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DOI: 10.1055/a-1020-5883
Postnatales Beckenbodentraining
- Ziel des Trainings
- Trainingsphasen
- Wiedereinstieg in sportliches Training
- Übungen nach der Geburt
- Übungen für die Regenerationsphase
- Übungen für die Rückbildungsphase
Schwangerschaft und Geburt verändern und belasten den weiblichen Körper. Frauen, die kein postnatales Rückbildungsprogramm absolvieren, klagen später oft über die Folgen, z. B. Haltungsschwäche, Rückenbeschwerden, Inkontinenz, Organabsenkungen etc. Verena Wiechers ist Dipl.-Sportwissenschaftlerin und hat für Schwangere und Mütter ein MamaWORKOUT-Konzept entwickelt. Einige Übungen seien hier exemplarisch vorgestellt.
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Ziel des Trainings
Ziel des Trainings ist es, die Körpermitte mittels aufeinander aufbauender Maßnahmen funktional zu kräftigen. Viele Mütter haben Schwierigkeiten, ihre muskuläre Körpermitte zu spüren und physiologisch richtig einzusetzen. Und dabei ist es egal, wie „fit“ sie vorher waren. Therapeuten starten daher am besten damit, die Wahrnehmung und das funktionale Zusammenspiel von Beckenboden-, Bauch- und Rückenmuskulatur zu schulen. Darauf aufbauend steht die Kräftigung der Körpermitte im Vordergrund – wobei der restliche Körper natürlich nicht vergessen werden darf. Das Kräftigungs-, Beweglichkeits- und Koordinationstraining verfolgt dabei vier Ziele:
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funktionale Stabilität in der Körpermitte
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Aufrichtung der Körperhaltung
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Straffung der Körpersilhouette
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gute Gesamtfitness für Alltag und sportlichen Wiedereinstieg
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Trainingsphasen
Regenerationsphase
Unmittelbar nach der Geburt beginnt die 6 – 8-wöchige Regenerationsphase, das Wochenbett. Das Regenerationsprogramm besteht darin, sich körperlich zu erholen und im Alltag so zu verhalten, dass die Körpermitte geschont wird. Im Idealfall beginnen die Mütter ab der 2. Woche mit sanfter Beckenbodenschulung und rehabilitativen Basisübungen für die Körpermitte.
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Rückbildungsphase
Etwa ab der 7. Woche beginnt die Rückbildungsphase. Haben die Frauen bisher weder Beckenbodenschulung noch rehabilitative Basisübungen angewendet, so beginnen sie mit ebendiesen. Der Kraftaufbau darf nach 6-8 Wochen erfolgen, wenn das Ödem abgebaut ist. Rückbildungsübungen (Level 1) kräftigen dann die Körpermitte. Schrittweise wird das Training mit herausfordernden Rückbildungsübungen (Level 2) immer anspruchsvoller. Die Rückbildungsgymnastik wird circa 10 Wochen lang regelmäßig durchgeführt.
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Wiedereinstiegsphase
Nach der Rückbildungsgymnastik verfügt der Körper oft noch nicht über die gleiche Konstitution wie vor der Schwangerschaft. Die knöchernen und muskulären Strukturen der Körpermitte sind gegebenenfalls noch instabil, abgeschwächt oder in ihrer Funktion eingeschränkt (Stichwort Rektusdiastase, Inkontinenz etc.). Dies muss mittels Anamnese geklärt und entsprechend berücksichtigt werden. Die Kursleiterinnen müssen in der Wiedereinstiegsphase einige Sicherheitsregeln berücksichtigen: keine beckenboden- oder rumpfbelastenden Übungen (z. B. kein Hüpfen, kein starker Bauch-Innendruck). Außerdem sind die körperlichen Einschränkungen der jeweiligen Frau im Training zu berücksichtigen, d. h. die Ganzkörperkräftigung wird kombiniert mit zielführenden Beckenboden- und Rumpfübungen, die auf die zielgruppenspezifischen Schwachstellen zugeschnitten sind.
Die Wiedereinstiegsphase kann 1-2 Jahre dauern und beinhaltet eine Mischung aus Gymnastik-Workout und Rückbildungsübungen. Je nach körperlicher Konstitution kann die Frau in der Wiedereinstiegsphase schrittweise wieder in andere Sportarten einsteigen. Die Funktionalität der Beckenboden- und Bauchwandmuskeln sollte im besten Fall vorher von einer Fachperson überprüft werden.
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Wiedereinstieg in sportliches Training
Der Einstieg in höhere sportliche Belastungen darf erst erfolgen, wenn die Rektusdiastase stabil ist und der Beckenboden korrekt und insbesondere symmetrisch aktiviert werden kann. Dies kann 1-2 Jahre dauern.
Anschließend darf und soll der bisherige Sport wiederaufgenommen werden, ggf. müssen zur Vermeidung von Organabsenkungen vaginale Stützhilfen verwendet werden. Vor allem im Hinblick auf körperlich sehr belastende Sportarten (z. B. hohe Gewichte, Laufen, Sprünge, bergab wandern), sollte eine Beckenbodentherapeutin die Beckenboden- und Bauchwand-Funktionalität sowie mögliche Organsenkungen untersuchen.
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Übungen nach der Geburt
Wie oben beschrieben sind die nachfolgenden Übungen je nach Rückbildungsphase der Frau von der anleitenden Fachperson auszuwählen. Die Mutter sollte diese dann am besten täglich für 5–10 Minuten zu Hause und einmal pro Woche unter Anleitung durchführen. Die nachfolgenden Übungsbeschreibungen sind in der direkten Ansprache an die trainierende Frau formuliert.
