Abkürzungen
ACA:
Acrodermatitis chronica atrophicans
ASI:
Antikörper-spezifischer Index
ASI:
Antikörperspezifitätsindex
Bb:
Borrelia burgdorferi s. l.
CXCL13:
C-X-C motif chemokine 13
DEET:
Diethyltoluamid
EIA:
Enzymimmunoassay
ELISPOT:
Enzyme-linked Immunospot Assay
FSME:
Frühsommermeningoenzephalitis
HWK:
Halswirbelkörper
Ig:
Immunglobulin
LTT:
Lymphozytentransformationstes
LWS:
Lendenwirbelsäule
PCR:
Polymerase Chain Reaction
Einleitung
Die Lyme-Borreliose ist die häufigste Zoonose Deutschlands. Neurologische Manifestation
kommen bei 3 – 15 % aller Patienten mit Borreliose vor und sind nach dermatologischen
Manifestationen die häufigste Form der Borreliose [1]
[2]. Im klinischen Alltag bestehen bezüglich der Diagnose, der Therapie und des Verlaufs
der Neuroborreliose oft beträchtliche Unsicherheiten. Grund dafür sind u. a. eine
Vielfalt von oftmals nicht wissenschaftlich begründeten Informationen und Berichten
über chronische Verläufe einer Borreliose trotz durchgeführter antibiotischer Therapie
sowie die fälschliche Annahme, dass sich eine Lyme-Borreliose vor allem durch vielfältige
unspezifische Symptome äußert. Der vorliegende Übersichtsartikel stellt den aktuellen
Wissensstand zur Klinik, Diagnostik und Therapie der Neuroborreliose zusammen [3].
Fall 1
Anamnese
52 Jahre alter Patient, seit wenigen Tagen subakut stärkste nächtlich betonte Lumboischialgien
mit Ausstrahlung in den linken Fuß, passend zum Dermatom L5. Kein sensibles oder motorisches
Defizit.
Zunächst Aufnahme in der Orthopädie bei immobilisierenden Rückenschmerzen, die sich
auch auf Diclofenac, Flupirtin und Tramadol nur unzureichend besserten.
Diagnostisches Vorgehen
Ein MRT der LWS zeigte einen unauffälligen Befund ohne Anhalt für eine mechanische
Affektion spinaler Wurzeln. Es erfolgte eine konsiliarische neurologische Vorstellung
mit Liquoruntersuchung. Hier zeigten sich ein entzündliches Liquorsyndrom mit 96/μl
Zellen (lymphozytär betontes Zellbild mit Nachweis von aktivierten B-Lymphozyten),
Gesamteiweiß 1700 mg/l, Albuminquotient 23,1. Weiters zeigten sich eine positive Borrelienserologie
im Serum, im Liquor findet sich ein positiver Antikörperspezifitätsindex für Borrelien
(27,0). In der Nachanamnese berichtete der Patient von einem Zeckenstich im Bereich
des Nackens vor wenigen Wochen.
Therapie
Eine antibiotische Therapie mit 2 g Ceftriaxon i. v. wird begonnen, worunter sich
die Symptomatik deutlich besserte. Die analgetische Therapie konnte im Verlauf ganz
abgesetzt werden. Nach einer Woche erfolgte eine Verlaufspunktion, hier wurde ein
Rückgang der Zellzahl auf 37/μl gefunden. Die Antibiotika wurden für insgesamt 21
Tage gegeben, der Patient war im Verlauf symptomfrei.
Diagnose
Frühmanifestation einer Neuroborreliose mit Bannwarth-Syndrom.
Übertragung und Erreger
Die Lyme-Borreliose wird durch Zeckenstiche übertragen, in Europa durch Schildzecken
der Art des Gemeinen Holzbocks (Ixodes ricinus). Die Saugdauer der Zecke muss in der
Regel mehrere Stunden andauern (im Tierversuch > 12 Stunden), um den Erreger zu übertragen.
In Deutschland ist nach einem Zeckenstich bei ca. 5 % der Betroffenen mit einer Serokonversion
und bei ca. 1 % mit einer manifesten Erkrankung zu rechnen.
In über 50 % der Fälle mit klinisch apparenter Borreliose bleibt ein Zeckenstich selbst
unbemerkt.
Die Erreger der Borreliose sind Spirochätenbakterien des Borrelia-burgdorferi-sensu
lato-Komplexes. Es existieren verschiedene Genospezies mit unterschiedlicher geografischer
Verteilung. In Nordamerika kommt ausschließlich B. burgdorferi sensu stricto vor,
während in Europa zusätzlich B. afzelii, B. bavariensis, B. garinii und B. spielmanii
humanpathogenes Potenzial haben. B. burgdoferi sensu stricto, B. afzelii, B. bavariensis
und B. garinii verursachen alle mit ähnlicher Häufigkeit neurologische Manifestationen
einer Borreliose. B. afzelii findet sich dagegen deutlich gehäuft bei Hautmanifestationen
im Vergleich zu den anderen Spezies. Die Spezies B. spielmanii wurde bislang nur aus
Hautisolaten nachgewiesen [4].
