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DOI: 10.1055/a-1017-1206
Kinder in ihrer Kraft stärken – Ich bin stark: Empowerment statt Außensteuerung
Publication History
Publication Date:
03 January 2020 (online)
- Klienten zu aktiven Mitgestaltern machen
- Klienten in ihrer Kraft stärken
- Zwei Prozesse: Selbstbemächtigung und Unterstützung
- Den Empowerment-Prozess praktisch umsetzen
- Diskussionen als Störfaktor
- Fehlende Absprachen als Störfaktor
- Bedürfnisse und Einflussfaktoren aufgreifen
- In einen produktiven Prozess zurückfinden
- Fehlende Verantwortungsübernahme als Störfaktor
- Kontroverse
- In eine gemeinschaftlich orientierte Gesellschaft hineinwachsen
- Literaturverzeichnis
Der Begriff „Empowerment“ ist omnipräsent und dennoch schwer zu erklären. Sara Hiebl, Anja Junkers und Stefanie Völler machen ihn greifbar und zeigen, wie Empowerment in der Pädiatrie ganz praktisch umsetzbar ist. Zum Beispiel in der Gruppe nach dem Konzept „Ich bin stark!“.
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Sara Hiebl
Sara Hiebl ist seit 2008 Ergotherapeutin und betreibt eine eigene Praxis für Pädiatrie und Neurologie bei München. Sie ist Mitautorin des Gruppenkonzeptes „Ich bin stark!“. Kontakt: www.coaching-gesundheitsberufe.de
Empowerment – dieser Begriff ist in aller Munde. Eine Umfrage unter Fachpersonen ergab jedoch, dass ihn 90 Prozent im Deutschen nicht ausreichend oder nicht richtig definieren können. Was bedeutet es ganz konkret, Klienten zu empowern? Und vor allem, wie funktioniert das? Mit dem ergotherapeutischen Gruppenkonzept „Ich bin stark!“ kann das gelingen [1].
Empowerment
lässt Menschen ihre Stärken entdecken und trägt zu Autonomie bei.
Klienten zu aktiven Mitgestaltern machen
Aus dem Englischen übersetzt bedeutet „empowerment“ Handlungsfähigkeit, Übertrag von Verantwortung, Ermächtigung. Ermächtigung ist das Gegenteil von Entmächtigung und greift den Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen auf. Es geht darum, den Klienten zu einem aktiven und gleichberechtigten Mitgestalter seines Gesundheitsprozesses zu machen und ihm die Entscheidungsbefugnis zu geben, Verantwortung zu übernehmen.
Empowerment wird als ein stärkenorientiertes Konzept verstanden. Darin steckt der Begriff „power“, der mit „Macht“ oder „Kraft“ übersetzt werden kann. Aus unserer Sicht geht es dabei allein um die Macht über sich selbst. Zentraler Aspekt ist, für sich selbst und seine Bedürfnisse einzustehen, sie angemessen zu vertreten und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Dafür ist Kraft notwendig.
Verhalten, Motivation zur Teilhabe und aktive Gestaltung von Betätigung hängen von dem komplexen Zusammenspiel persönlicher Faktoren, der Umwelt und den Anforderungen der Tätigkeit ab [7]. Außensteuerung bezeichnet dabei jenen Anteil des Antriebs und der Motivation, der hauptsächlich durch Umweltanreize gesteuert wird, zum Beispiel durch Belohnung oder Zwang. Mit Innensteuerung ist die Verhaltenssteuerung aufgrund intrinsischer Motivation und einer positiven Selbstwirksamkeitserwartung gemeint, zum Beispiel an etwas Interesse oder Spaß haben. „Menschliche Aktivität kann sich entweder mehr auf Anpassung an die Umwelt oder mehr auf aktive Gestaltung der Umwelt beziehen“ [8]. Selbstbestimmtes Handeln von innen heraus ist eine wichtige Voraussetzung, um die Umwelt und das Miteinander aktiv zu gestalten.
