 November 2019 (online)


Im 19. Jahrhundert verliefen Medizinerkarrieren oft ungewöhnlich. Hintergrund war nicht selten der dominierende Wunsch des Vaters, der Sohn möge doch einen prestigereichen Beruf, wie den des Juristen oder Theologen, ergreifen. Demgegenüber galt damals der Beruf des Arztes eher als der des geachteten Dienstleisters. Einen in dieser Hinsicht sehr außergewöhnlichen Lebenslauf wies auch einer der seinerzeit bedeutendsten, heute aber nahezu vergessenen Geburtshelfer Deutschlands Anton Friedrich Hohl ([Abb. 1]) auf, der am 17. November 1789 in Lobenstein in der Familie des dortigen Bürgermeisters Friedrich David Hohl († 1815) geboren wurde [2], [3]. Anton Hohl ging zunächst 1805 – 1811 auf die bekannte Schulpforta, worüber er berichtete: „Den ersten Schritt ins menschliche Elend tut der Mensch, wenn er in die Schule geführt wird …“ [3], und studierte dann auf Wunsch der Eltern in Leipzig Jura, obwohl es ihn eigentlich immer zur Medizin zog [4]. 1813 ließ sich Hohl als Advokat im heimatlichen Lobenstein nieder. Dort wählte ihn das Bürgerschützenbatallion zum Offizier, was ihm Zugang zum Hof der Fürsten Reuß verschaffte, sodass Hohl ab 1818 offiziell in den Dienst von Heinrich LIV. Fürst Reuß zu Lobenstein (1767 – 1824) und seiner Frau Franziska Reuß zu Köstritz (1788 – 1843) trat. „… Von nun an war Hohl das Factotum des kleinen Hofes, er durfte bei der Tafel nicht fehlen, arrangierte Bälle und Festlichkeiten, beschäftigte sich aber daneben vielfach mit Naturwissenschaften (…)“ [2]. Als Fürst Heinrich LIV. 1824 starb, erhielt Hohl von Fürstin Franziska ein Stipendium, um sich seinen alten Wunsch zu erfüllen, Medizin zu studieren. Am 1. September 1824 immatrikulierte sich Hohl mit 32 Jahren, nun ein „ernster Mann, dessen Zeit ausschließlich dem Studium gehörte“, an der Medizinischen Fakultät der Vereinigten Friedrichs-Universität Halle [5]. Zu seinen akademischen Lehrern zählten u. a. Kurt Sprengel (Botanik, 1766 – 1833), Karl Heinrich Dzondi (Chirurgie, 1770 – 1835), Peter Krukenberg (Innere Medizin, 1787 – 1865), Ludwig Herrmann Friedländer (Toxikologie, Anthropologie, 1790 – 1851), Johann Friedrich Christian Düffer (Pharmazie, 1775 – 1831) und Johann Salomo Christoph Schweigger (Chemie/Pharmakologie, 1779 – 1857). Zu Wilhelm Hermann Niemeyer (1788 – 1840), der von 1827 – 1840 die Geburtshilfe in Halle leitete, kam Hohl in engeren, später sogar freundschaftlichen Kontakt [6]. Die überlieferten, akribisch geführten Schwangerschafts- und Geburtsprotokolle Hohls aus dem Hallenser Entbindungs-Institut dokumentieren anschaulich seine Ausbildung in der „Kunst der Geburtshilfe“ [7], [8], [9]. Hohl galt den Zeitgenossen zeitlebens als „geschamig“ und vermied deshalb jegliche unschickliche Entblößung der Patientinnen bei der Untersuchung [10]. Auch empfahl er, wegen der möglichen Ansteckungsgefahr, das gründliche Händewaschen – allerdings erst nach der vaginalen Untersuchung … [10].