Epidemiologie
Nach Erhebungen des Robert Koch-Institutes liegt die Inzidenz der Lyme-Borreliose
(über alle Manifestationen hinweg) in Deutschland bei ca. 49/100000. Die Inzidenz
der Neuroborreliose ist mit ca. 1/100 000 deutlich niedriger [5]. Dies deckt sich mit Daten aus anderen europäischen Ländern (Norwegen und Niederlande
[6]
[7]).
Es besteht eine hohe Seroprävalenz für borrelienspezifische Antikörper bei gesunden
Personen (ca. 5 – 20 %). Diese steigt mit höherem Lebensalter an [8]. Je nach individueller Zeckenexposition (beruflich oder durch Freizeitaktivitäten
bedingt) kann diese jedoch deutlich höher ausfallen (bis zu 34 %).
Prophylaxe
Wird ein Zeckenstich bemerkt, so sollte die Zecke rasch entfernt werden. Die Übertragungswahrscheinlichkeit
der Borrelien nimmt mit längerer Saugdauer zu.
Eine prophylaktische Behandlung mit Antibiotika nach Zeckenstichen wird in Deutschland
nicht empfohlen. Das Risiko einer klinisch manifesten Infektion durch Borrelien ist
nach einem Zeckenstich sehr gering und steht nach Expertenmeinung in keinem sinnvollen
Verhältnis zu Nebenwirkungen bzw. Resistenzentwicklung durch übermäßigen Antibiotikagebrauch
[9]. Die entfernte Zecke braucht mangels therapeutischer Konsequenzen nicht auf Borrelien
untersucht zu werden.
Tipp
Repellenzien wie Diethyltoluamid (DEET) scheinen eine abweisende Wirkung gegen Zecken
zu haben, haben aber nur eine kurze Wirkdauer. Bei stark exponierten Personen kann
Permethrin-imprägnierte Kleidung einen Teilschutz vor Zeckenbefall darstellen [10].
Klinik
Neurologische Manifestationen
Klinisch werden je nach Dauer der Symptome Früh- und Spätmanifestationen unterschieden.
Zu den neurologischen Frühmanifestationen zählen die Polyradikuloneuritis (Bannwarth-Syndrom)
sowie die aseptische Meningitis (mit und ohne Hirnnervenlähmung). Spätmanifestationen
äußern sich typischerweise als Enzephalomyelitis.
Frühmanifestationen treten innerhalb ca. 4 – 6 Wochen nach einer Infektion auf (ca.
98 % der Neuroborreliosefälle). Spätmanifestationen sind insgesamt sehr selten und
treten mehrere Wochen bis Monate nach der Infektion auf.
Frühmanifestationen
Bannwarth-Syndrom (Polyradikuloneuritis)
Das Bannwarth-Syndrom beschreibt eine schmerzhafte Polyradikuloneuritis spinaler Nerven
häufig in Kombination mit Hirnnervenparesen.
Das Bannwarth-Syndrom stellt die häufigste Manifestation der Neuroborreliose insbesondere
im Erwachsenenalter dar [11].
Hirnnervenbeteiligungen sind bei 60 % der Patienten zu finden. Klassischerweise ist
hierbei der N. facialis betroffen (ca. 80 %), häufig auch mit einer bilateralen Hirnnervenparese.
Beteiligungen anderer Hirnnerven sind möglich, jedoch deutlich seltener [11]. Hirnnervenparesen können auch als zunächst einziges Symptom einer Neuroborreliose
vorliegen.
Tipp
Bei Vorliegen einer isolierten peripheren Fazialisparese sollte daher grundsätzlich
eine Neuroborreliose abgegrenzt werden.
Der radikuläre Befall äußert sich zunächst typischerweise mit intensiven, brennenden,
nächtlich betonten Schmerzen, welche nur unzureichend auf periphere Analgetika ansprechen.
Im Verlauf treten als Zeichen der weiteren radikulären Schädigung Paresen und Parästhesien
im gleichen Dermatom auf. Die Symptome können beidseits auftreten, sind aber häufiger
asymmetrisch zu finden. Bei Befall cervikaler Spinalnerven sind einseitige Zwerchfellähmungen
sowie bei Befall thorakaler Spinalnerven Bauchwandparesen berichtet worden [12]
[13].
Meningitis
Eine subakute Meningitis mit und ohne Hirnnervenbeteiligung ist die bei Kindern häufigste
Manifestation der Neuroborreliose, kann aber auch im Erwachsenenalter auftreten [2]
[11]
[14]. Typischerweise treten Symptome wie Fazialisparese, Kopfschmerzen, diskrete Nackensteifheit,
Irritabilität und akuter Abfall der Leistungsfähigkeit auf.
Fall 2
Anamnese
44 Jahre alte Patientin mit subakuten Kopf- und Nackenschmerzen starker Intensität
mit Fieber bis 39,0 °C. Kurz zuvor bemerkte sie ein Erythema migrans in der rechten
Kniekehle, jedoch keinen Zeckenstich.
Diagnostisches Vorgehen
Im Liquor 13 Zellen/μl (lymphozytär mit aktivierten B-Lymphozyten), Gesamteiweiß 557 mg/l,
Albuminquotient 7,5. Die Borrelienserologie war im Serum positiv für IgM, im Liquor
jedoch negativ. Eine FSME-Serologie war negativ.