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Klienten in ihrer Kraft stärken
Empowerment-Strategien kommen den psychologischen Grundbedürfnissen des Menschen nach Autonomie, sozialem Eingebundensein und Kompetenz nach und stärken die Lebensqualität und Selbstbestimmung [2]. Selbstbestimmung ist die unabhängige bzw. eigenständige und autonome Gestaltung des eigenen Lebens und geht einher mit der Eigenverantwortlichkeit für Entscheidungen. Darüber hinaus stärken Maßnahmen zum Empowerment den Klienten in seiner Kraft, damit er sich als selbstwirksam erfährt, beginnt, Verantwortung für sich zu übernehmen, sich mit seinen Möglichkeiten auseinandersetzt und seine Handlungsspielräume erkennt und nutzt.
In der Ergotherapie erreicht der Klient Empowerment grundlegend durch das Eingebundensein in eine Betätigung oder durch aktives Tun [3]. Das heißt, er wird darin unterstützt, sich seiner vorhandenen Kompetenzen bewusst zu werden oder diese zu erweitern, um an dem für ihn wichtigen oder nötigen Alltagsgeschehen teilzunehmen.
Pospiech et al. (2015) definieren folgende Stufen des Empowerments [4]:
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den Klienten als Experten für seine eigene Lebenswelt anerkennen
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Kompetenzen des Klienten stärken
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Bedingungen schaffen, um die Kompetenzen weiterzuentwickeln
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Selbstbestimmung und Selbstorganisation fördern
Klienten erfahren sich als selbstwirksam, übernehmen Verantwortung für sich und nutzen Handlungsspielräume.
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Zwei Prozesse: Selbstbemächtigung und Unterstützung
Empowerment besteht aus zwei Prozessen, die jeweils ineinandergreifen ([ABB. 1]):
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Prozess der Selbstbemächtigung: Was kann der Klient tun, um zurück in die Handlung zu kommen bzw. aus seiner inneren Kraft heraus selbstbestimmt zu handeln und sein Leben aktiv zu gestalten? Dazu gehört der Wille, zu handeln und entsprechende Entscheidungen zu treffen.
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Prozess der therapeutischen Unterstützung: Dieser dient dazu, dass der Klient sein Gefühl der „Entmächtigung“ überwindet, vorhandene oder neue Handlungsspielräume erkennt und sich seiner Ressourcen bewusst wird, um diese effektiv zu nutzen.
Für uns geht es neben den von Deci und Ryan (2008) geprägten psychologischen Grundbedürfnissen im Empowerment darum [2], weitere Einflussfaktoren zu berücksichtigen, damit Empowerment gelingen kann ([ABB. 2], S. 34). Diese werden im weiteren Verlauf am Praxisbeispiel deutlich.
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Den Empowerment-Prozess praktisch umsetzen
Laura, Julius, Ludwig und Alfred gehen in die 5., 6. und 7. Klasse und nehmen an der Gruppentherapie „Ich bin stark!“ teil. Ein Durchlauf mit maximal sechs Kindern und zwei Therapeuten besteht aus 10 Einheiten zu jeweils 90 Minuten. Die Teilnehmer können nach einer Einzeltherapieverordnung zur Feststellung der individuellen Betätigungsanliegen und der Gruppenfähigkeit mit einer Gruppenverordnung oder auch als Selbstzahlerleistung daran teilnehmen.
Die vier Kinder aus unserem Beispiel haben sich als Gruppenprojekt den Nachbau eines Activity-Spiels ausgesucht. Dazu erstellen sie Spielkarten, einen Spielplan sowie eine Aufbewahrungsbox. In der Einführungsrunde legen sie ihre individuellen Annäherungsziele für die Stunde fest. Annährungsziele dienen dazu, Grundbedürfnisse zu befriedigen und gewünschte Veränderungen herbeizuführen. Sie beschreiben, was man erreichen möchte, zum Beispiel „Ich strenge mich an, um meine Aufgabe fertig zu bekommen“. Die Therapeutinnen ergänzen aus ihrer Sicht relevante Ziele für jedes Kind.