Hinweise an die Trainierende
Geben Sie der Mutter fürs postnatale Beckenbodentraining folgende Hinweise:
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Ihr Beckenboden ist geschwächt und desensibilisiert.
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Es kann daher einige Tage dauern, bis Sie ihn gut wahrnehmen und anspannen können.
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Legen Sie sich auf eine bequeme Unterlage, führen Sie die Übungen langsam und konzentriert durch und achten Sie dabei besonders auf Ihre Atmung.
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Bei hoher körperlicher Beanspruchung fällt es Ihren strapazierten, vielleicht sogar verletzten Muskeln schwer, sich wieder zusammenzuziehen, zu regenerieren und an ihre alte Position zurückzukehren. Vermeiden Sie daher schweres Tragen, Schieben, Heben, Springen, Laufen und intensives Krafttraining.
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Ein hoher Druck im Bauchraum (intraabdominaler Druck) schiebt die Beckenboden- und Bauchmuskeln nach unten bzw. außen. Vermeiden Sie daher eine Pressatmung, massives Husten und Niesen (vor allem in gekrümmter Haltung), starkes Pressen beim Toilettengang, gerades Hochkommen aus der Rückenlage und sportliche Belastung.
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Signale, die auf eine Überbelastung Ihrer Körpermitte hinweisen, sind starke, nicht nachlassende Schmerzen im Bereich des Nackens, der Wirbelsäule, des Beckens und Unterleibs sowie ein unangenehmes Druck- oder Störgefühl im Unterleib.
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Bei Auffälligkeiten halten Sie bitte Rücksprache mit Ihrem Therapeuten, Arzt oder Ihrer Hebamme.
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Übungen für die Regenerationsphase
Sanfte Beckenbodenschulung im Wochenbett
Aktivieren der untersten Beckenbodenschicht
Beginnen Sie mit der untersten Muskelschicht des Beckenbodens (= Schließ- und Schwellkörpermuskeln), die die Scheide und den After wie eine Acht umschließt. Diese Beckenbodenmuskeln sind am leichtesten zu erspüren. Verschließen Sie beide Körperöffnungen, als würden Sie zwei kleine Schwämme mit den Schließmuskeln vorsichtig auswringen. Ausatmung: Körperöffnungen verschließen. Einatmung: Spannung lösen. Wiederholen Sie die Übung so lange, bis Sie ein gutes Gefühl für Ihre unterste Beckenbodenetage entwickelt haben.
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Aktivieren der mittleren Beckenbodenschicht
Die mittlere Schicht verbindet die beiden Sitzhöcker. Wackeln Sie bei gerader Haltung auf dem Stuhl hin und her, dann fühlen Sie die Sitzhöcker. Stellen Sie sich vor, wie Sie diese zueinanderziehen. Dabei bewegt sich kaum etwas, aber Sie spüren eine leichte Spannung zwischen den Sitzhöckern. Ausatmung: Sitzhöcker zusammenziehen. Einatmung: Sitzhöcker werden schwer und streben auseinander. Wichtig: Lassen Sie Ihre Gesäßmuskeln locker! Wiederholen Sie die Übung fünf Mal.
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Aktivieren der obersten Beckenbodenschicht
Die oberste Schicht des Beckenbodens aktivieren Sie, indem Sie sich aufrichten und Ihren Rücken strecken. Lassen Sie Schambein und Steißbein Richtung Stuhl sinken und ziehen Sie den Scheitel Richtung Decke. Stellen Sie sich nun vor, Sie wollen Ihre Organe oder einen Tampon innerlich nach oben heben. Sie sollten dabei eine leichte Anspannung im Unterleib spüren. Ausatmung: Stellen Sie sich vor, dass Sie Ihre Organe nach oben heben. Einatmung: Organe wieder sinken lassen. Wiederholen Sie die Übung fünf Mal.
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Gemeinsames Aktivieren aller Beckenbodenschichten
Im Anschluss aktivieren Sie alle Muskelschichten zusammen. Ausatmung: Körperöffnungen verschließen, beide Sitzhöcker zueinanderziehen, Rücken strecken und innerlich einen Tampon nach oben ziehen. Dabei Spannung und Halt in der Körpermitte spüren. Einatmung: Rücken entspannen (ohne dabei rund zu werden), Sitzhöcker auseinanderdriften lassen und Körperöffnungen lockern. Spüren Sie nach, wie die Spannung in der Körpermitte nachlässt! Wiederholen Sie die Übung fünf Mal.
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Basisübungen für die Körpermitte (2.–6. Woche)
Nachdem gewährleistet ist, dass die Frau ihren Beckenboden korrekt anzuspannen kann, darf sie mit den Basisübungen für die Regeneration ihrer Körpermitte beginnen. Dabei sollte sie stets durch die Nase ein- und durch den Mund ausatmen.
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Übungen für die Rückbildungsphase
Rückbildungsübung Level 1 (7.–10. Woche)
Nachdem die Frau die Körpermitte im Wochenbett mittels sanfter Beckenbodenschulung und der Basisübungen regeneriert hat, kann sie ab der 7. Woche mit den Rückbildungsübungen Level 1 beginnen.
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Rückbildungsübungen Level 2 (11.–16. Woche)
Schrittweise kann die Frau nun ihr Training mit den Level-2-Übungen steigern. Insgesamt sollte das Rückbildungsprogramm (Level 1 und 2) mindestens 10 Wochen andauern.
Dieser Artikel basiert auf der Erstveröffentlichung der Autorin: Wiechers V. Mama-Workout. Physiopraxis 2017; 9: 37-41.
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