Therapie
Es wurde eine Behandlung mit Ceftriaxon i. v. begonnen. Hierunter kam es in den ersten
Tagen zunächst zu einer Verschlechterung mit beidseitiger Fazialisparese, sodass die
Therapiedauer auf 21 Tage erweitert wurde. Eine Verlaufsliquorpunktion ergab eine
Zellzahl von 12 Zellen/μl sowie nun auch im Liquor nachweisbare borrelienspezifische
Antikörper mit positivem ASI für IgG (1,5). Eine Fazialisneurografie brachte den Nachweis
einer ausgeprägten axonalen Schädigung beidseits.
In der klinischen Verlaufsuntersuchung 2 Jahre später zeigten sich die Fazialisparesen
erfreulicherweise vollständig zurückgebildet, auch ohne Synkinesien.
Diagnose
Frühmanifestation einer Neuroborreliose mit leichtem meningitischem Syndrom und bilateraler
Fazialisparese.
Spätmanifestationen
Spätmanifestationen treten subakut Wochen bis mehrere Monate nach einer Infektion
auf (ca. 2 % der Neuroborreliosefälle).
Enzephalomyelitis
Klinisch stehen subakute spinale Symptome mit spastisch-ataktischer Gangstörung, Miktionsstörungen
sowie Hypästhesien mit sensiblem Niveau im Vordergrund [15]. Selten treten kortikale Symptome (wie z. B. Wesensänderung, Aphasie, epileptische
Anfälle) als Zeichen einer enzephalitischen Beteiligung hinzu.
Fall 3
Anamnese
63-jährige Patientin mit über ca. 5 Monate langsam progredienter, linksbetonter spastisch-ataktischer
Gangstörung, diskreter Dranginkontinenz.
Diagnostisches Vorgehen
Klinisch fielen eine Schwäche der Kniestrecker und Fußheber links, deutlich gesteigerte
Reflexe beider Beine im Vergleich zu den Armen sowie ein positiver Babinski-Reflex
links auf. Ein MRT der Wirbelsäule zeigte ein flaues Myelopathiesignal auf Höhe HWK
4 – 7. Eine Liquoruntersuchung ergab eine lymphozytäre Pleozytose (102 Zellen/μl)
sowie den Nachweis borrelienspezifischer Antikörper im Liquor mit positivem ASI für
IgM und IgG (3,5 bzw. 6,2).
Auf Nachfrage wurde seitens der Patientin ein Zeckenstich am linken Oberarm ca. 4
Monate vor Beginn der Symptomatik erwähnt, ein Erythema migrans wurde nicht erinnert.
Therapie und Verlauf
Eine Behandlung mit Ceftriaxon über 21 Tage führt zu einer Stabilisierung der Symptomatik.
Eine Liquorpunktion nach Abschluss der antibiotischen Therapie zeigt eine deutliche
Reduktion der Liquorzellzahl (11 Zellen/μl). Es verblieb jedoch auch im weiteren Verlauf
eine spastisch-ataktische Gangstörung, Gehen ist nur mithilfe eines Rollators möglich.
Diagnose
Spätmanifestation einer Neuroborreliose mit Myelitis.
Borrelieninduzierte zerebrale Vaskulitis
Im Rahmen einer Neuroborreliose kann es sehr selten zu einer erregerassoziierten Vaskulitis
der intrakraniellen Gefäße kommen. Die Inkubationsdauer ist dabei letztlich unklar.
Symptome treten akut im Rahmen von zerebralen Ischämien auf. In bildgebenden Verfahren
und in der Duplexsonografie der hirnversorgenden Gefäße sind vaskulitische Veränderungen
an intrazerebralen Gefäßen nachweisbar, das vertebrobasiläre Stromgebiet scheint insgesamt
häufiger betroffen zu sein. Die Prognose wird wesentlich durch die Lokalisation und
Ausdehnung der ischämischen Areale bestimmt [16].
Neuritis peripherer Nerven/Polyneuropathie
Eine Inflammation peripherer Nerven im Sinne einer symmetrischen, beinbetonten Polyneuropathie
ist im Rahmen der dermatologischen Spätmanifestation einer Acrodermatitis chronica
atrophicans (ACA) beschrieben. Ohne Hautbeteiligung ist eine solche Polyneuropathie
als Manifestation einer Lyme-Borreliose in Europa extrem selten. Aufgrund der hohen
Seroprävalenz borrelienspezifischer Antikörper in der gesunden Bevölkerung ist der
Nachweis dieser Antikörper bei Patienten mit beinbetonter peripher symmetrischer Polyneuropathie
eher als Koinzidenz und nicht als kausaler Zusammenhang zu werten [17]. Daher ist der Nachweis von borrelienspezifischen Antikörpern im Serum bei Patienten
mit einer beinbetonten, symmetrischen Polyneuropathie nicht beweisend für eine Borrelieninfektion
als Ursache der Polyneuropathie.
Diagnostik und Falldefinition
Diagnostik und Falldefinition
Der direkte Erregernachweis (Kultur bzw. PCR) bei einer Borreliose ist aufgrund der
niedrigen Sensitivität dieser Verfahren sehr schwierig [19]. Die Diagnose einer Neuroborreliose sollte daher nicht, wie in der Mikrobiologie
sonst üblich, anhand des Erregernachweises, sondern anhand international konsentierter
Falldefinitionen auf der Basis der vorliegenden klinischen und labordiagnostischen
Befunde gestellt werden (s. [Tab. 1]).