So nimmt sich Julius vor, bei der Planung und Durchführung mit den anderen ruhig zu bleiben, auch wenn er nicht gleich verstanden wird. Ludwig setzt sich als Ziel, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren und diese fertigzustellen. Alfred möchte aktiv mitarbeiten, und Laura möchte ihre Meinung in der Gruppe vertreten. Als positiv formulierte Ziele ergänzen die Therapeutinnen unter anderem für Julius, in der Problemlösung ernst zu bleiben und realistische Vorschläge zu machen. Bei Ludwig fügen sie hinzu, dass er sich abgrenzt und auf ein angemessenes Tempo achtet. Bei Alfred halten sie es für wichtig, dass er sorgfältig arbeitet. Laura soll zuerst selbst nach einer Lösung suchen, bevor sie sich Hilfe holt.
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Diskussionen als Störfaktor
In der Arbeitsrunde verteilen die Kinder untereinander die jeweiligen Aufgaben für die Stunde. Sie sind dafür zuständig, die eigenen Materialien zu organisieren und den Arbeitsplatz einzurichten. Laura und Julius teilen sich die Aufgabe, die Aufbewahrungsbox für das Spiel weiterzubauen, und Ludwig und Alfred wollen die laminierten Spielkarten weiter zuschneiden.
Julius geht in dieser Stunde aktiv an seine Aufgabe heran, arbeitet sorgfältig und strukturiert. Ludwig arbeitet zu Beginn noch gleichmäßig und sorgfältig, sieht dann Julius‘ Ergebnis und fühlt sich gestresst. Er will auch schnell und effektiv arbeiten, was sehr zu Lasten der Sorgfalt geht, sodass er viel nacharbeiten muss. Dies löst Diskussionen zwischen Julius und Ludwig aus, da Julius beginnt, ihn ständig zu korrigieren. Ludwig gelingt es nicht, sich wieder auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Durch das Diskutieren sinkt auch Julius‘ Arbeitstempo, und der Prozess verlangsamt sich.
Zum Empowerment-Prozess gehört sowohl die Selbstbemächtigung als auch die therapeutische Unterstützung.
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Fehlende Absprachen als Störfaktor
Laura und Alfred haben den Boden der Box schon in einer vorherigen Stunde fertiggestellt. Nun geht es darum, die Seitenteile zu bauen und deren Höhe zu bestimmen. Für den Umgang mit dem Geodreieck holen sie sich Hilfe bei der Therapeutin. Die Größenbestimmung gibt diese an die Kinder zurück und steckt lediglich den Rahmen ab, welche Faktoren es zu berücksichtigen gilt: Der Spielplan und die Karten müssen darin Platz finden, und das Spiel muss in den Schrank passen. Alfred scheint einen fixen Plan für die Schachtel im Kopf zu haben und will davon auch nicht abweichen. Laura, die mit ihren Argumenten nicht landen kann, gibt nach und versucht, Alfreds Plan umzusetzen. Plötzlich zeigt sie kaum noch etwas von ihrem Können, reagiert nur noch mit „Häh?“, „Versteh ich nicht!“, „Mach du das.“ und gibt immer mehr Teilschritte an Alfred ab. Dieser reagiert ungehalten, da er offensichtlich keine Lust hat, die Verantwortung alleine zu tragen und noch keine passende Lösung für das Problem gefunden hat. Seinen Stress kanalisiert er in Clownerei und übertriebenen Lösungsvorschlägen.
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Kompetenzerleben ermöglichen
Die Gruppenteilnehmer erleben sich als kompetent, wenn sie merken, dass sie über ausreichende Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen.
Beispiel: Laura und Alfred kommen nicht mit dem Geodreieck zurecht und holen sich Hilfe bei der Therapeutin. Wie sie ihr neu erworbenes Wissen umsetzen, erproben sie selbst (Hilfe zur Selbsthilfe).
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Gefühl der Autonomie stärken
Die Kinder lernen ihre Entscheidungsfreiheit und ihren Handlungsspielraum kennen.
Beispiel: In der Arbeitsrunde verteilen die Kinder die Aufgaben untereinander – je nach Präferenz. Jeder organisiert sein Material und seinen Arbeitsplatz.
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Sinnhaftigkeit erkennbar machen
Indem die Kinder die Aufgaben definieren, erkennen sie die Zusammenhänge der Teilschritte. Dadurch empfinden sie ihr Tun als sinnhaft in Bezug auf das Gelingen des Projekts.
