Schlüsselwörter Chirurgie der peripheren Nerven - Handchirurgie - Mikrochirurgie - Weiterbildung - Training - Trainingskurs - Übungskurs - Mikrochirurgie der Lymphgefäße - Evaluierung - Qualitätssiegel
Key words Microsurgery - handsurgery - residency - training - course - seal of quality - evaluation - surgery of peripheral nerves - lymphatic surgery
Einleitung
Die mikrochirurgische Aus- und Weiterbildung ist ein elementarer, katalogrelevanter Bestandteil der Facharztausbildung zum Plastischen und Ästhetischen Chirurgen bzw. FMH Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (CH) sowie für die Zusatzbezeichnung des Handchirurgen bzw. Facharzt FMH Handchirurgie (CH) [1 ], [2 ], [3 ], [4 ]. Ein wichtiger Schwerpunkt ist das Kompetenzen- und Fertigkeitentraining der mikrochirurgischen Anastomose, gefolgt von operativen Teilschritten und vollständigen mikrochirurgischen Prozeduren. Die traditionelle klinische Aus- und Weiterbildungsmethode nach Dr. William Halsted gemäß dem Konzept „See One, Do One, Teach One“ gilt heutzutage jedoch als nicht mehr anwendbar, da die hieraus resultierende fragliche Patientensicherheit genauso wie limitierte OP-Saal Kapazitäten und eine Ökonomisierung der Abläufe dieser Vorstellung gegenüberstehen [5 ]. Zudem führt die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes zu einer signifikanten Reduktion der Arbeitszeiten von Ärzten in chirurgischer Weiterbildung. Hierdurch hat sich die Ausbildungszeit im OP-Saal zwischen erfahrenem Chirurgen und Lehrer sowie Weiterbildungsassistenten verkürzt [5 ]. Eine Verlagerung des Erlernens von Kernkompetenzen und -fertigkeiten für die mikrochirurgische Aus- und Weiterbildung aus dem OP-Saal heraus ist daher unumgänglich und zielt grundsätzlich auf die Optimierung der Lernkurve vor Einsatz am Patienten.
Die Einrichtung von Skills- und Wet-Labs, die Durchführung von Weiterbildungsakademien und die Einbettung der Weiterbildung in mikrochirurgische Curricula und Konzepte sind neue Ziele und Methoden, um den „Verlust“ der Aus- und Weiterbildungszeit im Operationssaal nach Abwendung von dem Halsted´schem Weiterbildungsmodell auszugleichen und die Lernkurve für Ärzte in der chirurgischen und speziell mikrochirurgischen Weiterbildung zu optimieren [6 ], [7 ], [8 ], [9 ], [10 ], [11 ].
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil sind mikrochirurgische Trainings- und Übungskurse, die eine Verlagerung des Erlernens der Kernkompetenzen und -fertigkeiten in einem geschützten Rahmen ermöglichen. Hier werden in der Regel mehrtägig-zusammenhängende, praktische Übungen mit verschiedenen Modellen mit steigendem Schwierigkeitsgrad und ersten Dissektionsübungen verbunden. Strukturierte und standardisierte Kurse gelten als effizient, um die nötigen Inhalte zusammenhängend zu vermitteln und den angehenden Mikrochirurgen eine anteilig hohe praktische Übungsphase mit zahlreichen Wiederholungen und Steigerungen der Anforderung zu ermöglichen [12 ], [13 ], [14 ]. Sie basieren auf der Verwendung verschiedener artifizieller, avitaler und vitaler Modelle, die je nach Schwierigkeitsgrad verschiedene Lumina und einen unterschiedlichen Anspruch an die Gewebedissektion beinhalten [15 ], [16 ], [17 ].
Die Evaluation der gebildeten Fertigkeiten erfolgt im Hinblick auf feinmotorische Fähigkeiten sowie Orientierung im Raum und zielgerichtete, tremorarme Bewegungsabläufe sowie bimanuelle Manipulationsübungen. Weiterführende Anwendungsbeispiele sind Stich-, Knoten- und Peeling-Techniken sowie schließlich Dissektionsübungen vor Durchführung der Anastomosen. Die erworbenen Fertigkeiten sollen im Sinne einer Kompetenz-basierten chirurgischen Ausbildung durch Arbeitsplatz-basierte Assessments evaluiert werden. Hierfür werden „Global Rating Scales“ zur standardisierten Überprüfung verwendet. Der Patency-Test zur Kontrolle der Dichtigkeit dient der realitätsnahen Überprüfung der Übungsaufgaben.
Regelmäßige Wiederholungen an solch etablierten Übungsmodellen sind zum Erhalt der neu erworbenen Fertigkeiten und Kompetenzerhalt notwendig.