Tab. 1
Falldefinition der Neuroborreliose (nach [9]).
|
Mögliche Neuroborreliose (Verdachtsfall, bedarf weiterer Abklärung)
|
Wahrscheinliche Neuroborreliose
|
Gesicherte Neuroborreliose
|
|
typische neurologische Symptome (s. o.)
+
Antikörper gegen Bb im Serum
+
Liquorbefund nicht vorliegend/nicht durchgeführt
+
Abgrenzung anderer Ursachen
|
|
|
|
wie mögliche Neuroborreliose
+
entzündliches Liquorsyndrom (Pleozytose, Blut-Liquor-Schranken-Störung, intrathekale
Immunglobulinsynthese)
|
|
|
|
wie wahrscheinliche Neuroborreliose
+
borrelienspezifische Antikörperproduktion im Liquor (positiver ASI für IgG und/oder
IgM)
oder
positiver Nachweis in Kultur oder PCR aus dem Liquor
|
Abkürzungen: ASI = Antikörperspezifitätsindex, Bb = Borrelia burgdorferi s. l., Ig = Immunglobuline
Im Falle einer möglichen Neuroborreliose sollte der Verdacht grundsätzlich über eine
Liquoruntersuchung überprüft werden.
Serologie
Die Borrelienserologie erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Zunächst wird als
Suchtest ein Enzymimmunoassay (EIA) durchgeführt, positive und grenzwertige Befunde
werden anschließend in einem Bestätigungstest (Immunoblot) überprüft [19]. Eine serologische Untersuchung sollte nur bei einem konkreten klinischen Verdacht
durchgeführt werden (typische klinische Manifestationen), da ansonsten der prädiktive
diagnostische Wert sehr gering ist [19]. Bei der Interpretation positiver serologischer Befunde muss die hohe Seroprävalenz
in der Allgemeinbevölkerung beachtet werden.
Eine positive Borrelienserologie ohne borreliosetypische Symptomatik ist als alleiniger
Befund nicht geeignet zur Diagnosestellung einer Borreliose und sagt nichts über eine
Behandlungsbedürftigkeit aus.
Nach erfolgter antibiotischer Therapie können IgG-Antikörpertiter (in bis zu 10 %
der Fälle aber auch IgM) langfristig persistieren. Der Titer kann im Verlauf abfallen
oder auch ansteigen und ist somit nicht zur Kontrolle des Therapieansprechens geeignet.
Ein IgM-Titer kann persistieren, fehlen oder nur sehr kurz auftreten und ist deshalb
im Unterschied zu seiner Rolle beispielsweise bei der Diagnostik einer akuten FSME
bei der Neuroborreliose nicht hilfreich zur Beurteilung der Behandlungsbedürftigkeit
der Erkrankung. Eine Therapiekontrolle mittels einer Verlaufsserologie ist daher in
der Regel nicht sinnvoll.
Eine Wiederholung der Serologie kann dann sinnvoll sein, wenn der starke Verdacht
auf eine Neuroborreliose besteht (typische Klinik, Liquorpleozytose) und eine Borrelienserologie
initial negativ war und die Symptomatik insgesamt erst sehr kurz besteht. Hier kann
eine Serokonversion bei der Diagnosestellung helfen. Bei immunkompetenten Patienten
mit Symptomen über einen Zeitraum von mehr als 2 Monaten schließt ein negativer Serum-Borrelien-Antikörpertest
eine Neuroborreliose aus [19].
Eine durchgemachte Borreliose hinterlässt trotz persistierender Antikörpertiter in
der Regel keine bleibende Immunität [20].
Liquoruntersuchung
Im Liquor zeigt sich typischerweise eine lymphozytäre Pleozytose mit 6 – 800 Zellen/μl.
In der Liquorzytologie finden sich aktivierte Lymphozyten und Plasmazellen, welche
manchmal mit malignen Zellen verwechselt werden können [21]. Das Gesamteiweiß ist in der Regel erhöht (Median 1300 mg/l, Spannweite 500 – 3300 mg/l,
bei Spätmanifestationen auch höhere Werte bis über 7000 mg/l möglich), ebenso ist
der Albuminquotient erhöht als Zeichen einer Blut-Liquor-Schranken-Störung (Mittelwert
29 × 10 – 3, Spannweite 8 × 10 – 3 - 58,4 × 10 – 3) [21]
[22].
Intrathekale Immunglobulinsynthesen sind typisch bei der Neuroborreliose und bei fast
allen Patienten nachzuweisen. Bei Frühmanifestationen überwiegt eine intrathekale
IgM-Synthese (begleitend auch geringe IgG-Synthese), bei Spätmanifestationen stehen
eine ausgeprägte intrathekale IgG- und IgA-Synthese im Vordergrund [21]
[22]. Die Liquorpleozytose gilt, anders als ein positiver borrelienspezifischer Antikörpernachweis,
als Anhalt für eine behandlungsbedürftige Infektion und bildet sich unter antibiotischer
Therapie im Verlauf mehrerer Wochen zurück.