Beispiel: Julius und Ludwig wissen, dass das Spiel ohne ihre Karten nicht gespielt werden kann, und fühlen sich darin bestärkt, ihren Teil fertigzustellen.
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Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen
Im Gruppensetting entwickeln die Kinder durch erfolgreiches Handeln Vertrauen in ihre Fähigkeit, unerwartete Anforderungen oder Schwierigkeiten zu meistern.
Beispiel: Julius und Ludwig haben in kurzer Zeit sehr viel geschafft. Dadurch entwickeln sie eine Kompetenzüberzeugung und vertrauen darauf, dass sie den Rest auch schaffen werden.
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Eigenverantwortung fördern
Das eigene Handeln und Nichthandeln hat Konsequenzen, die man selbst tragen muss.
Beispiel: Es fällt Laura schwer, sich gegen Alfreds Vorstellungen durchzusetzen. Beide merken jedoch, dass sie ihr Ziel so nicht erreichen. Laura stellt fest, dass Nichthandeln keine Option ist, und übernimmt die Verantwortung für ihren Part.
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Soziales Eingebundensein und positive Beziehungen erlebbar machen
Die konsequent nicht strafende partnerschaftliche Unterstützung der Therapeutin und die positive Selbstreflexion am Ende der Gruppensitzung führen dazu, die soziale Kompatibilität des eigenen Verhaltens zu überprüfen und das Verhalten anzupassen.
Beispiel: Julius und Ludwig verwickeln sich in Diskussionen. Die Unterstützung der Therapeutin bezieht sich nicht auf die Klärung der Schuldfrage, sondern darauf, was jeder tun kann, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Das Miteinander der beiden entspannt sich, und die Beziehung zur Therapeutin wird als positiv-unterstützend erlebt.
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Bedürfnisse und Einflussfaktoren aufgreifen
Bislang haben die Therapeutinnen nicht eingegriffen. Sie wollten zunächst beobachten, ob sich die Kinder selbst regulieren können. Anstatt nun außensteuernd einzugreifen, wählen sie eine reflektierende Methode und greifen die Bedürfnisse und Einflussfaktoren auf ([ABB. 2]). Sie leiten die Kinder an, Handlungsspielräume zu erkennen und selbstbestimmt zu nutzen.
Es geht nicht darum, wer schuld an einem Problem ist, sondern darum, was jeder zum Ziel beitragen kann.
Dazu stellt eine Therapeutin zunächst die Kompetenzen der Kinder und das bereits Erreichte in den Vordergrund: „Wow, Julius und Ludwig, ihr habt schon ganz schön viele Karten geschafft! Die hier sind alle sehr sorgfältig bearbeitet. Die können wir gut verwenden. Ihr habt euch richtig Mühe gegeben, wart konzentriert und habt in gutem Tempo gearbeitet.“ Die weniger sorgfältig bearbeiteten Karten legt sie ganz bewusst ohne Kommentar auf einen kleinen Stapel. Auf die Frage, wie weit die Kinder in der heutigen Stunde noch kommen möchten, antworten sie, dass sie die Karten fertigstellen wollen. Die Therapeutin entgegnet: „O.k., ich habe den Eindruck, dass ihr, als ihr so konzentriert gearbeitet habt, in kurzer Zeit sehr viel geschafft habt.“ Dabei zeigt sie auf den großen fertigen Stapel. „Was ist denn in dieser Phase passiert?“, fragt sie und zeigt auf den kleineren Stapel. Julius und Ludwig entgegnen: „Wir haben uns nicht mehr konzentriert, sondern ganz viel diskutiert.“ Daraufhin möchte die Therapeutin wissen: „Was müsst ihr denn dann jetzt machen, damit ihr fertig werdet und euer Ziel erreicht?“ Julius und Ludwig benennen ihre Ziele erneut. Die Therapeutin bestärkt sie: „Ganz genau. Ich habe auch gesehen, dass ihr das könnt. Ihr habt es ja schon gezeigt. Ich bin mir sicher, das schafft ihr auch noch mal für die letzten zehn Minuten.“
Damit Empowerment gelingen kann, gilt es die Einflussfaktoren zu berücksichtigen.