Neben zahlreichen Kursangeboten im deutschsprachigen Raum existieren jedoch keine einheitlichen und transparenten Bewertungsmaßstäbe, um die Qualität der Kurse für den unerfahrenen Kursteilnehmer zu durchschauen und einen verlässlichen Lernzuwachs an Fertigkeiten und Kompetenzen zu gewähren.
Methode
Im Rahmen eines Konsensustreffens während der 39. DAM Tagung in Freiburg 2017 sollten durch die Panel-Teilnehmer Mindestanforderungen für die Inhalte von mikrochirurgischen Trainings- und Übungskursen im Rahmen der ärztliche Weiterbildung definiert und als deutschsprachiger Konsens verfasst werden, um ein DAM – Qualitätssiegel zu vergeben, das zunehmend häufig von Vertretern von Trainings- und Übungskursen angefragt wurde, und einheitliche, transparente Bewertungsmaßstäbe für den unerfahrenen Kursteilnehmer bietet. Hierzu wurden Vertreter aller mikrochirurgischer Trainings- und Übungskurse in Deutschland, Österreich und der Schweiz angeschrieben, und zur Teilnahme am Panel eingeladen, die über eine Online-Recherche auffindbar waren und per email und postalisch angeschrieben wurden. Die Autoren des Konsensus sind alle Vertreter von mikrochirurgischen Trainings- und Übungskursen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die nach Zusage auf Einladung der DAM an dem Konsensustreffen teilgenommen haben.
Ergebnisse
Basierend auf der Vorstellung der durch die Panelisten durchgeführten Kurskonzepte wurden notwendige Eigenschaften und Parameter von mikrochirurgischen Trainings- und Übungskursen definiert. Hierzu zählen grundsätzlich die Definition von abgestuften Kurszielen, Vorhandensein eines Kursskriptes, Stundenzahl des Kurses, verwendete Modelle, praktische Übungszeit am Mikroskop, Betreuer zu Teilnehmerverhältnis, Anastomosen- bzw. Koaptationsarten (Arterie, Vene, Nerv, Lymphgefäß), Anwendung einer Global Rating Scale, Lernzielüberprüfung (Note/bestanden- nicht bestanden), Teilnehmerzertifikat und Kursevaluation. Mit dem Ziel, den verfügbaren Kursen/Kurskonzepten zur Wahrung bzw. Verbesserung der Qualität der Aus- und Weiterbildung gerecht zu werden, wurde von dem Panel in Abstimmung mit dem Vorstand der DAM die Zuordnung eines „Basic“ und eines „Advanced“ Qualitätssiegels empfohlen ([
Abb. 1a
] und [
Abb. 1b
]), das auf den nachfolgenden Mindeststandards beruht ([
Tab. 1
]):
Abb. 1 Qualitätssiegel der DAM für mikrochirurgische Trainings- und Übungskurse. Dargestellt sind die erteilbaren Siegel DAMmicro „basic“ a und DAMmicro „advanced“ b .
Tab. 1 Übersicht der Mindeststandards für die Erteilung der Qualitätssiegel „basic“ und „advanced“.
Kriterium
Qualitätssiegel basic
Qualitätssiegel advanced
Kursziel
„Handling“ mit binokularem Mikroskop und Instrumenten
Optimale Vorbereitung für OP-Einsatz, eigenständige Durchführung Anastomosen
Mindestzeitraum
16 h
24 h
Modelle
mind. artifizielles Modell
artifizielles, avitales, vitales Modell (inkl. Ethik)
Anteil praktischer Übungen
nicht definiert
mind. ⅔
Mikroskope/Teilnehmer
nicht definiert
1/1
Betreuer/Teilnehmerverhältnis
nicht definiert
≤ 1:5
Anastomosen-bzw. Koaptationsarten
nicht definiert
Arterie, Vene, Nerv
Beurteilung des Teilnehmers
nicht definiert
Global Rating Scale verpflichtend
Evaluation des Kurses
nicht definiert
verpflichtend
Zertifikat
verpflichtend
verpflichtend
Diskussion
Als fachspezifische, deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft möchte die DAM die Verantwortung übernehmen, durch die Definition von Mindeststandards und die mögliche Vergabe von Qualitätssiegeln die Qualität der Kurse zu halten bzw. zu erhöhen und den Teilnehmern eine differenzierte und transparente Auswahl mithilfe des Qualitätssiegels zu ermöglichen.
Kurse mit dem Qualitätssiegel „basic“ haben eine Mindeststundenzahl (2 × 8 h) und zielen grundsätzlich auf das Erlernen von Grundfertigkeiten im Umgang mit dem Mikroskop, den Instrumenten und Mikrofäden und dem binokularen Arbeiten („Schnupperkurs“). Hierfür sind keine vitalen oder avitalen Modelle nötig, da diese Übungen auch mit artifiziellen Modellen erfolgreich durchgeführt werden können.