Für die Falldefinition der gesicherten Neuroborreliose ist der Nachweis einer borrelienspezifischen
intrathekalen Antikörpersynthese gefordert [9]
[19]
[21]
[23]. Hierfür wird der Antikörper-spezifische Index (ASI) als Vergleich der borrelienspezifischen
Antikörperkonzentrationen in Liquor und Serum unter Berücksichtigung der jeweiligen
Immunglobulinkonzentrationen in beiden Kompartimenten verwendet. Ein ASI von mindestens
1,5 (in manchen Laboren 2,0) zeigt eine spezifische intrathekale Synthese an [21]
[23].
Eine intrathekale borrelienspezifische Antikörpersynthese kann nach antibiotischer
Therapie viele Jahre persistieren und ist ohne gleichzeitig vorhandene Pleozytose
im Liquor kein Marker für eine bestehende Infektion bzw. für Behandlungsbedürftigkeit.
Der borrelienspezifische ASI kann auch unter Therapie im Verlauf ansteigen (häufig
als Artefakt bei im Verlauf gebesserter Schrankenfunktion) und ist daher nicht als
Verlaufsparameter eines Therapieerfolges geeignet.
Polymerasekettenreaktion (PCR) und Kultur
Eine positive PCR auf Borrelien-DNA oder eine positive Kultur aus dem Liquor kann
die Diagnose einer Neuroborreliose stützen; bei allerdings geringer Sensitivität von
10 – 30 % sind beide Verfahren in der klinischen Routinediagnostik wenig hilfreich
[19]. In speziellen klinischen Situationen, z. B. bei Vorliegen einer Immundefizienz,
kann die PCR sinnvoll sein.
Die Sensitivität der PCR und der Kultur ist in hohem Maße von der Erfahrung und Qualität
des Labors abhängig und sollte in begründeten Fällen daher vorrangig an Spezial- und
Referenzlabors durchgeführt werden [9].
CXCL13
Der Nachweis des Chemokins CXCL13 im Liquor ist eine vielversprechende Methode in
der Diagnostik der Neuroborreliose. CXCL13 vermittelt die Chemotaxis von Lymphozyten
in das Liquorkompartiment. Im Liquor von Patienten mit Neuroborreliose ist CXCL13
deutlich erhöht, insbesondere schon in sehr frühen Phasen der Erkrankung. CXCL13 zeigt
eine Sensitivität von 96 % sowie eine Spezifität von 94 % [24]. Der hohe negativ-prädiktive Wert von nahezu 100 % macht den Nachweis von CXCL 13
im Liquor im Rahmen einer Ausschlussdiagnostik bei klinisch unklaren Fällen wertvoll
[25]. Unter antibiotischer Therapie fällt der CXCL13-Spiegel im Liquor ab. Zu beachten
ist jedoch, dass CXCL13 auch bei anderen subakut verlaufenden Erkrankungen wie z. B.
Neurosyphilis oder zerebralem Lymphom erhöht sein kann [26].
Nicht empfohlene diagnostische Verfahren
Neben der Serologie und dem direkten Erregernachweis gibt es mehrere nicht allgemein
akzeptierte Verfahren, die von wissenschaftlich orientierten Ärzten und Labormedizinern
nicht empfohlen werden [9]
[19]
[27]
[28] (s. Infobox Hintergrundinformation).
Im Rahmen einer Neuroborreliose nicht empfohlene diagnostische Verfahren
-
Antigennachweis aus Körperflüssigkeiten
-
PCR aus Serum und Urin
-
Lymphozytentransformationstests (LTT)
-
Enzyme-linked Immunospot Assay (ELISPOT)
-
Xenodiagnose
-
Visual Contrast Sensitivity Test (Graustufentest, das Erkennen von Grautönen durch
den Patienten soll indirekte Hinweise auf ein nicht näher spezifiziertes Neurotoxin
von Borrelien geben)
-
Nachweis sog. L-Formen oder Sphäroblasten
-
Nachweis von Immunkomplexen
-
CD57-positive/CD3-negative Lymphozytensubpopulation
-
serologische Schnelltests
Diese Einschätzung in den bisherigen Leitlinien wird durch eine aktuelle systematische
Übersichtsarbeit bestätigt [28]. Hierbei wurden insgesamt 40 Studien zu unterschiedlichen unkonventionellen diagnostischen
Verfahren zusammengetragen und bewertet. Für den im Rahmen der Borreliose häufig zur
Diagnostik angewendeten Lymphozytentransformationstest (LTT) als Nachweis einer zellulären
Immunantwort wurden insgesamt 10 Studien eingeschlossen. Letztlich zeigten sich bei
allen verfügbaren Studien deutliche methodische Mängel mit hohem Biasrisiko. So wurde
z. B. die Diagnose der Borreliosepatienten in insgesamt 6 der vorhandenen Studie nicht
anhand der international konsentierten Falldefinition getroffen, die Tests waren in
2 Studien nicht standardisiert durchgeführt worden, und in 4 Studien wurden unterschiedliche
Grenzwerte in der Beurteilung der Testergebnisse verwendet. Klare Aussagen zu Sensitivität
und Spezifität aufgrund klinischer Studien können für den LTT also nicht getroffen
werden, dieser Test sollte daher nicht in der Diagnostik der Lyme-Borreliose zum Einsatz
kommen.