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In einen produktiven Prozess zurückfinden
Durch diese Aussage stärkt die Therapeutin die Selbstwirksamkeit der beiden Jungen, da sie dies konkret an ihrem bisherigen Ergebnis überprüfen können. Die Eigenverantwortung, sich zu regulieren, um das selbstgesetzte Ziel am Ende zu erreichen, bleibt bei den Kindern. Sollte das Projekt in dieser Stunde nicht abgeschlossen werden, wird es in der nächsten Einheit fortgesetzt. Durch dieses Herangehen wird zudem das Bedürfnis nach Beziehung gestärkt. Einerseits können die Kinder in einer positiven Beziehung zur Therapeutin bleiben, da sie nicht strafend-regulierend eingreift, sondern die positiven Verhaltensaspekte und Ergebnisse in den Mittelpunkt stellt und bestärkend agiert. Zudem können die Kinder auch untereinander in eine positive Beziehung zurückfinden. Es geht nicht um die „Schuldfrage“, wer die diskutierende Situation ausgelöst hat, sondern darum, was jeder eigenverantwortlich tun kann, um in einen produktiven Prozess zurückzufinden und das Ziel am Ende gemeinsam zu erreichen.
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Fehlende Verantwortungsübernahme als Störfaktor
Bei Laura und Alfred stellt die Therapeutin fest: „Ihr kommt irgendwie nicht wirklich weiter.“ Da können die beiden nur zustimmen. Sie hatten nach 20 Minuten erst ein Seitenteil zugeschnitten und festgestellt, dass es zu kurz geworden war. „Wie habt ihr das denn beim Boden zusammen geschafft? Was habt ihr da anders gemacht?“, möchte die Therapeutin wissen. Alfred erinnert sich: „Ich habe Laura mehr zugehört. Es war mir nicht so wichtig, nur meine Idee durchzusetzen.“ Und Laura ergänzt: „Ich habe konkreter nachgefragt, wenn ich Alfred nicht verstanden habe.“
Gemeinsam mit der Therapeutin erinnern sie sich, wie sie beim Boden vorgegangen sind, um die richtige Größe herauszufinden, und wie sie die Maße aufgezeichnet haben. Im weiteren Verlauf finden sie heraus, wie sie die Seitenwand gestalten wollen: Laura zeichnet die Wand auf und Alfred übernimmt das Zuschneiden. Damit können sie noch eine Wand fertigstellen.
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Kontroverse
Eine zentrale Entwicklungsaufgabe von Jugendlichen ist es, sich abzunabeln und sich eigene Handlungsbereiche zugängig zu machen. Diese verantwortlich auszufüllen bedeutet aber auch, die Konsequenzen für das eigene Handeln zu tragen. Eine aktuelle Sozialstudie der Bepanthen-Kinderförderung (2019) ergab, dass ein Drittel der befragten Jugendlichen (33 Prozent) einen schwachen Sinn für die Gemeinschaft zeigt [5]. 21 Prozent der Jugendlichen neigen zu individualisierten Schuldzuweisungen.
Im Hinblick auf die mögliche Weiterentwicklung zu einer noch egozentrischeren Gesellschaft wird der Empowerment-Ansatz deshalb teilweise kontrovers diskutiert. In der Anwendung von Empowerment-Konzepten müssen deswegen immer auch der eigenverantwortliche Umgang mit den Folgen einer Entscheidung und angemessene und sozialkompatible Verhaltensweisen gefördert werden.
Nach der Intervention verhalten sich die Kinder angemessener, haben weniger Konflikte und sind besser integriert.