Demgegenüber zielen Kurse mit dem Qualitätssiegel „advanced“ darauf ab, den Teilnehmer optimal auf den Einsatz im OP-Bereich am Patienten vorzubereiten. Hierzu sind mindestens 3 aufeinanderfolgende Tage à 8 h vorgesehen, an denen sowohl artifizielle, wie auch avitale und vitale Modelle zur Anwendung kommen. Hierbei ist es von besonderer Bedeutung, das die genannten Modelle aufeinander aufbauen und die Kurse nicht alleine auf vitalen Tiermodellen basieren. Dies führt einerseits zu einer Reduktion der benötigten Tierzahl und ist darüber hinaus auch edukativ effizienter [18 ], [19 ]. Innerhalb des Kurses mit dem Qualitätssiegel „advanced“ soll vor diesem Hintergrund den Teilnehmern unbedingt die moralische Verantwortung beim Umgang mit den Tieren und die Argumentation für die Notwendigkeit der Durchführung erklärt werden – wie auch Alternativen innerhalb des Kurses und für zukünftige Übungen dargestellt werden. Aufgrund des hochgesteckten Ziels sollte der Anteil praktischer Zeit am Mikroskop mindestens ⅔ der Kurszeit betragen und dafür jedem Teilnehmer ein eigenes Mikroskop mit Beobachter/Supervisionsfunktion zur Verfügung stehen. Das Betreuer zu Teilnehmerverhältnis (inkl. Tierarzt) sollte ≤ 1:5 sein, um ein optimales Lehren zu ermöglichen [12 ]. Mit Blick auf den im Rahmen des Kurses zu erwartenden Fortschritt sollte sowohl die Durchführung von Anastomosen von Arterien und Venen wie auch die Nervenkoaptation gelehrt werden – idealerweise in Verbindung mit Dissektionsübungen. Der Erfolg des Kompetenzen- und Fertigkeitentrainings soll für die Erteilung des Qualitätssiegels mittels standardisierter Durchführung einer „Global Rating Scale“ für die Beurteilung der praktischen Fertigkeiten und Kompetenzen als Feedback durch einen erfahrenen Mikrochirurgen überprüft werden, die Ergebnisse dann dem Teilnehmer ausgehändigt werden [20 ]. Am Ende des Kurses stehen eine Kursevaluation und die Aushändigung eines Zertifikats.
Die Integration von Kursskripten für den Kurs und als Mitgabe für den Teilnehmer wird von den Panelisten grundsätzlich als empfehlenswert erachtet, jedoch nicht als Voraussetzung für die Erteilung eines der Qualitätssiegel, da die praktischen Lerninhalte im Vordergrund stehen sollen. Die Durchführung von lymphatischen Anastomosen kann den Schwierigkeitsgrad innerhalb des Kurses noch einmal steigern, wird aber aufgrund der hierfür notwendigen speziellen Instrumente, Fäden und Vergrößerungsaufsätze als kein zwingender Bestandteil der Übungskurse gesehen. Die Weiterentwicklung und fortwährende Diskussion der klassischen mikrochirurgischen Modelle (artifiziell, avital und vital), die Integration von Live-Operationen und Übungen an Humanpräparaten wie auch die Integration validierter mikrochirurgischer Übungssimulatoren wird die Übungs- und Trainingskurse in Zukunft bestimmen und positiv weiterentwickeln, um nachhaltig die Kompetenzen und Fertigkeiten zu erhalten [21 ], [22 ], [23 ]. Insbesondere kann die Entwicklung und Integration der Simulatoren- wie auch in anderen chirurgischen Fachrichtungen bereits erfolgt – die Anzahl von Übungstieren reduzieren und auf diese Weise der ethischen Verantwortung Rechnung tragen. Aber auch die Weiterentwicklung der standardisierten und objektivierbaren Bewertung von Kompetenzen und Fertigkeiten wird im Fokus der Weiterentwicklung der nächsten Jahre stehen [20 ], [24 ]. Die DAM wird im Rahmen der Vergabe der Qualitätssiegel die Kriterien und Eigenschaften der Kurse stetig re-evaluieren, um die eingeführten Siegel an die Zeit anzupassen.
Schlussfolgerung
Die Einführung von Qualitätssiegeln für mikrochirurgische Übungskurse soll die Transparenz und Verbindlichkeit für Teilnehmer stärken und Kursanbietern mit entsprechend nachgewiesenen Inhalten Unterstützung durch die DAM gewähren. Die implementierten Qualitätssiegel können über die Geschäftsstelle der DAM beantragt werden (info@dam-mikrochirurgie.org).