Auch für weitere kontrovers diskutierte Verfahren wie die Lymphozytentypisierung für
CD57 (natürliche Killerzellen), ELISPOT, Xenodiagnose, Antigennachweis aus Körperflüssigkeiten,
Dunkelfeldmikroskopie sowie kommerzielle serologische Schnelltests zeigten in der
systematischen Übersicht keine valide Daten sowie deutliche methodische Mängel in
den verfügbaren Studien, sodass diese Verfahren in der Diagnostik der Lyme-Borreliose
nicht verwendet werden sollten.
Therapie
Therapieindikation
Bei Patienten, bei denen die Kriterien einer wahrscheinlichen und gesicherten Neuroborreliose
zutreffen, besteht die Indikation zur antibiotischen Behandlung.
Bei Vorliegen einer möglichen Neuroborreliose (Liquorbefund nicht vorliegend oder
unauffällig) sollte zunächst neben einer obligatorischen Liquordiagnostik eine weitere
Differenzialdiagnostik durchgeführt werden. Bei ausbleibendem Nachweis einer anderen
Erkrankung und fortbestehendem Verdacht kann im Einzelfall unter Nutzen-Risiko-Abwägung
eine Antibiotikabehandlung eingeleitet werden.
Behandlungsdauer
Für die antibiotische Behandlung von Frühmanifestationen (Polyradikuloneuritis, Meningitis)
wird eine Therapiedauer von 14 Tagen empfohlen. Bei Spätmanifestationen (Enzephalomyelitis)
wird wegen der oftmals verzögerten Beschwerderückbildung eine längere Therapiedauer
von 14 – 21 Tage angeraten.
Die Behandlungsdauer in den verfügbaren klinischen Studien lag zwischen 10 und 14
Tagen, wobei hier hauptsächlich Patienten mit Frühmanifestationen eingeschlossen wurden.
Zu unterschiedlichen Therapiedauern bei disseminierter Borreliose zeigte eine finnische
randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudie mit insgesamt 145 Patienten (davon
79 % mit Neuroborreliose) keinen Vorteil einer antibiotischen Therapie über 21 Tage
hinaus [29]. Eine weitere randomisierte kontrollierte Studie zum Vergleich einer Behandlung
mit Doxycyclin für 2 Wochen im Vergleich zu 6 Wochen wird derzeit in Norwegen durchgeführt;
Ergebnisse werden für Herbst 2020 erwartet [30].
Bezüglich der Therapie der seltenen borrelieninduzierten zerebralen Vaskulitis liegen
ausschließlich Daten aus unkontrollierten Fallserien vor. Analog zur Behandlung anderer
erregerassoziierter zerebraler Vaskulitiden wird hier neben einer antibiotischen Therapie
oft eine Behandlung mit Kortikosteroiden und Thrombozytenaggregationshemmern durchgeführt.
Präparate
Betalaktamantibiotika (Penicillin G, Ceftriaxon und Cefotaxim) und Doxycyclin sind
in randomisierten kontrollierten Studien zur Behandlung der Neuroborreliose als wirksam
befunden worden.
Nach einem systematischen Review der Autoren besteht dabei zwischen der Therapie mit
Betalaktamantibiotika intravenös (Ceftriaxon, Cefotaxim und Penicillin G) und Doxycyclin
oral kein statistisch signifikanter Unterschied bezüglich neurologischer Restsymptome
[35]. Die nach der S3-Leitlinie Neuroborreliose empfohlenen Therapieschemata sind in
[Tab. 2] dargestellt.
Tab. 2
Antibiotikatherapie der Neuroborreliose (nach [9]).
|
Präparat
|
Dosierung Erwachsene
|
Dosierung Kinder (Dosis/k g/Tag)
|
Dauer (Tage)
|
|
Frühmanifestationen
|
|
Doxycyclin
|
2 – 3 × 100 m g/Tag oral
|
ab 9. Lebensjahr 4 mg (maximal 200 mg)*
|
14
|
|
Cefriaxon
|
1 × 2 g/Tag i. v.
|
50 mg
|
14
|
|
Cefotaxim
|
3 × 2 g/Tag i. v.
|
100 mg
|
14
|
|
Penicillin G
|
4 × 5 Mio. IE/Tag i. v.
|
200 – 500000 IE
|
14
|
|
Spätmanifestationen
|
|
Ceftriaxon
|
1 × 2 g/Tag i. v.
|
50 mg
|
14 – 21
|
|
Cefotaxim
|
3 × 2 g/Tag i. v.
|
100 mg
|
14 – 21
|
|
Penicillin G
|
4 × 5 Mio. IE/Tag i. v.
|
200 – 500000 IE
|
14 – 21
|
|
Doxycyclin
|
2 – 3 × 100 m g/Tag oral
|
ab 9. Lebensjahr 4 mg (maximal 200 mg)[*]
|
14 – 21
|
Die genannten Präparate können prinzipiell alternativ eingesetzt werden; die optimale
Therapiedauer ist ungeklärt.
Doxycyclin darf in der Schwangerschaft und bei Kindern unter 9 Jahren nicht gegeben
werden.
* Nach Abschluss der Zahnschmelzbildung.