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In eine gemeinschaftlich orientierte Gesellschaft hineinwachsen
Im „Ich bin stark!“-Gruppenkonzept liegt der Fokus auf der Prozessorientierung anstelle der Produktorientierung. Dadurch ist es den Therapeutinnen möglich, dem Entwicklungsprozess der Jugendlichen entsprechend Raum zu geben. Durch das Aufgreifen der Bedürfnisse und Einflussfaktoren können sie die Außensteuerung weitestgehend reduzieren, da durch die offene Konzeptgestaltung kein zeitlicher Druck gegeben ist, um ein vorgegebenes Produkt oder Ziel zu erreichen. Die Jugendlichen können so die selbst entwickelten Strategien besser verinnerlichen, was gleichzeitig zu einem besseren Alltagstransfer führt. Somit ist „Ich bin stark!“ ein therapeutisches Konzept, das den Empowerment-Prozess unterstützt, aber gleichzeitig dazu beiträgt, dass die Jugendlichen wieder in eine gemeinschaftlich orientierte Gesellschaft hineinwachsen.
In einer Erhebung zur Elternzufriedenheit mit „Ich bin stark!“ gaben die Eltern an, dass sich die Kinder nach der Intervention den Anforderungen des Kontextes angemessen verhalten, weniger Konflikte haben und besser in die Klasse integriert sind [6]. Für Therapeuten entsteht durch dieses Herangehen die Möglichkeit, die Klienten noch mehr auf Augenhöhe zu begleiten und konsequent stärkenbasiert zu arbeiten. Die Kinder und Jugendlichen entwickeln durch die Teilnahme an der Gruppe ihre eigene intrinsisch gesteuerte Motivation zur Verhaltensanpassung und zum Alltagstransfer. Bei „Ich bin stark!“ ist der Titel also Programm: Empowerment gelingt durch das Vertrauen in die eigene Kraft der Klienten.
Sara Hiebl, Anja Junkers, Stefanie Völler
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Literaturverzeichnis
- 1 Hiebl S, Münchsmeier M. Ich bin stark! Ergotherapeutisches Gruppenkonzept zur Förderung eines starken und positiven Selbstbildes. Idstein: Schulz-Kirchner; 2015
- 2 Deci EL, Ryan RM. Handbook of Self-Determination Research. Univ. of Rochester Press. 2008
- 3 Le Granse M, van Hartingsveldt M, Kinébanian A. Grundlagen der Ergotherapie. Stuttgart: Thieme; 2019
- 4 Pospiech S, Amler M, Kilian H. Kriterien für gute Praxis der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung. Berlin: Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit; 2015
- 5 Bepanthen-Kinderförderung, Universität Bielefeld Sozialstudie 2019: Generation „Rücksichtslos“? Gemeinschaftssinn bei Kindern und Jugendlichen. Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Ziegler. Initiative der Bayer Vital GmbH 2019
- 6 Hiebl S, Völler S, Junkers A. Macht das Gruppenkonzept „Ich bin stark!“ Kinder selbstbewusster? Ergebnisse einer Erhebung zur Elternzufriedenheit. Ergotherapie und Rehabilitation 2019; 58: 14-17
- 7 Law M, Cooper B, Strong S, Steward D, Rigby P, Letts L. The Person-Environment-Occupation Model: A transactive approach to occupational performance. Can J OccupTher 1996; 63: 9-23
- 8 Stangl W. Außensteuerung. Retrieved from: https://lexikon.stangl.eu/14913/aussensteuerung/ 2019
- 9 Hiebl S. Ich bin stark! Ergotherapeutisches Gruppenkonzept zur Förderung eines starken und positiven Selbstbildes. praxis ergotherapie 2015; 6: 341-346
- 10 Hiebl S, Völler S. Dem eigenen Weg folgen. Die Bedeutung von Spiritualität. Ergotherapie und Rehabilitation 2019; 7: 20-23
- 11 Mittelmark MB et al. Eds The Handbook of Salutogenesis. Switzerland:: Springer; 2017
- 12 Jerusalem M. Selbstwirksamkeit und Motivationsprozesse in Bildungsinstitutionen. In Zeitschrift für Pädagogik 2002; 44 Beiheft 35
- 13 Dweck C. Selbstbild. Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt. Vol. 3 München: Piper; 2019
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Literaturverzeichnis
- 1 Hiebl S, Münchsmeier M. Ich bin stark! Ergotherapeutisches Gruppenkonzept zur Förderung eines starken und positiven Selbstbildes. Idstein: Schulz-Kirchner; 2015
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