Eine zwischenzeitlich neu erschienene offene randomisierte kontrollierte Studie aus
Finnland [32] zeigt ebenfalls keinen statistisch signifikanten Unterschied bezüglich der Symptomatik
der Patienten nach Behandlung mit Betalaktamantibiotika intravenös (Ceftriaxon) oder
Doxycyclin oral. In dieser bislang größten randomisierten kontrollierten Studie zur
Therapie der Neuroborreliose wurden insgesamt 210 Patienten mit möglicher und gesicherter
Neuroborreliose eingeschlossen und offen zu einer Therapie mit entweder Doxycyclin
2 × 100 mg oral über 4 Wochen oder Ceftriaxon 2 g über 3 Wochen intravenös randomisiert.
Als primärer Endpunkt wurde der subjektive Gesundheitszustand der eingeschlossenen
Patienten anhand einer visuellen Analogskala von 0 – 10 bewertet. Nach 4 und 12 Monaten
zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen,
die Behandlung mit Doxycyclin war der Behandlung mit Ceftriaxon gleichwertig. Insgesamt
zeigte nach Therapie die überwiegende Mehrheit der Patienten keine auf die Neuroborreliose
zurückzuführenden Beschwerden mehr.
Bei einer Behandlung mit Doxycyclin ist auf eine gleichzeitige Einnahme von Milch
oder Milchprodukten bzw. auch auf aluminiumhaltige Antazida oder Magnesium zu verzichten,
da die Aufnahme des Wirkstoffes dadurch vermindert wird. Dies kann dann zu scheinbarem
Therapieversagen führen.
Präparate
-
Ceftriaxon
-
Cefotaxim
-
Penicillin G
-
Doxycyclin
Aufgrund der Datenlage ist keiner der genannten Substanzen eine klare Präferenz zu
geben. Die die Wahl des Antibiotikums sollte unter Abwägung individueller Patientenaspekte
erfolgen (z. B. Allergien, Alter, Schwangerschaft, Applikationsweise und -frequenz).
Zu anderen Antibiotika oder weiteren Substanzen, wie z. B. Makroliden, Carbapenemen,
Chinolonen oder Hydroxychloroquin, liegen keine klinischen Studien zur Behandlung
der Neuroborreliose vor. Wegen unklarer Wirksamkeit sowie ungünstigem Nebenwirkungsprofil
sollten diese Substanzen (insbesondere Makrolide und Hydroxychloroquin) daher nicht
in der Behandlung einer Neuroborreliose verwendet werden.
Eine retrospektive Kohortenstudie mit 51 Patienten mit Fazialisparese aufgrund einer
Neuroborreliose zeigt Hinweise auf ein statistisch signifikant schlechteres Behandlungsergebnis
unter zusätzlicher Steroidbehandlung im Vergleich zu antibiotischer Monotherapie [33]. Da in diese Studie ein selektiertes Patientenkollektiv eingeschlossen wurde und
die Verlaufsuntersuchungen nicht standardisiert erfolgten, sind die Ergebnisse mit
Zurückhaltung zu interpretieren und stellen keine Grundlage für generelle Therapieempfehlungen
dar. Dennoch sollte das Ergebnis der Studie Anlass sein, bei der Behandlung einer
vermuteten idiopathischen Fazialisparese mit Steroiden die Differenzialdiagnose eines
Bannwarth-Syndroms abzugrenzen.
Verträglichkeit
Bezüglich der Sicherheitsaspekte und Nebenwirkungen zeigte sich in einer Metaanalyse
[35] der verfügbaren Daten kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Doxycyclin
und Betalaktamantibiotika.
Besonderheiten bei Kindern
Für die Behandlung der Neuroborreliose bei Kindern stehen deutlich weniger methodisch
hochwertige Studien zur Verfügung [34]. Auch für die Behandlung der Neuroborreliose bei Kindern zeigt sich zwischen der
Therapie mit Betalaktamantibiotika intravenös (Ceftriaxon, Cefotaxim und Penicillin
G) und Doxycyclin oral kein statistisch signifikanter Unterschied bezüglich neurologischer
Restsymptome.
Präparate
Betalaktamantibiotika und Doxycyclin sind daher prinzipiell in der Behandlung der
Neuroborreliose bei Kindern und Erwachsenen als gleichwertig anzusehen. Zu beachten
ist, dass Doxycyclin bei Kindern unter 8 Jahren wegen der noch nicht abgeschlossene
Zahnschmelzbildung nicht gegeben werden darf.
Prognose
Die Prognose der Neuroborreliose ist nach antibiotischer Therapie in der Regel günstig,
im Langzeitverlauf nach Therapie zeigen sich in Fall-Kontroll-Studien keine Unterschiede
zwischen Patienten mit gesicherter und behandelter Neuroborreliose im Vergleich zu
gesunden Kontrollen hinsichtlich Fatigue, Lebensqualität, Depression und Kognition
[31]
[36]. Bei der Mehrzahl der Patienten mit behandelter Neuroborreliose (insbesondere bei
Frühmanifestationen) sind Fatigue, Depression und eingeschränkte Lebensqualität nicht
häufiger als in der Normalbevölkerung [31].
Bei Patienten mit Spätmanifestationen einer Neuroborreliose zeigen sich dagegen häufiger
trotz suffizienter antibiotischer Therapie verbleibende Restsymptome (bis zu 40 %;
[15]). Diese sind angesichts des therapiebebedingten Rückganges der Liquorpleozytose
einhergehend mit einem Sistieren der Krankheitsprogression nicht als chronische Infektion
zu werten, sondern sind Folge des bereits eingetretenen irreversiblen Parenchymschadens
im Sinne einer Defektheilung. Diese, insbesondere bei spinalen Manifestationen, können
zu Einschränkungen der Lebensqualität führen [31].
Chronische Verläufe trotz antibiotischer Behandlung und unspezifische Beschwerden
Einzelne Autoren halten das Vorliegen einer chronischen Borreliose im Sinne einer
persistierenden Infektion trotz einer regelgerecht durchgeführten antibiotischen Behandlung
für möglich [37]
[38]. Für diese postulierten chronischen Infektionen werden teilweise morphologische
Varianten von B. burgdorferi diskutiert, die den Erregern eine Persistenz trotz antibiotischer
Behandlung erlauben [39]. In solchen Fällen werden seitens dieser Autoren monatelange antibiotische Behandlungen
zum Teil mit mehreren Präparaten durchgeführt [37]. Basierend auf der vorhandenen Studienlage ist die Annahme einer chronischen Infektion
trotz regelgerechter antibiotischer Therapie jedoch abzulehnen.
In den kontrollierten klinischen Studien zur antibiotischen Therapie der Neuroborreliose
gibt es keinen Anhalt für Therapieversager [35].
Eine Studie mit aufwendiger Methodik (PCR und Kultur/Mikroskopie aus Liquor von insgesamt
4 (!) geplanten Lumbalpunktionen pro Patient im Behandlungsverlauf) zeigte bei Patienten
mit persistierenden unspezifischen Symptomen trotz antibiotischer Therapie keinen
klinischen und labordiagnostischen Anhalt für eine persistierende Infektion mit B.
burgdorferi [40]. Für das Vorliegen von morphologischen Varianten von B. burgdorferi als vermeintliche
Ursache persistierender Symptome nach antibiotischer Therapie gibt es nach einem systematischen
Review der verfügbaren Literatur ebenso keine Evidenz [39].
Zur Behandlung von Patienten mit nach einer behandelten Borreliose bestehenden persistierenden
unspezifischen Beschwerden wie Fatigue oder kognitiven Einschränkungen liegen 4 randomisierte
placebokontrollierte Studien vor, die keinen Anhalt für einen Nutzen einer zusätzlichen
antibiotischer Therapie in diesen Fällen zeigen [4]
[40]
[41]
[42]. Des Weiteren zeigte eine aufwendige randomisierte placebokontrollierte Studie zur
langfristigen antibiotischen Behandlung von Patienten mit unspezifischen Beschwerden
und vermeintlicher Borreliose ohne vorangehende klare neurologische Symptome keinen
Nutzen bezüglich der Lebensqualität sowie der Kognition [43]
[44].
Tipp
Bei Patienten mit unspezifischen Symptomen sollte eine weitere sorgfältige Differentialdiagnostik
hinsichtlich anderer behandelbarer Ursachen sowie eine symptomorientierte Behandlung
erfolgen.
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Die Erreger der Borreliose sind Spirochätenbakterien des Borrelia-burgdorferi-sensu
lato-Komplexes.
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In Deutschland ist nach einem Zeckenstich bei ca. 5 % der Betroffenen mit einer Serokonversion
und bei ca. 1 % mit einer manifesten Neuroborreliose zu rechnen.
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Die Übertragungswahrscheinlichkeit der Borrelien nimmt mit längerer Saugdauer der
Zecke zu. Deshalb sollten Zecken so rasch wie möglich entfernt werden.
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Frühmanifestationen treten innerhalb ca. 4 – 6 Wochen nach einer Infektion auf (ca.
98 % der Neuroborreliosefälle); hauptsächlich als Polyradikuloneuritis (Bannwarth-Syndrom)
und aseptische Meningitis. Spätmanifestationen sind insgesamt sehr selten und treten
mehrere Wochen bis Monate nach der Infektion auf.
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Die Diagnose einer Neuroborreliose sollte anhand international konsentierter Falldefinitionen
auf der Basis der vorliegenden klinischen und labordiagnostischen Befunde gestellt
werden; dabei wird unterschieden zwischen der möglichen, der wahrscheinlichen und
der gesicherten Neuroborreliose.
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Wenn die Kriterien einer wahrscheinlichen oder gesicherten Neuroborreliose erfüllt
sind, besteht die Indikation zur antibiotischen Behandlung; dabei sind Betalaktamantibiotika
und Doxycyclin zur Behandlung der Neuroborreliose als wirksam befunden worden.
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Die Prognose der Neuroborreliose ist nach Antibiotikabehandlung in der Regel günstig.
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Bei weiterhin bestehenden neurologischen Einschränkungen (Kognition, Fatigue) hat
sich eine langfristige Antibiotikagabe nicht bewährt; hier sollte symptomorientiert
behandelt werden. Bei Restsymptomen nach Encephalomyelitis durch gesicherte LNB keine
weitere Differentialdiagnostik erforderlich
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag
ist Dr. med. Rick Dersch, Freiburg.